Читать книгу Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett - Страница 51
12.
ОглавлениеDer Morgen war nicht mehr fern. Bald würde die Insel mitten im Moor in einer Blumenpracht aufleuchten, wie man sie selten zu sehen bekam. Die ganze Vegetation hatte etwas Grelles und Buntes, so dass man meinen konnte, im Paradies zu sein. Hinter dem Leuchten der Farben und dem Duft, den die Blumen verströmten, lauerte das Entsetzen. Die Gräber derer, die hier an Hunger oder Krankheit gestorben waren, die von Bluthunden gehetzt und verletzt worden waren, die den Weg hierher gefunden und dennoch hatten sterben müssen, tauchten vor ihnen auf. Mondlicht geisterte über sie hin, und flirrende Lichtreflexe streuten einen Hauch Unwirklichkeit über die Stätten, die den Menschen zur letzten Ruhe geworden waren.
Ringsum breitete sich das große Schweigen aus, das auch die Lebenden zu fassen schien. Fast lautlos bewegten sich die Pferdehufe über einen dicken Teppich abgestorbenen Laubes. Eine Lichtung öffnete sich, und schwarze Silhouetten von Hütten wurden sichtbar. Als sie näher kamen, weitete sich die Lichtung längs eines die Insel durchziehenden Grabens, in dem das braune, in der Nacht schwarz scheinende Moorwasser stand.
Dan blieb plötzlich stehen. Ein Pferdeschnauben kam von der Insel. Bevor man die Lage richtig erfasst hatte, wieherten die Pferde von Paul und Lee Millard ihrem Artgenossen zu. Alle drei Männer waren wie auf ein Kommando stehengeblieben, alle drei in geduckter Haltung, die Hände an den Waffen, bereit zu ziehen und zu schießen.
Jetzt wussten sie Bescheid. Kan Palmer war nicht allein auf der Insel zurückgeblieben. Sie waren zu sicher gewesen, dass Jim Jugens den Alten allein zurücklassen würde. Es fragte sich jetzt, wie viele Gegner man vor sich hatte. Es musste so schnell wie möglich herausgebracht werden.
„Vorsicht, Dan!“, kam es leise von Lees Lippen.
„Nicht schießen, Jim Jugens und der Großteil der Meute ist sicherlich noch in der Nähe. Wir können nur hoffen, dass man da drüben nichts bemerkt hat.“
„Es fehlte uns noch, dass man uns den Weg zurück abriegelt und wir in der schlimmsten Falle sitzen, die man uns jemals gestellt hat“, sagte Paul mit zusammengekniffenen Augenlidern. „In diesem Falle können wir Kan Palmer Gesellschaft leisten und bis zum Jüngsten Tag darauf warten, dass man uns hilft.“
Paul lachte dumpf in sich hinein. Seinen beiden Partnern jagte ein Schauer über den Rücken. Ihre Blicke versuchten die Schwärze der Abschied nehmenden Nacht zu durchdringen. Nichts regte und rührte sich bei den Hütten. Kein Wunder, dass die Spannung wuchs und die drei Partner nur noch Auge und Ohr waren. Die Nervenbelastung schien schier unerträglich zu werden. Alle drei waren dazu bereit, ein erneutes Pferdeschnauben zu verhindern.
Ganz langsam verging die Zeit. Die grauen Nebelschleier des Morgens vertrieben die Nacht. Ein starker Nebeldunst beengte die Sicht immer mehr, dass die Hütten vor ihnen unsichtbar wurden.
„Das ist die Chance“, sagte Dan in das Schweigen hinein, das sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. „Ich will wissen, was bei den Hütten los ist. Ihr könnt mich nicht mehr zurückhalten. Ich denke, dass Jim Jugens mit seiner Mannschaft jetzt weit genug fort ist, um keine Schussdetonationen mehr zu hören. Sollten sie aber immer noch in der Nähe sein, so ist das auch nicht mehr zu ändern. Palmer muss von den Wächtern befreit werden.“
„Warum nur ließ man sie zurück?“
„Doch nur um ganz sicher zu sein, dass Palmer den gut getarnten Rückweg nicht findet“, beantwortete Dan Lees Frage. „Dieser Jim Jugens will auch den Zufall aus seinen Berechnungen ausschließen.“
„Wenn das so ist, Dan, dann hätte er seine Fähigkeiten in den Dienst einer besseren Sache stellen sollen. Bisher hatte er großen Erfolg. Er und sein Vater haben sich Land und Stadt untertan gemacht. Seine Gier nach Macht aber ist geblieben und hat erschreckende Formen angenommen. — Nun gut, fangen wir an! Ich bleibe und bewache den Pfad zur Teufelsinsel. Soweit ich die Lage überblicken kann, ist der Zugang gut zu verteidigen, gleich wie viele es versuchen wollen. Getrennt
vorgehen und vereint schlagen, lautet die Parole. Also, Cheerio ihr beiden, los denn!“
Lee und Dan nickten Paul zu. Lee wandte sich nach links und Dan nach rechts. Paul blieb bei den Pferden zurück und würde den Zugang zur Insel blockieren, eine Aufgabe, die nicht leicht war. Paul tat, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, den schwersten Teil zu übernehmen.
Bald schon sah Dan nichts mehr von seinen beiden Partnern. Lautlos wie ein Indianer setzte er die Fußspitzen nach innen, um das Buschwerk zu teilen. Er erreichte den Wassergraben, als die aufsteigenden Morgennebel vom Wind in Wallung gebracht wurden. Er glitt in den Graben hinein und benutzte ihn eine Zeitlang als Deckung. Dort, wo der Graben ihn ganz nahe an die erste Hütte brachte, lag er eine Zeitlang still und beobachtete. Der Morgen brach sich mit seinem Licht jetzt endgültig Bahn. Es versprach ein strahlend schöner Tag zu werden.
Als er gerade im Begriff war weiterzuschleichen, gewahrte er den Schatten an der Hütte, der sich nur langsam bewegte und sich im nächsten Moment als die Silhouette eines Mannes entpuppte, der aufmerksam dorthin blickte, wo sich ungefähr Paul befinden musste.
Das Herz schlug ihm schneller, denn jetzt wusste er, dass man sie bemerkt hatte. Er nahm sich zusammen und wartete, bis seine Erregung abflaute. Wenig später fand er eine Erdrinne, die erfreulicherweise vom Laubwerk frei war, so dass er nun schneller vorwärts kam. Dann aber, als er sich erneut orientieren wollte und vorsichtig den Kopf hob, blieb ihm fast das Herz stehen. Keine zehn Schritte von ihm entfernt lauerte Stuart Jugens, der Mann, der ihm den Vater genommen hatte, der ihn um die Ranch gebracht hatte und ihn als Mörder abgestempelt hatte. Die Jahre hatten ihn älter gemacht. Einst hatte sein Gesicht ein scharfes Profil gehabt, jetzt war es verschwommen. Graues Haar und ein bitterer Zug um den Mund waren deutlich für Dan auszumachen.
„Bist du wirklich sicher, dass jemand die Teufelsinsel entdeckte, dass es nicht Jim war, der zurückkam und sich aus irgendeinem Grunde nicht sehen lässt?“
„Zweimal haben die Pferde gewiehert“, antwortete Jugens einem Manne, „zweimal in nicht allzu großen Zeitabständen.“
Er brach ab und sprang auf, als risse ihn eine unsichtbare Faust im Nacken aus seiner Lauerstellung auf die Beine. Dan, der sich gerade fragen wollte, warum Stuart Jugens von zweimaligem Pferdewiehern gesprochen hatte, erschrak heftig, als er keine fünf Schritte entfernt zwei Gestalten wahrnahm, die sich aus ihrem Versteck lösten und sich mit vorgehaltenen Waffen Stuart Jugens zeigten. Sie boten ihm den Rücken, doch als er nach dem ersten Schreck genauer hinsah, stockte ihm fast das Blut in den Adern.
„Red“, hörte Dan Stuart Jugens sagen, als er Red Jugens und den Revolvermann Hannigan erkannte. „Nicht schießen!“, warnte er heiser seinen Begleiter, mit dem er kurz vorher noch gesprochen hatte, als dieser den Versuch machen wollte, trotz der vorgehaltenen Colts sein Eisen zu ziehen. „Er ist mein Ältester, mein Sohn Red.“
Stuart Jugens’ Partner schien Red nicht zu kennen und sagte rau:
„Nun gut, es ist deine Sache, wie du mit deinen Söhnen auskommst. Red hat sich einen schlechten Ort für ein Wiedersehen ausgesucht, denke ich.“
„Gewiss, einen höllischen Ort“, erwiderte Jugens rau. „Was in drei Teufels Namen führt dich hierher ins Land, und wo ist Larry?“
„Das hast du behalten, dass Larry und ich wie Pech und Schwefel zusammengehören?“, gab Red seinem Vater höhnisch zur Antwort. „Du hast uns doch abgeschrieben, mich und Larry. Es kam dir damals gut zustatten, dass wir Klein-Jims Haut ritzten und du uns zum Teufel jagen konntest. Inzwischen hat sich viel getan. Jim hat eine Haut bekommen, bei der es auf eine Scharte mehr oder weniger nicht mehr ankommt, und wir erinnerten uns daran, dass wir noch einen Vater und einen Bruder haben, und suchten unseren guten Joe Hannigan auf, der kein guter Freund von dir ist, denn zwischen euch ist noch eine alte Rechnung auf. Darauf möchte ich aber nicht eingehen. Hannigan half dir dabei, die Drei-Stäbe-Ranch in deinen Besitz zu bringen. Er bekam nicht, was du ihm dafür versprochen hast. Er musste zusehen, dass er sich über Nacht in Sicherheit brachte. Damals war er noch nicht der berüchtigte Bandit, vor dessen Rückkehr du genau soviel Angst haben musstest wie vor meiner und Larrys. By Gosh, wie klein du in Wirklichkeit bist, und dabei zittert vor dir und Jim das Land und die Stadt.“
Red Jugens lachte rau. Er trat bis auf drei Schritte an seinen Vater heran und starrte ihn böse und feindselig an, wie ein Mann wohl nur seinen Todfeind anblickt.
In der Tat, das Auftauchen der beiden Männer hatte dem Alten so zugesetzt, dass er steif wie ein Brett dastand. Jetzt versuchte er sich zu entspannen, und man konnte deutlich dabei sehen, wie ihm die Beine bebten und er sich kaum auf den Füßen halten konnte.
„Was wollt ihr also und warum bleibt Larry versteckt?“
„Larry ist in der Stadt zurückgeblieben“, sagte Red grinsend. „Er schießt die schnellste Kugel und soll Jim auf den Fersen bleiben. Larry braucht nicht einmal zu fürchten, dass Jim ihn als seinen Bruder erkennt. Larrys Gesicht ist so schlimm gezeichnet, dass nicht einmal du ihn erkennen würdest. Und was wir wollen, willst du wissen? Dir fällt es wohl sehr schwer, das zu erraten? Wir sind von deinem Blut, wir wollen einfach nur unser Recht, sonst nichts.“
Der Alte trat einen Schritt zurück und streckte die Hände abwehrend aus.
„Ihr habt kein Recht, weder du noch Larry, auch nicht Hannigan. Wenn wir uns an einen Tisch setzen und gemeinsam zum Zuge kommen sollten, nun, dann bin ich bereit, euch eine gewisse Abstandsumme zu zahlen. Doch dann geht eure Wege und lasst euch nie wieder hier blicken.“
„Red, er ist noch schurkischer als ich dachte“, mischte sich jetzt Hannigan ein. Er spuckte verächtlich aus und wandte sich dann an Stuart Jugens’ Begleiter, der wieder seinen Colt lüften wollte: „Tu es nicht, Freund, nicht für den da! Es gab eine Zeit, da fühlte ich wie du und hätte mich für ihn in Stücke schießen lassen. Warum eigentlich, das begreife ich nach dem Vergangenen immer weniger. Ich muss damals ein Brett vor dem Kopf gehabt haben. Du, Amigo Stuart, hast noch immer nicht begriffen, dass die Zeiten sich geändert haben, dass wir nicht aus Spaß hergekommen sind. Wir sind da, um zu kassieren. Wir haben nicht den Ehrgeiz, uns an deinem großen Spiel zu beteiligen, wir wollen nur kassieren. So ist es doch, Red?“
„Wir drei würden dir und Jim nur hinderlich sein“, nahm Red wieder das Wort. „Wir sind die schwarzen Schafe, ihr aber habt es verstanden, den Anschein einer weißen Weste zu wahren, die vor dem Gesetz noch blütenweiß aussieht. Wir, Larry, Joe und ich hatten keinen so starken Hinterhalt, wir wurden verteufelt oft herum gejagt, so lange, dass uns schier der Atem ausging. Wir müssen uns so versorgen, dass wir in Mexiko ein feines Leben ohne große Anstrengung führen können.“
„Und Jim und ich sollen das bezahlen?“, schnappte Stuart Jugens. Seine Stimme klang schrill, und die Augen drohten ihm aus den Höhlen zu treten.
„Ja, Alter, du wirst bezahlen“, erwiderte Red, „oder soll es herauskommen, dass Joe damals die Ranch nicht auf seinen Namen eintragen ließ und auch nicht auf deinen, sondern wohl in einem lichten Moment etwas tat, was dir und Jim noch viel Ärger bereiten wird! Wir haben etwas in der Hand, wovon du bis heute nichts weißt und das nur zu deutlich zeigt, wie sehr du dich immer auf andere verlassen hast. Die Hauptstadt ist weit vom Schuss, sonst wären dir schon lange die Augen übergelaufen, Alter.“
„Ihr könnt mich nicht bluffen!“, schrie der Alte erregt, „ich lasse mich nicht hereinlegen, mit keinem Trick! In all den Jahren hatte ich keine Schwierigkeit, und ausgerechnet ihr wollt mir klar
machen, dass es jetzt welche geben wird? Ihr hättet euch etwas Besseres ausdenken sollen!“
„Red, er ist ziemlich überheblich geworden“, unterbrach ihn Joe Hannigan. „Vielleicht bist du sogar nicht mehr ganz richtig im Kopf, und nur darum hat dich Jim mit dem Gefangenen und einem Wächter hier auf der Insel zurückgelassen“, wandte er sich an Stuart Jugens. „Vielleicht seid ihr beide ihm im Wege, ist es nicht so? — Und du bist mit von der Partie“, wandte er sich an Stuart Jugens’ Begleiter, „weil du der Vertraute dieses Alten da bist, so ist es doch?“
„Hannigan, worauf willst du hinaus?“, schnappte der Gefragte, dessen stoppelbärtiges Gesicht im Morgenlicht merklich blasser geworden war.
„Mann, ist das so schwer herauszufinden?“, grinste Red ihn an. „Ich will es dir ganz genau sagen: Jim will die Macht nicht mehr teilen. Seine Freunde haben das rechtzeitig erkannt, und die meisten Männer der Mannschaft stehen hinter ihm. In unserer Familie ist etwas faul, musst du wissen, in allen Jugens brennt die Sucht nach Macht wie eine gierige Flamme. Weil das so ist, wollen wir nicht darauf pochen, dass wir Blutsverwandte sind, sondern uns als nüchterne Geschäftsleute begegnen. — Alter“, wandte er sich wieder seinem Vater zu, „wir verlangen, dass alles, was bisher zusammengerafft wurde, in fünf Teile geteilt wird. Für Joe, Larry und mich langt es, um das Land zu verlassen und irgendwo neu anzufangen. Dir und Jim bleibt die Stellung hier und damit die Möglichkeit, alles wieder zusammenzuraffen, was ihr an uns abtreten müsst.“
„Und so etwas wagst du mir anzubieten, mir, deinem Vater?“, keuchte der Alte mit böse funkelnden Augen. „Du wagst es, in einem solchen Ton mit uns zu verhandeln?“
„Rege dich lieber nicht auf und behalte die Nerven“, sagte Red kalt. „Dir bleibt gar nichts anderes übrig, denn Joe hat damals die Ranch auf den rechtmäßigen Besitzer eintragen lassen, auf den Namen Ben Flemming.“
Der Alte trat noch einen Schritt zurück. Ein Gurgeln kam ihm aus der Kehle, er vermochte kein Wort zu formen. In diesem Moment begriff er wohl, dass Red die Wahrheit gesagt haben mochte.
„Wenn das herauskommt, bist du und Jim erledigt“, sagte Joe Hannigan höhnisch. „Ich habe es sicherlich nicht diesem Flemming zuliebe getan, wahrhaftig nicht. Damals kam mir nur der Gedanke, dass es gut sein würde, etwas in der Hand zu haben, womit man dich jederzeit treffen kann, falls etwas schief zwischen uns gehen sollte. Wenn du ganz sicher gehen willst, mache die Reise zur Hauptstadt und schaue dir die Eintragung im Grundbuch an. Du wirst mir dann dankbar sein, dass ich von meinem Wissen bisher keinen Gebrauch machte. Jetzt ist es an der Zeit, dass es sich auszahlt!“