Читать книгу Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane - Pete Hackett - Страница 78

Оглавление

6


Ich konnte davon ausgehen, dass ich meinen Verfolgern wenigstens einen halben Tag voraus war. Ohne frische Pferde konnten sie nicht vor dem Spätnachmittag eintreffen. Das gab mir Bewegungsfreiheit. Ich stromerte in dem Nest herum. Keine bequeme Sache, weil ich meine hochhackigen Reitstiefel anhatte. Bei einem Barbier ließ ich mir die letzte Rasur vor der Wüste machen, in einer Bodega nahm ich einen Whisky mit viel Wasser, dann schaute ich meinem Freund mit dem Farbpinsel zu, der das Haus fast fertig gestrichen hatte.

Gegenüber im Hof der Posthalterei wurde gehämmert und gezimmert und schlimm geflucht.

»Adelante, los Caballos por las Damas!«, befahl eine tiefe Stimme.

Wenig später trat der schwergewichtige Patron auf die Straße, blickte grimmig herüber, spuckte in den Straßenstaub und walzte in die Posthalterei hinein.

»Schlechte Laune, was?«, meinte ich an meinen Freund gewandt.

»Letzte Nacht hat man die Postkutsche zusammengeschlagen. Weiß der Teufel, wer so etwas tut! Jedenfalls fällt die Fahrt nach Barstow aus.«

»Barstow?«, machte ich nicht gerade geistreich. Meines Wissens war die Strecke durch die Wüste schon vor Jahren eingestellt worden. »Ja, fährt da überhaupt noch eine Kutsche hin?«

»Die sollte es jedenfalls.« Mein Freund zeigte mit dem Pinsel auf den Hof der Posthalterei. »Sonderkutsche aus LosAngeles, glaube ich. Irgendein reicher Mensch, der sich dieses Vergnügen leisten kann, hat sie gemietet.«

»Ach so«, brummte ich.

Wie die Kutsche drüben im Hof zugerichtet war, würde es noch zwei Tage dauern, bis sie wieder rollen konnte. Sie musste es gewesen sein, die ich gestern in der Ferne hatte vorbeischnurren sehen. Man schien großes Interesse daran zu haben, den reichen Mann noch eine Weile in San Bernardino festzuhalten. Wer so feudal reiste, lebte auch entsprechend und gab eine Menge Geld aus. Ein kleiner warmer Geldregen konnte dem Nest nur nützlich sein. Ich argwöhnte sogar, dass der Patron gegenüber die Hand im Spiel hatte und an der Zertrümmerung der Kutsche nicht ganz unschuldig war.

Prächtige Pferde wurden jetzt im Hof aufgezäumt. Aha, eine Damengesellschaft wünschte einen Ausritt zu machen. Hier gab es ja nicht nur arme Leute, sondern auch reiche Familien, was an den Häusern unschwer zu erkennen war. Ich schlenderte weiter, vertilgte in einem Speisehaus eine Frühstücksportion, die zwei Männer gesättigt hätte, aber bei mir gerade die Winkel meines Magens notdürftig ausfüllte, und kehrte danach zu meinen Maultieren und meinem Schecken zurück.

Ein paar fragwürdige Gestalten standen herum. Sie verschwanden bei meinem Auftauchen.

Der Hombre hatte die Tiere gut versorgt. Unter einem Wetterdach wühlte ich mich ins Stroh und schlief. Der halbe Nachmittag war um, als ich hervorkroch und mich am Brunnen erfrischte. Ich füllte meine Wasserflasche, tränkte den Schecken und sattelte ihn.

Darüber kam der Hombre aus seiner Hütte. Ich schaute zur Sonne hoch.

»In einer halben Stunde brechen Sie auf, Amigo.« Bei meinen Worten legte ich die Hand auf den Revolverkolben.

»Si, si!« Der Mann nickte eifrig. »Und die Bezahlung?«

»Später!«

Ich ritt aus dem Hof, zur Plaza zurück und schlug frech und unbekümmert den Weg zum San Gorgonio Pass ein. Viele Blicke folgten mir. Das wollte ich ja auch. Außer Sichtweite der Stadt schlug ich mich nach links in die Büsche und achtete darauf, niemand zu begegnen. Der Schecke war ausgeruht, und mir hatten die paar Stunden Schlaf gut getan.

Ich hielt auf den Weg zu, der nach Norden zum Cajon Pass führte. Auf einem Hügel unter schattigen Bäumen bezog ich Posten, als ich das graue gewundene Wegband erblickte.

Im Norden stand keine Staubwolke. Aber von der Stadt her näherte sich eine. Der Hombre brachte die Maultiere.

Ich ließ ihn bis auf meine Höhe kommen und jagte hinunter. Er schaute verblüfft. Noch verblüffter war er, als ich die gelben Striche zu zählen begann. Ich kam auf achtundvierzig.

Der Hombre begann zu schwitzen. Ich zählte die Tragsättel. Zwölf statt fünfzehn!

Es fehlten weiter Futtersäcke, drei Wasserschläuche und ein Falteimer.

Er hatte damit gerechnet, mir die Herde in der Dunkelheit am Lytle Creek übergeben zu können. Da wären mir die Verluste kaum aufgefallen.

»Bueno!«, sagte ich nur und zog den Revolver.

Wie der Blitz war er von seinem Pferd herunter und warf sich auf die Knie. »Madre de Dios, nicht schießen, Señor!«, jammerte er. »Ich bin ein armer Mann.«

Er war ein ausgekochter Halunke.

Ich tat unentschlossen. Schließlich dirigierte ich ihn auf sein Pferd. Er musste mir helfen, die unvollständige Herde hinter den Hügel zu bringen und den Seilcorral aufzuspannen. Abuela pflockte ich doppelt an. Wenn sie mit dem einen Strick fertig war, konnte sie ja mit dem nächsten beginnen. Bis dahin aber wollte ich zurück sein.

»Vamos, Amigo! Holen wir mein Eigentum!« Ich winkte mit dem Revolver.

Der Gauner ritt brav vor mir her.

Als das Nest in Sicht kam, trieb ich ihn vom Weg herunter. Wir näherten uns von der Rückseite seinem Hof. Ich wollte nicht gesehen werden, denn ich hatte San Bernardino offiziell bereits verlassen. Und zwar in Richtung Osten. Aber ohne meine Herde, damit auch jeder merkte, dass ich eigentlich etwas ganz anderes im Schilde führte.

Ich hörte Stimmen im Hof und packte instinktiv den Hombre an der Schulter, bevor er um die Ecke bog. Lamb Claggetts Stimme erkannte ich aus tausenden heraus. Der Kerl war da! Er hatte den Platz gefunden, wo ich die Herde untergestellt hatte!

»Wann?«, fragte er gerade.

Ich riskierte einen Blick um die Mauerkante. Claggett war‘s tatsächlich. Zu Fuß und ziemlich verstaubt und müde wirkend. Sehr viel besser sahen auch die anderen nicht aus: Belk, Maratta, mein ganz besonderer Freund, der Tierhändler aus San Fernando, und die fünf Männer, die ich aus großer Entfernung als harmlose Punkte gezählt hatte. Jetzt sahen sie weniger harmlos aus. Das waren Männer, die hart und unnachgiebig wirkten, immer auf dem Sprung. Sie trugen die Revolver tiefgeschnallt, einer war sogar mit zwei Sechsschüssern ausstaffiert.

Claggett hatte sich einen Mexikanerjungen vorgeknöpft.

»Pues, Señor, vor einer halben Stunde«, antwortete das Bürschlein. »Ich glaube, sie treffen sich am Lytle Creek.«

Ich grinste. Das klappte ja vortrefflich. Belk fluchte, dass ein Toter dabei noch erröten konnte.

Claggett winkte wütend ab.

»Glaubst du das nur, oder hast du zufällig etwas die Ohren aufgesperrt, Bursche?«

Der Junge trippelte unruhig herum. Diese unfreundlichen Americanos machten ihm Angst.

»Ich habe es gehört, Señor. Der blonde große Americano hat es befohlen. Am Lytle Creek. Nach Sonnenuntergang.«

Na, da sollte doch gleich der Blitz hineinfahren! Ich hatte keinen Lauscher bemerkt. Aber vielleicht hatte der Händler den Mund nicht gehalten.

»Ohne frische Pferde und ein paar Ersatztiere kriegen wir den nie!«, giftete Belk. »Hättest du nicht alles verbockt, wären wir längst nach drüben unterwegs.«

Nach drüben - also Nevada! Das hörte sich ja interessant an.

»Er hat mich reingelegt«, erwiderte Claggett sauer. »Und du bist auch reingefallen. Mach mir also keine Vorwürfe!« Er wandte sich wieder an den Jungen. »Und der große blonde Americano ist selber nach Osten geritten?«

»Si, es war sein Pferd!«, versetzte der Bursche trotzig. »Was für ein Pferd!« Verzückt verdrehte er die Augen.

»Verstehst du das?«, wunderte sich Claggett und schaute Belk an. »Er reitet nach Osten, und die Tiere bestellt er nach Norden. Das geht doch nicht zusammen.«

Henry Maratta grinste breit.

»Er will seine Spur verwischen, ganz einfach. Wir sollen denken, er sei zum San Gorgonio, dabei haut er in aller Ruhe über den Cajon ab. Und damit es niemand merkt, lässt er sich von einem einheimischen Händler die Herde herausbringen.«

»Warum hat er die Tiere dann angestrichen?« Das war mein Freund aus San Fernando. »Der Kerl hat tatsächlich einen Vogel!«

Also wussten sie auch das schon. Seine Meinung über mich war nicht sehr schmeichelhaft, aber auf die pfiff ich.

»Damit er sie in der Dunkelheit noch halbwegs erkennen kann, denke ich mir«, sagte Maratta.

Lamb Claggett stand nachdenklich da.

»Wenn’s nur nicht umgekehrt ist«, sagte er voller Zweifel. »Der Kerl ist mit allen Wassern gewaschen.«

»Na, und wenn schon«, meinte Belk. »Ob wir ihn kriegen oder ...« Er wandte sich ab, so dass ich seine letzten Worte nicht verstand. Das bedauerte ich. Denn ich hatte das Gefühl, dass es etwas höchst Bedeutsames war, was er sagte. Bedeutsam und wichtig für mich.

Draußen auf der Straße blieben sie stehen. Claggett winkte den Mexikanerjungen zu sich.

»Wo kann man Pferde bekommen?«

»Hier nicht, der Patron ist doch mit den Arrios fort, Señor. Wenn Sie bis Mitternacht warten wollen ...«

»Zu spät.«

»Bis Mitternacht ist er bestimmt zurück!«, bettelte der Junge.

»Ach, halt's Maul!«, sagte Claggett grob. »In diesem Nest wird man doch wohl ein paar Pferde zu verkaufen haben.«

Die Strolche entfernten sich.

Ich stieß den Atem aus. Das war knapp hergegangen. Und viel Zeit durfte ich auch nicht vergeuden. Die Halunken waren fest entschlossen, sofort hinter den Maultieren herzusausen. Es konnte nicht länger als eine Stunde dauern, bis sie ihre benötigten frischen Pferde und Ersatztiere beisammen hatten.

Ich drückte dem Hombre den Revolver ins Kreuz.

»Wir holen jetzt alles zusammen, und du bist gut beraten, wenn es schnell und lautlos geschieht.«

Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Si.«

Die Geier mit dem Colt: Western Bibliothek: Alfred Bekker präsentiert 12 Romane

Подняться наверх