Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 77

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Claggett und der Geizkragen blickten mehrmals in meine Richtung.

Vielleicht trauten sie mir nicht zu, dass ich die fünfzig Maultiere ganz allein bis zu diesem Canyon geführt hatte. Sehen konnten sie mich nicht, ich hatte mir einen vortrefflichen Platz ausgesucht. Oder sie hatten die dumpfe Ahnung, dass sie unversehens in eine Kugel hineinreiten konnten. Jedenfalls kam ihnen die Gegend nicht geheuer vor. Sie berieten sich und stöberten dann in einer Ausbuchtung des Nordhanges der Hügel herum. Deutlich konnte ich sehen, dass sie zwischen mannshohen Weidebüschen die Pferde tränkten. Also gab es dort Wasser.

Nach einiger Zeit stiegen sie auf und kehrten zum Sammelplatz zurück, wo schon drei Reiter warteten. Die anderen trafen nach und nach ein. Ohne große Eile verschwand die Bande schließlich in Richtung San Bernardino.

Ich fluchte herzhaft. Die Burschen wussten, dass ich nicht vor ihnen war. Sonst hätten sie die Pferde laufen lassen, dass die Hufeisen heiß wurden. Das gefiel mir ganz und gar nicht.

Wenigstens hatte ich die Kerle erst einmal beschäftigt, das war auch etwas wert. Ich brauchte Schlaf und Erholung. Ein übermüdeter Mann hatte keine ruhige Hand und schießt allzu leicht daneben, wenn es darauf ankommt, richtig zu treffen.

Ich wartete aber noch eine Weile an meinem Platz und rauchte noch eine Zigarette. Mein Leopardenschecke und die Leitstute der Herde witterten zu mir herauf. Vielleicht wünschten sie Unterhaltung oder wollten, dass ich zu ihnen hinunter kam. Mir gefiel mein Platz jedoch, trotz der Hitze. Hier oben war ich sicher, was immer auch geschah.

Nach einiger Zeit gewahrte ich eine Staubwolke im Westen. Sie bewegte sich auffallend schnell durchs Land. Schließlich konnte ich eine Kutsche ausmachen. Wahrscheinlich die reguläre Post von Los Angeles nach San Bernardino. Sie schnurrte vorbei und geriet hinter den Hügeln außer Sicht. Nur die Staubwolke trieb noch einige Zeit herum, bis sie sich auflöste.

Unter einem Busch grub ich mir eine Kuhle, las die Steine heraus und streckte mich aus. Ein Auge voll Schlaf hatte ich dringend nötig.

Pünktlich am Spätnachmittag wurde ich wach. Mein erster Blick ging zum Weg drüben. Nichts!

Mein zweiter galt den Maultieren und meinem Pferd. Alles war in bester Ordnung! Einige Tiere hatten sich niedergetan. Abuela versuchte mit den Zähnen den Strick aufzuziehen, mit dem ich sie angepflockt hatte. Ich musste künftig ein Auge auf sie haben, bevor sie sich befreite und mit der halben Herde das Weite suchte.

Die paar Stunden Schlaf hatten mir gut getan. Etwas steifbeinig kletterte ich den Canyon hinunter und begann mit der mühseligen Arbeit, anderen Tieren die Packsättel aufzuladen und die Futtersäcke und den übrigen Kram zu verpacken. Als ich meinem Schecken den Sattel hinauf wuchtete, bekam ich von einem bockbeinigen Maultier einen Tritt in den Hintern, dass mir der Dampf fast zu den Ohren herausfuhr. Das Rabenaas versprach sich davon wohl, dass ich ihm den Tragsattel und die Last abnahm. Das Spiel begann also. Wer einmal Maultiere getrieben hat, der weiß, wie erfinderisch diese Tiere sind.

Ich biss die Zähne zusammen, rannte dem Tier hinterher und wuchtete ihm ohne Gewissensbisse die Faust zwischen die Ohren, dass es auf die Knie stürzte und mich ganz verdattert anstarrte.

»Ich bin zu vielen Späßen aufgelegt«, sagte ich, »aber ich bestimme, wann gearbeitet wird. Also hoch mit dir, du Satansbraten!« Ich griff ihm in die Nasenlöcher und zog es hoch.

Wie ich mich dann umdrehte, hatte Abuela den Strick auf und untersuchte gerade den Inhalt meiner Satteltaschen. Ich fürchtete um Zucker, Kaffeebohnen, Mehl und andere unentbehrliche Dinge und hastete hin, um sie zu vertreiben. Sie warf sich zur Seite und raste wie von Bienen gestochen im Seilcorral herum, dass die Tiere ganz aufgeregt wurden.

»Es freut mich, dass ihr alle in guter Verfassung seid«, sagte ich grimmig. Fünf Minuten später hatte ich meinen Schecken beladen und Abuela eingefangen.

Die Tiere wollten Bewegung und hatten Flausen im Kopf. Nun gut, die Bewegung konnte ich ihnen verschaffen. Ich führte sie aus dem Canyon hinaus und am Nordhang der Hügel entlang bis zum Weg. Schon bald ging es aufwärts. Ich umritt eine mexikanische Siedlung. Pomona oder so ähnlich. Ich schaute immer wieder über die Schulter, ob jemand zwischen den Hütten herausgeritten kam. Vielleicht hatte die Bande jemand dort stationiert, dem die Aufgabe zugeteilt war, das Land im Auge zu behalten und beim Auftauchen einer großen Staubwolke sofort nachzusehen, wer da kam. Ich sah nur ein paar weißgekleidete Mexikaner von der Feldarbeit heimkehren. Ein Reiter kam nicht.

Bei Sonnenuntergang überquerte ich den Carbon Canyon, und als ich drüben wieder hochkam, sah ich links drüben in einiger Entfernung den San Antonio Peak und die Berge in seiner Umgebung im Abendrot aufglühen. Er ist über zehntausend Fuß hoch und ein markanter Wegweiser für alle Reisenden. Da wusste ich, dass ich spätestens um Mitternacht Alta Loma erreichte. Im Dämmerlicht kam mir ein zweirädriger Karren entgegen, von Ochsen gezogen. Auf dem Bock saß ein Mexikaner, und auf der Knüppelholzladung hatte er seine Familie verteilt. Er blickte mich an wie ein Weltwunder, als er die Herde hinter mir ausmachte. Dann bekreuzigte er sich und schlug hastig auf seine Ochsen ein.

Ich verstand den Mann. Wer so viele Maultiere allein treibt, muss verrückt sein. Mit mir wollte er nichts zu schaffen haben. Ich hätte ihn gerne gefragt, ob ihm neun Americanos begegnet waren, aber da war er schon in der Dunkelheit verschwunden. Nur das Quietschen der Karrenräder hörte ich noch eine Weile.

Es war ja möglich, dass der Mann meine ganz besonderen Freunde gesehen hatte. Mit dem Klapperkarren war er bestimmt nicht in den Bergen herumgefahren, sondern hatte das Holz in der Nähe des Weges geschlagen. Bei Alta Loma gab es Sequoia Wälder. Auf dem Herweg hatte ich sie ja ausgiebig bestaunt. Eine düstere Wegstrecke war das dort, weil der Weg über zehn Meilen nur unter diesen riesigen Bäumen herführte. Selbst am Tag konnte man dort ganz gut eine Laterne, gebrauchen. Bei Nacht war es naturgemäß finster wie in einem zugenagelten Fass.

Ein hübscher Platz für einen Hinterhalt, bei Gott.

Aber, sagte ich mir, die Kerle können dich gar nicht sehen. Wenn sie losballern, laufen sie Gefahr, dass sie sich gegenseitig was auf die Rippen knallen!

Ich war auf einiges gefasst.

Dass sie es aber so blöd anfingen, überraschte mich.

Bevor es in die Sequoia Wälder hineinging, blickte ich noch zu den Sternen hinauf, damit ich ungefähr wusste, ob ich in der Zeit war. Es musste zwei Stunden vor Mitternacht sein.

Eine halbe Meile später rief mich von rechts eine Männerstimme an: »He, Blackburn, Sie geben jetzt besser auf, verstanden? Wir wussten, dass Sie uns haben vorbeireiten lassen. Kein Mensch hat eine Maultierherde gesehen. Kehren Sie um und machen Sie sich in Los Angeles ein paar schöne Wochen! Ein besseres Angebot können wir Ihnen nicht machen.«

Die Stimme kannte ich nicht. Aber ich wusste auch so, was der Kerl bezweckte. Er konnte mich in der Finsternis nicht sehen und wollte mich dazu verleiten, ihm Antwort zu geben. Nie im Leben ließen die Kerle mich davonkommen. Für sie stand zu viel auf dem Spiel. Hundertsiebzig Pfund Gold. Die hielten mich für schwachsinnig.

Redete ich, wussten sie ungefähr, wo ich war. Dann deckten sie mich mit Kugeln ein, dass mir Hören und Sehen und überhaupt alles verging. Ich hustete ihnen was. Ich machte mich auf dem Schecken so klein, wie es ging, kitzelte ihn mit den Absätzen und zerrte energisch an der Longe, an der Abuela hing. Sie ließ einen Schrei los, dass es mir die Haare aufrichtete, und dann hörte ich nur noch den Lärm der los tobenden Herde und den Hufschlag hinter mir. Mein Schecke musste mindestens ebenso sehr erschrocken sein wie ich, jedenfalls lief er vorneweg, dass es mir die Knochen zusammenrüttelte.

Zwar hörte ich noch Männer brüllen, aber das war bereits ein ganzes Stück zurück und ging mich nichts mehr an. Ich war durch!

Diese kalifornischen Hühnerdiebe und Wegelagerer mussten nicht bei Trost sein, dass sie es sich so einfach vorstellten, mich hereinzulegen.

Ich wartete darauf, dass sie zu schießen anfingen. Darum behielt ich den Kopf unten. Sie verschwendeten jedoch keine Kugel. Das konnte heißen, dass sie die Erfolglosigkeit einer Knallerei einsahen. Es konnte aber auch bedeuten, dass sie meine Maultiere lebend brauchten.

Ich schlug mir auf den linken Oberschenkel. Meine Nase! Hatte ich nicht vermutet, dass sie mir die Maultiere abzunehmen versuchten, um das Gold und genügend Wasser auf dem Rückweg durch die Mojave transportieren zu können?

Die Weisheit hatten die Burschen jedenfalls nicht mit Löffeln gefressen. Versuchten es auf die primitive Tour. Im Stil eines Fünf Cent-Banditen. Wenn Sie nicht zu neunt gewesen wären, hätte ich gelacht. Aber selbst ein Schwachkopf kann ein Gewehr halten, in die richtige Richtung zielen und abdrücken. Wenn das neun Burschen gleichzeitig tun, können nicht alle Kugeln vorbeigehen. Außerdem hatte ich so das Gefühl, dass diese Wegelagerer nicht der letzte Trumpf waren, sondern dass man noch etwas in der Hinterhand hielt.

Daran dachte ich schon die ganze Zeit. Eine zweite Gruppe, die vielleicht schon die Wüste erreicht hatte und mit allen Mitteln versuchte, vor mir in Nevada anzukommen.

Das Rennen wollte ich zu meinen Gunsten entscheiden, und hier unter den Sequoien konnte ich den Anfang damit machen. Aus diesem Grund ließ ich die Maultiere rennen. Sie hatten sich den ganzen Tag im Canyon ausgeruht. Von den Pferden der Strolche um Claggett wollte ich das nicht unbedingt behaupten. Ein Pferd kann man fünfzig, sechzig Meilen am Tag treiben. Auch achtzig. Ich kenne Leute, die sogar hundert Meilen und mehr schafften. Allerdings in einem wesentlich günstigeren Gelände. Nach einem solchen Gewaltritt braucht ein Pferd dann aber wenigstens einen Ruhetag. Sonst ist es erledigt. Darum kommt es bei Rennen, die über viele Tage gehen, auch gar nicht so sehr auf die Schnelligkeit der Pferde an. Nur darauf, wie klug man ihre Kräfte einteilt und wie zäh und widerstandsfähig sie sind.

Nach einer halben Stunde steckte ich noch immer zwischen den Sequoias. Es hätte mich schon interessiert, ob Claggett und seine Kumpane mich verfolgten. Ich konnte einen Aufenthalt jedoch nicht riskieren, denn ich hatte weder Rinder noch Pferde hinter mir, sondern Maultiere. Die hätten sofort die Gelegenheit wahrgenommen, sich seitlich in die Büsche und zwischen die mächtigen Stämme zu schlagen. Vor Sonnenaufgang hätte ich sie da nicht wieder herausgebracht.

Also ließ ich sie laufen und bezähmte meine Neugierde.

Irgendwann roch es dann nach Schlamm, fauligem Wasser und frisch geschlagenem Zuckerrohr. Ich hatte die Wälder hinter mir und befand mich jetzt zwischen den Feldern von Alta Loma. Das Nest lag in einem Talkessel und war eine einzige fruchtbare Gegend. Die Leute leiteten das Wasser in Gräben von den Berghängen herbei.

Hinter einer Wegbiegung sah ich dann auch die ersten Lichter und ein paar fahlhelle Mauern. In dieser Gegend war fast jedes Haus von einer Mauer umgeben. Die Spanier hatten das so eingeführt.

Um Alta Loma herumzureiten, erschien mir zu gefährlich. Zu leicht konnte ich in schlammigen Äckern und irgendwelchen Wassergräben steckenbleiben. Also gab’s nur eines: Mitten durch das Nest hindurchzureiten!

Ich kitzelte meinen Schecken und fasste die Longe kürzer, damit mir Abuela nicht zur Seite ausbrach und die Herde in einen ummauerten Hof leitete. Es gab etliche Bodegas. In einer herrschte noch Betrieb. Wahrscheinlich dröhnte der hartgebackene Boden unter den zweihundert Hufen ganz tüchtig. Die Leute kamen herausgerannt und blieben unter der Lampe über der Tür stehen, sperrten Mund und Nasenlöcher weit auf und flüchteten schimpfend vor der Staubwolke, die meine Herde mitriss.

Es war Pech, dass sie mich gesehen hatten. Aber nicht zu ändern.

Jenseits der Siedlung schlug ich ein gemäßigtes Tempo an. Der Weg wand sich einen kleinen Pass hinauf. Oben angekommen, ließ ich die Tiere verschnaufen. Ich ging abseits und lauschte zurück. Die Lichter von Alta Loma flackerten in einiger Entfernung wie müde Leuchtkäfer. Der Nachtwind stand ungünstig. Ich konnte nicht hören, ob ein größerer Reitertrupp jetzt in das Nest einritt. Und außer den Lichtpunkten der traurigen Ölfunzeln vermochte ich auch nichts zu sehen.

Aber was machte es? Ich war jedenfalls vor Claggett hier, und dieser Umstand hob meine Laune beträchtlich.

Ein Streifen Dörrfleisch aus der Satteltasche stellte mein Abendessen dar. Mit einem Schluck Wasser spülte ich nach, rauchte hinter der Hand eine Zigarette und führte meine Herde dann weiter nach Osten. Vor Tagesanbruch kam ich wahrscheinlich nicht nach San Bernardino hinein, aber bestimmt vor Sonnenaufgang. Vorausgesetzt, der Wind von den Bergen wurde nicht zu kalt und machte meine Maultiere steif.

Ich verließ die Passhöhe und zog meinen Weg weiter. Hätten die Verfolger ausgeruhte oder frische Pferde gehabt, hätten sie mich schon eingeholt haben müssen. Daraus schloss ich, dass sie in Alta Loma keine Pferde hatten umtauschen können.

Von den Pinon Bergen blies schon bald ein eisiger Wind herunter. Erst schlug ich den Hemdkragen hoch. Aber die Kälte ging durch und durch. Notgedrungen holte ich meine Jacke aus der Gepäckrolle und schlüpfte hinein. Auch das half nicht viel. Da versuchte ich, ein paar Meilen zu schlafen. Ich hatte Übung darin, und es ging leidlich. Jedenfalls fiel ich nicht aus dem Sattel.

Natürlich schaffte ich es nicht bis Sonnenaufgang. Die Sonne stand schon handbreit über den Redland Bergen östlich der Siedlung, als ich endlich meine Maultiere nach San Bernardino hinein lenkte. Ganz offen. Jeder sollte sie sehen.

Das war ja mein Trick. Hier musste ich die Verfolger abhängen und eine falsche Fährte legen, damit sie in einer anderen Gegend der Wüste suchten. San Bernardino war der letzte Außenposten vor der Mojave. Und vor den beiden Pässen, dem Cajon im Norden und dem San Gorgonio im Osten. Gegenüber der Posthalterei strich ein Mann sein Haus mit scheußlicher gelber Farbe an. Ich hatte eine Idee - wieder so einen verrückten Blackburn Einfall. Ich hielt an und rückte am Hut. Dann sagte ich höflich zu dem Mann: »Könnte ich für fünf Cents von dieser Farbe haben, Mister?«

So eine ausgefallene Frage hatte man ihm wohl noch nie gestellt. Er schaute entgeistert und nickte dann, aber ich glaube, er hatte meine Bitte gar nicht richtig verstanden.

Im nächsten Augenblick war ich schon aus dem Sattel, nahm ihm den Farbpinsel und den Blechkanister aus der Hand und malte allen meinen Maultieren einen dicken hässlichen Strich auf die rechte Hinterbacke, und zwar an der Stelle, wo sie ihn nicht abreiben konnten. Grinsende Zuschauer fanden sich ein. Sie verfolgten mein Treiben aufmerksam und sparten nicht mit witzigen Ratschlägen. Zum Beispiel, ob ich nicht lieber die Ohren der Tiere anstreichen wolle. Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen, denn ich hatte Gründe für mein Tun. In San Bernardino lebten nämlich nicht nur rechtschaffene Leute, sondern auch Burschen, die hier gestrandet waren, entweder bevor sie in die Wüste gingen oder nachdem sie gerade noch der tödlichen Mojave entkommen konnten. Es gab auch sonst allerlei gefährliche Hombres in dem Nest. Pistoleros und Halsabschneider, die man mit fünf Dollar für jede Arbeit kaufen konnte. Und versoffene Indianer, die dem Pferdedieb Dan Maratta Konkurrenz machen.

Auf dem Herweg hatte ich hier Station gemacht. Die begehrlichen Blicke, die meinem Leopardenschecken gegolten hatten, waren mir noch deutlich in Erinnerung. Außerdem hatte ich erstklassige Maultiere. Das war eine große Verlockung.

Während ich die rechte Hinterbacke der Tiere anstrich, zählte ich auch gleich. Die Herde war noch vollzählig. Zwei Männer schoben sich heran. Einer schwankte. Der andere war auch nicht gerade nüchtern. Ich hörte es, als er rülpsend fragte: »Brauchen Sie ’n paar Treiber, Mister? Ich und mein Freund sind gerade frei.«

»Danke, ich muss mit den Böcken bloß bis Barstow rauf, da erwarten mich meine Freunde«, lehnte ich ab.

»Für zwei Dollar pro Nase kaufen Sie uns, Mister!« Der Kerl ließ nicht locker, er musste wirklich restlos abgebrannt sein.

»Nichts zu machen!« Ich grinste ihn an, dass er zwei Schritte zurückwich. Dann bezahlte ich meine fünf Cents für die Farbe und gab Pinsel und Kanister zurück. Und danach ritt ich bis zur Plaza und wandte mich dem nördlichen Ausgang zu. Nach Barstow kam man nämlich nur über den Cajon Pass. Den Leuten hatte ich ein Ziel genannt. Nun ritt ich auch noch in Richtung Pass. Wenn das nicht überzeugend war, dann wollte ich nicht Cannon Blackburn sein.

Zudem wollte ich einen namhaften Betrag wetten, dass Claggett und die Strolche genau die Auskunft bekamen, die ich wünschte. Mir war klar, dass sie nach mir herumfragten, wenn sie nach San Bernardino kamen.

Meine Entscheidung stand jetzt aber fest. Ich ging nicht über den Cajon Pass, sondern über den San Gorgonio. Das erschien mir sicherer. Zwar hatte ich mir von Cleveland noch einen Pass beschreiben lassen, aber der war zu risikoreich. Außerdem wusste kein Mensch genau, wo er lag. Eben irgendwo im Süden der San Bernardino Berge, zwischen dem Cahuilla und dem Rabbat Peak. Da waren die Bergzüge durchweg zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb tausend Fuß hoch.

Von diesem ominösen Pass wusste man nur, dass alle paar Jahre einige Leute darüber kamen. Wie es dahinter mit Wasser bestellt war, davon hatte Cleveland nicht einen blassen Schimmer gehabt.

Wesentlich ausführlicher hatten wir uns über den Cajon und über den San Gorgonio unterhalten. Wenn ich es recht bedachte und mir diese Unterhaltung nachträglich noch einmal in Erinnerung rief, dann hatte Cleveland ganz eifrig vom Cajon gesprochen und mir die Piste über Barstow schmackhaft machen wollen. Nun, da ich gegen jeden misstrauisch sein musste, mit dem ich bisher in Kalifornien zu schaffen gehabt hatte, vermutete ich dahinter natürlich Absicht. Diesem Cleveland pfiff ich was! Ich war erwachsen und konnte die Risiken einer Wüstenreise selber einschätzen. Hinzu kam, dass ich den Spanish Trail schon vom Herweg kannte. Da ich zurück musste, wollte ich mir bei der Gelegenheit wenigstens eine andere Gegend ansehen. Und, wie gesagt, auf der Südpiste hatte ich ein Wasserloch mehr.

In Sichtweite des nördlichen Stadtausganges fand ich, was ich suchte. Eine Tierhandlung. In Englisch und Spanisch pries der Unternehmer auf der Vorderwand seiner schäbigen Hütte Pferde, Esel und Maultiere zu niedrigsten Preisen an. Solche Witzbolde kannte ich. Wenn man ein erstklassiges Pferd von denen haben wollte, musste man dennoch seine hundert Dollar hinlegen. Hat sich was mit Niedrigpreisen!

Ich ritt in seinen Hof, und ich hatte richtig kalkuliert. Er kam in langen Unterhosen herausgeschossen, beguckte meine bemalten Maultiere und kratzte sich ratlos am Kopf.

Ein Mexikaner. Und zwar einer von der Sorte, der ich nicht so gern in der Dunkelheit begegnen möchte. Leute seiner Sorte bevorzugen das Messer und nicht den Revolver, weil es lautlos ist.

»Ay, Señor, verkaufen Sie diese netten Tierchen?«, fragte er und machte schon einen Vorschlag, »Zehn Dollar das Stück?«

Ihm musste die Hitze nicht bekommen sein, oder er hielt mich für einen ausgemachten Trottel, weil ich die Herde allein trieb. Fünfundzwanzig Dollar hatte ich selber bezahlen müssen, wobei ich stolz war, dass ich Cleveland noch fünf Dollar an jedem Tier abgehandelt hatte.

»No, Amigo, die sind nicht zu verkaufen.«

Wieder kratzte er sich am Kopf.

»Was wünschen Sie dann, Señor?« In seinen Augen begann es zu funkeln.

Ich war auf der Hut.

»Dass Sie diese netten Tierchen ausgiebig füttern und tränken, Amigo, und mir heute Abend nach Sonnenuntergang zum Lytle Creek rausbringen. Und zwar vollzählig, verstanden?«

Er war nur für einen Augenblick perplex.

»Pues, warum nicht gleich zum Cajon rauf?«

»Eine gute Idee, aber die Sache könnte ziemlich gefährlich für Sie werden.«

Er zwinkerte, beguckte sich noch einmal die Maultiere, dann mich. Anschließend starrte er auf den Hofeingang, und endlich kehrte sein Blick zu mir zurück und verweilte auf meinem Revolver.

»Si«, meinte der Hombre.

Der Mann wusste, was ich meinte. Er war klug. Und ein Schlitzohr.

Als ich ihm beim Abladen half, bemerkte ich seine wohlgefälligen Blicke, die den Packsätteln, den Futtersäcken und dem anderen Zeug galten. Wenn ich ihn damit zum Lytle Creek rauskommen ließ, fehlte unter jeder Garantie die Hälfte. Aber ich hatte auch mit diesem Hombre meine Pläne. Alles war Bestandteil meines großen Tricks.

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