Читать книгу Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett - Страница 53
14.
ОглавлениеEinige Minuten verstrichen. Das Schweigen auf der Insel vertiefte sich. Dan Flemming und Lee Millard sahen sich bedrückt an, und gerade als Lee etwas sagen wollte, meldete sich Stuart Jugens.
„Ich weiß jetzt, warum Palmer in Freiheit soll. Seine junge Frau hat es sich gewünscht und Jim will ihr damit einen Gefallen erweisen. Vor einer Frau fällt Jim in den Staub. Er hat aber die Rechnung ohne uns gemacht! Kan Palmer bleibt wo er ist, wir wollen auf seine Gesellschaft nicht verzichten. Zu dritt hat man mehr Abwechslung, mehr Unterhaltung, und wenn wir schon vor die Hunde gehen sollen, dann zusammen! Jim soll sich das aus dem Kopf schlagen!“
Sein bissiges Lachen erscholl mit dem seines Sohnes Red zusammen. Man spürte förmlich das Teuflische von Vater und Sohn, die Palmer die Freiheit nicht gönnten.
„Und wenn es nicht Jim ist, der dich und deinen Ältesten in der Klemme hat, wirst du dann Palmer laufen lassen?“
„Nein, es kommt alles auf dasselbe heraus! Es ist gleichgültig, wer uns festnagelte und jetzt zu Ende zu kommen versucht, oder aber, zieht ab!“, schrie der alte Jugens. „Doch vergesst dann eines nicht, meinen Söhnen Jim und Larry zu sagen, dass ich sie verfluche!“
„Das, Freund, werde ich nicht tun, denn gerade du, Stuart, hättest versöhnlicher sein sollen. Niemand entkommt seinem Schicksal, auch du nicht! Einer wird in diesem Reigen die letzte Kerbe in seinen Colt schnitzen, und das wirst nicht du sein und auch keiner deiner Söhne. Denke nach, dann wirst du erkennen, dass etwas Wahnsinniges in deinem Verhalten liegt. Du hast alle Maßstäbe verloren, Stuart, du und auch deine Söhne! Der Machthunger hat euch alle zusammen irgendwie verrückt gemacht!“
„Halte deine Predigten wo du willst, nicht hier!“, schrie der Raubrancher wütend.
„In der Tat, das wäre angebracht, aber ich will dir noch sagen, dass du einen Götzen anbetest und dass der Götze dich nun erledigt, denn du selbst hast es herausgefordert. Dan Flemming ist bei mir, vielleicht sagt dir der Name etwas.“
Es trat jetzt eine seltsame Stille ein. Danach geschah etwas Merkwürdiges. Es waren nicht die Jugens, die sich meldeten, es war Kan Palmer.
„Versucht es nicht!“, rief er mit lauter Stimme aus der Hütte. „Versuche es nicht, Dan! Warum willst du mir helfen, Junge, einem Mann, der dir nachstellte und dich umgebracht hätte? Lass mich hier! Ich habe eingesehen, dass ich das Spiel verloren habe und kein Recht mehr besitze, Ann zu mir zurückzuholen. Wir waren zu sehr verschieden. Ich musste erst das Bittere erleben, um über mich selbst nachzudenken und mit mir selbst ins reine zu kommen. Jetzt begreife ich, wie ein Mann wie Frank Rüdiger und auch die Treibherdencowboys es fertigbrachten, sich auf ihre Seite zu stellen. Sie alle hatten begriffen, was ich nicht wahrhaben wollte, dass nämlich eine erzwungene Ehe ohne Liebe in Wirklichkeit gar keine Ehe ist, sondern eine Fessel, die zur Qual wird. Ann hatte recht, als sie mich verließ, sie hat es aber nicht verdient, dass sie einem Schuft in die Hände fällt, und darum versuche mich nicht zu befreien! Rette Ann, alles andere ist nebensächlich!“
„So sprichst du, Kan Palmer?“
„Ja, und Gott soll mein Zeuge sein, dass ich es ernst meine!“
Plötzlich ertönte ein unheimlicher Schrei aus der Hütte, ein lauter Schrei, der voller Not war. Es konnte einem kalt über den Rücken laufen. Plötzlich brach der Schrei ab.
Lee schrie heiser:
„Kan, heh, Kan! Was ist los?“
Stuart Jugens’ Stimme meldete sich: „Verschwindet ihr zwei, verschwindet! Ihr habt gehört, was unser Gefangener zu sagen hatte, das muss euch doch genügen.“
„Stuart, was habt ihr Palmer angetan?“, fragte Lee aus seiner Deckung heraus. Als Antwort dröhnte das doppelstimmige Gelächter von Vater und Sohn zu den beiden Männern herüber. Es klang so teuflisch und hinterhältig, dass der Zorn sie fast überwältigte.
Bevor Lee es verhindern konnte, hatte Dan sich bereits davongeschlichen und tauchte wenig später aus dem knietiefen Gras am Corral auf. Seine Gesichtsfarbe schien Lee bleich wie Leinen zu sein. Einen Moment lang verhielt er und sah zu seiner Überraschung, dass sich die kleine Hintertür zur Hütte leicht bewegte. Die Pferde im Corral, ein rehbrauner Wallach und ein Apfelschimmel, wurden unruhig. Die beiden Pferde hatten die Köpfe gehoben und spielten mit den Ohren. Sie nahmen eine Witterung auf. Ihre Nüstern blähten sich, und der Apfelschimmel scharrte ungeduldig mit der Vorderhand den Boden. Für Dan waren das alles Zeichen, die er wohl zu deuten wusste. Einer der Männer hatte das Haus verlassen. Die Schurken hatten herausgefunden, dass es wohl nur zwei Menschen waren, die sie bedrohten, und das machte sie sicherer. Nur so konnte es sein, dass sie einen Ausbruch wagten. Ungewiss war aber, ob sie beide es waren oder ob nur einer das Haus verlassen hatte. Auf alle Fälle konnten sie nicht weit sein.
Dan hob seinen Kopf vorsichtig aus der Deckung und zuckte zurück, als er einen Schuss krachen hörte. Sofort fielen weitere Schüsse, doch keiner war auf Dan gezielt. Alles spielte sich aber in unmittelbarer Nähe ab. Jetzt wusste Dan, dass einer der Jugens-Männer in der Hütte geblieben war und sie durch seine Schüsse abzulenken versuchte. Der andere sollte dem Gegner wohl um so sicherer in den Rücken fallen können. Wenn Red es war, der ins Freie geschlüpft war, wenn er nun versuchte, zu den Pferden zu kommen, die er und Hannigan irgendwo abgestellt hatten und Verstärkung zu holen versuchte? Es war größte Vorsicht am Platze.
Red hatte einen triftigen Grund, einen Durchbruch zu versuchen und seinen Bruder Larry zu erreichen, denn Larry bewachte wohl die dreißigtausend Dollar, die man beim Einbruch in die Bank der Siedlung erbeutet hatte.
Dan bewegte sich nun schneller vorwärts... ein wenig zu schnell, denn es war zu spät sich herumzuwerfen, durch eine rasche Drehung dem gezielten Hieb auszuweichen. Was Dan eigentlich nur sah, das war ein dunkler Schatten, der auf ihn niederfiel. Von seinem Kopf bis zu seinen Zehenspitzen hin breitete sich eine heiße Flamme aus, die alles in ihm zu zerreißen drohte. Er fiel vornüber, und tiefe Ohnmacht senkte sich über ihn.
Der Tod hob sich bereits schwarz und drohend über Dan ab. Er stand über ihm in der Gestalt von Red Jugens, der zum zweiten, vernichtenden Schlag ausholte. Skrupellos wollte er den Gegner aus der Welt schaffen.
Als die Waffe niedersauste, krachte ein Schuss. Sie wurde ihm aus der Hand geschleudert. Jugens aber war damit nicht geschlagen, er besaß zwei Eisen. Er griff mit der Linken zum zweiten Holster. Doch jetzt krachte abermals ein Schuss, und diese Kugel traf ihn mitten in der Brust. Seine Augen weiteten sich und starrten auf Lee, diesen großen blonden Mann, der auf ihn zuschnellte und die rauchende Waffenmündung auf ihn gerichtet hielt. Red Jugens versuchte sich durch einen Schrei Luft zu machen, doch die Stimme versagte ihm. Er versuchte eine abwehrende Bewegung zu machen, kippte aber im nächsten Moment vorwärts und fiel über sein ohnmächtiges Opfer, von dem ihn Lee einen Augenblick später herunterwälzte. Noch einmal hob Red Jugens den Kopf. Seine weit aufgerissenen Augen bekamen einen leeren Ausdruck. Sein Mund öffnete und schloss sich wieder, dann fiel er zurück und blieb still liegen. Als Lee sich über ihn beugte, konnte er nur noch feststellen, dass Red Jugens tot war.
Lee machte sich mit Dan zu schaffen. Er zog ihn zur Seite und legte ihn etwas bequemer, dann huschte er auf den Hintereingang der Hütte zu.
Dan erwachte plötzlich aus seiner Ohnmacht. Er spürte eine große Hitze im Gesicht und nahm das Tageslicht nur schwach wahr. In seinen Ohren rauschte und dröhnte es, als sei ganz in der Nähe ein Wasserfall. In seinem Hinterkopf bohrten unerträgliche Schmerzen. Wie im Schüttelfrost schlugen ihm die Zähne zusammen. Er schloss die Augen wieder und bewegte sich nicht. Die kleinste Regung ließ erneut heftigen Schmerz durch seinen Körper jagen. Nach einer Weile versuchte er die Augen zu öffnen, aber es gelang ihm nicht. Die Schmerzen nahmen überhand und rissen ihn abermals in eine tiefe Ohnmacht hinein.
Als Dan erneut aus seiner Ohnmacht erwachte, spürte er, dass sein Gesicht ganz kalt und nass sein musste. Wie aus weiter Ferne hörte er Schüsse krachen, doch es schien ihm so unwirklich. Eine Benommenheit lastete über ihm. Sie ließ es nicht zu, dass er einen klaren Gedanken fassen konnte. Er hörte wie im Unterbewusstsein, dass ein Mensch schrie, danach hörte er ein Pferd wiehern. Er fror und hatte Angst davor, die Augen zu öffnen, Angst davor, durch den Schlag auf den Kopf erblindet zu sein.
Die Angst würgte in seiner Kehle. Er nahm seinen ganzen Willen zusammen und versuchte die Augen zu öffnen, was ihm schließlich auch gelang. Sein Blick fiel auf den toten Red Jugens, dessen gebrochene Augen ihn in schrecklicher Weise anblickten. Im ersten Moment hielt Dan seinen Gegner für lebend, und die Angst, getötet zu werden, die Angst, dass sein hilfloser Zustand ihm den Tod bringen würde, war sehr quälend. Ungewollt kam ein Stöhnen über seine Lippen. Nein, er wollte nicht sterben, zum ersten mal fühlte er in grauenhafter Deutlichkeit die Angst vor dem Sterben, wie alles in ihm nach dem Überleben drängte. Es war ihm, als ob der kalte Atem des Todes ihn berührte. Als in ihm allerdings die Erkenntnis aufdämmerte, dass sein Gegner tot war, dass es keine Gefahr mehr vor diesem Gegner gab, da erst kam es wie eine Erleichterung über ihn. Jetzt erst fürchtete er sich nicht mehr vor dem Toten, im Gegenteil! „Lieber du als ich“, flüsterten seine Lippen. Wer wollte es ihm verargen, dass er seinem bedrängten Herzen Luft machte. Er fiel zurück und lag eine Weile ganz leer und ausgebrannt da, so als wäre er nicht mehr er selbst, als wäre er zweiteilig und seine Seele irgendwo von seinem Körper getrennt. „Jubiliere nicht“, sagte er leise vor sich hin, „auch auf dir liegt der Schatten des Todes. Wenn du liegen bleibst, bist du tot, ganz sicher bist du dann tot. Ich will nicht“, sagte er mit lauter Stimme, die ihm heiser und fremd in die Ohren drang. „Ich will nicht sterben, nicht jetzt, nicht so schnell! Ich muss etwas dagegen tun, ich muss dagegen ankämpfen, ich muss mich erheben, ich darf hier nicht liegen bleiben, ich darf mich nicht aufgeben!“
Es gelang ihm mühsam sich aufzuhocken. Der Boden schwankte und schien sich um ihn zu drehen. Er fiel um, rappelte sich aber gleich wieder hoch. Diesmal konnte er sich auch wirklich voll aufrichten. Dann stand er breitbeinig da, bleich und mit vorgeneigten Schultern, als trüge er schwere Zentnerlasten. Er hörte Stimmen, aber sie waren so weit weg, dass er sie nicht verstehen konnte. Er hatte alle Kraft verbraucht und konnte den Kopf nicht in die Richtung drehen, aus der die Stimmen kamen. Jemand berührte ihn an der Schulter, aber Dan reagierte kaum. Er war wie erlöst, als der andere ihn unterhakte und als er Pauls Stimme erkannte.
„Nur Mut, reiß dich zusammen! Kan Palmer will dich noch sehen, bevor er stirbt. Hörst du mich überhaupt?“
„Ja, ich kann dich verstehen“, sagte Dan dumpf.
„Lee ist bei Kan Palmer. Lee ist leicht angekratzt. Stuart Jugens hat ihm schwer zu schaffen gemacht, und Palmer hat die für Lee bestimmte Kugel mit seinem eigenen Körper aufgefangen. Er wollte es so, er wollte sterben, er wollte nicht weiterleben. Er warf sich in die Schussbahn und wurde getroffen. Lee konnte so Stuart Jugens überrumpeln. Hörst du überhaupt zu, Dan?“
„Ja“, erwiderte Dan. „Doch unter meinen Füßen schwankt der Boden. Was ist eigentlich los?“
„Du hast Glück gehabt, dass dein harter Schädel nicht in Trümmer ging“, sagte Paul zu ihm. „Dein Gegner hat wohl in den ersten Schlag so viel Wucht gelegt, dass ein gewöhnlicher Sterblicher sich auf die lange Reise begeben hätte, du aber hast außer einer Platzwunde und einer Schwellung nichts abbekommen. Jetzt komm über den Schreck hinweg und beiße die Zähne zusammen. Wir wollen von der Teufelsinsel fort, bevor Larry, besorgt durch das lange Ausbleiben von Hannigan und Red, hier aufkreuzt, um nach den dreißigtausend Dollar zu sehen, denn die waren gut verpackt in den Satteltaschen von Red und Hannigans Pferden. Wir haben also keine Zeit zu verlieren, die Falle könnte sonst hinter uns zuschlagen.“
„Ihr habt das geraubte Geld gefunden?“
„Es war nicht einmal schwer“, sagte Paul und beobachtete seinen jungen Freund von der Seite. „Es ist ein schönes Sümmchen, genug, um einige Jahre sorglos und in Frieden leben zu können.“
„Ich werde es nicht zulassen“, unterbrach ihn Dan. „Das Geld gehört euch nicht, es wird der Bank zurückerstattet. Ich werde nicht dulden, dass....“
„Jetzt gefällst du mir schon besser“, sagte Paul ruhig. „Jetzt scheinst du deine Gedanken zusammen zu haben. Es wurde auch höchste Zeit. Die Pferde sind rittbereit. Auf einem der vier Ersatzpferde, die wir nun haben, wird uns Stuart Jugens begleiten.“
„Und Palmer?“
„Er hat nur noch Minuten zu leben. Er will dich sehen, du kannst ihm diesen Wunsch nicht verweigern, Dan, er hat nur noch diesen einen Wunsch.“