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Es war 21 Uhr. Carl Steinbeck wurde vom Klingeln des Telefons hochgerissen. Er hatte auf der Couch gelegen und vor sich hin gedöst. Der Fernseher lief zwar, aber das Programm interessierte den Mann nicht. Er ging zum Telefon, nahm den Hörer ab und meldete sich.

»Hier ist Lane«, sagte eine dunkle Stimme. »Tom Fredericks will nicht zahlen. Du solltest ihm einen Besuch abstatten, Carl.«

»Wo wohnt er?«

»Murray Street zweihundertelf. Er bewohnt dort das Penthouse. Klopf ihm ein wenig auf die Finger, Carl.«

»Wie viel ist er schuldig?«

»Hunderttausend.«

»Ich melde mich nach getaner Arbeit«, versprach Steinbeck und legte auf. Er ging ins Badezimmer, kämmte sich die Haare, dann zog er sich eine Jacke an und verließ die Wohnung. Er fuhr nach Süden, verließ die Bronx und kam nach Manhattan. Sein Wagen rollte die Amsterdam Street hinunter, nach 30 Minuten bog er in die West Street ein und erreichte schließlich die Murray Street. Bei dem Haus mit der Nummer 211 fand er einen Parkplatz, der groß genug war, um seinen Range Rover aufzunehmen.

Bei dem Gebäude handelte es sich um ein Hochhaus. Hinter vielen Fenstern brannte Licht. Wer sich hier im Süden Manhattans eine Penthouse-Wohnung leisten konnte, musste schon sehr wohlhabend sein. Der Stadtverordnete Tom Fredericks gehörte sicher nicht zur armen Sorte.

Steinbeck betrat das Gebäude. Die Halle war großräumig. Es gab eine Rezeption, aber sie war verwaist. Da Fredericks in der 12. Etage wohnte, benutzte Steinbeck einen der Aufzüge. Dann stand er vor der Wohnungstür. Er läutete. Eine Frau öffnete ihm. Mrs. Fredericks. Sie war um die 40 und etwas mollig, machte aber einen ausgesprochen gepflegten Eindruck.

»Ich will zu Mr. Fredericks«, erklärte Steinbeck. »Ist er zu Hause?«

»Wer ist da?«, fragte im Hintergrund eine männliche Stimme.

Steinbeck stieß die Tür auf. Mrs. Fredericks wurde zurückgedrängt. »Was soll das?«, begehrte sie auf.

Steinbeck drückte die Tür ins Schloss. Sein Blick heftete sich auf den Mann, der sich langsam aus einem der weißen Ledersessel erhob. Verständnislos starrte er auf den Eindringling. Plötzlich aber huschte der Schimmer des Begreifens über sein Gesicht. Seine Lippen sprangen auseinander, aber sein Hals war wie zugeschnürt. Die Angst kam wie eine alles verschlingende Flut. »Sie schickt Hooker, nicht wahr?«

»Setzen Sie sich!«, gebot Steinbeck der Frau.

»Was hat das zu bedeuten, Tom?«, fragte die Frau, und ihre Stimme klang ein wenig schrill. Zeichen dafür, dass auch sie sich im Klammergriff einer überwältigenden Angst befand.

»Eine – eine geschäftliche Sache, Mary«, presste Fredericks hervor. »Ich …« Seine Stimme erstarb. Er starrte Steinbeck an, der vor der Tür stand. »Ich habe das Geld nicht«, sagte er dann mit zittriger Stimme. »Aber ich bin bereit, zu zahlen. Bestellen Sie es Hooker. Er – er muss mir Zeit lassen, um das Geld aufzutreiben.«

»Hooker sagte mir, dass Sie nicht bereit sind, zu zahlen.«

»Er – er hat das falsch aufgefasst. Natürlich will ich zahlen. Aber ich muss das Geld erst beschaffen. Bitte, Mister, glauben Sie mir …«

Steinbeck ging langsam auf ihn zu. »Ich lasse mich nicht mit Erklärungen abspeisen, Fredericks, die wahrscheinlich nur Lippenbekenntnisse sind. Sie haben geäußert, nicht zahlen zu wollen. Ich werde Ihnen einen Denkzettel verpassen. Und übermorgen komme ich wieder. Wenn Sie dann das Geld nicht haben …«

»Ich will endlich wissen, wovon die Rede ist!«, erregte sich Mrs. Fredericks. Ihr Blick sprang zwischen ihrem Mann und Steinbeck hin und her. Bei ihr hatte die Neugierde die Angst besiegt. Als ahnte sie, dass es etwas war, das auch sie betraf.

»Ihr Mann hatte sein Vergnügen«, gab Steinbeck zu verstehen. »Er hat es sich im Club Hawaii geholt. Eine Mexikanerin, minderjährig, fast noch ein Kind, die weder über eine Aufenthaltserlaubnis noch über einen Bockschein verfügt. Das wusste Ihr Mann, Lady. Es existiert ein Film. Er wollte ihn für hunderttausend Bucks kaufen, ehe er ins Internet gestellt wird. Stellen Sie sich die Schlagzeile vor. Bekannter New Yorker Politiker …«

»Hören Sie auf!«, rief Fredericks. Es klang geradezu jämmerlich. »Ich will ja bezahlen, aber …«

Steinbeck hatte ihn erreicht. »Hunderttausend Dollar aufzutreiben dürfte für Sie ein Klacks sein, Fredericks«, zischte Steinbeck. Sein Atem schlug dem Stadtverordneten ins Gesicht. Und dann drosch ihm Steinbeck die Faust in den Magen.

Ein abgerissener Ton entrang sich Fredericks. Er knickte in der Mitte ein. Der Schlag hatte ihm die Luft genommen. Er japste. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen.

Steinbeck ließ ihm keine Zeit, sich zu erholen. Noch einmal hämmerte er Fredericks die Faust in den Leib. Und dann knallte er ihm einen Haken gegen das Ohr. Der Kopf des Politikers wurde auf die linke Schulter gedrückt. Er fiel aufs linke Knie nieder. Ein Schrei staute sich in ihm und wollte ihm schmerzhaft in die Kehle steigen. Er erstickte im Ansatz. Verzweifelt schnappte der Stadtverordnete nach Luft.

Es war blitzschnell abgelaufen. Mrs. Fredericks stand voll und ganz im Banne dessen, was sich abgespielt hatte. Jetzt gelang es ihr, die Fassungslosigkeit abzuschütteln. Sie sprang auf und rannte zur Tür. »Hilfe!«, schrie sie. »Hiiilfe!«

Ehe sie die Tür aufreißen konnte, hatte sie Steinbeck eingeholt. Er riss sie brutal zurück. Die Frau stürzte. Steinbeck packte sie an den Haaren, zerrte sie auf die Beine und schleuderte sie zurück in den Sessel. »Rühren Sie sich nicht mehr vom Fleck!«, herrschte der Schläger sie an. »Oder wir verzichten auf die hunderttausend Dollar, und Ihr Mann wird an den Pranger gestellt. Dann kann er einpacken. Mit dem schönen Leben als Stadtverordneter ist es dann vorbei. Dann wandert er hinter Gitter. Sex mit einem Kind. Ich muss Ihnen sicher nicht sagen, was darauf steht.«

Mrs. Fredericks wurde überwältigt. Sie begann zu weinen. Es war nicht klar, was ihr mehr zusetzte. Die Wahrheit über ihren Mann oder die Angst vor Steinbeck.

Dieser wandte sich wieder dem Stadtverordneten zu. Fredericks kniete immer noch am Boden. Steinbeck packte ihn mit beiden Händen am Hemd und zog ihn in die Höhe. »Übermorgen, Fredericks. Ich komme etwa um die selbe Zeit. Hast du dann das Geld nicht, ist es am besten, du schießt dir gleich eine Kugel in den Kopf. Denn wenn du nicht zahlst, bedeutet es das politische und gesellschaftliche Aus für dich.«

Trevellian und die toten Täter: Action Krimi

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