Читать книгу Trevellian, das Callgirl und die Mafia: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 6
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ОглавлениеWir waren ganz dicht an Richard Mercer dran. Einer seiner >Streetworker< war in ein Gebäude in der Clinton Street, Lower East Side, geflohen. Wir hatten den Kerl vor dem >Shark< erwischt, als er Heroin verkaufte. Als wir zugriffen, entkam er uns. Jetzt aber saß er wie eine Ratte in der Falle. Einige Kollegen von der City Police, die wir angefordert hatten, bewachten den rückwärtigen Ausgang und die Haustür, Milo und ich stiegen die Treppe empor.
Es gab insgesamt sechs Apartments in dem Gebäude. In einem davon steckte der Bursche. Die Apartments im Erdgeschoss und in der 1. Etage hatten wir überprüft. Jetzt befanden wir uns in der 2. Etage. Da war ein kleiner Flur, an dessen beiden Enden sich Wohnungstüren befanden. Ich klingelte an der linken Tür. Eine Frau öffnete mir. Ich schaute in ihr Gesicht und wusste Bescheid. Eine eisige Hand griff nach mir...
»FBI, mein Name ist Trevellian«, stellte ich mich vor. »Sind Sie alleine in der Wohnung?«
Die Augen der Frau flackerten. Ich blickte in einen Abgrund des Schreckens und der Angst. In ihren Mundwinkeln zuckte es und sie musste zweimal ansetzen, ehe sie antwortete: »Nein. Meine Tochter Sandy...«
Ich begriff. Milo stand neben mir. Er atmete scharf ein. Laut sagte ich: »Vielen Dank, Mrs. – äh...« Ich brach ab und schaute auf das Namensschild bei der Klingel. »...Mrs. Baldwin«, vollendete ich dann.
Ihr Blick war flehend auf mich gerichtet. Es war, als wollte sie mich hypnotisieren. Ich nickte ihr zu, griff kurzer Hand nach ihrem Arm und zog sie schnell aus der Wohnung. Milo übernahm die Frau. Ich griff zur SIG, glitt in das Apartment und befand mich im Livingroom. Die Hand mit der Pistole beschrieb einen Halbkreis, als ich in die Runde sicherte.
Der Gangster war nicht zu sehen. Er hatte die Frau vorgeschickt, damit sie uns abwimmelte. Sicher hatte er ihr angedroht, ihrer Tochter Leid zuzufügen. Aber bei ihr waren die Angst und das Entsetzen ausgeprägter als die Schauspielkunst. Sie hatte sich mit jedem Zug ihres Gesichts verraten.
Einige Türen führten in die verschiedenen anderen Räume; Küche, Bad, Schlafzimmer... Eine weitere Tür führte wahrscheinlich ins Kinderzimmer. Eine dieser Türen wurde plötzlich aufgezogen. Eine heisere, belegte Stimme rief:
»Ich habe das Mädchen, Bulle! Verschwindet. Oder ich lege die Kleine um. Das wollt ihr doch nicht, wie?«
Der Bursche hatte wahrscheinlich bemerkt, dass sein Plan fehlgeschlagen war. Aber er schoss nicht, sondern drohte nur. Ich konnte diese Sorte einschätzen. Er würde wohl auch nicht schießen. Diese Kerle waren keine Mörder. Er wollte uns nur einschüchtern und unsicher machen.
Ich entspannte mich und senkte die Hand mit der SIG. »Es hat keinen Sinn, Mister«, sagte ich. »Das Haus ist von Polizei umstellt. Sie kommen nicht hinaus. Also lassen Sie das Mädchen frei und ergeben Sie sich. Machen Sie alles nicht noch schlimmer.«
»Einen Dreck werde ich!«, fauchte der Gangster. »Ich werde jetzt mit der Kleinen hinaus kommen. Denk nur nicht, dass ich spaße. Ich erschieße das Girl, wenn ihr mir Schwierigkeiten macht.«
Ich lauschte der Stimme hinterher. Ich glaubte einen verzweifelten Unterton aus ihr herausgehört zu haben. Dieser Bursche wusste, dass er verloren hatte. Er wolle es nur noch nicht einsehen. Die Drohung, das Mädchen zu erschießen, war das letzte Aufbäumen, der letzte verzweifelte Versuch, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden.
Der Gangster zeigte sich. Vor sich hielt er ein etwa fünfjähriges Mädchen. Seine Linke umkrampfte die Schulter der Kleinen. Mit der Rechten hielt er die Pistole gegen ihre Schläfe.
»Leg deine Waffe auf den Fußboden und geh zur Seite, Bulle!«, knirschte der Gangster. Er schob das Mädchen vor sich her durch die Tür.
Das Kind schaute mich aus großen blauen Augen verwirrt an. »Mama!«, rief es. »Wo ist meine Mama?« Die dünne Stimme klang kläglich. Der Anblick schnitt mir ins Herz. Blonde Haare rahmten das Gesicht des Mädchens ein. Es drückte mit beiden Armen eine Puppe an sich. Wahrscheinlich begriff es noch gar nicht richtig, was sich hier abspielte.
Ich wollte nichts herausfordern, legte die Pistole auf den Boden und trat zur Seite. Mein Blick kreuzte sich mit dem des Gangsters. In seinem Gesicht arbeitete es. Er war noch nicht alt. Höchstens 25 Jahre. Bekleidet war er mit einem Jeansanzug und einem karierten Hemd. Auf seinem Kopf saß eine Wollmütze. Darunter lugten braune Haare hervor, die bis in seinen Nacken reichten. Sein Gesicht war schmal und stoppelbärtig.
»Sie verbessern Ihre Situation damit nicht«, gab ich zu verstehen. »Im Gegenteil. Geiselnahme ist kein Kavaliersdelikt. Nach einer Verurteilung wegen Rauschgifthandels wären Sie nach wenigen Jahren wieder in Freiheit. So aber...«
Ich brach viel sagend ab.
Der Gangster richtete die Pistole auf mich. »Um mich einzusperren, müsst ihr mich erst einmal haben. Mit dem Girl habe ich ein gutes Faustpfand, meinst du nicht? Ich werde jetzt hinuntergehen. Wenn sich mir auch nur ein einziger Bulle in den Weg stellt, stirbt die Kleine.«
Er ging mit dem Mädchen an mir vorbei, ließ mich dabei nicht aus den Augen. Das zeitgeschaltete Licht im Treppenhaus war erloschen. Kein Geräusch war zu vernehmen, außer den tapsenden Schritten des Gangsters und seiner Geisel.
Er drehte sich mir zu, hielt mir das Kind wie ein lebendes Schutzschild entgegen.
Hinter ihm war Finsternis. »Mach Licht!«, gebot er dem Mädchen. Das Kind aber reagierte nicht. Fluchend nahm der Gangster seine Hand von der Schulter des Mädchens. Sie tastete sich um den Türstock herum.
Und dann ging alles blitzschnell. Ich konnte mit den Augen kaum folgen. Plötzlich lag der Gangster am Boden. Das Mädchen wurde von ihm weggerissen. Der Kerl brüllte auf. Ein Schuss krachte. Dann sah ich Milo. Er beugte sich über den Geiselnehmer und drehte ihm den Arm mit der Pistole herum. Wieder schrie der Bursche gequält auf.
Und dann handelte ich. Mit drei langen Schritte war ich bei der Tür. Zugleich nahm ich die Handschellen, die unter meiner Jacke am Gürtel hingen, zur Hand. Milo hatte dem Gangster die Pistole entwunden. Die Handschellen klickten. Dann machte Milo Licht.
Mrs. Baldwin und ihre Tochter standen in der Ecke neben der Tür. Die Frau hatte beide Hände auf den Schultern des Mädchens liegen. In ihrem Gesicht zuckten die Nerven. Ihre Lippen formten tonlose Worte.
»Alles ist gut«, sagte ich. »Kommen Sie.« Ich hob das Mädchen auf meinen Arm und nahm die Frau bei der Hand. Milo zerrte während dessen den Gangster auf die Beine. »Stell dich nicht so an«, hörte ich meinen Freund und Partner sagen. »Eben warst du auch nicht so zimperlich.«
Ich führte Mrs. Baldwin in die Wohnung. Auf der Treppe trampelten Schritte. Stimmen waren zu vernehmen. Dann kam Milo in die Wohnung. »Er hat tatsächlich geschossen«, gab er zu verstehen. »Ich habe angeordnet, dass er ins Stadtgefängnis gebracht wird. Sind die Frau und das Mädchen in Ordnung?«
Mrs. Baldwin taumelte zu einem Sessel und ließ sich hineinfallen. Ich setzte ihr das Mädchen auf den Schoß. »Ja«, sagte ich. »Zumindest körperlich haben Sie keinen Schaden davon getragen. Ich denke aber, dass sich ein Polizeipsychologe um sie kümmern muss.«