Читать книгу Als er den Colt zog: Western Bibliothek 12 Romane - Pete Hackett - Страница 45

6.

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Es war fast keine Nacht vergangen, in der Dan Flemming nicht von der kleinen Rinderstadt Pelcon oder von der Ranch seines Vaters, der Drei-Stäbe-Ranch geträumt hätte. Fast jede Nacht sah er das Haus, das sein Vater errichtet hatte, in dem er geboren wurde und das sein Vater dann verloren hatte. Seltsam war, dass er in diesen Träumen auch Ann sah, Ann, die auf der Ranch zu Hause war und ihn immer empfing, als hätte sie auf ihn gewartet. Der Traum wiederholte sich, und immer kam es auf dasselbe hinaus. Ann war in seinem Elternhaus, sie wartete dort auf ihn, sie ritt ihm bei der Heimkehr entgegen, breitete die Arme aus und flog ihm entgegen.

Meine heimlichsten Wünsche werden in den Träumen lebendig, dachte Dan. Die verteufelte Wirklichkeit sieht indes ganz anders aus. Irgendein Fremder wohnt auf der Drei-Stäbe-Ranch, und Ann irrt einsam und allein durch eine fremde Welt, in der eine schöne Frau wie sie Leidenschaften und Begierden wecken kann. Ann, wir haben beide keinen guten Start gehabt. Ich kann nur hoffen, dass Frank Rüdigers Crew dich fand und dass Frank Rüdiger dir weiterhilft. Warum bleibst du so hartnäckig in meinen Gedanken und löst ein unsagbares Sehnen in mir aus?

Auf diese Frage gab es keine Antwort. Sicherlich hätten seine beiden Begleiter eine gewusst, aber von Ann konnte er nicht zu ihnen sprechen.

Die beiden Brüder hatten in der Ferne eine Staubwolke gesichtet, die aus Texas kam und auf dem Marsch durch Oklahoma war, mit dem Zielort Kansas. Sie wichen aus, um eine Begegnung mit den Cowboys der Treibherde zu vermeiden. Man unterdrückte den Wunsch, sich am Küchenwagen eine derbe Mahlzeit zu holen.

„Der Zufall, Kleiner, könnte es fügen, dass gerade bei dieser Treibherde Menschen sind, die dich von früher her kennen und sich die Prämie, die auf deinen Kopf ausgesetzt wurde, verdienen wollen“, sagte Paul.

„Man sagt aber, dass ich mich so veränderte, dass man mich kaum wiedererkennen wird“, antwortete Dan.

„Mag sein, aber wozu ein Risiko eingehen? In Pelcon wirst du ein besonders großes Risiko eingehen, und das sollte dir genügen. Lade dir nur nicht vor der Zeit etwas auf die Schultern. Morgen erreichen wir den Red River. Mein Bruder und ich haben beschlossen, dich weiterhin zu begleiten.“

„Was bedeutet das denn auf einmal, Paul?“

„Kein Grund für dich zu jubeln“, erwiderte Paul mürrisch. „Wenn wir schon einmal am Red River sind, wollen wir uns ein wenig Texas ansehen. Wir waren lange nicht in dem alten Einsternstaat. Mein Bruder und ich sind an nichts gebunden und frei wie die Vögel in der Luft. Es gibt überall etwas zu essen, sei es in der Prärie, in den Wäldern oder auf den fetten Weiden. Für uns beiden wird immer ein Brosame abfallen. Los denn, verschwinden wir aus der Gefahrenzone dieser Treibherde.“

Der einsame Ritt der drei Reiter wurde weiter fortgesetzt. Am späten Abend kam man in die offene Prärie hinaus. Die Buckelwellen des Landes ließen die Landschaft einem erstarrten grünen Ozean gleichen.

„Lee, warum hast du dich heute während des Rittes immer wieder im Sattel umgedreht und auf unsere Fährte zurückgeblickt?“, fragte Paul seinen Bruder, als sie die Pferde getränkt und gefüttert, ein rauchloses kleines Feuer entzündet und ihre Decken ausgebreitet und sich darauf gelagert hatten. „Du hast mich fast nervös gemacht.“

Lee drehte die Wapitihirschkeule, damit sie von allen Seiten gleichmäßig braun wurde und blickte in das kleine Feuer hinein.

„Ich hatte das Gefühl, als folgte uns jemand“, sagte er ruhig. „Ich war mir nicht sicher und bin es auch jetzt noch nicht. Ich sah dann und wann eine kleine Staubfahne auf der Fährte, das war eigentlich alles. Es braucht nichts zu bedeuten, denn schließlich sind wir durch das Büffelland geritten und die Büffel wandern. Es ist aber möglich, dass es keine Büffel waren, die den Staub aufwirbelten. In dieser Jahreszeit ziehen nur vereinzelt Rudel, oder nicht?“

„Lee, lass dich nicht nervös machen“, riet Paul. „Langsam glaube ich, dass dir das verteufelt einsame Leben nicht bekommt und dass du der Geselligkeit bei den Rohhäutern nach trauerst.“

„Es mag so sein“, erwiderte Lee aufrichtig. „Viel Arbeit ist weggefallen. Dort hatten wir unser Essen, unsere Bleibe und unsere Ruhe. Dass man dort jetzt nicht gut auf uns zu sprechen ist, das ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich bei den Zigeunern des Südens recht wohl fühlte, und das werdet ihr beiden wohl auch nicht anders sagen können. Wir werden doch langsam alt und das, was uns Frank Rüdiger sagte, mag doch seine Bedeutung haben. Man sehnt sich doch nach einem Dach über dem Kopf und einem Platz, wo man seine Knochen ausstrecken kann. Ein solides Leben hat doch gewisse Vorteile für das Alter zu bieten. Man darf das nicht verkennen, Paul.“

Immer noch starrte er in das Feuer. Paul schüttelte sanft den Kopf.

„Du hegst gefährliche Gedanken, Bruder. Wenn wir sesshaft werden würden, könnten wir das ruhige Leben nicht aushalten. Du fühlst dich doch wohl, Lee, oder was ist mit dir?“

Die Besorgnis des Bruders war deutlich aus dieser Frage herauszuhören.

„Ich bin gesund, Bruder, aber vielleicht mache ich eine innerliche Wandlung durch“, erwiderte Lee. „Es hat doch wohl seine Vorteile, wenn man weiß, wo man abends seinen Kopf betten soll, wenn man weiß, für wen man arbeitet und wofür man auf dieser schönen Welt ist. — Was ist das, was haben die Pferde?“

Lee hob den Kopf und sah wie die beiden anderen zu den Pferden hin, die nervös schnaubten. Als sie aufspringen und im Schatten untertauchen wollten, hörten sie weiter entfernt ein Pumafauchen.

„Nur eine Wildkatze“, sagte Paul. „In dieser Gegend werden sie nicht besonders groß. Sie sind hier nicht viel größer als ein Wildkater. Für einen geübten Lassowerfer sind sie leicht einzufangen. Verflixt, die Pferde haben sich noch immer nicht beruhigt!“

Das stimmte. Die drei Reittiere standen dicht zusammen und witterten in die südliche Richtung. Das war die Richtung, in der sie die Staubfahne der Treibherde gesehen hatten. Unverkennbar kam der Wind von dorther und der Geruch von Rindern. Die Witterung der Herde war sehr stark.

„Die Treibherde ist nicht an uns vorbei, sondern irgendwo vor uns ins Nachtlager gegangen“, erklärte Paul. „Unsere Pferde riechen nicht nur die Rinder, sondern auch ihre Artgenossen, das macht sie so nervös. Lee, lösche das Feuer!“

Lee befolgte wortlos den Rat des Bruders. Zum Glück war die Wapitikeule gar und das Feuer entbehrlich. Je schneller man das Feuer löschte, um so weniger konnte der Rauch Wegweiser zum eigenen Camp sein.

„Kein Grund zur Sorge“, sagte Paul, als er über den Muldenrand hinweg über die nächtliche Prärie geschaut hatte. „Wir brauchen unseren Standort nicht zu wechseln. Für die Nacht aber sollten wir zur Vorsicht Wachen einteilen, damit wir nicht unnötig überrascht werden und in Schwierigkeiten kommen. Losen wir also um die Mitternachtswache.“

Niemand ging die Mitternachtswache gern. Von allen Wachen war sie die einsamste und anstrengendste, aber auch die gefährlichste, da der Wächter leicht vom Schlaf überrascht werden konnte. In der Stille der Mitternachtswache, in der Traum und Wachsein sich begegneten, war es in der Tat schwer, hellwach zu bleiben und die Sinne zusammenzuhalten.

Nach etwa einer halben Stunde drehte sich der Wind.

„Jetzt riecht man nichts mehr von den Rindern“, sagte Paul. „Das ist ein Zeichen dafür, dass sie weit genug von uns lagern. Wir brauchen keine Sorgen zu haben, wir sind jedenfalls so weit weg, dass wir die Lieder der Cowboys nicht hören werden, wenn sie beim Nachtritt um die Herde kreisen.“

„Und dabei würdest du viel darum geben, wenn du an den Küchenwagen herankommen und ihn inspizieren könntest, Paul“, sagte Lee. „Dann würde dich nicht einmal der Gesang der Herdenwache stören, Bruder.“

„Nun, ich gebe zu, dass mir Rindersteaks, Pfannkuchen und Bohnen als eine Delikatesse erscheinen würden, denn nach dem Wildbret und den Biskuits der letzten Tage würden sie ein Gaumengenuss für mich sein. Aber ich traue mich nicht.“

„Du traust dich nicht?“, fragte Lee überrascht. „Glaube nicht daran, Dan, er würde den Teufel beim Schwanz aus der Hölle holen.“

„Gewiss, aber keine Treibherdencowboys beim Lagern überraschen, unbemerkt kommen und gehen können. Das, Freunde, bringt nicht einmal der gerissenste Sioux fertig.“

Paul lachte breit, aber dieses Lachen blieb ihm plötzlich in der Kehle stecken. Seine Augen wurden ganz starr und blickten zum Muldenrand hin, wo gespenstisch lautlos um das Lager herum sieben Mann wie aus dem Erdboden heraus hervorwuchsen und mit ihren tief angeschlagenen Waffen einen Anblick boten, der einen Mann lähmen und ihm den Herzschlag aussetzen lassen konnte. Diese Leute sagten nicht: „Hebt die Hände zum Himmel“, nein, sie wuchsen aus dem Erdboden heraus, und allein in ihrer Haltung war etwas, was selbst weniger erfahrenen Leuten deutlich gemacht hätte, dass es besser für sie war, sich nicht zu bewegen und eine verdächtige Geste auszuführen. Hartgesichtige Männer in der Kleidung texanischer Cowboys blickten sie über die matt schimmernden Läufe ihrer Waffen an. Sie trugen Chaps, wie sie im texanischen Dornenland üblich waren und besonders in der Nähe von Pelcon getragen wurden. Das und noch einiges mehr bemerkte Dan auf den ersten Blick, und er war es, der betont ruhig sagte:

„Wenn ihr etwas zu essen haben wollt, ich glaube kaum, dass es für noch sieben Mann reicht, doch was wir haben, wird gern geteilt.“

Das drohende Schweigen der sieben Männer vertiefte sich. Einer von ihnen gab zwei Männern, die seitlich von ihm standen, einen Wink. Die beiden Männer gingen zu den Pferden, prüften sie eindringlich und untersuchten die Satteltaschen. Das gefährliche Schweigen hielt weiterhin an.

„Wäre es nicht an der Zeit, uns zu fragen, was das alles zu bedeuten hat?“, wollte Paul Millard schließlich wissen. „Wir haben nichts zu verbergen und nichts zu verstecken. Wir sind auf dem Ritt nach Texas und führen auch keine Reichtümer mit uns.“

Die beiden Männer, die die Pferde in Augenschein genommen hatten, waren mit ihrer Aufgabe fertig, und einer von ihnen schüttelte den Kopf. Der Anführer der Männer wirkte einen Augenblick als wäre er enttäuscht, doch dann sagte er rau: „Wir werden sehen. Nehmt ihnen die Gurte und Waffen ab!“

„Wozu, Mister?“, fragte Paul Millard ruhig. „Wenn ich mich nicht irre, seid ihr Treibherdencowboys und keine Banditen. Ihr würdet uns harmlose Reiter nur aufhalten.“

„Halt den Mund!“, fuhr ihn der Sprecher an. „Es wird sich herausstellen, ob ihr so harmlos seid. Der Ausrüstung nach seid ihr es nicht, auch euer Gehabe spricht nicht dafür. Macht keine Dummheiten, wir nehmen euch mit. Josuah wird euch unter die Lupe nehmen und uns sagen, ob wir die Richtigen erwischten. Los denn, legt ab und vertraut lieber nicht auf einen Trick. Uns kann man mit keinen Tricks hereinlegen.“

Es sah auch nicht danach aus, ob das bei den sieben Mann möglich war. Es waren Treibherdencowboys, und das allein genügte schon, um einzusehen, dass sie hart arbeitende Männer waren und jeder für sich ein Kämpfer. Es hatte keinen Sinn, sich gegen sie aufzulehnen.

„Es scheint, dass wir Pech haben, Dan“, sagte Lee Millard, als er langsam Gurt mit Holster und Colt abschnallte und vor seine Stiefelspitzen legte. „Das Pech klebt an unseren Stiefelabsätzen und lässt sich scheinbar nicht abschütteln. Ich bin gespannt, was man uns jetzt vorwirft und in die Stiefel schieben will. Ich habe einen verteufelt schlechten Geschmack auf der Zunge.“

Dan und Paul hatten ebenfalls den Gurt abgeschnallt. Die drei mussten sich dann gefallen lassen, dass man sie nach weiteren Waffen abtastete und sie dann aufforderte, sich in die Sättel zu heben, um ihnen dann Hände und Füße zusammenzubinden. Wenig später ritten sie an ihre Pferde gefesselt mit den sieben Cowboys in die Nacht hinein.

Als Dan Flemming jetzt die Gesichter der Männer aus der Nähe sah, erschrak er und konnte nur mühsam sein gleichgültiges Gesicht bewahren. Einige der Männer kannte er von früher, aus der Zeit, da er noch mit seinem Vater hinter Rindern her geritten war. Jeden einzelnen von ihnen hatten sie eindringlich gemustert, doch keiner hatte Dan erkannt. Dan aber kannte sie, er konnte sich erinnern, dass es Cowboys aus der Nähe von Pelcon waren, jener Stadt, an deren Sheriffoffice zuerst sein Steckbrief ausgehängt worden war.

Was würde sein, wenn auch sie ihn erkannten? Von seinen Beobachtungen und Befürchtungen

konnte er seinen Begleitern im Moment allerdings nichts mitteilen. So wie die Situation war, hieß es die Nerven zu behalten. Es gab keinen Zweifel, dass sie von den Cowboys als Verbrecher der schlimmsten Sorte angesehen wurden, dass sie zu stolz und hochmütig waren, um sich mit ihnen in ein Gespräch einzulassen. So war nur das Quietschen des Sattelleders, der Hufschlag der Pferde und ab und zu ein Prusten und Schnauben zu hören. Es kam hinzu, dass man die Gefangenen nicht zusammen reiten ließ. Man hatte sie getrennt, um ihnen eine Verständigungsmöglichkeit zu nehmen. Letzteres zeigte nur zu deutlich, dass die Treibherdencowboys beileibe keine Greenhorns waren. Diese Männer, die gewohnt waren, riesige Rinderherden über Tausende von Meilen über reißende Flüsse hinweg, durch Sandstürme, durch Ödland, über Gebirge hinweg und durch feindliches Land an ihren Bestimmungsort zu bringen, hatten ihre Lektionen bekommen und machten so leicht keinen entscheidenden Fehler.

Dan sah Paul Millard vor sich reiten, eingekeilt zwischen zwei Treibherdencowboys, die rechts und links von ihm ritten und ihm so nahe waren, dass ihre Bügel die seinen zu streifen schienen. Sie konnten so jeden seitlichen Ausbruchsversuch verhindern. Dans Begleiter war der Sprecher des Trupps, ein großer und breitschultriger Mann mit schneeweißem Haar, das unter der Stetsonkrempe hervorquoll. Der Mann hatte eine starke Hakennase und einen dünnlippigen Mund. Er ließ Dan nicht einen Moment lang aus den Augen. Hinter Dan ritt Lee, und wenn Dan sich umsah, konnte er Lees gleichmütiges Gesicht sehen. Er schien wie sein Bruder Paul nicht einen Moment lang die Ruhe verloren zu haben.

Dans Sorge wuchs, je stärker der stechende Geruch aufkam, als der Trupp sich dem Treibherdenlager näherte.

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