Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 73

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Ich gab dem Helfer weitere zehn Cents und nahm ihm die beiden Pferde ab.

Während ich alle Tiere und den Esel in den Stall zurückbrachte, dachte ich scharf nach. Cleveland, so hieß der Mann in Los Angeles, hatte mir erklärt, dass ich die Maultiere zweckmäßigerweise in San Fernando abholte. Er hätte da eine Herde stehen. Natürlich hätte er auch in Los Angeles genügend Tiere, aber ein einzelner Mann, der gleich fünfzig dieser widerborstigen Teufel treibe, errege doch zu großes Aufsehen. Und möglicherweise würden dann einige Burschen zu denken beginnen und sich fragen, wozu ein Mann allein mit einer beachtlichen Maultierherde losziehe.

Er hatte dann noch darauf hingewiesen, dass sich in Los Angeles mehr Gesindel herumtreibe, als man sich träumen lasse, und dazu kämen noch Spieler, Spekulanten, Glücksritter und Herumtreiber, und jeder von ihnen lauere nur darauf, seinen Nächsten übers Ohr zu hauen. Ich hatte sofort begriffen, was er meinte.

Im Gegensatz zu seinem frommen Namen war Los Angeles nämlich zu der Zeit ein wahres Höllenpflaster. Gleich am ersten Abend hatte ich zwei Schießereien miterlebt und wenig später von einer dritten den Krach gehört. Dann hatte mir ein Dieb die Taschen ausräumen wollen.

Unter solchen Vorzeichen war mir Clevelands Vorschlag gerade recht gekommen. Je weiter entfernt von Los Angeles ich die Maultiere übernahm, desto geringer war das Aufsehen, das ich zwangsläufig erregen musste, und demzufolge auch die Möglichkeit, die Herumtreiber und Glücksritter in der Stadt auf abenteuerliche Gedanken zu bringen.

Nach dieser Unterredung mit Cleveland war dann dieser Claggett aufgetaucht, um sich an mir zu reiben. Er war mir sogar bis hierher nach San Fernando gefolgt. Ob Cleveland ihn geschickt hatte?

Ich hielt es für ausgeschlossen. Der Mann hatte einen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht. Außerdem war er der Freund des Sprechers unseres Goldgräberrates im Eldorado Canyon. Deswegen war ich ja überhaupt durch die Mojave nach Los Angeles geritten. Was wir nämlich brauchten, um unsere Ausbeute wegzuschaffen, waren zähe Maultiere, die das heiße Klima gewöhnt waren. In der benötigten Anzahl bekamen wir die nur in Los Angeles.

Hätten wir sie in der Umgebung vom Eldorado Canyon stückweise zusammengekauft, wäre man trotz all unserer Vorsicht auf unsere Funde aufmerksam geworden. Zumindest aber wäre man auf den richtigen Gedanken gekommen, wozu wir alle Maultiere aufkauften.

Well, nun stand ich also da mit meinen Maultieren und musste mir etwas einfallen lassen, um die Tiere nach Nevada zu bringen. Die Tiere, wohlgemerkt, und nicht einen Rattenschwanz von Verfolgern, von Strolchen, Gaunern, Dieben und Halsabschneidern. Ich konnte es mir nur so erklären, dass jemand meine Unterredung mit Cleveland belauscht hatte. Wenn ich es mir richtig überlegte, hatte Cleveland sich auch erkundigt, wie viel wir denn nun gefunden hätten. Und ich hatte wahrheitsgemäß gesagt, dass pro Nase etwa zehn Pfund zusammengekommen sind. Ein heimlicher Lauscher hatte daraus schon entnehmen können, dass die Rede nicht von Kartoffeln war. In Verbindung mit den fünfzig Maultieren hatte er haarscharf schließen können, dass man nur wegen Gold solchen Aufwand treibt und derartige Vorkehrungen trifft.

Und tatsächlich benötigten wir die Maultiere ja auch nicht bloß dazu, um unser Gold aus dem Eldorado Canyon herauszuschleppen. Sie sollten es auch noch durch das ganze Arizona und Neu Mexiko Territorium tragen. Das war ein mörderischer Weg, und wir hatten einkalkuliert, dass wir die Hälfte der Tiere einbüßten. Wie es aussah, waren unsere ganzen umständlichen Sicherheitsvorkehrungen für die Katz. Und ich war derjenige, der es ausbaden musste.

Claggett war vielleicht nur der Anfang gewesen. Ich konnte mich darauf einrichten, bewegten Zeiten entgegenzugehen. Wenn schon der Helfer aus dem General Store wusste, dass ich mit den Maultieren in die Mojave Wüste wollte, dann war der Rest auch kein Geheimnis mehr.

Bei Cleveland war mehrmals der Name des Canyons gefallen, in dem wir das Gold gefunden hatten. Vielleicht waren schon ein paar hartgesottene Burschen unterwegs, um meinen Freunden drüben in Nevada einzuheizen und ihnen das Gold abzunehmen. Und meines obendrein.

Das brauchte ich aber. Für meine Leute daheim nämlich.

Und Claggett war losgeschickt worden, um mich aus den Stiefeln zu stoßen!

Ich begriff, dass ich aufbrechen musste, um meine Freunde zu warnen. Gleich jetzt!

Mein Plan war gewesen, durch die Verdugo Berge über Alta Loma zum Cajon Pass zu reiten und von dort dem alten Spanish Trail zu folgen. Über das Nest Barstow, mitten durch die Wüste.

Es war besser, wenn ich über den San Gorgonio Pass ging und die Wüste auf der Südroute durchquerte. Zwar bedeutete das einen Umweg, aber nicht immer ist der längere Weg auch der mühsamere. Auf der Südroute kannte ich nämlich nach Beschreibungen fünf Wasserstellen, statt vier auf dem Spanish Trail. Wasser bedeutet Kraft, und Kraft zahlt sich in Schnelligkeit aus. Ich konnte da unten die Maultiere besser und regelmäßiger mit Wasser versorgen und kam schneller mit ihnen voran. Ich konnte sogar erwarten, mit den Tieren einen oder zwei Tage vor den Burschen den Eldorado Canyon zu erreichen, denn womöglich waren die Kerle schon vorgestern aus Los Angeles aufgebrochen, um sich eine fette Goldbeute in die Tasche zu stecken.

Nur durfte mich unterwegs rein gar nichts aufhalten.

Und ich musste immer gefüllte Wasserlöcher vorfinden.

Das waren die beiden wichtigsten Voraussetzungen.

Wer auch immer die Sache eingefädelt hatte, er schien sich einen ordentlichen Profit zu versprechen. Und er musste genug Geld besitzen, um Leute wie Claggett und dessen Spießgesellen bezahlen zu können.

Dass Claggett sich nach seiner Niederlage nach Osten in Richtung der Verdugo Berge gewandt hatte, konnte nur eines bedeuten: Auch er war über meine Pläne bestens informiert und hoffte, mich auf dem Weg zum Cajon Pass zu erwischen, spätestens aber draußen auf dem Spanish Trail!

Und es hieß noch etwas. Er bekam für mich genug Geld, so dass ihn das Gold, das im Eldorado Canyon eventuell zu erben war, nicht verlocken konnte.

Ich legte also große Eile an den Tag und band die Pferde der Hotelgäste fest und auch die Tiere von Phink. Den Esel trieb ich mit der Mistgabel in seine offene Box. In Rekordzeit sattelte ich meinen Leopardenschecken und ließ ihn bei einer ordentlichen Ration Hafer und einem frisch gefüllten Wassereimer zurück. Mein Gepäck befand sich im Hotel. Auf das wollte ich natürlich nicht verzichten. Immerhin hatte ich eine Menge Geld hineingesteckt. Also ging ich zu Leon Phink rüber. Er stand noch in der Halle, als hätte er sich inzwischen nicht vom Fleck gerührt. Sogar ein Teil der Gäste hatte darauf verzichtet, das unterbrochene Frühstück fortzusetzen.

Und sie war natürlich auch noch da, die schwarzhaarige junge Lady, und hütete meinen Waffengurt,

Lange Umstände machte ich nicht. Ich legte die Schrotflinte und die zwei Revolver auf Phinks Empfangstisch und sagte: »Könnte sein, dass Claggett und Belk ihr Eigentum abholen kommen. Dann geben Sie es ihnen. Aber nicht vor morgen. Ich bin kein Dieb, der anderer Leute Waffen einsteckt.«

»Sie Sie sind total verrückt!«, sagte er. Das hatte ich schon einmal von ihm gehört. »Hätten Sie den Strolch doch nur umgelegt!«

»Weil er ein bisschen Lärm auf der Straße gemacht hat?«, fragte ich und schüttelte den Kopf. »Es wird sich herumsprechen, dass ich ihn ohne Waffe erwischt habe. Damit ist er erledigt. Lächerlichkeit tötet!«

»Eben drum!«, ereiferte sich Phink. »Er wird nicht eher Ruhe geben, bis er Ihren Skalp hat und die Scharte ausgewetzt ist, Blackburn.«

»Dann muss er aber weit reiten«, erwiderte ich. »Ich reise nämlich ab. Jetzt gleich. Sehen Sie in Ihrem Buch nach, ob ich Ihnen noch etwas schulde.«

»Fünfzig Cents fürs Frühstück, aber die schenke ich Ihnen. Das ist es mir wert, dass ich gesehen habe, wie Sie Claggett was aufs Maul gehauen haben. Fürchten Sie sich eigentlich vor gar nichts?«

»Doch, vor Gott und dem Teufel«, sagte ich ernsthaft. »Aber nicht vor Halunken wie Claggett.«

Danach wandte ich mich der jungen Lady zu. Sie hielt mir meinen Waffengurt entgegen und sagte: »Sie hatten schon einen Zusammenstoß mit diesem Raufbold? In Los Angeles sagen die Leute, Sie seien ein Feigling, weil Sie vor ihm weggelaufen sind. Das glaube ich nun nicht mehr. Mein Gott, ohne Waffe haben Sie sich hinausgewagt. Sie sind doch Cannon Blackburn?«

Ich schaute bestimmt nicht sehr geistreich drein. Richtig heiße ich Benton Clancey Blackburn. So steht es jedenfalls in der Familienbibel. Als Kind wurde ich Blue genannt, weil ich meistens mit einem blauen Auge und immer mit irgendwelchen blauen Flecken herumlief. Zum sechzehnten Geburtstag bekam ich meinen ersten Revolver, und weil ich schon bald mit ihm gut umgehen und und schließlich der beste Schütze in der ganzen Familie war, erhielt ich einen Kriegsnamen, wie das bei uns Sitte ist. Vater brachte ihn auf, als ich ihm eine Bande Pferdediebe vom Hals jagte und nur den Revolver dabei hatte. Ab dem Tag hieß ich Cannon, und ich war recht stolz auf den Namen.

Außer Cleveland kannte ich keinen Menschen in Kalifornien, dem ich mich unter diesem Namen vorgestellt hatte. Selbst ins Gästebuch hatte ich mich mit meinen richtigen Vornamen eingetragen.

Und da fragt mich die junge Dame mit unschuldigem Augenaufschlag, ob ich Cannon Blackburn sei! Wie sie mich außerdem auch anschaute! Mir wurde heiß und kalt. Da kam man ja auf Gedanken, über die man erst gar nicht spricht, weil‘s unanständig ist.

»Zufällig bin ich der«, gab ich zurück und legte den Gurt um. Ich war in Eile und wollte mir von ihr nicht erst noch den Stoppelbart kraulen lassen.

»Sie hatten Glück«, meinte sie und lächelte mich an, dass ich fast die Maultiere und den Eldorado Canyon vergaß. Rechtzeitig besann ich mich.

»Verstand, Madam«, widersprach ich ihr. »Wir Menschen haben den Kopf bekommen, um damit zu denken. Wäre ich mit dem Revolver auf die Straße gegangen, hätte es doch eine schlimme Schießerei und ein Begräbnis gegeben. So war die Sache viel unterhaltsamer.«

»Für Claggett bestimmt nicht«, meinte sie mit feinem Spott. »Und das meine ich auch gar nicht. Vorgestern hatten Sie Glück, dass Sie noch in der Nacht aus Los Angeles verschwunden sind. Claggett glaubte nämlich, Sie hielten sich versteckt. Er hat Ihnen den ganzen darauffolgenden Tag im Kaktusfeld aufgelauert.«

»So?«, machte ich. Ich kannte kein Kaktusfeld, ich hatte in der stockdunklen Nacht in den Sepulveda Bergen auch keines gesehen. Außerdem war sie genau informiert, wie es aussah.

Sie schien mir meine Zweifel anzumerken, darum sagte sie hastig: »Wir kamen gestern mit der Kutsche dort durch, und der Agent auf der Pferdewechselstation erzählte, Claggett und seine Freunde hätten bis Sonnenuntergang vergebens auf einen gewissen Blackburn gewartet. Als ich Sie dann hier sah, habe ich Sie sofort wiedererkannt. Ich hatte im Borego-Hotel Quartier genommen.«

Es stimmte, dass sich Claggett im Hotel dieses Namens an mir hatte reiben wollen, aber ich wollte bei meiner Seele schwören, dass ich die Frau dort nicht gesehen hatte.

Sie log, das spürte ich. Deshalb war ich sofort entsprechend misstrauisch. Vielleicht hatte sie ebenfalls von dem Gold im Eldorado Canyon gehört und ging einen anderen Weg, um es in ihre Tasche zu lenken. Über mich nämlich. Sie war viel zu hübsch und auffallend, als dass ich sie hätte übersehen können. An ihrer Geschichte stimmte etwas nicht.

»Dieses Kaktusfeld muss ich wohl verfehlt haben«, sagte ich unwirsch. »Außerdem glaube ich, dass Claggett dort so wenig Erfolg gehabt hätte wie gerade jetzt.«

»Unterschätzen Sie ihn nicht, Mr. Blackburn! Ich wohne jedes Jahr für einige Wochen in Los Angeles, und ich weiß, dass dieser Gent dort einen sehr traurigen Ruf genießt.«

»Ja, dann!«, sagte ich lahm, griff an den Hut und verabschiedete mich mit einer Verbeugung.

»Ich erwarte hier eine Freundin«, rief sie mir nach.

Von mir aus konnte sie, ich hatte weder mit ihr noch mit ihren Freundinnen etwas im Sinn. Ich musste nach Nevada hinüber, auf dem schnellsten Weg. Und ich durfte nichts verbocken. Sonst waren die siebzehn Männer aufgeschmissen.

Mein Gepäck und meine Ausrüstung hatte ich rasch zusammengeräumt. Als ich wieder in die Halle hinunterkam, sah ich die junge Dame gerade noch Arm in Arm mit ihrer Freundin, mit der sie gestern aus der Kutsche gestiegen war, aus der Hoteltür treten. Mochte der Himmel wissen, wozu sie eine weitere Freundin erwartete. Mich ging das auch gar nichts an.

Phink räusperte sich. Er hatte die Waffen fortgeräumt.

»Sie heißt Norie Catlin, ist auf der Durchreise«, sagte er.

»Ich wünsche ihr gute Reise«, brummte ich.

»Beehren Sie mein Haus bald wieder, Mr. Blackburn!«

»Bestimmt nicht«, entgegnete ich. »Kalifornien ist mir zu gewalttätig.«

Er blickte sauer. Gute Gäste sieht man ungern ziehen.

Ich stapfte zum Stall hinüber und belud den Leopardenschecken. Den Hafer hatte er restlos verputzt. Vom Wasser hatte er sparsam gesoffen. Zehn Minuten später ritt ich hinter das Haus des schäbigen Händlers, der mich mit den Maultieren hatte hereinlegen wollen. Er erwartete mich und zeigte auf die fünfzehn Packsättel, die dreißig Wasserschläuche und die zehn Falteimer aus Segeltuch, die ich ebenfalls erstanden hatte.

»Alles bereit«, meinte er unhöflich. Er war mir noch immer gram.

»Davon sehe ich nichts«, sagte ich. »Oder glauben Sie, ich würde das Zeug den Biestern allein aufladen?«

Er merkte wohl, dass ich noch immer zornig war, weil er mich die Maultiere allein hatte einfangen lassen. »Dafür werde ich nicht bezahlt«, maulte er.

»Das muss ich unbedingt Cleveland schreiben. Vielleicht will er dann hier einen neuen Maultierhändler haben.«

Was ich sagte, gefiel ihm nicht. Er schielte wieder auf meinen Revolver. Vor dem hatte er wohl größeren Respekt als vor Cleveland. Er verlegte sich aufs Verhandeln.

»Fünf Dollar?«, schlug er vor.

Er hielt mich wohl für den Gouverneur von Kalifornien!

»Nicht einen Cent!«, versetzte ich grob. »Und allmählich verliere ich die Geduld mit Ihnen!«

Das wirkte. Er ging mir zur Hand. In weniger als einer halben Stunde hatten wir fünfzehn Arrios ausgesondert und mit den Packsätteln, den Wasserschläuchen und Falteimern beladen.

»Jetzt können Sie losziehen!«, meinte er auf atmend. Wie er es sagte, wünschte er mich in die Hölle.

»Und was ist mit dem Futter?«, fragte ich und wurde nun wirklich wütend. Diese schäbige Krämerseele versuchte mich doch schon wieder anzuschmieren. Ich hatte zehn Zwanzig Pfund Säcke Maisschrot und die gleiche Menge Hafer bezahlt. Da wollte ich sie auch haben.

Er zog den Bauch ein.

»Bekommen Sie vorn an der Haustür.« Breitfüßig walzte er zum Hintereingang hinein.

Für die Herde hatte ich mir eine erstklassige Leitstute ausgesucht. Von hinten sah sie aus wie eine mexikanische Bohne, nur viel größer natürlich.

Ich hatte alle möglichen Namen ausprobiert, auf die sie hätte hören können. Ohne Erfolg. Also streifte ich ihr das Kopfhalter über, nahm sie an die Longe und zog sie hinter mir her. Störrisch und mit viel Gebrüll setzten sich die Biester in Bewegung. Der Halt nach wenigen Schritten vor dem Haus kam ihnen gerade recht.

Ich versenkte die Futtersäcke in die Tragkörbe, nachdem ich etliche Stichproben gemacht und gesehen hatte, dass der Händler mir wirklich Maisschrot und Hafer lieferte.

Plötzlich wurde er ungemütlich.

»Sie, das geht nicht! Diese Stute die können Sie nicht haben. Oder Sie zahlen drauf. Mein letztes Wort!«

»Einen Dreck werde ich! Oder ich mache Ihnen eine Rechnung auf, mein Freund! Ich sollte hier eine fix und fertig zusammengestellte Herde bester Tiere übernehmen. Davon, dass ich sie mir selber zusammensuchen musste, war nicht die Rede.«

»Das ist Abuela«, zeterte er. »Sie ist in ganz Kalifornien berühmt!«

»Dann bringe ich ja ein nettes Andenken mit, das mich hoffentlich noch recht lange an Sie erinnert, Mister. Und an Ihren Geiz!«

Damit lenkte ich meinen Schecken herum und zog Abuela an der Longe hinter mir her. Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Der Name bedeutet Großmutter. Aber so sah die Leitstute bei Gott nicht aus. Mürrisch und missmutig folgte die Herde nach.

Der betrügerische Händler schimpfte mir noch eine Weile nach und wünschte mir alle Plagen und Krankheiten an den Hals. Ich war froh, als ich den Kerl nicht mehr hörte, sondern nur noch das dumpfe Pochen der Maultierhufe hinter mir und das Prusten und Schnauben.

Für den Fall, dass sich heimliche Freunde von Claggett in San Fernando befanden, wollte ich sie auch nicht enttäuschen und schlug darum die Richtung zu den Verdugo Bergen ein. Aber nur, bis ich außer Sichtweite war. Die Verdugos konnte ich mühelos erkennen. Eine kahle, verbrannte, trostlose braunrote Bergkette, in der ich nicht abgemalt sein wollte.

Vorerst war ich noch gezwungen, auf die Berge zuzuhalten. Das hing nämlich mit dem Staub zusammen. Die zweihundert Maultierhufe rührten eine Staubwolke auf, dass ein Hund drin ersticken konnte. Und sie war meilenweit zu sehen.

Endlich erblickte ich voraus das, was ich mir die ganze Zeit gewünscht hatte. Eine Senke war’s, bewachsen mit Salbei und Schwarzeichengestrüpp und beschattet von etlichen Zedern und Sequoien, die man auch Mammutbäume nennt. Darauf hielt ich zu.

Meinem Leopardenschecken war die stampfende und schlechtgelaunte Meute hinter uns nicht geheuer. Er wollte Abstand gewinnen und legte einen Schritt zu. Natürlich zog er die Leitstute mit. Das hatte zur Folge, dass die Herde ins Rennen geriet. Auf diese Weise konnte ich unter realen Bedingungen erproben, wie gut Abuela als Leitstute war. Sie machte ihre Sache hervorragend.

Ich fand, es war Zeit, sich mit ihr anzufreunden.

Erst rief ich mehrmals ihren Namen. Sie drehte die Ohren nach mir. Dann begann ich ihr von Texas zu erzählen. Was ich damit bezweckte, war einfach - das Tier sollte sich an den Klang meiner Stimme gewöhnen, sollte die Unterschiede in der Tonhöhe merken und Zutrauen fassen.

War das erst einmal erreicht, konnte ich mit dem Tier sehr gut arbeiten.

Und so erzählte ich Abuela, der Leitstutengroßmutter, von Sam Housten, von Jim Bowie und Davy Crockett, die in Fort Alamo gefallen waren, von Pecos Bill und anderen berühmten Leuten in Texas. Ihre Ohren kamen gar nicht mehr zur Ruhe. Ich glaube, sie mochte meine Stimme gern hören.

Darüber erreichten wir die Senke. Der Grund war steinig. Nicht gerade das, was die Maultiere und mein Schecke liebten. Mir kam er gerade recht. Erstens gab es keinen Staub mehr, zweitens nahm der Boden kaum noch Spuren auf. Außerdem erstreckte sich die Senke nach Südosten, zeigte also an den Verdugo Bergen vorbei.

Irgendwie hatte ich die Ahnung, dass man nach meiner Staubwolke Ausschau hielt.

Eine halbe Meile weiter geriet ich auf eine leidlich gute Weide, etwas geschützt vom Schwarzeichengestrüpp ringsum und beschattet von mächtigen Sequoias. Die Weide deutete auf Wasser hin. Nach kurzer Suche fand ich auch einen seichten Tümpel, der aus einer spärlich fließenden Quelle gespeist wurde. Von dem Wasser verdunstete sehr viel, und der Rest versickerte zwischen dem Geröll, sonst wäre die Weide viel besser gewesen.

Die Maultiere hatten eine Rast verdient. Ich ließ sie grasen und saufen. Das schonte die Futtervorräte. Abuela pflockte ich an. Damit blieb die Herde beisammen und zerstreute sich nicht ins Gestrüpp.

Ich rollte mir eine Zigarette, stieg zum Rand der Senke hinauf, von wo ich die Gegend im Auge behalten konnte, und streckte die Beine von mir. Lange zu warten brauchte ich nicht. Ein Reiter erschien aus Richtung San Fernando, als sei ein Schwarm Hornissen hinter ihm her. Ich wusste, was ihn zur Eile antrieb. Er sah meine gewaltige Staubwolke nicht mehr. Jetzt wollte er nachsehen, wo ich mit der Herde geblieben war. Angesichts der Senke zügelte er sein Pferd zu einer langsameren Gangart. Er traute der Sache nicht ganz.

Schließlich hielt er am Senkenrand und betrachtete das Gelände. Besonders lange blickte er in meine Richtung. Hören konnte er die Maultiere nicht, sehen auch nicht. Dafür war das Gestrüpp zu hoch. Zudem warfen die Zedern und Sequoias kräftige Schatten. Aber es gab nur eine Möglichkeit, wohin ich mich mit der Herde gewandt hatte. In die Richtung, in die er unschlüssig starrte.

Nach Nordwesten war die Senke glatt und leer, und auf die Verdugo Bergkette zu stand keine Staubwolke über dem Land. Schließlich trieb er sein Pferd an und ritt herunter.

Zwei Dinge begriff ich in derselben Sekunde. Es war mein ganz besonderer Freund, der sich da so sehr um meinen Verbleib kümmerte. Der geriebene Maultierhändler nämlich. Und er wollte mich schon wieder anschmieren. Tiere haben nämlich die Angewohnheit, von Zeit zu Zeit etwas fallenzulassen. Ist man gleich mit fünfzig Tieren unterwegs, fällt alle paar hundert Schritte etwas zu Boden. Das ergibt eine deutliche Spur. Nur ein Blinder kann die verfehlen. Und selbst das ist fraglich, weil er sich nach seiner Nase richten kann. Frische Pferde- und Maultieräpfel duften nämlich durchdringend.

Mein überaus neugieriger Händler tat jedoch, als sähe er keine nach rechts weisenden Mistspuren, im Gegenteil. Er hängte sich etwas seitlich in den Sattel und ritt, den Blick starr auf den Boden geheftet, den jenseitigen Senkenrand hinauf auf die Verdugos zu. Wie ein richtiger Fährtenleser. Er wollte mich für dumm verkaufen. Mich täuschen und so tun, als hätte er mein Abschwenken aus der bisherigen Richtung nicht bemerkt. Was mir wiederum bestätigte, dass er verdammt genau wusste, wo ich steckte.

Eigentlich hätte ich beleidigt sein müssen. Sein Trick war jedoch so primitiv, dass er mir nicht einmal ein mitleidiges Lächeln abnötigen konnte.

Schön, der Mann war also hinter mir her. Er ritt jetzt auf die nahe Bergkette zu. Wahrscheinlich suchte er Claggett. Es war gut, dass ich das nun wusste. Und auch, dass da eine ganze Menge Leute die Hände unter der Decke stecken hatten. Jetzt konnte ich meine Vorkehrungen treffen.

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