Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 71

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Mit meinen Leopardenschecken standen fünf fremde Pferde im Hotelstall. Dazu kamen noch ein Wallach und zwei Stuten von Phink und ein klappriger alter Esel, der mich aus traurigen feuchten Augen anschaute und im nächsten Augenblick mit einem hinterlistigen Hufschlag vors Schienbein zu treffen suchte. Ich band den ganzen Verein los, auch den Esel, und trieb ihn mit heftigen Armbewegungen aus dem Stall und über den Hof zum weit offenen Tor an der Straße.

Der Trick, sich zu Fuß unter ein Pferderudel zu mischen, ist ein steinalter Hut. Am besten beherrschten ihn die Mescalero Apachen. Von denen hatte ich ihn gelernt. Ich war nämlich in den südlichen Sacramento Bergen zu Hause, dem westlichsten Winkel von Texas. Und die Mescaleros waren unsere Nachbarn.

Keine angenehmen Nachbarn, das will ich gern zugeben. Ab und zu stahlen sie uns ein paar Kühe oder Pferde. Aber sie waren auch keine ganz und gar blutrünstigen Teufel, als die sie von Leuten verschrien wurden, die keinen blassen Schimmer vom harten Leben in der Wildnis hatten.

Jedenfalls hatten die Mescaleros noch keinen von uns skalpiert oder in einen Ameisenberg eingegraben. Und von unseren Nachbarn auch niemand, glaube ich. Die Mescaleros nahmen sich, was das Land ihnen bot. Ungeachtet, ob es schon einen rechtmäßigen Besitzer hatte.

Da wir Blackburns alle gut schießen konnten, fingen die Mescaleros an, den Pferdetrick anzuwenden. Das war die einzige Methode, bei der wir sie nicht bluten lassen konnten. Es ist nämlich unheimlich schwierig, in einer herumwandernden Pferdeherde ein paar ausgewachsene Männer auszumachen. Auf diese Art schafften es unsere unruhigen roten Nachbarn immer wieder, an unsere Rinder heranzukommen und sich auch wieder fortzustehlen, ohne dass wir ihnen was aufbrennen konnten.

Mit diesem Trick wollte ich jetzt Claggett auf den Hals kommen.

Der Mann hatte meinen Namen in Erfahrung gebracht, er hatte auch herausgefunden, wohin ich mich von Los Angeles gewandt hatte. Da konnte ich auch davon ausgehen, dass er wusste, was für ein Pferd ich ritt. Leopardenschecken sind sehr auffällig. Und zumindest in dieser Gegend von Kalifornien selten. Das hatte ich schon an den vielen erstaunten Blicken festgestellt. Claggett würde den Braten riechen, wenn er das Pferderudel erblickte. Und er würde mich natürlich neben meinem Pferd suchen. So leicht wollte ich es ihm nicht machen.

Ich duckte mich hinter den Wallach von Phink und dirigierte mit wilden Armbewegungen das Rudel auf die Straße. Mein langohriger Freund, der Esel mit den feuchten traurigen Augen, schien zu überlegen, ob er nicht noch einmal versuchen sollte, mir einen Tritt zu geben.

Ich schlug ihm den Hut um den Kopf, und da ließ er mich in Frieden und sauste in die Lücke zwischen Phinks Stuten und meinem Schecken.

Zuerst sah ich Belk. Er trat aus der Einfahrt und blieb auf der Straße stehen wie bestellt und nicht abgeholt, so sehr verblüffte ihn das Bild. Der Gedanke, dass er die Schrotflinte vergessen hatte, war beruhigend.

Seine Schrecksekunde war aber schon um.

»Vorsicht, Lamb, das hat etwas zu bedeuten!«, schrie er.

Es gehörte nicht viel Hirnschmalz dazu, um das zu erkennen. Früh um sieben spaziert selten ein Pferderudel mutterseelenallein und grundlos über die Straße.

Jetzt entdeckte ich auch Claggett. Er schaute wütend und ratlos und wich rückwärtsgehend zur gegenüberliegenden Straßenseite aus. Und tatsächlich starrte er nur meinen auffälligen Schecken an und bückte sich sogar, um meine Beine unter dem Pferdeleib zu finden.

Das passte mir ausgezeichnet. Mit zwei Riesensprüngen war ich rechts neben dem Kopf des Wallachs und stieß den Pantherschrei aus.

Well, ein Augenzucken später war vielleicht was los auf der Straße!

Den Pantherschrei hält kein Pferd aus. Da wird selbst ein lammfrommer Gaul zum Satansbraten. Die Tiere der Hotelgäste und Phinks Pferde gingen jedenfalls hoch. Mein Schecke machte keine Ausnahme. Wie von bösen Geistern gehetzt, brach das Rudel nach links aus und raste auf die Zügelbalken und die Häuserzeile los. Und genau dort bewegte sich Lamb Claggett.

Er kam gar nicht mehr aus seiner gebückten Haltung hoch. Mein Schecke rammte ihn mit der Brust und warf ihn auf den Rücken. Eine von Phinks Stuten sprang über ihn hinweg.

Aber dann kam mein Freund, der Esel. Ich sah ihn gerade noch über Claggett hinweg trampeln. Und ich hörte einen Schrei, wie ihn jemand ausstößt, der arge Schmerzen erleidet.

Dann war alles voller Staub und rennender Pferde. Dazu kam der Lärm. Die Tiere wieherten und prusteten, der Hufschlag knallte, ein paar erschrockene Zuschauer flüchteten brüllend in die Türen. Ein Zügelbalken brach, ein mannslanges Holzstück flog hoch in die Luft. Undeutlich sah ich meinen Leopardenschecken über einen Holm stürzen und sich überschlagen. Gottlob kam er sofort wieder auf die Beine. Dann dröhnte es, als falle die Stadt zusammen wie ein Kistenstapel.

Phinks Wallach hatte sich auf den hölzernen Gehsteig gerettet und raste unter den Vorbaudächern davon, den ängstlich aus den Türen spähenden Zuschauern haarscharf an der Nase vorbei. Nur zwei Tiere brachen nach links aus, die anderen wandten sich nach rechts und brachten Belk in Bedrängnis. Mein Schecke besann sich und rannte der größeren Gruppe hinterher.

Der Staub verzog sich in einen anderen Teil der Straße. Ich konnte jetzt Claggett sehen. Er saß auf dem Hintern und machte ein Gesicht, als sei er von einem Baum heruntergefallen.

Dann erspähte er mich. Sein flotter Schnurrbart sträubte sich, seine Augen wurden groß und rund. Hastig tastete er um sich. Er suchte seinen Revolver. Aber der lag fünf Schritte entfernt neben seinem eingedrückten Hut. Jetzt war das Kräfteverhältnis ausgeglichen.

»Na, Sie wollten mich doch auf der Straße sehen!«, sagte ich. »Hier bin ich.«

Ich unterschätzte ihn. Vielleicht hatte ihn mein Schecke nur gestreift, und der Esel hatte ihn nicht kräftig genug getreten, jedenfalls war er unglaublich zäh. Er ließ sich einfach nach hinten fallen und rollte auf seinen Revolver zu.

So hatten wir nicht gewettet!

Mit gewaltigen Sprüngen flog ich auf ihn zu. Seine Hand packte den Revolver, aber schon war mein linker Stiefel da und presste seine Hand samt Waffe auf den Boden.

»Sie müssen wohl immer schießen, was?«, fragte ich unfreundlich und packte ihn am Kragen. »Jetzt regeln wir die Sache auf meine Art, mein Freund!«

Ich legte mein ganzes Gewicht auf den linken Fuß. Das sind immerhin fast zweihundert Pfund.

Er brüllte auf, dann versuchte er, mich ins Knie zu beißen. Ich ließ seinen Hemdkragen los und fasste herzhaft in sein sandfarbenes Haar. Wenigstens konnte ich ihn so von meinem Knie fernhalten.

»Lassen Sie los, oder ich breche Ihnen die Hand und alle Finger!«, versprach ich und verstärkte den Druck meines linken Fußes.

Er spürte wohl, dass es mein voller Ernst war. Er nickte vorsichtig, soweit es mein fester Griff in seine Haare gestattete. Ich hob den linken Fuß etwas an. Er zog die Hand darunter weg, als sei eine Schlange in der Nähe. Er betrachtete sie. Etwas Haut war abgeschürft, und ein wenig Blut war zu sehen. Mit dieser Hand packte er in den nächsten vierundzwanzig Stunden keinen Revolver mehr an, so viel war sicher. Die schwoll an und wurde dick, als hätte er in einem Wespennest herumgerührt.

»Sie ... Sie Hundesohn haben meine Hand ruiniert!«, keuchte er.

Für den Hundesohn gab ich ihm sofort was aufs Maul. Seine Unterlippe platzte. Eigentlich bin ich ziemlich unempfindlich gegen Beleidigungen. Aber er hatte den Streit gesucht, er war auf der Straße aufgetaucht und hatte gebrüllt, er wolle mich sehen, und er hatte eine Falle für mich aufgebaut. Da hatte er sich auch die Folgen zuzuschreiben.

Seine andere Hand wischte über das Kinn. Er starrte auf das Blut an seinen Fingern, dann schaute er mich an. Ich glaube, kältere Augen sah ich nie zuvor. Dieser Mann war ausgezogen, um zu töten. Und derjenige, den er tot sehen wollte, war ich!

»Stehen Sie auf!« Ich war ziemlich kräftig, meine Hände waren es auch. Dem Zug an seinen Haaren hatte er nichts entgegenzusetzen. Dabei schoss ihm das Wasser in die Augen.

»Keine Ahnung, warum Sie auf meinen Kopf scharf sind«, fuhr ich fort. »Ihre Abneigung gegen Texaner ist es jedenfalls nicht allein.« Ich ließ seine Haare los, und er blickte verschlagen wie jemand, der fürchtet, sein Gegner könnte mehr wissen als er.

Schon in Los Angeles hatte ich den Verdacht gehabt, dass ihn jemand geschickt hatte. Nun war ich fast restlos davon überzeugt. Welchen anderen Grund hätte es auch gegeben, dass er mir bis San Fernando nachgeritten war?

Er hielt es für besser, nichts zu erwidern. Vielleicht sah er mir an, dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit mir argumentieren konnte.

Ich bückte mich nach seinem Revolver und achtete auf seine Füße. Ein hinterlistiger Tritt wäre das Letzte gewesen, was ich mir jetzt wünschte. Seine Augen weiteten sich, als ich seine Waffe in den Hosenbund schob.

»Sie sind ja ohne Revolver herausgekommen!«, staunte er.

»Nur weil ich heute einen guten Tag habe«, ließ ich ihn wissen. »Im Allgemeinen kommen mir Leute wie Sie nicht so billig davon. Und abgesehen davon, fangen wir daheim Bären und Pumas auch nur mit bloßen Händen.«

Er äugte mich an. Und ich fügte bissig hinzu: »Was aber nicht heißen soll, dass ich Sie für einen gefährlichen Bären halte. In meinen Augen sind Sie bloß ein schäbiger Wicht«, erklärte ich ihm, packte ihn an der Schulter und stieß ihn vor mir her. Ich musste jetzt nämlich auch auf Belk achten. Der war ziemlich aufgeregt in die Einfahrt gesaust, als die wildgewordenen Pferde direkt auf ihn losrannten.

Ich hätte es lieber gehabt, wenn er für immer von der Bildfläche verschwunden wäre. Aber er streckte schon wieder die Nase heraus und blinzelte durch den träge davon treibenden Staub wie ein kurzsichtiger Präriehund.

Jetzt erkannte er Claggett und mich. Er angelte nach der Schrotflinte am Pfosten. Die Bewegung wirkte etwas hilflos. Belk war erfahren genug, um zu sehen, dass er nur Claggett traf, wenn er losballerte.

Weiter unten in der Straße waren die verschreckten Pferde stehengeblieben. Bloß der Esel fraß von einem Blumenkasten vor einem Fenster die Blüten ab. Aber einerlei, die Pferde standen goldrichtig. Sie versperrten nämlich Henry Maratta das Schussfeld. Er saß in der Schmiede fest und konnte nicht eingreifen. Das verhalf mir zu einem Hochgefühl, wie ich es während der zwei letzten Tage beim Zusammentreiben der Maultiere vermisst hatte. Ich lachte leise.

Lamb Claggett verstand den Grund meiner Heiterkeit und fluchte. Wenn Belk schoss, dann bekam er den ganzen Segen ab, das war ihm klar. Vielleicht hatte er auch noch nicht gefrühstückt. An einer bleiernen Magenfüllung aus zwei Flintenläufen lag ihm verständlicherweise nichts.

»Sieht aus, als hätte er das Glück gepachtet!« rief Claggett. Seine Stimme kratzte. »Unternimm nichts, John! Er hat auch meinen Revolver!«

»Wenn Sie nur immer so einsichtig wären!«, sprach ich hinter ihm. »Wenn Sie mir noch einmal über den Weg laufen, bin ich nicht mehr so geduldig mit Ihnen. Nehmen Sie Ihre beiden Freunde und verschwinden Sie! Und wenn Sie noch einmal gegen einen Blackburn anrücken, dann lassen Sie sich besser bezahlen. Am besten im Voraus. Und hauen Sie das Geld gleich auf den Kopf, denn hinterher haben Sie keine Möglichkeit mehr.«

Ich sagte es so daher und traf den Nagel voll. Ich merkte es nämlich daran, wie er die Achseln hochzog und wie sein Schritt stockte. Also hatte ihn tatsächlich jemand ausgeschickt, um mich aus den Stiefeln zu stoßen.

Übermäßig neugierig bin ich nicht. Wer die Nase zu häufig in dampfende Töpfe steckt, bekommt irgendwann mal etwas drauf, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Und ich gerate sowieso immer in Dinge hinein, die mich eigentlich gar nichts angehen. Die ganze Gegend samt ihrer Bewohner konnte mir gestohlen bleiben.

Ich hatte meine Maultiere beisammen und verspürte nur den Wunsch, möglichst schnell aus Kalifornien und von drittklassigen Revolverschwingern wie Lamb Claggett und seinen Freunden wegzukommen. Dennoch machte ich mir Gedanken, weshalb einige Leute derart zudringlich waren. Ob die etwas von dem Gold wussten?

Das war ausgeschlossen, denn ich hatte hübsch den Mund gehalten.

Und von den siebzehn Leuten, die außer mir davon wussten, war ich der einzige Mann, der den Eldorado Canyon verlassen hatte. Um eben diese verdammten fünfzig Maultiere aufzutreiben, auf denen wir unsere Ausbeute fortschaffen wollten. Geredet hatte ich bestimmt nicht. Nicht einmal im Schlaf. Betrunken hatte ich mich auch nicht. Manche Leute reden ja wie ein Buch, wenn sie ein Glas oder drei oder fünf zu viel erwischt haben.

Ich hatte aber schon von Leuten gehört, die Gold förmlich riechen können. Nicht, solange es im Boden steckt. Erst, wenn es sich in den Taschen eines Mannes befindet. Oder wenn dieser Mann auf seinem Claim fündig geworden ist. Sie wittern die Beute. Sie sind wie Aasgeier und lassen ihr Opfer nicht mehr aus den Augen.

Möglich, dass mir der Geruch von Gold anhaftete und dass der jemand in die Nase gefahren war.

Aber dann verstand ich nicht, weshalb Claggett offensichtlich den Auftrag erhalten hatte, mich in einem engen Loch mit fünf Fuß Erde über dem Kopf und einer Kugel zwischen den Rippen bis in alle Ewigkeit in Kalifornien festzuhalten. War ich tot, konnte ich doch niemand zu dem Gold führen! Das sollte verstehen, wer wollte! Ich verstand es nicht. Es ergab keinen vernünftigen Sinn.

»Weit genug!«, sagte ich zu Claggett, als wir bis auf zehn Schritte an die Einfahrt herangekommen waren.

Er traute mir alles Schlechte zu und gehorchte. Belk hielt die Schrotflinte im Hüftanschlag und war unschlüssig. Die Waffe war doppelläufig und stark verkürzt. Ich wollte wetten, dass sie streute wie eine alte Pfefferdose.

»Nehmen Sie die Patronen heraus, Belk!«, wies ich den Mann an. »Und danach werfen Sie die aufgeklappte Flinte und Ihren Revolver auf die Straße!«

»Tu's!«, rief Claggett. Er hatte miserabel schlechte Nerven.

Belk zögerte noch immer. Ich schätzte, er wartete, dass Maratta zu seiner Unterstützung herzueilte und sie mich in die Zange nehmen konnten.

Ich sagte: »Es macht mir nichts aus, Claggett mit dem eigenen Revolver in den Rücken zu schießen, Mister. Also, wird’s bald?«

Natürlich hätte mir das etwas ausgemacht. Sehr viel sogar. Aber das brauchte ich ihm ja nicht zu sagen. Ich sah, was in ihm vorging. Er traute mir auch noch diese Verrücktheit zu. Mein Trick mit dem Pferderudel hatte ihn schon genug Nerven gekostet. Und auf Maratta konnte er nicht zählen, wie es aussah.

»Was auch passiert, Belk, aus einer Richtung kriegen Sie bestimmt eine Kugel ab, dafür verbürge ich mich. Das gilt auch für Sie, Claggett!«

Nun, das überzeugte Belk. Er wollte nicht herausfinden, wie weit ich mein Spiel zu treiben bereit war. Er warf seinen Revolver in hohem Bogen auf die Straße. Dann entlud er die Flinte und ließ sie dem Sechsschüsser folgen.

»Und jetzt macht euch auf den Weg! Nach Los Angeles ist es verdammt weit zu Fuß!«

Ich sah ganz deutlich, wie Claggett weiße Ohren bekam. Vor Wut oder Schreck. Mir war es einerlei. Hauptsache, er verschwand erst einmal. In zwei Stunden wollte ich mit den Maultieren auf dem Marsch sein. Natürlich erwartete ich nicht, dass er und Belk die dreißig Meilen zu Fuß reisten. Sie waren zu Pferd hergekommen. Die Tiere waren irgendwo abgestellt. Wenn die Männer klug waren, schwangen sie sich auf die Gäule und ließen den Staub dieser Gegend hinter sich.

»Maratta schicke ich euch nach«, versprach ich. »Ob auf seinen Füßen oder in einer Holzkiste, hängt ganz von ihm ab.«

Belk wandte den Kopf und schaute mich an, als wollte er mich ohne Salz und Brühe auffressen. Claggett packte ihn am Ärmel und zog ihn fort. Vielleicht fürchtete er, ich könnte mir die Sache anders überlegen und ihnen ein paar Unzen Blei spendieren.

Ich wartete, bis das zwielichtige Gespann die Gemischtwarenhandlung zweihundert Schritte entfernt erreicht hatte. Claggett blickte nicht einmal zurück.

Ich holte mir die Patronen aus der Einfahrt, blies den Dreck herunter und las die Flinte von der Straße auf. Mit drei Handgriffen machte ich die doppelläufige Waffe fertig. Dann sicherte ich mir auch noch Belks Revolver, um den Burschen nämlich nicht in Versuchung zu führen, zurückzukommen und auf mich zu feuern, während ich Maratta aus der Schmiede zu treiben suchte. Den Revolver steckte ich zu Claggetts Waffe in den Hosenbund. Dort war noch viel Platz. Genug jedenfalls, um auch Marattas Schießeisen unterzubringen.

Ich setzte Fuß vor Fuß und ging auf die Schmiede zu. Die Flinte mit den großen Mündungslöchern hielt ich gesenkt. Vielleicht brauchte ich nicht zu schießen, was mir auch bedeutend lieber war. Sicher hatte der Mann den ruhmlosen Abzug von Claggett und Belk beobachtet und gab ebenfalls auf. Aber sicher war das nicht. Darum hielt ich die Flinte so, dass ich sie im Bruchteil einer Sekunde hochschwingen konnte.

Die Pferde und mein langohriger Freund hatten mir den Pantherschrei noch nicht verziehen. Sie beäugten mich misstrauisch und trotteten vorsichtshalber beiseite. Mein Leopardenschecke machte ein bitterböses Gesicht.

Ich konnte jetzt ungehindert in die Schmiede sehen. Im Hintergrund glühte das Feuer. Der Schmied hatte seit sechs Uhr auf dem Amboss herumgelärmt. Ohne Frage war er sehr fleißig. Ein Mann aber, der eine zweitägige Maultiertreibjagd hinter sich hat und vier Dutzend Schritte entfernt im Hotel ausschlafen möchte, schätzt solche Rührigkeit weniger.

Seitlich des Tores ging ich in Deckung. Zum Schluss wollte ich mir nicht noch eine Kugel einfangen, weil ich zu leichtsinnig war,

»Maratta, kommen Sie ohne Ihre Waffe heraus! Oder fangen Sie meinetwegen an zu schießen!«, rief ich. »Ihre Freunde sind auf dem Rückzug. Sie stehen allein gegen mich.«

Ob ihn das beeindruckte, konnte ich nicht herausfinden. Zumindest rührte er sich nicht. Da musste ich ihm weitere Argumente zum gründlichen Nachdenken liefern.

»Ich habe Belks Flinte. Sie ist geladen!«

Darunter konnte er sich allerlei vorstellen. Aber er blieb noch immer stumm. Allmählich verlor ich die Geduld. Mit dem Gesindel hatte ich mich überhaupt schon zu lange aufgehalten. Umgekehrt hätte das Pack kurzen Prozess mit mir gemacht. Ich wollte mit den Maultieren fort. Außerdem konnten Claggett und Belk Gewehre bei den Pferden haben. Wenn sie damit zurückkehrten, hatte ich mit der Schrotflinte nicht viel zu bestellen.

»Ich kann auch anders«, ließ ich Maratta wissen und trat um die Torkante. Ich erwartete ein Aufblitzen irgendwo im Dämmerlicht und hielt die Flinte schussbereit. Doch nichts rührte sich, vom Feuer einmal abgesehen. Es roch nach Ruß und Rauch und stank nach kaltem Hornqualm.

Schließlich entdeckte ich die rückwärtige Tür. Sie stand spaltweit auf. Das konnte natürlich ein Trick sein. Indem er mir nämlich vortäuschte, er sei abgehauen. Und in Wahrheit lauerte er bloß darauf, bis ich in der richtigen Position war, wo er mir eine Kugel verpassen konnte.

Ich hatte die Sache mit Claggett und Belk schon auf die Spitze getrieben und wollte mich von Maratta nicht noch leimen lassen. Also duckte ich mich und tauchte in die Schmiede hinein.

Weit kam ich nicht. Vor dem Gestell, wo der Schmied sein Bandeisen für die Reifen der Räder aufbewahrte, lag eine klotzige Gestalt mit einem Lederschurz. Den Mann kannte ich vom Ansehen. Die Beule am Schädel des Schmiedes war allerdings neu und von hervorragender Qualität. Ich wollte wetten, dass er nicht blindlings gegen einen Balken gelaufen war, sondern Maratta ihm zu der Schwellung verholfen hatte.

Vorsichtshalber durchstöberte ich die ganze Schmiede.

Der Vogel, den ich suchte, war ausgeflogen, Die offene Hintertür war kein Trick.

Maratta musste gesehen haben, wie ich erst mit Claggett und dann auch mit Belk umgesprungen war. Da hatte er Fersengeld gegeben. Mir war es auch lieber, dass es gänzlich ohne Schießerei abgegangen war.

Ich schöpfte Wasser aus dem Bottich, in dem der Schmied seine bearbeiteten Eisenstücke ablöschte, und klatschte es dem Mann ins Gesicht. Es dauerte einige Zeit, bis er einen klaren Blick bekam und erkannte, dass ich keinerlei Ähnlichkeit mit dem Burschen hatte, der ihm etwas auf den Kopf geschlagen hatte. Aber freundlicher schaute der Mann deswegen nicht. Behutsam betastete er die Beule und knurrte: »Tragen Sie Ihre Streitigkeiten gefälligst woanders aus, Mister!«

Ich grinste sparsam, schulterte die Flinte und trat hinaus in die Morgensonne.

Der Esel hatte inzwischen alle Blumen geköpft. Eine Frau schwang einen Besen, wagte aber nicht, aus der Haustür zu treten. Vielleicht war mein Langohr-Freund inzwischen als hinterlistiger Mistbock bekanntgeworden.

Es kostete mich einige Minuten harte Arbeit, die Pferde zusammenzutreiben und zu Phinks Hotel zurückzuscheuchen. Jetzt, da die Situation bereinigt war und größere Widerwärtigkeiten nicht mehr zu erwarten waren, zeigten sich die Bewohner von San Fernando in größerer Zahl. Man rief mir ein paar lobende und wohlwollende Worte zu. Es fehlte jedoch auch nicht an mahnenden und warnenden Stimmen. Danach musste ich damit rechnen, dass für Claggett die Sache noch nicht zu Ende war.

Das konnte ich nicht beurteilen, ich kannte Claggett ja kaum. Die Warnungen nahm ich jedenfalls nicht auf die leichte Schulter. Immerhin kannten die Leute den Mann und seinen miserablen Ruf viel genauer. Da sah ich mich besser vor.

War ich erst einmal draußen in der Wüste, konnte mir Claggett den Buckel herunterrutschen. Aber bis ich die Wüste erreichte, vergingen mindestens drei Tage, in denen mir allerlei zustoßen konnte.

Der Helfer aus dem General Store hatte die beiden Pferde eingefangen, die nach meinem Pantherschrei nach links davon galoppiert waren. Er brachte sie am Stallhalfter zurück. Ich gab ihm zehn Cents für seine Dienste. Er schaute nach rechts und links und sagte dann leise: »Ich sah Sie schon tot, Mister Blackburn. Die Pferde hatten sie hinter der Sattlerei angebunden. Sie sind alle drei in Richtung Tujunga Canyon fortgeritten.«

»Und wo liegt der?«

Er schaute mich an, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf.

»Na, in den Verdugo Bergen.«

Auch die sagten mir nichts, ich schüttelte den Kopf.

»Vielleicht will Claggett für eine Weile verschwinden«, vermutete ich.

Der Helfer staunte.

»Sie sind gut, da müssen Sie doch durch, wenn Sie in die Wüste hinaus wollen.«

Ich bin nicht leicht zu verblüffen, aber jetzt warf es mich doch fast um. Außer mir und einem Mann in Los Angeles wusste niemand, wohin ich mich mit den Maultieren wenden würde. Das war ja gerade der Pfiff an der Sache. Offenbar aber wusste alle Welt über meine Pläne Bescheid.

Da sollte doch das Donnerwetter dreinschlagen!

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