Читать книгу Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett - Страница 44
5.
ОглавлениеDer Ranchboss sprach genau das aus, was auch Dan befürchtete. Man hatte keine Minute Zeit zu verlieren. Das Pferd wurde schnellstens eingefangen, und wenig später saß Dan auf Blacky und der Rancher auf dem frischen Pferd.
Es war nicht schwer, die Fährte aufzunehmen, die die Schaufelbrand-Crew hinterlassen hatte. Sie war frisch und gut zu lesen. Die Besorgnis, die sich auf Rüdigers Gesicht zeigte, steckte auch Dan an. Sie ritten schnell und schweigsam. Vorhütten deuteten an, dass man in das Rinderland kam. Dans Begleiter bestätigte es und sagte:
„Hier beginnt mein Reich.“ Die Worte waren voller Stolz geäußert worden. Der Reitwind riss ihm die Worte vom Munde.
Dan nickte nur. Er musste an seine Jugend und an seinen Vater denken, an die Ranch, die ihm Heimat gewesen war. Wie lange aber war das Reich seines Vaters geblieben. Bitterkeit stieg in ihm hoch, es schmeckte gallig auf der Zunge. Die Sehnsucht nach der Heimat in Texas wurde immer stärker in ihm. Jetzt war allerdings keine Zeit dafür, sich in Gefühlen zu verlieren, jetzt galt es, zwei Kameraden zu helfen. Hoffentlich kam man nicht zu spät. In Rüdigers Hand lag jetzt die Entscheidung. Wenn er nun bei dem scharfen Ritt stürzen und zu Schaden kommen würde?
Dan beobachtete Rüdiger besorgt, doch Frank Rüdiger war ein guter Reiter, wie es nicht anders zu erwarten war. Er schien im Sattel geboren zu sein. Reiter und Pferd bildeten eine Einheit. Er schien weder Müdigkeit noch Erschöpfung zu kennen. Bald aber zeigte es sich, dass die Pferde eine Atempause brauchten.
„Weiter“, sagte Rüdiger hart, „sie müssen durchhalten!“
Man gönnte den Pferden also keine Entspannung, sie mussten hergeben, was in ihnen war. Es ging um Menschenleben.
Rüdiger kannte seine harte Mannschaft, jene Männer, die nicht einmal beim Anrücken der US Kavallerie nervös geworden waren. Sie hatten den Blauröcken einen Kampf geliefert, von dem man sich noch lange erzählen würde.
Für Pferdediebe aber gab es keinen Pardon.
„Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal ein Pferd zuschanden reiten würde, nur um Pferdediebe zu begnadigen“, rief Rüdiger seinem jungen Partner zu. „Wenn es mir gelingt, sind wir quitt, Dan Flemming, wir sind uns dann nichts mehr schuldig.“
„So kann nur ein Geschäftsmann sprechen, Rüdiger“, erwiderte Dan. „Ich habe nichts hinzuzufügen, Rancher.“
Wie geschäftstüchtig das klang: Leben gegen Leben! Für Dan war Rüdiger nach diesen Worten nicht mehr der Kamerad, für den er ihn vor Aufnahme des Rittes gehalten hatte. Der nüchterne Geschäftssinn schreckte Dan ab und schockierte ihn. Er bekam Zweifel. Wer war dieser Frank Rüdiger wirklich, der der Boss der Schaufelbrand-Ranch und Anführer der Siedlerbanden war, die ins Land eingefallen waren? Konnte ein Mensch von einer Schuld sprechen, wenn es um Menschenleben ging?
Mit Menschenleben durfte man nicht handeln, als wären sie eine x-beliebige Ware.
„Rauch“, sagte Rüdiger in das dumpfe Schweigen hinein, das sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. „Sie sind in der Nähe.“
Jetzt ritten sie durch einen Birkenwald, in dem das lichte Laub von Sonnenstrahlen durchflutet wurde und die Stämme der Bäume gleich weiß gestrichenen schlanken Säulen sich gen Himmel reckten. Auch hier war das Gelände sehr wellig und die Sicht durch niedrige Buschgruppen zwischen den Birken eingeengt.
Dan erblickte als erster das Lasso, das über einem starken Ast hing. Dann waren hinter einem Busch Stimmen zu hören. Mit einem Blick hatte Dan erkannt, dass das Lasso schlaff herunterhing. Diese Tatsache ließ ihn erleichtert auf atmen. Doch schon im nächsten Moment durchzuckte es ihn siedend heiss, denn das Lasso spannte sich. Er riss seinen 45er Colt aus dem Holster und feuerte ihn in die Luft ab. Die Entfernung zum Lasso mochte dreißig Schritt betragen. Rüdiger, der das Lasso ebenfalls erblickt hatte und annahm, dass Dan Flemming zur Warnung schoss, sah, dass die Kugel aus Dan Flemmings Revolver das Lasso traf und es durchhieb, als wäre es von einem Messer zerschnitten worden. Ein wütendes Gebrüll drang als Reaktion hinter den Büschen hervor. Im nächsten Augenblick brach und barst es, Zweige teilten sich. Dann brachen sie hervor, die Männer der Schaufelbrand-Crew, etwa ein Dutzend an der Zahl.
Die Waffen der Männer wurde nicht abgefeuert. Sie erkannten ihren Boss und stutzten. Man sah deutlich, dass sie nicht recht wussten, wie sie sich zu verhalten hatten.
„Ohne dich, Boss, wäre jetzt bereits einer der Pferdediebe auf der langen Reise“, sagte ein langer, dünner Mann mit tiefer Bassstimme. „Wir haben die Pferdediebe, Boss, und wenn Sie nur der Schufte wegen die Reise unterbrachen, hätten Sie sich das ersparen können. Wir sind dabei, den Halunken die wohlverdiente Strafe angedeihen zu lassen.“
„Wer sagt euch, dass es Pferdediebe sind?“, wandte Rüdiger sich an seinen Vormann.
Einer der Männer trat vor.
„Ich irre mich nicht, Boss. Ich habe die Schufte gleich wiedererkannt, und sie waren geständig. Man braucht die beiden nur anzusehen, um zu wissen, dass sie für jede Untat zu haben sind. Sie haben nicht die geringste Reue gezeigt und wollten mit einem bösen Lachen der Welt so long sagen. Angespuckt haben sie uns auch noch dazu. Es sind wahre Teufel, Boss!“
„Die einen Auftrag hatten! Seht her, dort steht Blacky!“
Nun, das hätte der Boss nicht erst zu sagen brauchen. Alle Mann hatten bereits runde Augen bekommen, als sie Blacky erblickt hatten und auf seinem Rücken Dan, dessen 45er Colt noch rauchte und fest in seinen Händen lag.
„Die beiden Gents, Boys, sind keine Pferdediebe.“
„Ich will auf der Stelle selbst hängen, wenn das stimmt, Boss“, meldete sich der Cowboy, der die beiden Männer als die Pferdediebe wiedererkannt hatte.
„Ich würde dir raten, Amb, mich nicht der Lüge zu bezichtigen!“, unterbrach ihn Rüdiger scharf. „Dan Flemmings Freunde können jederzeit den Rappwallach für ihn holen. Das ist recht und billig so, denn der Rappe gehört ihm, Dan Flemming.“
„Boss, wenn dieser Flemming Sie unter Druck setzte, dann .. . dann sagen Sie es uns!“, fauchte
der Vormann der Schaufelbrand-Crew. „Haben Sie sich von seinem Revolver einschüchtern lassen, Boss? Wenn er Ihnen ein Versprechen abnahm, jetzt brauchen Sie es ihm nicht mehr zu halten. Er geht mit seinen beiden Freunden auf die lange Reise.“ Rüdiger schüttelte den Kopf.
„Ihr schätzt die Lage falsch ein, Männer“, sagte er. „Mich hat bisher noch niemand zwingen können, doch heute morgen, beim Tagesanbruch, wäre es beinahe geschehen. Hannigan und seine beiden Revolverleute hatten mich gestellt, und das Leben meines Sohnes und meins wären zu Ende gewesen, wenn nicht Flemming sozusagen in letzter Sekunde auf dem Plan erschienen wäre. Holt die Millard Brüder und entschuldigt euch bei ihnen. Das ist ein Befehl!“
Die Cowboys sahen sich bedrückt an. Der Vormann machte als erster kehrt und sagte im Gehen über die Schulter gewandt:
„Das ist schlimmer als ein Kreuzgang. Lieber möchte ich ohne Wasser quer durch die Nevadawüste reiten, als mich bei den beiden Riesen entschuldigen, denn wer wie wir mit ihnen zu tun hatte, wird immer daran denken.“
Die beiden Brüder waren wohlauf. Weder der eine noch der andere hatten um Gnade gefleht, als es ihnen an den Kragen gehen sollte.
„Mit dir haben wir allerdings nicht mehr gerechnet“, sagte Paul Millard. „Mir war aber sofort klar, wer das schon gestraffte Lasso so zielsicher durchschossen hatte. In einer Art sind wir froh, dass du noch im Lande bist, denn das verlängert unsere lustige Zeit auf Erden ein wenig. Unsere Freunde, die Rohhäuter, sind nicht mehr gut auf uns zu sprechen. Sie haben uns sozusagen die Gastfreundschaft gekündigt. Nun, das ist weiter nicht tragisch, alles geht einmal zu Ende. Freundschaft, Liebe, Glück und Unglück, alles ist im Fluss. Einmal ist man oben und dann wieder unten.“
Auch Lee Millard hatte etwas zu sagen. Ihn störten die Männer der Schaufelbrand-Crew und auch der Boss nicht.
„Danke, Kleiner, und auch Dank Ihnen, Rancher.“
„Die Männer haben euch beiden stark eingeheizt?“
„Es war die reinste Freude zu zeigen, wie gut wir in Form waren, Mister Rüdiger. Leider kamen Ihre Boys bei der Abrechnung mit den Rohhäutern dazwischen, und dann ging uns die Munition aus.“
„Ich könnte Männer eures Schlages gebrauchen!“
„Angebote dieser Art bekamen mein Bruder und ich nur zu oft, Mister Rüdiger. Wir sind daran gewöhnt abzusagen. Uns reizt weder Revolverlohn noch als Sonderreiter in einer Crew zu reiten. Wir machen auch nicht gern auf zweibeiniges Raubwild Jagd. Wozu auch? Es gibt nur Ärger und Verdruss, und am Schluss fragt man sich, weshalb man sich eigentlich gebunden hat. Wir beide finden das freie Leben in dieser Welt zu schön, als dass wir uns binden möchten. Wir müssen auch in Kauf nehmen, dass wir sie einmal überraschend schnell verlassen müssen. Nun gut, wenn die Zeit dazu da ist, dann hat es eben sollen sein, aber man hat den Tag genossen, man hat den blauen Himmel und die Ferne gesehen, die Gräser, Bäume und Blumen. Man hat alles in Ruhe betrachten können, ohne von irgendeinem Auftrag gehetzt zu werden. Das alles, Rancher, zählt bei uns beiden mehr als Dollars und ein sogenanntes geregeltes Leben.“
„Millard, eines Tages werden Sie alt sein, eines Tages könnten Sie sich nach einem geruhsamen Leben sehnen. Das können Sie aber nur, wenn Sie sich etwas für das Alter zurücklegen.“
„Wir beide fürchten das Alter nicht. Die Sonne scheint auch im Alter, und der Wind weht, wann er will. Wer weiß, wie viele Tage, Wochen oder Monate uns noch gegeben sind. Niemand hat eine Garantie darauf, Sie nicht und ich nicht. Nur hoffnungsselige Menschen glauben, dass sie lange leben und raffen alles zusammen, um im Alter keine Not zu leiden. Aber erfüllt es sich wirklich? Niemand weiß es, niemand kann in die Zukunft sehen.“
„Bei dieser Einstellung zum Leben werden Sie es nie zu etwas bringen“, unterbrach ihn der Rancher.
„Wozu auch? Der Anerkennung wegen? Die hat uns nie reizen können. Wir ziehen vor jemand, der es zu etwas gebracht hat, nur den Hut, wenn er in seinem innersten Kern noch nicht von Raffsucht und Egoismus verdorben ist. Mein Bruder und ich sind durch gutes Zureden nicht zu ändern, Rancher.“
„Ich hätte euch beiden und Dan Flemming gern behalten“, erwiderte Frank Rüdiger und gab den beiden Männern die Hand. „Männer wir ihr fehlen in diesem Lande. Aber niemand kann euch zwingen zu bleiben. Ihr seid wie die Schatten, die mit der Sonne kommen und in der Nacht verschwinden.“
„Als Schatten empfinden uns die Menschen, die nicht so sind wie wir, Rancher. Man hält uns für recht düstere Gesellen. Wenn Sie es nicht glauben wollen, sehen Sie nur in die Gesichter der Männer Ihrer Crew hinein, dann sehen Sie es deutlich.“
„Millard, was müssen Sie für bittere Erfahrungen in diesem Leben gesammelt haben, dass Sie so sprechen!“
„Eine Menge, Ranchboss“, erwiderte Paul. „Wenn wir Ihrem Wunsch nachgeben und bleiben würden, hätten wir bald die ganze Crew gegen uns. Wir würden gezwungen sein, ihnen klarzumachen, dass wir keine Steinzeitmenschen sind, sondern genau so friedfertig sind wie sie. Das würde eine Menge Arbeit zusätzlich für uns sein. Aus all diesen Erwägungen heraus wollen wir lieber allein sein.“
„Allein?“, mischte Dan Flemming sich jetzt ein. „Wir reiten doch zusammen nach Texas weiter, oder...?“
„Nein, Kleiner“, entschied sich jetzt Paul Millard. „Unsere Wege trennen sich. Es ist möglich, dass wir uns irgendwann einmal begegnen, wer kann das schon sagen? Die Welt, so groß sie auch
sein mag, ist für Langreiter doch noch sehr klein. Mein Bruder Lee und ich wollen allein sein.“
Nun, Dan hatte nichts dagegen einzuwenden. Die Sorge um Ann Palmer beschäftigte ihn mehr. Er sprach von dieser Sorge.
Der Rancher sagte:
„Was in meinen Kräften steht, werde ich tun, um dieser jungen Frau zu helfen. Meine Männer werden nach ihr suchen, und wenn sie sie finden, wird sie nicht zum Rohhäuterlager gebracht. Sie müsste sich selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen muss. Wenn ihr das Leben an der Seite eines alten Mannes unerträglich wurde, wenn er sie tyrannisiert und wie eine Sklavin hält, hat sie ein Recht darauf, die Ehe zu lösen und sich ihren eigenen Lebensweg zu suchen. Ich werde sie zu finden wissen, und was den Schaden an der Pferdewechselstation betrifft, so werde ich für ihn auf kommen.“
„Rüdiger, ich werde das nie wiedergutmachen können“, sagte Dan.
Der Rancher winkte ab.
„Ich bin euer Freund“, sagte er zu Dan und den Millardbrüdern gewandt. „Das gilt nicht für den Augenblick und ist nicht aus einer Augenblickslaune heraus geboren. Wenn immer von euch einer in Not ist, ihr könnt auf mich zählen.“
Alle drei waren von diesem wirklich herzlichen Angebot überrascht. Einen Augenblick sahen sie sich wortlos an, dann war es Paul, der dem Rancher die Rechte entgegenstreckte und mit einem Händedruck dieses Versprechen besiegelte. Dan und Lee folgten seinem Beispiel.
„Das gilt auch für uns“, sagte der Vormann der Schaufelbrand-Crew, der nun endlich sein Misstrauen gegen die beiden Brüder und auch Dan Flemming überwunden hatte. Sicherlich sagte er das nicht aus einem Abhängigkeitsgefühl dem Boss gegenüber, sondern aus eigener Anschauung heraus. Alle drei, so mochte er annehmen, würden davon reiten, und man würde sie wohl nicht mehr sehen im Leben. Solchen Leuten konnte man unbesorgt ein Freundschaftsversprechen geben. Sicherlich würden sie sich nie darauf berufen.
Die Männer der Schaufelranch-Crew grinsten. Sie glaubten ihren Boss verstanden zu haben. dass er es ernst meinen könnte, fiel keinem von ihnen ein. Sie folgten ihrem Vormann und bekräftigten das Versprechen wie er mit einem Händedruck.
Wenig später hatten die Brüder ihre Pferde und Habseligkeiten wieder. Zusammen mit Dan, der den Rappen als Geschenk erhalten hatte, trennten sie sich von dem Ranchboss. Als sie außer Hörweite waren, sagte Paul zu seinen beiden Begleitern: „Jetzt kann ich es ja sagen. Es war mir recht ungemütlich unter der Krawatte geworden. Mein Hemd ist auch jetzt noch nicht wieder vom Schweiß getrocknet. Ich wähnte mich schon im Himmel.“
„Dorthin wärst du nie gekommen“, unterbrach Lee ihn trocken. „Wenn dich jemand nach dem Tode erwartet, dann ist es der Teufel, und vielleicht will der uns nicht einmal haben.“
Ein befreiendes Lachen kam von den Lippen der drei Männer.
„Wir werden wohl kaum einen von ihnen je sehen“, sagte Paul auf die Männer der zurückgebliebenen Schaufelbrand-Crew deutend. „Sie gehören zu der Sorte von Menschen, die feste Wechsel haben und über ein bestimmtes Revier nicht hinauskommen. Sie fühlen sich sehr wohl in einer Umgebung, die ihnen täglich dasselbe Bild bietet. Was wissen die armen Burschen von der Wüste? Sie würden sie schrecklich finden. Was wissen sie von den hohen Bergen? Sie würden sie langweilig, vielleicht auch abstoßend finden. Sie lieben nur ihr Hügelland, Wald, Wasser und Weide und fette Rinder. Tagaus, tagein reiten sie die gleichen Reitwege. Bewahre dich davor, Freund Dan, und bleibe nicht zu lange in Texas.“
„Woher wisst ihr, dass ich das will?“
„Im Rohhäuterlager hast du immer wieder im Schlaf gesprochen, mein Junge“, sagte Lee grinsend. „Ich bin sicher, dass nicht nur wir beide dich belauscht haben und genau wissen, woher du aus Texas stammst. Gehe der Erinnerung nach, und du wirst finden, dass die Erinnerung schmerzt und weh tut. Bete am Grabe deines Vaters und schau dir die Weiden an, auf denen du als Junge geritten bist. Gib dich keinem zu erkennen, sei äußerst vorsichtig, denn du bist noch nicht rehabilitiert. Noch wirst du vom Gesetz gesucht.“
„Ich hätte euch gern in meiner Begleitung gehabt.“
„Gewiss, das glauben wir. Du würdest uns immer wieder von Ann erzählen, das brennt dir doch auf der Zunge?“, sagte Paul während des Rittes vom Sattel her.
Dan fuhr erschrocken zusammen, erkannte er doch, dass sie tief in ihn hineingeschaut hatten. Er
schien für sie eine körperliche Hülle aus Glas und nicht aus Fleisch und Blut zu haben.
„Dein Geheimnis brennt in deinen Augen, Kleiner“, sagte Lee. „Jetzt, da du glaubst, dass sie für dich frei sein könnte, macht es dich unruhig. Noch mehr aber bedrängt es dich, dass sie allein auf der Flucht ist, eine Frau, eine sehr schöne Frau, an der kein Mann vorbeisehen kann. Begreifst du jetzt, warum es einen solchen Wirbel gab, als sie dich dem Alten vorzog? Es war viel Neid der anderen Männer im Rohhäuterlager dabei, der Neid derer, die selbst geheime Wünsche hatten und in Ann verliebt waren, die aber doch erkennen mussten, dass sie nur dich liebte. Ann fühlte sicher deine Aufrichtigkeit. Sie hat mit echt weiblichem Instinkt sich jemand erwählt, der innerlich stark und gerade ist. Das alles wirst du aber noch nicht begreifen können, du wirst es erst verstehen lernen müssen. Ich bin sicher, dass du deine Augen offen halten und aus deinen Lektionen lernen wirst.“
Nach dieser langen Rede lachte Lee leise in sich hinein. Dan aber wagte nicht von Ann zu sprechen. Er schämte sich, dass er eine Frau liebte, die einem anderen gehörte. So sehr er aber auch gegen sein Gefühl ankämpfte und sich sagte, dass es unrecht sei, er konnte das Gefühl nicht aus dem Herzen reißen.
Ich bin ein Schurke, dachte er. Jetzt wünschte ich, ich wäre nicht abweisend zu ihr gewesen, ich hätte sie in die Arme genommen und geküsst. Dass ich es nicht tat, dass ich es versäumte, wird mir nun immer als eine Unterlassungssünde erscheinen. Wo du auch immer sein magst, Ann, meine Gedanken werden ständig bei dir sein. Du hast mir ein Feuer ins Herz gesenkt, das aufflammte und nun immer stärker brennt. Wenn es eine Sünde ist, dann bin ich ein Sünder, denn ich kann dieses Feuer in mir nicht löschen. Ich will es weiter brennen lassen, wenn wir uns auch nie wieder im Leben sehen sollten, Ann.
Niemand würde ihm sagen können, wo Ann jetzt war. Er musste sie ihrem Schicksal überlassen und konnte nur hoffen, dass Rancher Frank Rüdiger sein Versprechen halten und Ann helfen würde.
„Ihr beide würdet wohl nicht noch einmal ein Pferd für mich stehlen, wie?“, sagte Dan aus seinen Gedanken heraus zu seinen Begleitern.
Paul hob überrascht den Kopf, sein Kinn streckte sich vor und ein Lachen umspielte seine Mundwinkel.
„Du irrst“, erwiderte er gelassen. „Was glaubst du, Lee?“, wandte er sich an seinen Bruder.
„Der junge Mann will uns bluffen, Paul“, antwortete Lee ruhig. „Selbstverständlich würden wir dir jedes fremde Pferd von der Weide holen, mein Junge, selbst wenn es Kopf und Kragen kosten sollte. Wir ändern uns nicht, und das ist gut so. Mach dir also keine Sorgen, Freund. Es ist alles gutgegangen, und du bist zu einem Prachtpferd gekommen, um das man dich beneiden könnte. Jetzt gehört es dir wirklich, und damit hast du einen Besitz, der dich vielen anderen Pferdehaltern überlegen macht.“
Der Ritt wurde in südlicher Richtung fortgesetzt. Weit vor ihnen, hinter den Kiamichi Mountains und seinen bezaubernden Hügeln, Wäldern und Bächen musste der Red River liegen, der die natürliche Grenze zwischen Oklahoma und Texas bildete.
Gegen Abend hatte der kleine Reitertrupp viele Meilen zurückgelegt und ging in ein Lager, das vorher ausgesucht worden war, das ganz den Wünschen der Reiter entsprach, die schließlich um ihre Sicherheit bedacht waren und dafür sorgen mussten, dass sie in der Nacht nicht überrascht wurden.
„Heute ist bei den Cherokesen das Fest des Heiligen Feuers“, sagte Paul, als sie den Pferden die Packen abgenommen, sie getränkt, gefüttert und angehobbelt hatten. An einem kleinen Feuer kochten sie ab. „Diese Zeremonie soll, wie man sagt, schon über zweitausend Jahre alt sein. Ich selbst habe das Fest noch nicht erlebt, aber ich habe schon viel davon erzählen hören.“
„Wir sind bis jetzt keiner Rothaut begegnet, und das ist mehr Glück, als wir erhoffen konnten, Paul“, sagte der Bruder. „Mit den Arapahoes und den Comanchen, die in Oklahoma leben, ist nicht gut Kirschen essen. Die Comanchen gehören zu den verschlagensten Indianern des Kontinents. Sie sind die besten Pferdediebe. Von ihnen, Dan, haben wir gelernt, wie man sich die fremden Pferde so unauffällig wie möglich von der Weide holt, denn bevor wir uns den Rohhäutern anschlossen, lebten wir bei den Comanchen.“
„Ja, die Schwierigkeit kam dann, als man uns unbedingt verheiraten wollte“, fuhr Paul fort. „Einige hübsche Squaws wollten versorgt sein, und da man wusste, dass wir einigermaßen gute Jäger waren, rechneten sie sich aus, dass sie nicht schlecht dabei abschneiden würden. Wir haben heimlich, still und leise den Rückzug vorbereitet und sind unseren treuen roten Freunden bei Nacht und Nebel entwischt. Vielleicht sucht man immer noch nach uns.“
Paul lachte und blickte in das Feuer hinein. Das Wasser in dem über der Feuerung hängenden Kessel fing an zu kochen.
Man hatte gegessen und den Hunger gestillt. Über den Männern breitete sich ein klarer Sternenhimmel aus. Die Männer lagen lange wach und hingen ihren Gedanken nach, doch keiner sprach mehr. Es schien, als bedrücke der Abschied diese drei Menschen, die im Alter und Wesen so völlig verschieden waren. Das Band der Freundschaft, das echt und stark war, ließ sie schweigen und mit offenen Augen zum Himmel blicken, wo der Wind über ihnen kleine Wolken vor sich hertrieb, dass hin und wieder das Mond und Sternenlicht verlöschte. Sie hatten keine Wachen ausgestellt. In diesem Gebiet kreuzten nur selten Indianer auf. Die Boomers hatten dieses Gebiet in Besitz genommen und die Indianer nach Norden abgedrängt. Es gab bereits viele kleine und große Ranchen in diesem Territorium und einige kleinere Rinderstädte, in denen es rau zuging. Es gab hier Raubrancher, die Treibherden, die nach Kansas wollten, nur bei Entrichtung von Zoll über die Weiden ließen. Nicht selten besaß ein solcher Raubrancher an einer Stelle eine Flussbrücke, bei deren Benutzung er eine Brückensteuer erhob.
Am Mittag des anderen Tages sahen die drei Reiter eine solche Flussbrücke vor sich auftauchen. Schon von weitem konnten sie die stark bewachte Brückenwächtermannschaft ausmachen.
„Drei Mann“, sagte Paul, „alles hartgesichtige Burschen. Wir werden sie uns einmal aus der Nähe ansehen. Ich fürchte, dass sie uns einige Dollar aus der Tasche ziehen wollen.“
Paul Millard brauchte nicht erst hinzuzufügen, dass man sehr wachsam sein musste. Seine beiden Begleiter betrachteten wie er die an dem Brückenende errichtete Hütte, die aus festen Bohlen gefügt war und einer kleinen Festung glich. Der Fluss, das zeigte sich bald, war nicht allzu breit, doch strömte er mit elementarer Wucht durch sein Bett. Schaum und Gischt spritzte an den beiden Steilufern auf.
Alle drei ritten ruhig weiter. Je näher sie kamen, um so aufmerksamer wurde die Brückenmannschaft. Als sie in Schussnähe waren, tauchten die Wächter in der Hütte unter und gingen in Deckung.
„Freundliche Leute“, sagte Lee trocken. „Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich sie für Banditen und Wegelagerer halte. Es fehlte nur noch, dass sie sich die Gesichter schwärzten.“
Nun, das war nicht der Fall. Auch ohne Gesichtsschwärze waren die Gesichter der Kerle keineswegs erbaulich anzuschauen.
„Haltet an“, sagte einer der Kerle. „Wer hier über den Fluss will, muss zahlen!“
„Freund, vielleicht wollten wir uns nur die Brücke ansehen und ihre Konstruktion bewundern“, erwiderte Lee dem Sprecher. „Ich bin Ingenieur und habe eine Schwäche für Brücken. Die schönsten sollen über den Red River geschlagen worden sein. Dort soll es bereits die ersten großen Stahlbrücken geben. Das Ansehen ist doch erlaubt, oder...?“
Sie hatten ihre Pferde angehalten und saßen wie gelangweilt im Sattel. Sie mochten den Brückenwächtern ein Rätsel aufgeben, denn obwohl die hier wohl allerlei Seltsames erlebten, war es doch wohl noch nicht vorgekommen, dass ein Ingenieur hergeritten kam, um ihre selbst gebaute Holzbrücke zu besichtigen, die wahrhaftig alles andere als reizvoll und schön war, sondern ein Ungetüm aus Brettern und Balken darstellte.
„Auch das Besichtigen kostet Geld“, sagte der Sprecher der Hartgesottenen, als er sich von seiner Verblüffung erholt hatte. „Wenn ihr kein Geld habt, dann zieht weiter, versucht den Fluss mit euren Pferden zu durchschwimmen. Auf viele Meilen hin ist der River so reißend, dass es euch wohl kaum gelingen wird. Wenn ihr also keinen weiten Umweg reiten wollt, dann zahlt!“
„Wie viel?“, fragte Paul Millard.
„Für jeden mit Pferd dreißig Dollar“, wurde ihm erwidert. „Das Besichtigen unserer Brücke ist im Preis eingeschlossen.“
By Gosh, das war eine mehr als unverschämte Forderung! Deutlicher konnten sie es wahrhaftig nicht zeigen, dass sie zu der ehrenwerten Zunft der Banditen gehörten. Der Preis von einem Dollar war üblich, aber dreißig Dollar?
„Wir haben keine Kompanie Männer mit Pferden mitgebracht“, sagte Lee und schaute sich um. „Reiten wir!“
Er gab das Zeichen zum Weiterritt, doch der Sprecher der Brückenmannschaft forderte:
„Bleibt, wo ihr seid! Wir kassieren für die bereits erfolgte Besichtigung von jedem fünfzehn Dollar. So kommt ihr Kerle uns nicht davon!“
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als die drei Reiter wie auf ein geheimes Kommando hin von den Pferden glitten und sich in die Büsche warfen, die seitlich von ihnen standen und die sie nicht ohne Absicht angesteuert hatten. Alle drei hatten nur zu gut begriffen, dass sie die Herausforderung annehmen mussten, dass es für sie keine Möglichkeit zum Zurückreiten gab.
Die betonte Lässigkeit der drei Reiter hatte die Wächter getäuscht, und ihr schnelles Handeln hatte sie einen Augenblick lang verblüfft.
Die Kugel, die Dan Flemming noch im Fallen aus seinem 45er Colt herausjagte, riss dem Sprecher den Stetson vom Kopf herunter. Wie durch Zauberspuk waren die drei Männer weggetaucht, und nur noch ruhig stehende Pferde mit leeren Sätteln waren zu sehen. Eine Kugel, die den Stetson des Sprechers vom Kopf des Anführers holte, das alles war zu viel auf einmal für die Banditen.
Das erklärte auch das dumpfe Schweigen, das sich in der Blockhütte ausbreitete. Nicht eine Kugel kam zurückgeflogen.
„Wir wissen Bescheid“, hörte man den Sprecher nach einer Weile wieder rufen. „Warum sagt ihr nicht gleich, dass ihr Revolvermänner seid und eine verteufelt schnelle Kugel schießt? Warum wolltet ihr uns erst narren?“
„Dan“, sagte Paul Millard leise, „ich habe mit einem schönen Feuergefecht gerechnet und nun dieses. Ich weiß manchmal nicht, warum meine geheimsten Wünsche nicht erfüllt werden. Es sieht so aus, als wollte man uns entgegenkommen und sich mit uns verständigen. — Heh, Freunde!“, rief er so laut, dass die Kerle in der Hütte ihn gut verstehen konnten, „spielen wir nun das harte Spiel oder nicht?“
„Wir sind mit einem Dollar Passiergeld zufrieden“, tönte es zurück.
„Nicht einen Dollar gibt es, Freunde! Wir haben nicht einen Buck in der Tasche und müssen die Gegend rasch wechseln. Ich denke, dass ihr Verständnis dafür habt und auch auf diesen einen Dollar verzichtet!“
„Ihr wollt nicht einmal einen Dollar bei euch haben? Lügt uns nicht an, wir sehen bei einem eurer Pferde das Schaufelbrandzeichen. Wir wissen, dass alle Leute der Ranch gut bezahlt werden.“ „Leider nicht die Leute, die sich ohne Einverständnis des Ranchers die Pferde von der Weide holen, mein Bester“, erwiderte Paul und ließ ein Lachen hören. „Wir sollten uns an einen Tisch setzen und lieber nicht aufeinander schießen.“
„Ihr habt nicht die beste Position. Es ist uns ein leichtes, eure Pferde niederzuschießen.“
„Wenn das geschieht, kommt keiner von euch lebend davon“, erwiderte Paul Millard. „Damit ihr es erkennt, wie ernst es für euch ist, werden mein Freunde und ich zusammen schießen und die Holzstange auf eurer Bude in vier Stücke zerschlagen. Ihr wisst dann, was ihr von uns zu erwarten habt.“
„Versucht es“, erwiderte der Sprecher und zeigte sich nicht mehr. Er blieb in voller Deckung wie seine Kumpane. „Wenn es euch gelingt, nun gut, wir erkennen besonders gute Schützen an. Wenn ihr es schafft, würde euch der Übergang nicht einen Cent kosten. Also los denn!“
„Er ist vernünftiger als ich dachte“, sagte Paul leise zu Dan und Lee. „Er hat sich ausgerechnet, dass drei schnell schießende Männer seiner Mannschaft schwer zu schaffen machen könnten. Er hat wohl auch eingesehen, dass sie einen Fehler begingen, indem sie uns zu nahe an die Uferböschung herankommen ließen. Er kann sich denken, dass wir nicht lange in unserer Deckung liegenbleiben
und etwas Unangenehmes für ihn und seine Männer heraufbeschwören. Der Kerl scheint etwas Phantasie zu besitzen. Ich denke, dass wir mit ihm noch weiter reden können. Jetzt zeigen wir es ihnen. Auf mein Kommando holen wir die Stange herunter. Ich nehme das erste Viertelstück, Lee das zweite und Dan das dritte. Ist alles klar?“
Paul gab das Kommando, dann schossen sie alle gleichzeitig. Die Schussdetonationen vereinten sich zu einem einzigen Donnerschlag.
Die Stange wurde von ihren Kugeln in vier gleiche Stücke geteilt. Die Teile fielen vom Dach der Blockhütte herunter und blieben vor dem Ausguck der Männer liegen. Besser hätte ein Revolverkleeblatt seine Schießkunst nicht demonstrieren können. Kein Wunder, dass nach einem bedrückenden Schweigen die Kerle in der Hütte leise berieten.
„Ihr müsst verstehen, dass wir für jeden Dienst einen Gegendienst verlangen“, sagte der Sprecher jetzt. „Wir haben lange an unserer Brücke gearbeitet, sie ist unsere Einnahmequelle. Jeder will leben, und das wollen wir auch.“
„Was wollt ihr also?“, unterbrach Paul den Sprecher. „Lasst die Katze aus dem Sack, damit wir zu Ende kommen.“
„Wir wollen euch einstellen, Freunde“, sagte der Mann jetzt ohne zu zögern. „Mit euch zusammen wären wir so stark, dass wir die Konkurrenz, die einige Meilen weiter westlich eine Brücke baut, daran hindern könnten, die Brücke zu vollenden. Bei uns seid ihr gut aufgehoben. Das Land hier wird bald dicht besiedelt sein, dann ist ein gutes Geschäft zu machen. Überlegt euch unser Angebot und entscheidet euch.“
„Lee, mir ist nicht danach zumute, unter fremder Flagge zu dienen“, sagte Paul Millard. „Diese Burschen da brauchen Leute, die ihnen mit schneller Hand einige Schwierigkeiten aus dem Wege räumen. Sollen sie selbst mit ihren Schwierigkeiten fertig werden. Vielleicht ist ihre Konkurrenz so stark, dass sie um ihren Erwerb fürchten, vielleicht haben sich auch Rancher und Siedler zusammengeschlossen, um durch einen Brückenbau diesen Wegelagerern das Handwerk zu legen. Wie dem auch sei, wir müssen handeln. Dan und Lee, versucht euch an die Hütte heranzuschleichen. Sie haben uns Zeit zum Überlegen gelassen. Während dieser Frist müssen wir sie in der Enge haben, sonst kommen wir nicht zum anderen Ufer. Also los, öffnen wir uns den Weg über die Brücke und verabschieden wir uns schnell von den Erbauern dieses herrlichen Bauwerkes.“
Lee und Dan zögerten nicht. Sie huschten davon und verschwanden aus Pauls Blickfeld. Langsam verstrichen die Minuten, und als die Frist zum Überlegen vorbei war, meldete sich der Sprecher des Vereins wieder zu Wort.
„Nun, es fiel euch doch wohl nicht schwer, euch zu entscheiden? Das Angebot ist gut, und mein Verein wird euch als vollberechtigte Mitglieder aufnehmen.“
„Wir haben uns entschlossen“, sagte Paul aus der Deckung heraus. „Ich trete zum Zeichen, dass es keinen Hinterhalt gibt, aus der Deckung heraus, und dann habt ihr mich im Visier. Dann kommt ihr aus eurer kleinen Festung heraus, und dann kommen meine beiden Freunde. Ihr müsst Verständnis dafür haben, dass wir auf Sicherheit bedacht sind. Aber das ist in unserem Berufe wohl eine Selbstverständlichkeit und die beste Lebensversicherung. Seid ihr einverstanden, Gents?“
„Wir sind es!“, wurde Paul versichert. „Tritt nur hervor, Freund!“
Was Paul jetzt tat, war ein Risiko sondergleichen, aber er musste es in Kauf nehmen. Langsam
erhob er sich und zeigte sich den Gegnern in voller Größe. Seinen Revolver hatte er mit dem Holster betont weit nach hinten geschoben. Mit einem Schnitt trat er an die Pferde heran, die ihm im Notfall Schutz geben konnten.
Seine Befürchtung, dass sein Trick durchschaut werden könnte, erwies sich zum Glück als falsch. Es zeigte sich, dass die Brücken Wegelagerer noch viel zu lernen hatten, denn sie kamen mit angeschlagenen Waffen aus dem Blockhaus heraus. Einer nach dem anderen trat ins Freie. Ihnen schien es zu genügen, dass sie einen der Gegner vor dem Eisen hatten und dass die beiden anderen in der Schussrichtung aus dem Gebüsch kommen mussten, was ihnen als kein Risiko erschien.
Sie sollten sich irren, denn kaum war der letzte von ihnen ins Freie getreten, als es sanft in ihrem Rücken ertönte:
„Lasst fallen und langt zum Himmel, Gents, dort könnt ihr euch an den Wolken festhalten!“ Die Gesichter der Übertölpelten sprachen Bände. Einer der Kerle stieß einen nicht wiederzugebenden bösen Fluch aus, ein anderer seufzte, und der dritte knirschte hörbar mit den Zähnen.
„Bei eurer Intelligenz werdet ihr bald Brücke und Einnahmequelle verlieren“, sagte Paul, der nur darauf gewartet hatte, dass die Revolver der Gegner zu Boden fielen. Blitzschnell griff er mit der eigenen Revolverhand zum Colt und brachte die Waffe in Anschlag. „In der Tat, ihr braucht wirklich neue Mannschaftsmitglieder. Ihr werdet euch beim Suchen viel Mühe geben müssen, um die richtigen zu finden. Wir sind es leider nicht, Gents, wir können wenig mit euch anfangen.“
Er lächelte den Kerlen zu und nickte wohlwollend, als Dan von sich aus in die Blockhütte ging, um sie zu inspizieren. Er kam bald wieder heraus.
„Paul, sie können wieder hinein“, sagte er zu seinem blonden Partner, „aber diesmal ohne Waffen! Los denn, Freunde, kehrt marsch und zurück in die Blockhütte!“
Dem Kleeblatt blieb nichts anderes übrig als zu gehorchen. Mit erhobenen Händen führten sie den Befehl aus. Keiner von ihnen wagte das Wort an die Gegner zu richten. Der Schreck schien ihnen so in die Glieder gefahren zu sein, dass sie die Sprache verloren zu haben schienen. Als sie in der Hütte waren, wurde der starke Außenriegel vorgeschoben. Lee war bereits dabei, die Waffen der Kerle in den Fluss zu werfen.
Wenig später stiegen die drei Männer in die Sättel und ritten an. Dumpf dröhnten die Balken der Brücke unter den Hufen der Pferde. Am anderen Ufer fanden sie die Pferde der Brückenwegelagerer in einem Seilcorral. Sie öffneten den Corral und trieben die Tiere davon. Dann ritten sie ohne Hast weiter.
„Wenn wir drei zusammenbleiben würden, wären wir stark genug, um alle Schwierigkeiten so zu lösen, dass man den Tod nicht aus der Revolvermündung zu jagen brauchte, Freunde“, sagte Dan zu den Brüdern. „Kommt mit nach Texas, ich bitte euch darum!“
„Nein, Kleiner“, erwiderte Paul sanft. „Du bist flügge geworden, du brauchst eine gewisse Zeit, um deine Entschlüsse allein zu fassen und dich zu bewähren. Du würdest dich sonst zu sehr daran gewöhnen, dass andere die Entscheidungen für dich fällen. Das würde dich in eine Art Abhängigkeitsverhältnis bringen, das dir zur lieben Gewohnheit würde. Bis zum Red River werden wir dich begleiten, dann aber musst du allein fertig werden, Dan.“
Dan gab keine Antwort. Er schwieg etwas gekränkt. Er hatte wohl stark gehofft, dass seine beiden Begleiter ihm seine Bitte nicht abschlagen würden. dass sie es dennoch taten, ließ einen bitteren Geschmack in ihm zurück. Er kam nicht auf diese Bitte zurück, doch die wenigen Tage, die er noch zusammen mit seinen Partnern verbrachte, ließen ihn erkennen, dass auch ihnen der Abschied schwer fiel. Wenn Dan ehrlich zu sich war, musste er sich eingestehen, dass es eine Freude war, an diesen herrlichen Tagen durch das Land zu reiten. Man mied Siedlungen und Ranchen. Mit jedem Tag mehr kamen sie näher an Texas heran.