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Zunächst einmal ließ ich die Herde weiden, bis die Sonne ihren höchsten Punkt überschritten hatte.

Falls außer dem durchtriebenen Händler noch jemand unterwegs war, sollte man ruhig glauben, ich hätte keine Eile und sei ein einfältiger und nichtsahnender Tropf. In Wahrheit gab ich den Tieren Gelegenheit, die Weide leer zu rupfen und im Schatten der Zedern und Sequoias die Mittagshitze zu überstehen. Das zahlte sich dann auch aus. Als ich Abuela lockte, kam sie schon richtig zutraulich hinter mir her und mahnte mit aufgeregten Schreien die Herde zur Eile.

Leider reichte die bewaldete Senke nicht weiter als zehn Meilen. Mehr wäre mir entschieden lieber gewesen. Am Nachmittag erspähte ich drüben im Osten einen gewaltigen Einschnitt in der Verdugo Kette. Das musste der Tujunga Canyon sein. Wahrscheinlich saßen Claggett und der Händler samt Belk und Maratta dort auf einer Felsleiste und guckten sich die Augen aus dem Kopf.

Als ich dann wieder über offenes Gelände musste, schleppte die Herde eine weithin sichtbare Staubwolke hinter sich her. Ich schlug ein scharfes Tempo an und hielt auf den Eagle Rock zu.

Von Cleveland und später von Phink hatte ich mir die wichtigsten Berge und ihr Aussehen beschreiben lassen. Ich traute mir zu, sie auseinanderzuhalten.

Wenn ich es schaffte, glatt bis zum Eagle Rock durchzukommen, ohne vorher in einen blind endenden Canyon zu reiten, dann hatte ich einen besonders schwierigen Teil des Weges hinter mir. Nicht den gefährlichsten. Der führte durch die Wüste.

Den Eagle Rock erreichte ich, als schon dunkle Schatten in den Tälern und Schluchten lagen und nur noch der obere Teil des Berges im Licht der untergehenden Sonne glühte.

Ich pflockte Abuela an, spannte einen Seilcorral und trieb die Herde zusammen. Dann sammelte ich trockenes Holz und ritt den Berg hinauf. Eine grüne Falte, in der es nach Wasser roch, erschien mir geeignet. Ich schichtete das Holz auf und zündete ein Feuer an. Kaum loderten die Flammen, ritt ich zurück, löste den Corral auf und marschierte mit der Herde weiter. Mir kam es darauf an, einen tüchtigen Vorsprung während der Nacht zu schaffen.

Hatte ich Verfolger, dann entdeckten sie mein Feuer da oben und warteten geduldig bis Tagesanbruch darauf, dass ich herabkam. Zumindest hoffte ich, dass sie so verfuhren.

Gleich hinter dem Eagle Rock musste ich höllisch achtgeben, damit ich nicht in den Pasadena Canyon geriet. Zu meinem Glück roch ich Rauch und ging der Ursache nach.

Mexikanische Schafhirten hatten in der Nähe ihr Lager aufgeschlagen. Ich ließ die Maultiere außer Hörweite zurück und band Abuela an, damit sie mir nicht nachtrottete und die ganze Herde mitzog.

Der Hufschlag meines Schecken machte das Lager munter. Die Leute waren verschlafen, aber freundlich. Die sechs spinnenbeinigen Männer wollten mir alle gleichzeitig den Weg erläutern.

Ich spreche ganz ordentlich spanisch und hielt damit nicht hinter dem Berg. Das brachte mir das Wohlwollen der Hirten ein. Sie waren arm, aber stolz, und ich war ein Gringo und unterhielt mich mit ihnen in ihrer Muttersprache. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätten mir zu Ehren ein nächtliches Bratfest veranstaltet und mir die Zeit vertrieben. Ich musste jedoch weiter.

Den wortreichen Erklärungen nach brauchte ich nur immer dem Tal zu folgen. Ich stieß dann ganz von selbst auf die alte Mission von San Gabriel. Fünf Meilen hinter der Mission müsste ich scharf achtgeben, da gable sich der Weg. Der unscheinbare führe nach San Bernadino, der breite in den Brea Canyon.

Das Zauberwort war San Bernardino. Da musste ich hin.

Ich versicherte die Hirten meiner Hochachtung, spendierte eine Hand voll Tabak und kehrte dem Lager den Rücken. In einer halben Meile Entfernung führte ich die Herde daran vorbei und war ziemlich erleichtert, dass ich die Gegend vor mir allein für mich hatte.

Noch vor Tagesanbruch passierte ich die alte Mission und das Mexikanerdorf, das sich anschloss. In ein paar Hütten brannte schon Licht. Jemand kam auch herausgerannt und rief etwas. Ich war aber schon vorbei und gab keine Antwort.

Ich ließ die Herde laufen und erreichte eine Weggabelung, als gerade die Berge in ihren Umrissen erkennbar wurden. Kalter Wind drückte von den Höhen herab. Immerhin hatte der kalte Wind jetzt den nützlichen Vorteil, dass meine Maultiere frisch blieben und liefen wie eine frisch aufgezogene Taschenuhr.

Meine Rechnung sah so aus: Tagsüber in der Hitze wollte ich möglichst wenig Meilen machen. Um die Tiere zu schonen, um ihnen genug Zeit zum Fressen, Saufen und Ausruhen zu geben. Schlafen musste ich auch. Ich konnte ja nicht zehn oder zwölf Tage lang ununterbrochen im Sattel sitzen. Das hält kein Mensch aus, nicht mal einer von uns Blackburns. Dafür wollte ich in der Nacht eine große Wegstrecke schaffen. Vierzig, vielleicht sogar fünfzig Meilen. Weit genug jedenfalls, dass ich nicht einzuholen war.

Wenn Claggett nicht beizeiten die Nase voll hatte von dem Geschäft und umkehrte, dann musste er am Tag auf meiner breiten Spur reiten, weil er sie nämlich nur da sehen konnte. In der schlimmsten Hitze, unter der gnadenlosen Sonne, die einem den letzten Tropfen Flüssigkeit aus dem Körper saugt. Ich wollte schwören, dass er unter solchen Bedingungen nicht mehr als dreißig Meilen packte. Was für mich mindestens zehn Meilen Vorsprung am Tag bedeutete.

Hinzu kam noch das Wasserproblem. Für ihn nämlich. Wenn ich fünfzig Maultiere und meinen Schecken getränkt und alle Wasserschläuche gefüllt hatte, waren die Wasserlöcher auf viele Stunden hinaus leer. Wenn er hinkam, musste er warten, bis genügend Wasser für seine Bedürfnisse nachgesickert war. Das hielt ihn auf. Es durfte mir nur nicht passieren, dass er alles auf eine Karte setzte und mit einem Gewaltritt vor mir eine Wasserstelle erreichte. Damit das nicht geschah, musste ich ihn über meine Route so lange wie möglich im Unklaren lassen. Wenn es mir gelang, ihn zum Cajon Pass zu locken, war ich fein heraus. Den Vorsprung holte er nie mehr auf.

Wie ich das bewerkstelligte, darüber konnte ich mir Gedanken machen, wenn es soweit war. Einen guten Einfall hatte ich jetzt jedenfalls nicht. Kam er mir jedoch auf die Schliche und wusste, welche Route ich nahm, brauchte er mich nur zu überholen. Da konnte er sich gemütlich ans nächste Wasserloch setzen und in Ruhe abwarten, Denn kommen musste ich.

Der Gedanke war mir unangenehm. Ich beschäftigte mich lieber mit naheliegenden Dingen. Zu denen gehörte, dass ich einen guten Platz für die Herde haben musste, an dem sie den Tag verbrachte. Vielleicht auf der Nordseite der Puente Hügel? Dort sollte es Wasser geben, hatte ich gehört. Sie lagen zwar südlich von mir, ihre Ausläufer reichten jedoch bis zum Weg nach San Bernardino herauf. Ich riskierte es.

Bis Sonnenaufgang schaffte ich tatsächlich mehr als zehn Meilen und trieb die Herde in einen Canyon hinein, aus dem ein schmaler Wasserlauf floss. Na bitte - ich war doch ein Glückskind.

Es gab keinen Weg, so dass ich auch nicht mit zufällig vorbeikommenden Reisenden zu rechnen brauchte.

Ungefähr eine Meile tief im Canyon fand ich eine Weide. Ich ließ die Tiere unter Führung von Abuela grasen und kochte mir eine Mahlzeit, die das gestrige verpasste Mittagessen, das Abendessen und das heutige Frühstück einschloss. Eine angenehme Müdigkeit füllte mich aus. Aber ich wurde nicht leichtsinnig. Ich spannte erst den Seilcorral, pflockte die Leitstute darin an und trieb die Herde zusammen. Danach stieg ich über ein Felsband zum Rand des Canyons hinauf und beguckte mir die Gegend.

Na, der erste Blick reichte schon, um mir alle Müdigkeit aus den Knochen zu verjagen. Aus Richtung der Mission San Gabriel näherte sich eine Staubwolke, und aus einem Canyon im Norden kam die zweite heran. Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl und blieb auf meinem Platz.

Staubwolken bedeuten an und für sich noch nichts, aber ich war nun einmal misstrauisch.

Wie viele Reiter da heranrückten, konnte ich noch nicht erkennen. Die Entfernung war zu groß. Aber es waren unverkennbar Reiter. Ein Viehtreiben kann man niemals in diesem Höllentempo durchführen. Eine Kutsche schied aus, weil das Gelände zum Fahren nicht geeignet war. Ungefähr sechs Meilen entfernt trafen beide Staubwolken aufeinander und trieben seitlich weg, ein Zeichen dafür, dass alle Reiter angehalten hatten. Sie schienen zu beratschlagen.

Ich rollte eine Zigarette und betrachtete meinen Canyon von oben. Ich hatte nur meinen Revolver mit heraufgenommen. Der genügte aber, um das Tal zu sperren. Es war möglich, dass es sich um den San Gabriel Canyon handelte. Sicher war ich nicht. Aber sehr zuversichtlich, dass ich die Burschen dort draußen von mir und meinen Maultieren fernhalten konnte.

Plötzlich wehte wieder eine Staubwolke hoch. Die vereinigten Trupps hatten sich in Bewegung gesetzt. Nun war ich gespannt, was kam.

Die Reiter rückten bis zum Weg vor und beratschlagten erneut. Schließlich ritten sie auf San Bernardino zu. Mir war, als hätte ich eines der Pferde gestern gesehen. Die Entfernung war jedoch immer noch gewaltig, so dass ich keine Klarheit bekam. Noch einmal hielten sie an, zwei Reiter lösten sich und suchten rechts und links vom Weg. Sie wollten meine Fährte finden. Aber sie waren längst über den Punkt hinausgeritten, wo ich abgebogen war.

Dass die beiden Fährtensucher erfolglos herumstöberten, machte die anderen ungeduldig. Der ganze Verein löste sich auf und zerstreute sich im Gelände. Es erleichterte mir das Zählen. Die Burschen waren samt Pferd nicht größer als Punkte. Ich kam auf neun. Zwei dehnten die Suche in meine Richtung aus und kamen bis an die Nordseite der Puente Hügel heran, höchstens eine Meile entfernt. Und da erlebte ich die nächste Überraschung.

Es waren nämlich zwei alte Bekannte. Lamb Claggett und der Händler aus San Fernando.

Ich war drauf und dran, ins Tal abzusteigen und mein Gewehr heraufzuholen. Rechtzeitig besann ich mich, dass eine Knallerei nur die anderen herbeirief. Und entdeckt war ich ja noch gar nicht.

Ich schätzte, dass der Trupp, der aus dem Canyon im Norden gekommen war, vier Mann gezählt hatte: Claggett, Belk, Maratta und der Händler. Der Halunke hatte Claggett aufgestöbert und nichts Eiligeres zu tun gehabt, als ihm brühwarm zu erzählen, dass ich mit der Maultierherde aufgebrochen war. Außerdem war er mir ja gefolgt. Wer die anderen fünf waren, blieb unklar. In jedem Falle aber verfolgten sie gemeinsame Interessen. Sie wollten mich kriegen.

Allmählich kamen mir doch Zweifel in die Vertrauenswürdigkeit von Cleveland. Gut, ein ungebetener Lauscher konnte an der Tür oder unter dem Fenster die Ohren aufgesperrt haben. Und es gibt Burschen, die lassen sich für hundertsiebzig Pfund Gold eine Hand abhacken. Aber solche Leute wollen dann das Geschäft allein machen. Oder höchstens mit zwei, drei guten Freunden zusammen. Auf Claggett und seine Freunde im Verein mit dem Händler hätte das noch zutreffen können. Aber ich zählte ja neun Leute, von denen ich fünf nicht kannte. Und Claggett schien mit diesen fünfen zumindest freundschaftlich verbunden zu sein. Sonst hätten sie jetzt nicht in schöner Eintracht nach mir gesucht.

Das roch mir alles etwas zu sehr nach einer größeren Bande, straff organisiert und mit einem festen Auftrag ausgestattet. Ich konnte die Sache betrachten, wie ich wollte, ich kam doch immer wieder auf Cleveland zurück. Als er mich gefragt hatte, wie hoch denn unsere Ausbeute sei, hatte ich mich dumm und ehrlich gestellt und berichtet, dass wir rund hundertsiebzig Pfund Gold aus dem Boden herausgekratzt hatten. Vielleicht war ihm aufgegangen, dass fünfzig verkaufte Maultiere, ein paar Tragsättel, Wasserschläuche und Falteimer nicht der höchste Profit bei diesem Geschäft waren, sondern unsere hundertsiebzig Pfund Gold.

Ich hatte keine Beweise dafür, aber es war doch eigenartig, dass dieser Claggett gleich zweimal versucht hatte, mich aufzuhalten unter den fadenscheinigsten Vorwänden.

Gut, wenn es eine persönliche Sache zwischen ihm und mir gegeben hätte, einen alten Streit, hätte ich ihm das noch abgekauft. Aber wir waren uns fremd. So gesehen waren meine Zweifel durchaus begründet.

Es lief wohl darauf hinaus, dass jemand ein paar hartgesottenen Burschen den Auftrag erteilt hatte, einen gewissen Cannon Blackburn auf dem Marsch zum Eldorado Canyon abzufangen und ihm für alle Zeiten den Mund zu stopfen. Und dann hinüber ins Nevada Territorium zu reiten und das Gold zu holen. Möglicherweise sogar mit einem Teil der Maultiere, die dieser Cannon Blackburn in frommer Einfalt bereits auf den Marsch gebracht hatte. Schlimm dabei war, dass meine Freunde im Eldorado Canyon völlig ahnungslos waren. Sie erwarteten meine Rückkehr, aber doch nicht die Ankunft einer goldgierigen Banditenhorde, die wie die Teufel über sie herfallen würde. Das Schlimmste aber war, dass meine Freunde glauben mussten, ich hätte ihnen die Halsabschneider auf den Pelz geschickt. Ich war doch der einzige, der den Canyon verlassen hatte!

Kein Hund im ganzen Westen würde je wieder ein Stück Brot von mir annehmen. Das Land war gar nicht groß genug, dass ich mich darin verstecken konnte.

Es gab Tatsachen, die gegen mich zu handfesten Beweisen werden konnten. Die kalifornischen Maultiere! Mein Eintrag im Gästebuch des Borego Hotels in Los Angeles, dann der in Phinks Hotel in San Fernando! Außerdem hatte ich Claggett nicht über den Haufen geschossen, sondern ihm bloß aufs Maul geschlagen. Wenn man wollte, konnte man mir daraus einen Strick drehen und sagen, ich hätte das so mit Claggett abgesprochen und für die Zuschauer nur Theater aufgeführt. Denn unumstößliche Tatsache würde sein und bleiben, dass meine Freunde erst dann in Schwierigkeiten gekommen waren, als ich aus dem Eldorado Canyon fortgeritten und nach Los Angeles gegangen war. Vorausgesetzt, es trat so ein, wie ich befürchtete.

Es lag also ganz allein an mir, dass die Strolche weder mich noch die Maultiere erwischten und dass sie vor allem nicht vor mir drüben in Nevada ankamen.

Ich verspürte eine gefährliche Wut auf die Leute, die sich das alles ausgedacht hatten. Die Sache war weder dem Gehirn von Claggett noch von meinem schäbigen Maultierhändler entsprungen, dafür verbürgte ich mich. Da steckte jemand dahinter, der eiskalt plante und messerscharf kalkulierte und nicht bloß bis zur nächsten Straßenecke dachte.

Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane

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