Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 80
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ОглавлениеIch hatte Claggett und die Bande im Nacken und den Hombre am Bein, der mich hatte bestehlen wollen. Die zwei fehlenden Maultiere und den übrigen Kram hatte ich zwar wieder, aber wohin jetzt mit dem Kerl? Ließ ich ihn sausen, ritt er schnurstracks zur Stadt zurück und der Bande genau in die Arme. Ich wollte wetten, dass Claggett dann fünf Sekunden später wusste, dass ich ihn auf dem Hof belauscht hatte. Außerdem gingen mir Belks Worte im Kopf herum. Also, ob sie mich kriegten oder ...? Oder wer?
Ich wollte mich hängen lassen, wenn da nicht noch jemand im Spiel war!
Das hatte ich die ganze Zeit befürchtet. Jemand, von dem ich keine Ahnung hatte. Oder zumindest keine Ahnung haben sollte! Schlau eingefädelt war das.
Dann hockte am Ende doch schon eine zweite Bande auf der Wüstenpiste und erwartete mich am ersten Wasserloch. Auf der Piste über Barstow allerdings. Und die wollte ich ja nicht nehmen.
»Wir verwischen jetzt erst mal unsere Spuren«, sagte ich zu meinem sauer blickenden schlitzohrigen Begleiter. Er musste mir helfen, die Fährte zu löschen, wo ich die Herde vom Weg heruntergeführt hatte.
Auf dem Ritt hinter den Hügel schleppte ich einen trockenen Busch nach und löschte oberflächlich auch diese Spur. Der Seilcorral stand noch, und die Herde war beisammen. Abuela hatte einen Strick aufgezogen und arbeitete emsig am zweiten. Mit den Tieren jetzt aufzubrechen, erschien mir zu gefährlich. Jeden Augenblick konnte Claggetts Bande aus Richtung San Bernardino auftauchen. Die mächtige Staubwolke hätten sie sofort entdeckt und wären nachschauen gekommen. Also setzte ich mich nieder, rauchte eine Zigarette und wartete.
Dem Hombre ging meine Schweigsamkeit auf die Nerven.
»Señor, was wird das, was haben Sie vor?«
»Darüber denke ich gerade nach«, sagte ich.
Als die Zigarette aufgeraucht war, nahm ich mein Gewehr aus dem Scabbard und deutete mit dem Lauf zum Hügel zwischen dem Seilcorral und dem Weg zum Cajon Pass. Der Hombre schritt ächzend vor mir her. Ein großer Fußgänger war ich auch nicht und er noch viel weniger, aber ich konnte den Burschen nicht unbeaufsichtigt lassen. Er musste mitkommen, ob es ihm gefiel oder nicht.
Wir kamen gerade zurecht, um die Bande vorbeidefilieren zu sehen. Sie hatten sich mit frischen Pferden eingedeckt und zogen sechs Ersatzpferde mit. Der Spaß hatte sie eine Stange Geld gekostet. Ohne Argwohn ritten sie vorbei. Sie nahmen ja an, dass die Herde schon halbwegs am Lytle Creek war.
Ich duckte mich unter die Bäume und drückte den Kopf des Hombre hinab, als er gar zu neugierig die Nase hochreckte. Lamb Claggett hatte die Spitze übernommen. An der Art, wie er ritt, merkte ich, dass er bis unter die Haare voller Wut steckte. Ich wünschte, dass er platzte, wenn er merkte, dass ich ihn und seine Strolche in die Irre geschickt hatte.
Die Staubwolke hinter dem Trupp zog nach Norden und geriet bald aus meinem Gesichtskreis.
»Reiten wir jetzt?«, fragte der Hombre hoffnungsvoll. Dabei schielte er auf mein Gewehr. Ich hatte es nur für alle Fälle mitgenommen.
»Si, Amigo«, sagte ich grinsend, »jetzt reiten wir auch.«
Wir kehrten zur Herde zurück, verteilten die Futtersäcke, Tragsättel, Wasserschläuche und den Falteimer richtig und stiegen auf. Der Hombre protestierte, als ich den Schecken nach Südosten ausrichtete und Abuela an die Longe nahm.
»No, Señor, Sie müssen nach Norden!« Er zeigte die Richtung an.
»Irrtum, mein Freund, unsere Reise geht nach Osten. Es sollte nur so aussehen, als hätte ich mich zum Cajon Pass gewandt.«
Er schluckte aufgeregt. Die Konsequenzen konnte er sich ausmalen.
»Und dann erschießen Sie mich?«
Ich ließ ihn zappeln. Nach einer Weile sagte ich: »Das hängt allein von dir ab, Amigo. Hilf mir, die Herde treiben und bedenke, dass ein Gewehr sehr weit schießt!«
Oh, da war er mit Feuereifer bei der Sache. Ich glaube, in diesen Minuten gab es in ganz Kalifornien keinen fleißigeren Maultiertreiber.
Ich führte die Herde auf meiner Fährte zurück zum Weg nach Osten. Einmal sah ich Reiter in der Ferne. Beim Näherkommen erkannte ich, dass es Feldarbeiter auf Eseln waren. Wir passierten sie in einer Meile Entfernung. Sie hielten an und blickten uns nach. Die Sonne ging unter, als wir auf den Weg zum San Gorgonio Pass einbogen. Der Hombre hielt an. Er hatte genug.
Ich winkte ihn weiter, mein Plan war fertig. Ich wollte ihn bis zum Morgen bei mir behalten und dann erst laufenlassen. Was er dann in San Bernardino für wüste Geschichten erzählte, konnte mir gleichgültig sein. Jedenfalls würde er fast den ganzen morgigen Tag brauchen, um heimzureiten.
Wahrscheinlich hatten bis dahin Claggett und seine Strolche gemerkt, dass ich sie auf die falsche Fährte gelockt hatte. Sie konnten schon zurück sein, bis der Hombre in das Nest kam. Mit einiger Sicherheit lief der Kerl spornstreichs zu Claggett und berichtete ihm die haarsträubende Sache. Und ebenso sicher war, dass die Bande sich auf die Pferde schwang und hinter mir herkam. Aber ich hatte vierundzwanzig Stunden Vorsprung! Und volle Wasserlöcher vor mir!
Als es finster wurde, ließ ich den Mann neben mir reiten. Ich traute ihm nicht weiter, als mein Arm reichte. Der Weg wurde hart und uneben und schlängelte sich immer steiler bergauf. Am kalten Fallwind merkte ich schon, dass wir uns dem Pass näherten. In der Bergwildnis ging rauschend ein Steinschlag nieder. Das Echo rumorte eine Weile in Tälern herum, bis es schließlich erstarb. Nach dem Stand der Sterne war es zwei Stunden nach Mitternacht, als wir oben auf dem Pass anlangten. Die Kälte lud nicht zum Verweilen ein. Die Maultiere drängten sich zusammen und suchten die Wärme des Nachbarn.
Am Tag hatte man vom San Gorgonio sicher einen herrlichen Blick auf die Bergwelt. Ich bedauerte es fast, dass ich zur Nachtzeit hier oben war. Aber ich war ja nicht unterwegs, um mir die Naturschönheiten anzusehen, sondern um ungeschoren durch die Mojave zu kommen.
Mein Begleiter wider Willen hatte endgültig die Nase voll. Er wollte Geld von mir haben. Die Futter- und Einstellkosten.
»Du warst nicht ehrlich zu mir, mein Freund, also ist es nur recht und billig, wenn du mich bis zum White Water Creek begleitest«, sagte ich. »Dort kannst du umkehren.«
Er verlegte sich aufs Flehen. Ich stellte mich schwerhörig. Er sagte eine Reihe unfreundlicher Sachen, aber er ritt los. Neben mir.
Die Maultiere hatten es eilig, von der zugigen Passhöhe fortzukommen. Außerdem roch es verdächtig nach Bär. Ganz wohl war mir auch nicht. Auf dem Osthang vom San Gorgonio legten wir zweimal Rast ein, und eine Stunde nach Tagesanbruch langten wir am letzten Bach vor der Wüste an. Das Wasser war kalt wie Eis und so klar, dass ich die Fische darin sehen konnte. Mich wunderte es, dass sie nicht längst erstarrt waren. Wir tränkten die Herde, und dann musste mein Hombre noch mit heran, um die Wasserschläuche zu füllen. Nach dieser Arbeit gab ich ihm fünf Dollar. Er schielte in den Lederbeutel, aus dem ich das Geld nahm. Sein Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an.
Ich gratulierte mir zu meiner Vorsicht. Dem Kerl war wirklich nicht zu trauen.
»Du kannst jetzt heimreiten«, teilte ich ihm mit.
Zögernd und grußlos lenkte er sein Pferd herum. Ich merkte ihm an, dass er bedauerte, keine Waffe bei sich zu haben. Als er schon ein Stück entfernt war, rief ich: »Und grüße Lamb Claggett und die acht Americanos von mir!«
Er antwortete mit einem sehr unanständigen Wort und ritt zum San Gorgonio hinauf, ohne sich umzublicken.
Ich brachte meine Herde durch den Creek und schlug Tempo an. Bevor die Tageshitze einsetzte, musste ich im Yucca Tal sein. Dort gab es noch Schatten, sozusagen die letzte erholsame Oase vor der Mojave. Aber dass ich schon am Rand der Wüste ritt, merkte ich an verschiedenen Anzeichen. Es gab keinen Grasbewuchs mehr, trotz des nahen White Water Creek. Die Büsche wuchsen klein und stachelig, und der Weg verzettelte sich in viele Einzelpfade.
Die Sonne ging auf, und schlagartig wurde es heiß. In spätestens zwei Stunden war die ganze Gegend wie ein Backofen.
Halbrechts voraus sah ich den Salton. Nicht den See, sondern den gleichnamigen Berg. Über fünftausend Fuß hoch. Die Sonne war hinter ihm hervorgekommen. Davor erstreckten sich die Ausläufer der Rocklands, mehr nach Norden hin, und dem Süden zu sah ich die Ketten der Eagle Mountains. Und dazwischen erstreckten sich öde trostlose Sandflächen.
Wenn einer glaubt, die Mojave sei eine brettebene Wüste, so soll er sich den Zahn gleich ziehen lassen. In Wahrheit ist, sie eine Ansammlung von Sandebenen, staubtrockenen mächtigen Tälern, Canyons, kreuz und quer laufenden Bergketten, roten Gebirgen und schwarzen Lavabarrieren. Vor allem von Seen. Ich glaube, in keiner Wüste der Welt gibt es so viele Seen wie in der Mojave. Die haben bloß den Nachteil, dass sie knochentrocken sind. Nur die herumliegende Salzkruste verrät einem, dass es vor langer Zeit Wasser im Überfluss gab. Aber was vor Urzeiten war, nützt einem heutzutage verdammt nichts.
Meines Wissens halten nur drei Seen noch etwas Feuchtigkeit, und die ist ungenießbar, weil sie noch mehr Salze als Sand und Dreck und anderes undefinierbares Zeug enthält. Wer von der Brühe trinkt, muss sterben. Das Salz zerfrisst ihm die Därme. Davor bekommt er aber noch das Fieber.
Ich kenne schreckliche Geschichten von Leuten, die elend zugrunde gingen, weil sie davon getrunken hatten.
Eine Meile nach dem Creek erregten Vögel meine Aufmerksamkeit. Sie zankten sich vor mir auf dem Pfad um etwas. Im Heranreiten sah ich, dass es Pferde- oder Maultieräpfel waren. Schimpfend schwirrte die Vogelschar hoch und folgte dann geduldig meiner Herde und dem, was die viel reichlicher hinterließ.
Der Abwurf war zerhackt, aber offenbar frisch. Keine zwölf Stunden alt. Nun ja, ich war ja nicht der einzige Reisende, der die Südpiste kannte. Sie wurde noch benutzt, selten zwar, aber immerhin.
Ich versuchte, die passende Fährte zu dem Abwurf zu finden. Das war leichter gesagt, als ausgeführt. Es hatte seit Monaten nicht geregnet, der sandige Boden hatte alle Fährten bewahrt. Sie liefen in meiner Richtung und kamen mir entgegen. Nur so viel fand ich heraus, dass zwei oder drei Pferde vor mir gegangen waren. Nach Osten. Das brauchte nicht unbedingt etwas zu bedeuten, aber ich war besser vorsichtig. Belks unklare Worte fielen mir wieder ein.
Etliche Maultiere begannen zu stolpern. Ich hatte ihnen einen Gewaltmarsch zugemutet. Sie mussten jetzt Ruhe haben. Bloß war das YuccaTal noch nicht in Sicht.
Eine Stunde später erreichte ich es, und als ich gerade aus dem Sattel rutschen wollte, schnupperte ich Rauch.
Nun ist die Mojave ja nicht gerade belebt wie die Main Street von Los Angeles. Vor allem sieht man sich die Leute an, die man trifft. Wer durch die Wüste zieht, muss schon triftige Gründe dafür haben. Sofort dachte ich an den Abwurf und die undeutliche Fährte. Die Leute hatten wohl den Rest der Nacht im Yucca Tal verbracht und sich mit dem Aufbruch verspätet. Oder sie wollten wie ich die Tageshitze in diesem letzten schattigen Tal überstehen.
Das Tal hat seinen Namen von den Yuccas, die hier in großen Inseln wachsen, über mannshoch, mit genügend kühlem Schatten unten um die Stämme herum.
Ich band Abuela fest und erkundete erst einmal die Lage mit meinem Schecken.
Hinter einer Yucca Insel stieg der Rauch auf.
Die Leute hatten Nerven! Verbrannten halbgrünes Zeug, statt die dürren langen und nur fingerbreiten Yuccablätter zu nehmen.
Ich ritt einen Halbkreis, um eine bessere Position zu gewinnen, von der aus ich sehen konnte, wer sich da so sorglos niedergelassen hatte.
Plötzlich wieherte vor mir ein Pferd.
Dann kam schon ein krummbeiniger Kerl mit einem Gewehr um die Insel gebogen und zielte auf mich. Ich reagierte jedoch gar nicht. Ich saß im Sattel fest wie angeleimt. Vor lauter Staunen nämlich. Denn auf der anderen Seite des Yuccagestrüpps stand eine Frau, die ich zuletzt in Phinks Hotel in San Fernando gesehen hatte. Norie Catlin, oder ich wollte auf der Stelle meinen Hut verspeisen!
»Komm mal vom Gaul runter!«, knurrte mich der krummbeinige Mann an. Er war verschrumpelt wie ein alter Apfel und sah schmierig und ungepflegt aus. »Und lass die Hände besser von den Waffen!«
Seine Sprache war selbstbewusst. Nun ja, mit einem Gewehr in Händen konnte er freilich große Töne spucken. Ich drängte den Schecken mit den Schenkeln vorwärts und griff langsam an den Hut, damit mir der Kerl die Bewegung nicht falsch auslegte.
»Hallo, Madam, Sie hätte ich zuletzt hier vermutet«, sagte ich zu Norie Catlin.
»Welch ein Zufall, Mr. Blackburn!«, flötete sie.
Mir war, als sei sie nicht die Bohne überrascht.
»Pegleg, Sie brauchen das Gewehr nicht. Es ist ein lieber Bekannter.«
Mir wäre es fast wie Honigwasser runtergegangen, aber eben nur fast.
»Ja, zum Teufel, Sie erwarteten doch eine Freundin!«, platzte ich heraus. »Sollte ich mich so verhört haben, dass der Treffpunkt in der Mojave ist?«
»Steigen Sie doch ab!«, bat sie. »Meine Freundin ist hier, wir reisen immer zusammen.«
»Wohin denn, um Himmels willen?«
Well, sie guckte mich an, als sei ich nicht richtig im Kopf.
»Nach Santa Fe. Sagte ich das nicht? Wir verbringen jedes Jahr einige Zeit in Kalifornien. Mal in Los Angeles, mal in San Francisco, aber dann fahren wir wieder nach Hause.«
Ich stieg ab und machte ein dämliches Gesicht. Es stimmte, sie hatte so etwas gesagt. Dass sie eine gewisse Zeit in Kalifornien verbringt. Ich schätzte, als Freundin eines reichen Mannes vielleicht. Oder als Spielerin. Aber von Santa Fe war mir nichts bekannt.
Jetzt kamen zwei Frauen um die Insel. Die eine kannte ich. Sie war mit Norie Catlin aus der Mittagskutsche gestiegen und in Phinks Hotel eingezogen.
»Darf ich vorstellen? Mr. Cannon Blackburn, meine Freundin Daisy Frederick, meine zweite Freundin Kate Sims!«, machte uns Norie Catlin miteinander bekannt.
Die Blonde, die ich bereits kannte, war Daisy Frederick. Ich staunte über die Namen. Die klangen, als hätten sie sich die selber gegeben. Die Frederick und die Sims sahen mir nicht wie Spielerinnen aus. Allerdings auch nicht wie besonders fromme Schwestern. Ich tippte auf Mätressen oder wie das heißt.
Männer vermieten ihre Arbeitskraft. Oder ihre Kaltblütigkeit und ihren Revolver. Warum sollen Frauen nicht das vermieten, was sie haben?
Diese Frauen hatten jedenfalls einiges vorzuzeigen. Das sah ich. Und sie schauten ganz freundlich, fast erleichtert. Gerade, als sei ich ihnen wesentlich angenehmer als Gesellschafter als dieser schmierige Runzelzwerg, der noch immer mit seinem Gewehr herumhantierte.
»Ich bin entzückt«, sagte ich zu den Ladies, aber ich muss wohl ein Gesicht gemacht haben, das das genaue Gegenteil von meinen Worten ausdrückte.
Norie Catlin hängte sich ungezwungen bei mir ein, als seien wir seit Jahren die dicksten Freunde. »Sagen Sie nur, Sie reiten auch durch die Wüste?«
»Auch?« Ich blieb stehen.
»Oh, das muss ich Ihnen erklären«, plapperte sie. »Wir hatten Fahrgelegenheit bis San Bernardino. Ein Bekannter, verstehen Sie? Eigentlich sogar weiter. Aber stellen Sie sich vor, man hat seine Kutsche ruiniert. Dabei hat er einen wichtigen Termin. Den kann er nun nicht mehr einhalten.«
»In Santa Fe, nehme ich an!«, versetzte ich grimmig.
»Wie kommen Sie bloß darauf? Nein, in Salt Lake City. Er treibt Handel mit den Mormonen, glaube ich. Jedenfalls wird er nach Los Angeles umkehren, sobald die Kutsche fahrbereit ist. Schade, es wäre eine bequemere Reise gewesen als zu Pferd. Immerhin war er so großzügig, uns diese Tiere zu verehren. Er hat uns auch diesen Wüstenführer besorgt.«
Und bezahlt, fügte ich in Gedanken hinzu.
Wenn ich alles richtig verstand, hatte Norie Catlin diesem reichen Knaben aus Los Angeles abends das Bett gewärmt. Oder es war ihre Freundin Daisy. Jedenfalls hatte er sich spendabel gezeigt. Aber er musste völlig verrückt sein, dass er den Frauen gestattet hatte, durch die Mojave zu reisen. Mit nur einem Führer, der gleichzeitig Beschützer war.
Frauen haben in der Wüste überhaupt nichts zu suchen. Die Durchquerung ist selbst für erfahrene Männer immer ein tödliches Wagnis.
»Packen Sie zusammen und reiten Sie, was das Zeug hält! Zurück nach San Bernardino nämlich«, sagte ich grob. »Vielleicht treffen Sie noch den guten Mann an und können mit ihm nach Los Angeles zurückkehren. Nehmen Sie von dort die reguläre Kutsche der Butterfield Overland Linie! Es dauert zwar länger, aber Sie kommen dafür sicher nach Santa Fe. Was bei dem, was Sie vorhaben, höchst fraglich ist.«
»Aber Sie reiten doch auch in die Wüste!«, meinte sie in naiver Unschuld.
»Das ist etwas ganz anderes, Madam. Ich bin an das Leben in der Wildnis gewöhnt. Ich kann Hitze und Kälte und Entbehrungen ertragen. Aber ich kann nicht beschwören, dass ich die Mojave schaffe. Ein Sturz vom Pferd, ein Beinbruch, schon ist es vorbei. Oder ein Schlangenbiss. Es gibt auch Skorpione, von der giftigen Sorte. Und gefährliche Spinnen. Außerdem Banditen, weiße, braune und rote. Ich brauche sehr viel Glück, um durchzukommen. Ich verdiente Prügel, wenn ich Sie und Ihre Freundinnen mitnähme. Diese Verantwortung übernehme ich nicht. Niemals!«
»Wir fallen Ihnen nicht zur Last, bestimmt nicht«, beteuerte sie. »Und wir sind nicht so zerbrechlich, wie wir vielleicht aussehen. Und mit der regulären Kutsche? Mein Gott, dieser Umweg über Fort Yuma ganz unten im Süden! Wir sind doch schon in der Mojave. In einer Woche sind wir hindurch.«
»In einer Woche können wir alle längst tot sein.«
Ich machte keine faulen Sprüche. Ich sagte ihr, wie die Dinge standen.
»Sie bringen uns schon durch«, sagte sie und nickte, als müsste sie mir Mut machen. »Wir haben eine Ausrüstung und Wasservorräte.« Plötzlich zog sie die Braunen hoch. »Das wäre fabelhaft, da brauchen wir ja Pegleg nicht länger. Er kann umkehren.«
Sie traf solche Entscheidungen im Handumdrehen, ohne zu fragen, was ich von der Sache hielt. Ich hatte ihr die Mojave und die Umstände einer Durchquerung drastisch geschildert, ohne jede Übertreibung. Was ich nicht erwähnt hatte, waren meine Verfolger, die ich bald wieder auf der Fährte haben würde. Die Frauen hielten mich auch viel zu sehr auf. Das kostete mich pro Nacht mindestens zehn Meilen - und ließ Claggett und die Bande beständig näherrücken. Wenn es dann zu einer Schießerei kam, musste ich mich meiner Haut wehren und die Maultiere verteidigen. Und dabei noch drei Frauen beschützen? Das ging über meine Kräfte. Ich kenne meine Grenzen. Von allen bedeutenden Leuten, die mir einfielen, waren die meisten wegen einer Frau auf der Nase gelandet. Eine Frau lenkt ab. Man ist nicht recht bei der Sache, wenn es darauf ankommt.
Und dann gleich drei?
Da sprang ich lieber mit dem Hintern in einen Kaktus hinein.
Aber diese Norie Catlin schnurrte um mich herum wie eine Katze, der man das Fell streichelt. Zudem zwang mir dieser Pegleg eine Entscheidung auf, die er bereits getroffen hatte. Er kam auf einem Fuchswallach um die Yuccainsel geritten, griff an den speckigen Hut und sagte: »Habe das Gefühl, dass Sie bei dem Mister prima aufgehoben sind, Ladies. Der ist stärker als die Wüste. Ihnen allen viel Glück!« Sprach‘s und ritt davon.
Wenn ich nur schneller denken würde. Da hapert es bei mir. Als ich den Mund wieder zukriegte, war Pegleg schon ein ganzes Stück weg. Es sah auch nicht so aus, als könnte ich ihn zur Umkehr bewegen.
Teufel, das fing ja fein an!
Andere Leute bestimmten, und ich sollte ein freundliches Gesicht dazu machen und in alles einwilligen.
»Beeilen Sie sich, sonst holen Sie Pegleg nicht ein, Ladies!«, sagte ich fuchsteufelswild.
Norie Catlin war mächtig erstaunt.
»Wozu? Wir reisen jetzt doch mit Ihnen, Mr. Blackburn.«
Ich resignierte. »Sieht so aus«, knurrte ich.
Sie gehörte zu der Sorte Frauen, die von morgens bis abends einem Mann sagen, was er zu tun hat. Und die stets ihren Kopf durchsetzen müssen.
Noch hätte ich einfach meine Herde holen und weiterreiten können, aber drei Frauen schon halb in der Mojave sitzenlassen, war unfein, das gehört sich nicht.
Zwar brummte ich noch herum, aber die Sache war entschieden. Ich musste die Frauen mit nach drüben nehmen. Große Rücksicht wollte ich jedoch nicht auf sie nehmen.
»Können Sie überhaupt einen ganzen Tag im Sattel sitzen? Und das eine Woche lang?«, fragte ich. Es war ein letzter Versuch.
»Ganz sicher«, erwiderte Norie Catlin.
Ich marschierte zu dem Feuer und inspizierte die Ausrüstung. Es war alles da, was man für die Wüste benötigt. Sogar gefüllte Wasserschläuche.
Beim Anblick der Pferde zuckte ich zusammen. Nicht, weil es unverkennbar beste spanische Abkömmlinge waren, die eine stattliche Summe gekostet haben mussten, sondern weil ich sie in San Bernardino gesehen hatte. Im Hof der Posthalterei, nachdem der Patron gerufen hatte, seine Leute sollten die Pferde für die Ladies vorführen. Da hatte ich die Frauen und Pegleg doch wahrhaftig nur um Minuten verpasst.
Das war schon ein eigenartiger Zufall. Und genau darüber dachte ich nach.
Die Frauen hätten jedem Wüstenreisenden auf der Südpiste in den Weg geraten können. Wem passierte das? Mir natürlich.
Und auch schon in San Fernando hatte Norie Catlin Interesse an mir bekundet, kaum dass ich flüchtig auf sie getroffen war. Nach ihren Worten hatten wir uns sogar bereits in Los Angeles gesehen. Ich wollte allerdings schwören, dass das nicht wahr war. Für meinen Geschmack waren das ein paar Zufälle zu viel. Ich hatte eine wichtige Aufgabe vor mir, und ich durfte keinem Menschen vertrauen.
»Wir werden sehen«, sagte ich. »Wenn ich merke, das Sie oder eine Ihrer Freundinnen nicht mithalten, schicke ich Sie alle zurück. Mein letztes Wort in dieser Sache.«
Zwangsläufig musste ich den Lagerplatz näher in Augenschein nehmen. Die Frauen mussten mit Pegleg noch während der Nacht angekommen sein. Schlafrollen lagen herum. An Aufbruch in die heißeste Tageszeit hinein war nicht gedacht, denn es war ein Sonnensegel gespannt. Kochgerätschaften lagen schmutzig herum, Ungeziefer war bereits im Anmarsch, um sich an den Speiseresten zu laben.
»Waschen Sie den Topf und die Pfanne aus, sonst haben Sie zum Mittagessen zwei Pfund Ameisen in der Suppe«, warnte ich die Frauen. Zugleich wollte ich ihnen damit klarmachen, dass ich nicht auch noch ihr Geschirrwäscher und Koch sein wollte.
Diese Kate Sims machte sich an die Arbeit. Lieber Himmel, sie stellte sich an!
Ich war drauf und dran, ihr zu zeigen, wie man einen Topf mit etwas Wasser und einer Hand voll Sand reinigt. Gerade konnte ich mich noch bezähmen. Das wäre ja noch schöner, wenn ich gleich den Laufburschen und Lakaien für sie machte!
Ich kehrte dem Lagerplatz den Rücken und schwang mich in den Sattel meines Schecken. Irgendwie erwartete ich von einer Seite die Frage, ob ich die Ladies sitzenlassen wollte. Seltsamerweise schienen sie aber zu wissen, dass ich noch einmal wegreiten musste. Und wozu.
Na, das schmeckte mir alles nicht besonders. Darum beschloss ich, kein Wort zu viel zu sagen und mich besonders vor der schwarzhaarigen Norie in Acht zu nehmen. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass sie es auf mich abgesehen hatte.