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Das Gebiet und die Metropole des Holocaust

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Das Areal des Holocaust folgt in seinen Umrissen exakt dem Frontverlauf des Zweiten Weltkriegs auf dem europäischen Kontinent. Beherzt jagten und töteten die Kriegs- und Straforgane des Dritten Reichs und ihre zahlreichen Hilfswilligen die Juden überall in den besetzten Gebieten von Lappland bis Kreta, von Amsterdam bis Naltschik. Wären Rommels Panzer in den Sanddünen bei El Alamein nicht gestoppt worden, sondern in den Osten nach Jerusalem vorgestoßen, hätten die „Einsatzgruppen“ ihrem Ruf sicherlich alle Ehre gemacht: Sie standen ja schon in Griechenland16 bereit und warteten nur auf den Marschbefehl …

Die inoffizielle Hauptstadt dieses auf Menschenhass gebauten Imperiums war das Konzentrationslager in Auschwitz, dem heutigen Oświęcim (im Jiddischen auch Oyshvits oder Uspitzyn genannt). Ein SS-Offizier17 nannte diesen Ort in aller Ehrlichkeit „Anus Mundi“ – „After der Welt“. Später würde man Auschwitz-Birkenau Namen geben, die bis dato jenseits menschlicher Vorstellungen gelegen hatten: „Vernichtungslager“, „Todesfabrik“, „Todesmühle“. Es würde Bezeichnungen für diesen Ort geben, die ganze Zeitepochen begründen, die die Menschheitsgeschichte in eine Zeit vor und eine nach Auschwitz teilen – wobei es sich für die Zeit danach nicht mehr ziemen sollte, zu dichten.

Wenn man Birkenau heute besucht, hält man beim Anblick der Stufen der Gaskammern, der Ruinen der Krematorien und der Bäume, die alles und jeden gesehen haben, unweigerlich den Atem an. Wenn man den Bogen des Lagertors hinter sich lässt und aus dieser Todesresidenz, dieser Welt der Mörder und Henker endlich hinaustritt, bleibt man intuitiv stehen, um die Lungen die entgegenströmende Luft aufnehmen zu lassen, um zu sich zu kommen. Wie nett und gemütlich dagegen doch das alte Inferno in Zeiten von Orpheus und Dante war …

Vom teuflischen Fluch, der auf diesem Ort lastet, handelt eine Legende, die man durchaus als herzerweichend lesen könnte, wären da nicht der Horror und das Entsetzen, die sich hinter ihr verbergen. Es ist die Geschichte von Aleks „Storch“ aus Auschwitz, ein echtes chassidisches Gleichnis.

Gestoßen bin ich auf diese Erzählung bei der Lektüre eines Buches von Heinrich Schönker, dem Sohn von Leon Schönker, dem letzten Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Auschwitz vor dem Krieg und dem ersten Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Oświęcim nach dem Krieg. Er war der einzige Jude, der versuchte, gewissenlosen polnischen Marodeuren jüdische Handschriften abzukaufen, die diese aus der Erde an den Krematorien ausgegraben hatten:

„Ich spielte oft am Fluss Sola und traf dort einen geistig zurückgebliebenen Jungen, der etwas älter war als ich, vielleicht elf Jahre alt. Er hieß Aleks, aber alle nannten ihn ‚Storch‘. Wenn man ihm eine kleine Münze gab, stellte er sich auf ein Bein, verdrehte die Hände, als seien es Flügel, schürzte seine Lippen zu einem Schnabel und ließ mit kreischender Stimme Vogellaute hören. Gab man ihm eine größere Münze, so tanzte er in dieser Position. Alle lachten, ‚Storch‘ auch, obwohl mich sein Gesicht eher an eine traurige Grimasse erinnerte. […]

Aleks saß stundenlang, mitunter sogar ganze Tage an der Sola und beobachtete die Vögel am Himmel. Er sagte selten etwas, und wenn, dann nur unverständliche Worte ohne Zusammenhang. Unsere Freundschaft beruhte auf zwei Stückchen Brot mit Butter, die ich ihm jeden Morgen brachte. […] Eines Tages drehte er sich plötzlich zu mir, wies mit der Hand auf die andere Seite des Flusses und sagte mit völlig normaler Stimme: ‚Dort in Zasole bauen die Deutschen Kamine und verbrennen alle Kinder Abrahams.‘ […] ‚Woher weißt du das?‘, fragte ich bang. ‚Die Vögel haben mir davon erzählt‘, antwortete er und umfasste mich fester, so als wolle er mich vor einer unsichtbaren Gefahr beschützen. […] ‚Sie haben mir gesagt, dass es hier verbrannt riechen wird und dass sie mich verlassen müssen.‘

[…] Ich wollte ihn noch etwas fragen, aber seine Augen trübten sich. Er hatte den Kontakt zur Welt wieder verloren. Das war im Winter 1939/40.“18

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