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Kapitel 2
EIN NEUER TYP MANN
ОглавлениеAm lebhaftesten erinnert sich Bruce daran, wie der Mann aussah. Wie er sich mit jedem Schritt, jeder Geste, jedem Lächeln, jedem spöttischen Blick von allem abgrenzte, was gemeinhin das Bild des modernen Amerika bestimmte. »Als Kind will man alles auf den Kopf stellen, und genau das geschah hier. Es war, als nähme man ein ganzes Haus auseinander, um es dann so wiederaufzubauen, wie man es sich in seinen Träumen und seiner Fantasie immer schon ausgemalt hat. Es war klar, dass dieser Mann genau das tat.«
Der Mann, über den Bruce spricht, ist Elvis Presley. Er wird dabei erstaunlicherweise fast wieder zu dem Schuljungen, der er damals war, als er 1957, auf dem Teppich vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher der Familie hockend, Elvis zum ersten Mal sah. Acht Jahre1 sei er damals alt gewesen und völlig arglos. An der von der CBS am Sonntagabend ausgestrahlten Ed Sullivan Show interessierten ihn vor allem die varietéhaften Elemente wie Sketche, Gaukler und Marionetten. Adele Springsteen sah die Sendung regelmäßig und war, wie sich jetzt herausstellt, selbst von Elvis begeistert. »Wir tanzten immer, wenn irgendwo Elvis lief«, sagt sie. Der elektrisierende Anblick dieses wilden, rebellischen Mannes prägte sich tief in das Bewusstsein des Jungen ein. »Er war so etwas wie der Wegbereiter für einen neuen Typ Mann«, so Bruce. »Nach ihm änderte jeder seine Meinung über einfach alles: über Rassenfragen oder zum Verhältnis zwischen Mann und Frau, dazu wie man aussehen oder was man anziehen konnte.«
»Elvis brachte mich darauf, dass man auch anders sein konnte«, so Bruce weiter. »Und dass die Andersartigkeit, die man vielleicht empfand und an sich feststellte, nicht unbedingt ein Handicap war, nicht unbedingt etwas Falsches oder Unpassendes sein musste.« Gewiss eine wichtige Botschaft für ein Kind, dem schon einige Zeit bewusst war, dass es sich nicht zuletzt aufgrund seiner ungewöhnlichen Lebensverhältnisse sehr von den Kindern aus anderen Familien unterschied. Elvis brachte das in einer Art und Weise zum Ausdruck, die zeigte, dass es ihm völlig gleichgültig war, ob er Widerspruch und Ablehnung erntete oder nicht.
»Er besaß diese unangefochtene Autorität«, so Bruce. Dabei wirkte er gleichzeitig völlig unbekümmert. »Man hatte den Eindruck, er spielt – wie ein Kind, das gar nicht anders kann als spielen.« Alles wirkte, als sei es das reinste Vergnügen. Der Junge vor dem Fernseher begriff plötzlich, dass man als Sänger für den Moment eines Songs alles hinter sich lassen konnte, was einen bekümmerte und belastete. Eine Erkenntnis, die ihm half, seine Fantasie freizusetzen und sein Herz und seine Seele zu öffnen.2
Musik war für Bruce schon immer ein fester Bestandteil seines Lebens: Sie erklang aus Adeles Radio auf dem Kühlschrank, und als er noch ganz klein gewesen war, hatte er sie von dem Klavier im Wohnzimmer seiner Tante Dora vernommen. »Er kam angerannt und legte seine Hände auf die Tasten«, erinnert sie sich. Nachdem er Elvis gesehen hatte, wollte Bruce allerdings kein Klavier, sondern eine Gitarre. Adele war von der Vorstellung, dass ihr Sohn Musik machen wollte, begeistert. Und so ging sie mit dem vor Aufregung ganz hibbeligen Bruce wenige Tage später zu Mike Diehls Musikalienhandlung, um eine Akustikgitarre auszuleihen und Bruce zum Gitarrenunterricht anzumelden. Doch Diehls klassische Lehrmethoden – erst Musiktheorie, dann Tonleitern und erst danach, in viel zu ferner Zukunft für einen Achtjährigen, Akkorde und Lieder – verlangten Bruce mehr Geduld ab, als er aufbringen konnte. Ein weiteres strenges Reglement sei so ziemlich das Letzte gewesen, wonach er damals gesucht hatte, erklärte er viele Jahre später Steve Van Zandt. »Ich wollte sofort richtig Krach machen können.« Enttäuscht von seiner Unfähigkeit, dem Instrument auf eigene Faust irgendetwas zu entlocken, das nach Musik klang, ebbte Bruce’ Interesse an der Gitarre rasch ab. Das Instrument wurde zu Diehl zurückgebracht, und damit schien sich die Sache mit dem Musikmachen für ihn erledigt zu haben.
Allerdings ging Bruce von nun an mit offeneren Ohren durch die Welt, was angesichts von Adeles Liebe zur Unterhaltungsmusik und ihrer Tanzbegeisterung auch nicht weiter verwunderlich war. Immer noch Feuer und Flamme für Elvis, kratzte Bruce 69 Cent zusammen, um sich eine EP mit den vier »größten Elvis-Hits aller Zeiten« zu kaufen, die darauf jedoch von einem Mann namens Dusty Rhodes gesungen wurden. Dass es nicht Elvis selbst war, der sang, störte Bruce nicht besonders. »Ich legte die Platte auf und erinnerte mich dabei an Elvis«, sagt er. »Das genügte mir.« Dies und Adeles Radio hielten ihn die nächsten Jahre bei der Stange, wobei Bruce auch ein Faible für Nonsense-Songs wie Sheb Whooleys 58er-Hit »The Purple People Eater« entwickelte, den er sich wie auch »Does Your Chewing Gum Lose It’s Flavor (On the Bedpost Overnight)« vom britischen Skiffle3-Star Lonnie Donegan immer wieder von der Jukebox in einer nahegelegenen Imbissbude vorspielen ließ. Sowohl Bruce als auch Ginny waren derart verrückt nach »The Twist« von Chubby Checker, dass Adele mit ihnen im Juli 61 nach Atlantic City fuhr, wo Checker im Rahmen einer Dick-Clark-Show auftrat, bei der unter anderem auch Freddy Cannon, The Shirelles und Bobby Rydell zu sehen waren. Die Kinder seien, so Adele, zwar vor allem an der großen Attraktion des Steel-Pier-Vergnügungs-parks interessiert gewesen – dem »Tauchenden Pferd«, mit dem ein Reiter von einem zwölf Meter hohen Turm in einen Pool von vier Meter Durchmesser sprang –, doch hätte auch Checkers Auftritt ihre Erwartungen voll und ganz erfüllt. Der Mann tanzte, sang und spielte ihren Lieblingssong genau so, wie sie ihn aus dem Radio kannten. Und die Menge war schier aus dem Häuschen. Besser hätte es nicht sein können.
Da Bruce ungefähr auf der Mitte zwischen New York und Philadelphia lebte, konnte er etliche Radiosender empfangen. Als er die Rhythm-and-Blues-Sender aus Philadelphia entdeckte, tat sich für ihn eine ganz neue Welt auf. Eines seiner Lieblingslieder wurde »South Street«, ein Partysong im Doo-Wop-Stil. Stephen Caldwell, das einzige männliche Mitglied der aus Philadelphia stammenden Gesangsgruppe The Orlons, verfügte über einen echten Reibeisenbariton. »Meet me on South Street«, hieß es in dem Song, »the hippest street in town!« Dass damit wohl kaum die South Street in Freehold gemeint war, störte Bruce ganz und gar nicht. »Durch das Lied wurde unsere Straße für mich zu einem irgendwie magischen Ort, also kaufte ich die Platte«, erzählte er später Van Zandt. Es folgten Dick Dales vorpsychedelischer Surfgitarrensong »Miserlou«, die großartigen Harmonien der Four Seasons, die weißen Folkgruppen aus der TV-Sendung Hootenanny und natürlich die Beach Boys, die mit Brian Wilsons genialen Kompositionen Bilder von den goldenen Sandstränden Kaliforniens heraufbeschworen.
Es war Anfang 64, als Bruce im Auto seiner Mutter saß und im Radio »I Want to Hold Your Hand« gespielt wurde. »Es war die alte Geschichte: Man hört was und bekommt plötzlich eine Gänsehaut«, erzählte Bruce Van Zandt. »Es ist, als stünde man unter einem Voodoo-Zauber.« Bruce sprang aus dem Wagen, lief zu einer nahe gelegenen Bowlingbahn, in der es einen öffentlichen Fernsprecher gab, und rief seine Freundin an: »Kennst du die Beatles? Hast du diesen Song gehört?«
»Es war, als würde die Zeit stehen bleiben, während man ihn hörte«, sagte Bruce 2011 in Van Zandts Radiosendung The Underground Garage. »Und das lag nur an dem Sound. Man wusste ja nicht einmal wie sie aussahen.« Dann traten die Beatles in der Ed Sullivan Show auf, und schon kurz darauf beherrschten ihre Songs die Playlists sämtlicher Radioanstalten, und etliche Amerikaner trugen nun Pilzkopf-Frisuren und Cuban Boots. Im Sommer opferte Bruce ein paar Wochen, um das Haus seiner Tante Dora zu streichen. Von den achtzehn Dollar, die er dafür bekam, kaufte er eine Akustikgitarre, die er im Schaufenster einer Western-Auto-Filiale4 auf der Main Street gesehen hatte. Anschließend besorgte er sich noch ein Exemplar der 100 Greatest American Folk Songs und begann, sich intensiv mit dem Instrument auseinanderzusetzen.
Der Einstieg fiel dem Vierzehnjährigen allerdings nicht besonders leicht. Es dauerte etwa zwei Wochen, bis Bruce (dank seines kaum älteren Cousins Frank Bruno) klar wurde, dass seine Gitarre völlig verstimmt war. Aber auch nachdem sie gestimmt worden war, erwies sich das Instrument aus dem Autozubehörhandel als wenig brauchbar. »Der Hals«, so Bruce, »bestand im Grunde genommen aus einem mit Stacheldraht bezogenen Kantholz.« Lag es am Klang oder an Bruce’ völliger Hingabe an das Instrument, jedenfalls wurde die Gitarre schon nach Kurzem zu einem roten Tuch für den Vater mit seinem dünnen Nervenkostüm.
»Ich saß mit Bruce in seinem Zimmer und hielt ihm das Songbook, während er Akkorde lernte«, erinnert sich Bruce’ Freund Bobby Duncan. »Und von oben hörten wir seinen Vater brüllen: ›Ich ertrag es nicht, dieses verdammte Ding zu hören!‹« Ihn störte tatsächlich der nur noch gedämpft zu hörende Klang einer Akustikgitarre, die auf einer anderen Etage hinter verschlossener Tür gespielt wurde. »Sein Vater hasste das«, so Duncan. »Aber seine Mutter tat alles für ihn.« Dessen war sich Bruce natürlich vollkommen bewusst, als er Adele eines Dezembertags an die Hand nahm und zu Caiazzo’s Music führte und ihr diese unglaublich schmale, schwarz-gold funkelnde E-Gitarre im Schaufenster zeigte. In Japan hergestellte Kent-Gitarren standen bei Profimusikern zwar nicht gerade hoch im Kurs, doch Bruce war sicher, dass er mithilfe dieses glitzernden, scharf aussehenden Instruments genau den elektrisch verstärkten Sound bekommen würde, an dem er interessiert war. Natürlich war ihm bewusst, dass die E-Gitarre sehr teuer war, doch er muss gewirkt haben, als würde sein Leben davon abhängen, diesen Wunsch erfüllt zu bekommen. Adele warf noch einmal einen Blick auf das 60-Dollar-Preisschild – und sprach wenige Tage später wieder einmal bei der Household Finance Company vor, bei der sie bereits den ein oder anderen Überbrückungskredit aufgenommen hatte, um kleine Durststrecken zu überwinden oder sich in den Ferien etwas erlauben zu können. Mögliche Einwände von Doug spielten keine Rolle, schließlich war sie ja diejenige, die mit ihrem regelmäßigen Einkommen die Familie ernährte. So fand Bruce das wertvolle Instrument am Morgen des 25. Dezember 1964 genau dort vor, wo er gehofft hatte, es zu finden: unter dem Weihnachtsbaum.
Die neue Gitarre und ein kleiner Verstärker ließen Bruce’ Herz höher schlagen. Sobald er von der Schule nach Hause kam, lief er die Treppe rauf in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich, warf den Gitarrengurt über die Schulter, drehte den Verstärker auf, spielte einen Akkord und stellte sich vor, ein großer Rockstar zu sein. »Es war ganz einfach: Tür zu und schon war ich in die Musik abgetaucht«, sagt er. »Ich hatte ein ziemlich gutes Gehör, das half. Und ich lernte schnell, was die Sache ebenfalls vereinfachte.« Er begann mit ein paar Akkorden und dem einfachen Gitarrensolo der Beatles-Version des Isley-Brothers-Hits »Twist and Shout«. Bald schon beherrschte er auch das zwölftaktige Grundschema des Rock’n’Roll und arbeitete sich langsam Richtung Popmusik vor, die ein größeres Spektrum an Akkorden und weitaus mehr Möglichkeiten zur Melodiegestaltung bot. Manchmal stellte er sich vor den Spiegel, betrachtete seine Hand auf dem Gitarrenhals und stellte zufrieden fest, dass ihm das Instrument als eine Art Rüstung diente, hinter der er seine Schüchternheit verbergen konnte, wie auch als Brücke, um dahin zu kommen, wo er hin wollte. Der Newsweek-Journalistin Maureen Orth erklärte er 1975: »Das erste Mal, dass ich mich im Spiegel betrachtete und mochte, was ich sah, war, soweit ich weiß, der Tag, an dem ich zum ersten Mal mit einer Gitarre in den Händen davor stand.«
Auch andere Teenager waren fasziniert von dem Phänomen Rockband und dem damit verbundenen lässigen Rebellenimage, was die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe äußerst reizvoll erscheinen ließ. Ohne den Umweg über die Musik schlossen sie sich zusammen, gaben sich einen tollen Namen und ein Logo, um sich so von ihrer Umgebung abzuheben. »Das war der reine Wahnsinn damals«, so Bruce. »Mitglied einer Rockband zu sein, war das Coolste überhaupt, auch wenn da in Wirklichkeit gar nichts hintersteckte. Es wurde oft doch nur vorgetäuscht. Ich kannte Typen, die sich Bandjacken anfertigen ließen, ohne eine Band zu haben.« Ein Typ, den Bruce damals noch nicht kannte, war George Theiss, ein Mitschüler an der Freehold Regional High School, der während seines ersten Jahres dort eine Zeit lang Mitglied bei den Five Diamonds gewesen war, einer völlig fiktiven Band, die mit Musikmachen überhaupt nichts im Sinn hatte. Ihre Zusammengehörigkeit brachten die »Bandmitglieder« durch einheitliche grüne Regenjacken zum Ausdruck, deren Rückseiten selbst gemalte schwarze Karos zierten. »Einer der Jungs hatte ein bisschen Ahnung von Gitarren«, so Theiss, »aber keiner spielte irgendwas.« Theiss kaufte sich eine Gitarre und lernte das Spielen mit einer offenen E-Stimmung unter der Anleitung des älteren Bruders seines Freundes Vinnie Roslin. Er war ein hübscher Kerl mit geheimnisvollen, ein wenig sinistren Gesichtszügen, verfügte über eine starke Stimme und besaß eine schwer zu beschreibende Präsenz. Bei den Five Diamonds stieg er aus und gründete mit The Sierras eine richtige Band, deren Mitglieder tatsächlich Musik machen wollten. Vinnie Roslin spielte den Bass. Mike DeLuise, der eine echte Gretsch mitbrachte – dieselbe, die auch George Harrison spielte – spielte ebenfalls Gitarre. Als mit Bart Haynes ein Schlagzeuger zu ihnen stieß, waren sie endlich so weit, etwas auf die Beine zu stellen, dass zuweilen tatsächlich wie echter Rock’n’Roll klang.
Dennoch war bei den Sierras bald die Luft raus. Theiss und Haynes taten sich mit dem Gitarristen Paul Popkin zusammen und einigten sich – in Anlehnung an das damals bei den Freeholder Teenagern beliebte Shampoo namens Castile – auf den Bandnamen The Castiles. Ihre Proben fanden zunächst im Wohnzimmer der Haynes statt, die eine Doppelhaushälfte bewohnten. Das dumpfe Dröhnen, das ständig herüberschallte, rief schon bald die Nachbarn Gordon »Tex« Vinyard und seine Frau Marion auf den Plan. Der damals arbeitslose Fabrikarbeiter Vinyard hämmerte bei den Haynes an die Tür, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Als er jedoch die erschrockenen Blicke sah, die man ihm aus dem Wohnzimmer zuwarf, legte sich sein Ärger rasch. Er trat ein, unterhielt sich eine Weile mit den Jungs und forderte sie auf, ein, zwei weitere Songs für ihn zu spielen. Dann löcherte er sie mit Fragen. Anschließend wollte er wissen, was sich die Schüler vom Musikmachen erhofften, ob es für sie lediglich ein spaßiger Zeitvertreib war oder ob sie die Sache professionell angehen wollten.
Was immer sie ihm erzählten, es gefiel ihm. Möglich, dass der damals Zweiunddreißigjährige nach etwas suchte, womit er sich während seiner beruflichen Auszeit beschäftigen konnte. Möglich, dass er ein klein wenig jugendliche Ausgelassenheit in sein und Marions kinderloses Leben bringen wollte. Auf jeden Fall bot er den Jungs an, ihnen als Manager zur Seite zu stehen. Sie durften in seinem Wohnzimmer proben und er wollte sie so gut er konnte beraten und ihnen helfen, besser zu werden, und – wenn alles nach Plan verlief – Auftritte für sie organisieren. »Wir waren fast die ganze Zeit bei ihm«, so Theiss, »wir waren mehr bei ihm als zu Hause.«
In seinem Zimmer in der South Street widmete sich Bruce seiner Gitarre mit einer bisher nicht gekannten Leidenschaft und Konzentration. »Wenn ich nicht in der Schule war, spielte ich Gitarre oder hörte Platten«, sagt er. Er spielte sechs, acht, manchmal sogar zehn Stunden am Tag und machte schnell Fortschritte. Es dauerte nur wenige Monate, bis Bruce als Gitarrist eine solche Fertigkeit und Sicherheit erlangt hatte, dass er einer Band beitreten wollte. Ein Freund am YMCA, wo die Jugend von Freehold Sport trieb und an den Wochenenden tanzen ging, wies ihn darauf hin, dass eine Gruppe namens The Rogues einen Rhythmusgitarristen suchte. Bruce schnappte sich seine Kent, spielte der Band einige Songs vor und am Ende hatte er sie überzeugt. Danach blieb zum Proben knapp eine Woche Zeit, bevor er seinen allerersten bezahlten Auftritt auf einer Tanzparty für Teenager im Freehold Elks Club hatte. Die Band begann mit »Twist and Shout«, dem ersten Rocksong, den sich Bruce auf der Gitarre beigebracht hatte.5 Doch anscheinend lief es nicht ganz rund, zumindest nicht für den Rhythmusgitarristen. Wenige Tage nach der Show schmissen die anderen Bruce – angeblich wegen seiner »beschissenen« Kent-Gitarre – aus der Band und schickten ihn nach Hause. »Ich war stinksauer«, sagt Bruce und erinnert sich an den langen Weg, den er von dieser letzten Probe bis zur South Street zurücklegen musste. »Ich ging nach Hause und brachte mir das Solo aus dem Stones-Song ›It’s All Over Now‹ bei. Das war’s.«
Jedoch nicht für lange, wie sich zeigen sollte. Denn etwa zu der Zeit, als Bruce bei den Rogues rausflog, bemerkte George Theiss einen hübschen Neuzugang auf den Fluren der Freehold Regional. Sie hatte dunkle Haare, ein bezauberndes Lächeln und einen großartigen Sinn für Humor. Nachdem er sich ihr vorgestellt und ein paar Worte mit ihr gewechselt hatte, fand auch Ginny Springsteen ihrerseits Gefallen an Theiss. Wenig später waren beide ein Paar. »Ich kannte Bruce also gut genug, um ihn zu grüßen, wenn man sich über den Weg lief«, sagt Theiss. »Aber befreundet waren wir nicht.« Ob sich Theiss für Bruce stark machte, als es um die Aufnahme bei den Castiles ging, ist ungewiss. Klar ist, dass die Band einen Leadgitarristen suchte und dass Bruce eines Tages bei Tex und Marion vor der Tür stand – ihr Haus lag nur wenige Schritte von Caiazzo’s Music entfernt – und darum bat, vorspielen zu dürfen. Er spielte zwei, drei Songs mit der Band und wurde wieder nach Hause geschickt, weil sein Repertoire damit erschöpft war.
Als er bei der nächsten Probe (die womöglich schon am nächsten Tag stattfand) wieder vor der Tür stand, beherrschte Bruce nicht nur ein Dutzend weiterer Songs, sondern spielte sie auch so locker und gleichzeitig präzise, dass Theiss, der direkt neben ihm stand, völlig sprachlos war. »Ich erinnere mich nur noch daran, dass Tex uns ansah und fragte: ›Nun?‹, und wir waren alle einverstanden«, so Theiss. »Ich ging zu Tex und fragte: ›Aber ich bin doch immer noch der Leadsänger?‹« Vinyard nickte, Theiss fiel ein Stein vom Herzen – und für die Castiles brach in ihrer jungen Karriere ein neues Kapitel an, in dem Bruce fortan die Leadgitarre spielte.
Zusammen in einer Band, freundeten Theiss und Bruce sich schnell an. Theiss, der inzwischen nicht mehr mit Ginny zusammen war, holte Bruce bald jeden Morgen in der South Street ab, um gemeinsam mit ihm zur Schule zu gehen. Meistens stand er sich in der Küche der Springsteens die Beine in den Bauch, bis Bruce aus seinem Zimmer kam. »Er war immer zu spät dran. Entweder war er überhaupt noch nicht angezogen oder er konnte seine Schuhe nicht finden oder was auch immer«, so Theiss. »Und dann musste ich ja auch noch warten, bis er seine Frühstücksflocken gegessen hatte.«
Endlich in der Schule angekommen, schaltete Bruce auf Drift-Modus um. Er besuchte und verließ den Unterricht, wie es ihm gefiel. An manchen Tagen brachte er seine Gitarre mit, und wenn sein Interesse oder seine Geduld nicht mehr ausreichten, um am Unterricht teilzunehmen, verschwand er in Richtung Musikraum, setzte sich in einen abgelegenen Gang und übte dort stundenlang ein Riff oder einen Song. »Er saß da mit seiner Gitarre und spielte«, so sein damaliger Musiklehrer Bill Starsinic. »Immer wieder sagte ich: ›Bruce, du musst zurück in den Unterricht‹, doch er war mit den Gedanken ganz woanders. Er war sehr ernst, sehr konzentriert. Er interessierte sich weder für den Unterricht noch für die Schulband, das Orchester oder irgendetwas. Das Einzige, das ihn interessierte, waren seine Musik und er selbst.«
Wenn Bruce tatsächlich einmal im Unterricht aufkreuzte, lag das weniger am Interesse für den Stoff als vielmehr an seiner Sympathie für manche Lehrer, zum Beispiel den noch jungen Englischlehrer Robert Hussey, dessen Außenseiterperspektive nicht ohne Einfluss auf die Geschichten und Gedichte blieb, die Bruce selber schrieb. Husseys Engagement und seine Empathie beeindruckten seinen aufgeweckten, aber an der Schule wenig interessierten Schüler, wie Bruce’ Eintrag in Husseys Jahrbuch zeigt: »Diese Seite ist so klein, dass ich auf ihr nicht einmal einen Bruchteil der Komplimente unterbringen kann, die ich Ihnen gerne machen würde. Sie haben mich Dinge gelehrt, die in keinem Buch stehen. Sie haben mir geholfen, die Menschen viel besser zu verstehen als ich es zuvor je konnte. Sie verdienen meinen höchsten Respekt und meine Anerkennung.«
Die Castiles in ihrer endgültigen Besetzung wirkten wie ein bunt zusammengewürfelter Haufen. In seinen Karohemden und den engen schwarzen Hosen, die in knöchelhohen Dingo-Boots steckten, wirkte Bruce wie eine Mischung aus Rah-Rah und Greaser. Der finster drein-blickende Theiss gab sich tough, während der stets korrekt gekleidete singende Gitarrist Paul Popkin mühelos als Yell Leader durchging. Der siebzehnjährige Drummer Bart Haynes wiederum schien eine Kreuzung aus Marlon Brando und einem altehrwürdigen New-Jersey-Mafioso zu sein. »Er trug diese klassischen Sharkskin-Hosen und spitz zulaufende, auf Hochglanz polierte italienische Schuhe mit schwarzen Socken«, so Bruce. »Ihm hing immer eine Zigarette im Mundwinkel, er zog die Augenbrauen hoch und sein Haar war mit Pomade zurückgekämmt, fiel aber beim Spielen nach vorn. Er hatte ein schon geradezu monströses Selbstbewusstsein. Rückblickend betrachtet war er eigentlich ganz nett.«
Tex Vinyard trug seinen Teil zu dieser ungewöhnlichen Mischung bei, als er den achtundzwanzigjährigen Frank Marziotti, dem die Triangle-Chevron-Tankstelle an der Route 33 in Freehold gehörte, bat, in der Band Bass zu spielen. Kurz nach der Eröffnung der Tankstelle 1962 hatte Vinyard, der schon bald zur Stammkundschaft zählte, erfahren, dass Marziotti des Nachts als Bassist in der Countryband Rolling Mountain Boys spielte. »Eines Tages«, so Marziotti, »saß ich im Hinterzimmer und klimperte auf einer Gitarre rum, als Tex reinkam und sagte: ›Ich hab da ein paar Jungs, denen du ein bisschen unter die Arme greifen könntest.‹« Marziotti sagte zu, um Vinyard einen Gefallen zu tun, als Musiker versprach er sich nichts davon. Als Marziotti zur nächsten Probe kam, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass seine jungen Bandkollegen durchaus etwas drauf hatten. »Ich spielte einfach mit«, erinnert er sich. »Es gab nicht die geringsten Probleme und ich hatte ganz gewiss nicht das Gefühl, es mit Amateuren zu tun zu haben.« Besonders beeindruckt war (und ist, wie er betont) Marziotti von Theiss, sowohl wegen seiner ausdrucksstarken Stimme als auch wegen seiner ganz eigenen Art, Rhythmusgitarre zu spielen. »Er benutzte eine offene E-Stimmung und Barrégriffe. Er war einfach verdammt gut. Ich habe nie wieder jemanden getroffen, der das so perfekt beherrschte wie er.«
Der Leadgitarrist hingegen war auf etwas mehr Unterstützung angewiesen, vor allem im Hinblick auf das Akkordspiel. »Bruce lernte aber unglaublich schnell. Du zeigtest ihm irgendetwas und am nächsten Tag kam er zurück und zeigte dir drei neue Sachen.« Man muss dabei bedenken, dass Bruce keinerlei andere Ambitionen hatte außer der, ein meisterhafter Gitarrist zu werden. »Ich versichere dir, als ich den Job in der Tasche hatte, ging ich nach Hause und übte wie ein Besessener«, erzählt Bruce. »Ich war endlich in einer Band! Bei [den Rogues] war ich ja sofort wieder rausgeflogen, aber hier war ich nun in einer richtigen Band. Jede freie Stunde und Minute machte und hörte ich Musik. Als Arbeit habe ich das nie betrachtet.« Marziotti erinnert sich, dass der Gitarrist immer sehr stolz auf die Fortschritte war, die er machte. »Wenn er am nächsten Tag kam, prahlte er gegenüber Tex: ›Hey, guck mal, was ich kann!‹«
Eines Tages fand Vinyard eine Stelle als Maschinenführer in der Zigarettenpapierfabrik Peter Schweitzer, doch sein Engagement für die Castiles ließ sich mit dem neuen Vollzeitjob vereinbaren. Tex und Marion waren schnell zu einer Art Ersatzeltern für die Band geworden. Tex leitete die Proben auf eine derart selbstbewusste Weise, dass man kaum glauben konnte, dass seine einzige musikalische Erfahrung im An- und Ausstellen seines Radios bestand. Doch er hatte eine klare Vorstellung davon, was einen guten Sound ausmachte, und wenn die Jungs das seiner Meinung nach nicht hinbekamen, hob er die Hand und verlangte, dass sie etwas ändern sollten.
»Er leitete tatsächlich die Proben, wenn wir bei ihm zu Hause übten«, erinnert sich Theiss. »Er schrie: ›Stopp, das klingt nicht gut. Tut dies, tut das!‹ Selbst wenn er von dem, wovon er sprach, gar keine Ahnung hatte.« Die Castiles wussten, dass Tex, anders als ihre Väter, an das glaubte, was sie taten, und nichts anderes im Sinn hatte, als sie zu unterstützen. Und während ihre Mütter ständig an ihren Frisuren, Klamotten und Noten herumnörgelten, war Marion vollauf zufrieden mit ihrer Rolle als unkritische Zweitmutter, die haufenweise Thunfisch- und Käse-Schinken-Sandwiches für sie zubereitete und deren Vorräte an Foodtown Soda unerschöpflich schienen.
Das stetig wachsende Repertoire der Band bestand in erster Linie aus aktuellen Radiohits, wobei die Jungs eine Vorliebe für härtere Songs hatten, wie »(I Can’t Get No) Satisfaction« und »The Last Time« von den Rolling Stones, »All Day and All of the Night« von den Kinks, »What’d I Say« von Ray Charles und »My Generation« von The Who (bei dieser wirklich wilden Coverversion übernahm Bruce den Gesangspart). Um sich von anderen jungen Bands abzugrenzen, blieben Beatles-Songs bei ihnen meist außen vor, abgesehen von »Twist and Shout«. Tex hatte seine ganz eigene Vermarktungsstrategie. Er drängte die Jungs dazu, auch Glenn Millers »In the Mood«, Henry Mancinis »Moon River« sowie andere Jazz-Pop-Nummern in ihr Repertoire aufzunehmen, um auch ein älteres Publikum ansprechen zu können. »Tex wollte uns so viele Auftritte wie möglich verschaffen«, sagt Bruce. »Aber wir verstanden uns eindeutig als Rock’n’Roll- und Rhythm-and-Blues-Band.«
Vinyard suchte auch die Bühnenoutfits für die Jungs aus – und bezahlte sie. Sie bestanden zunächst aus schwarzen Hosen, schimmernden schwarzen Westen und weißen, hochgeschlossenen Hemden. Später kamen Rüschenhemden und andere auffällige Kleidungsstücke hinzu. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sich wegen ihrer Uniformen Unmut unter den Bandmitgliedern breitmachte.6 »Irgendwann sagten wir [Tex] einfach: ›Pass auf, wir machen es auf unsere Art.‹ Und dann hatte sich das mit den Rüschenhemden erledigt.«
Im Sommer organisierte Vinyard der Band einige Auftritte auf Jugend-Tanzveranstaltungen. Marziottis Tankstellen-Van erklärte er kurzerhand zum Equipment-Bus, und die Jungs kutschierte er persönlich in seinem hellblauen Cadillac zu den Gigs. Den Sound kontrollierte Tex während der Auftritte von der der Bühne gegenüberliegenden Seite des Saales aus; per Handzeichen signalisierte er jedem Musiker, ob er lauter oder leiser spielen sollte. Wenn nach der Show das gesamte Equipment wieder verstaut war, fuhr er mit der ganzen Mannschaft zu Federici’s, wo es für jeden eine Pizza und die Gage für den Abend gab. Normalerweise bekam jeder fünf Dollar, was für einen Teenager zu jener Zeit ein ganz ordentlicher Betrag war. Vinyard behielt einen genauso hohen Anteil für sich, von dem er allerdings die Pizzen und die Getränke bezahlte. »Wir konnten uns nicht beklagen, wir hatten unser Auskommen«, sagt Bruce. »Zumindest war es so viel, dass ich bei meinen Eltern nicht mehr um Geld betteln musste.«
Dank der regelmäßigen Einkünfte konnten es sich die Castiles (oft mit einer zusätzlichen Finanzspritze von Vinyard) leisten, nach und nach eine Reihe von Verstärkern, Lautsprechern und Mikrofonen anzuschaffen. In der zweiten Hälfte des Jahres 65 hatten sie etwa ein Dutzend Auftritte. Der wohl denkwürdigste fand in der geschlossenen Abteilung des Marlboro State Hospital statt, wo, wie sich Bruce erinnert, der Conférencier die Band zwanzig Minuten lang über den grünen Klee lobte und unter anderem mit den Beatles auf eine Stufe stellte. »Schließlich kamen die Ärzte und nahmen ihn mit«, erzählt Bruce.7
Meistens spielten sie allerdings auf Tanzveranstaltungen im Woodhaven Swim Club, im Freehold Elks Club und im Farmingdale Mobile Home Park. Außerdem trat die Band bei mehreren Ehemaligentreffen an der St. Rose of Lima School auf, Bruce’ alter Schule, die nur wenige Schritte von seinem Elternhaus entfernt lag. Eines Abends im Herbst streifte Adele ihren Mantel über und begleitete ihren Sohn bis an die Tür der Schulcafeteria. Sie gab ihm einen Kuss und sah ihm hinterher, als er hineinging und mit seinen Freunden auf die Bühne stieg. Da bemerkte sie den Polizisten Lou Carotenuto, der neben dem Eingang Wache hielt, und ging zu ihm, um ihn zu begrüßen. Carotenuto erinnert sich noch genau an Adeles Worte: »Sie sagte: ›Von Bruce werden wir noch einiges hören, eines Tages wird er richtig berühmt sein.‹ Und ich dachte nur: ›Gott sei Dank gibt es die Mütter. Sie sind die Einzigen, die immer an uns glauben.‹« Doch Adele war ja nicht nur eine Mutter, sondern auch eine Zerilli, was bedeutete, dass ihr Glaube gewissermaßen verdreifacht wurde durch ihre Schwestern Dora und Eda, die sich mit lauter Highschoolkids in eine Schlange stellten, um Karten für die Castiles zu ergattern, die im Rahmen der Eröffnungsfeier für den neuen ShopRite-Supermarkt spielen sollten. »Ich fand das wirklich toll, was die Jungs gemacht haben«, sagt Dora. »Auch damals war er schon ziemlich berühmt. Zumindest in unseren Augen.«
Douglas Springsteen empfand die Musik seines Sohnes immer noch als Krach. Er litt unter dem Lärm, der von oben durch die Decke drang. Wenn es ihm zu viel wurde, schnappte er sich den Besen und klopfte mit dem Stiel gegen die Decke unter Bruce’ Zimmer, damit er endlich Ruhe gab. »Wegen der Nachbarn!«, sagt Ginny. »Wir lebten in einer Doppelhaushälfte, sie wohnten also direkt nebenan.« Bruce’ Schwester, Adele, Theiss und die anderen Jugendlichen aus der Nachbarschaft, die Mr. Springsteen gut genug kannten, um ihn zu grüßen, wenn sie in die Küche kamen, betrachteten die Spannungen zwischen Vater und Sohn als typische Reibereien, wie es sie überall zwischen Älteren und Jüngeren gab. »Nichts an den Problemen, die die beiden miteinander hatten, war außergewöhnlich«, sagt Ginny. Sie denkt noch ein wenig nach und fügt hinzu: »Wir haben das nicht als eine große Sache empfunden, aber Bruce offenbar schon.«
Douglas verstand seinen Sohn nicht, aber er sorgte sich um dessen Zukunft. Er wusste auch nicht, wie er seinen Jungen vor der rauen Wirklichkeit schützen sollte, in die er sich nach dem Ende seiner Schulzeit würde fügen müssen. Für ihn selbst war es durchaus sinnvoll gewesen, die Schule abzubrechen und mit sechzehn seine erste Stelle in der Teppichfabrik anzutreten. Mindestens ein Mitglied jeder in Freehold ansässigen Familie arbeitete dort. Doch dann war der Zweite Weltkrieg gekommen und hatte Doug einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt, knapp fünfundzwanzig Jahre später, hatte er immer noch keine feste Stelle. Seitdem sich die Karagheusians, die zu ihren besten Zeiten über vierhundert Arbeiter in ihrer Teppichfabrik beschäftigten, aus der Stadt zurückgezogen hatten, um sich in North Carolina niederzulassen, weil dort die Lohnkosten niedriger waren, sah die Zukunft für Freehold, das einst eine mustergültige prosperierende Arbeiterstadt gewesen war, düster aus. Nachdem auch andere Werke ihre Tore geschlossen und etliche andere Betriebe wie Restaurants und Autohäuser mit in den Konkurs gerissen hatten, konnten sich Hilfsarbeiter wie Doug nur mehr schlecht als recht über Wasser halten. »Es war wie das Ende für die Stadt«, sagt der in Freehold geborene Historiker und Journalist Kevin Coyne, für dessen Großvater das Arbeitsverhältnis bei Karagheusian nach zweiunddreißig Jahren mit einem Kündigungsschreiben und einer Abfindung von zwei Wochenlöhnen endete. »Die Verbitterung war groß. Der vorherrschende Eindruck war, dass Loyalität mit Füßen getreten und Versprechen gebrochen wurden.«
Douglas Springsteen bekämpfte seine Enttäuschung mit Zigaretten und Sixpacks. Wenn er jedoch sah, wie sein Sohn mit der Gitarre in der Hand, den langen strubbeligen Haaren, den schicken Klamotten und dem unbekümmerten Ausdruck auf seinem jungen Gesicht zum Hintereingang hereinkam und auf dem Weg in sein Zimmer leise »Hey, Pop« flüsterte, war es, als streue jemand Salz in die offene Wunde, die seine Seele war. Er war der Meinung, er müsse seinen Sohn auf die freudlose Plackerei, die ihn erwartete, vorbereiten. Und so richtete sich Doug auf seinem Stuhl auf und bat Bruce, noch einmal zurückzukommen und sich mit ihm zu unterhalten. Während die Musik und der Applaus, die ihm bis eben noch in den Ohren klangen, nun langsam verebbten, stellte Bruce seine Gitarre in die Ecke, biss die Zähne zusammen und hörte sich die Ansichten dieses mutlosen und gebrochenen Mannes über das Leben und die Welt an.
Jahrelang fragten sich Bruce’ Freunde, ob Doug seinen Sohn wohl verprügelte oder ihm in irgendeiner Weise psychische Gewalt antat. Leute, die es nur gut meinten, flüsterten hinter vorgehaltener Hand etwas von Missbrauch und Brutalität. Dass Dougs schroffe Art lediglich ein Panzer war, hinter dem er seine gequälte Seele verbarg, war mit den Jahren in Vergessenheit geraten. Doug schämte sich seiner Schwächen und wollte seinem Ältesten das Schicksal, das ihm widerfahren war, ersparen. Jedoch gelang es ihm nicht im Mindesten, eine Beziehung zu Bruce aufzubauen. Es waren gar nicht die Vorhaltungen, die Kritik und die teils hitzigen Diskussionen, die Bruce zusetzten, es war die Leere, die er in den Augen seines Vaters wahrnahm. Immer, wenn er sich seinem Vater zuwandte, in der Hoffnung, irgendetwas zu entdecken – ein Fünkchen Zuneigung, Stolz, ein klein wenig Liebe oder auch nur ein anerkennendes Nicken –, starrte er ins Leere.
»Es war nicht das, was er tat. Es war das, was er nicht tat«, sagt Bruce. »Es war diese völlige Verweigerung von Anerkennung. Es war diese Leere.« Die Atmosphäre scheint zu knistern, es ist, als wäre die Zeit stehengeblieben und Zigarettenqualm und Alkoholdunst hafteten immer noch an ihm. »Eigentlich war mein Vater ein wunderbarer Mensch«, sagt er. »Ich habe ihn geliebt. Wirklich geliebt. Aber der Alkohol war ein Problem. Tag für Tag ein Sixpack pro Abend, das macht sich schon bemerkbar. Ich weiß nicht, ob seine Isolation daher rührte oder …« Er bricht ab, blickt aus dem Fenster und zuckt mit den Schultern. »Ich habe ja selbst ein bisschen darüber geschrieben. Ich weiß nicht, wie viel davon ankommt. Aber das Wesentliche müsste man eigentlich verstehen.«
1966 legten die Castiles ein beachtliches Tempo vor. Sie spielten regelmäßig auf Tanzveranstaltungen und nahmen an den immer häufiger stattfindenden Talentwettbewerben teil, bei denen mehrere regionale Bands gegeneinander antraten. Den (nicht immer nach objektiven Maßstäben ermittelten) Siegern winkten Geldprämien und andere Preise, zum Beispiel die Möglichkeit, im Vorprogramm bekannterer Acts aufzutreten und mit ihnen durch New Jersey zu touren. Zwar stellte sich nicht zwangsläufig der große Durchbruch ein, aber die Wettbewerbe boten den jungen Talenten immerhin Gelegenheit, einander kennenzulernen, sich miteinander zu messen und Teil einer durch dieselben Interessen verbundenen Gemeinschaft zu werden, die über den Freundeskreis an der Schule oder in der eigenen Stadt hinausging. Als Bruce eines Abends in New Jerseys Hullabaloo Club den so schmächtigen wie schlagfertigen Gitarristen der Shadows aus Middletown kennenlernte, musste er nicht lange mit ihm reden, um festzustellen, dass er einen seelenverwandten Rock’n’Roller getroffen hatte.
»Wir interessierten uns für dieselben kleinen, aber entscheidenden Details«, erinnert sich Bruce. »Es ging darum, ob sich jemand die Haare geschnitten oder das Hemd gewechselt hatte – es ging um all das, was Musiker taten, dachten, atmeten, aßen, tranken und sahen. Und es gab genau einen anderen Menschen, dem die Bedeutung all dieser vermeintlichen Nebensächlichkeiten genauso bewusst war wie mir: Das war Steve Van Zandt.« Van Zandt lebte mit seiner Mutter und seinem Stiefvater8 eine halbe Fahrtstunde entfernt in Middletown, wo ein ganz anderes kulturelles Klima herrschte (»Freehold war die Heimat der Greaser und Inlander«, erklärt Bruce. »Richtung Küste wurde es vornehmer.«). Die Jungs fanden trotzdem immer einen Weg, stundenlang zusammenzuhocken, um Songs zu hören und sie anschließend genau zu analysieren, vom Gesang über die Umkehrakkorde des Rhythmusgitarristen bis hin zu den kontrastierenden Hi-Hat-Patterns des Drummers. »Steve war der Kumpel – jeder echte Rockfan hat so einen –, zu dem man einfach immer gehen konnte und dem man nichts erklären musste«, so Bruce. »Man musste ihm nicht erklären, warum man sich darüber aufregte, dass der Typ auf dieser Platte eine andere Gitarre benutzte als auf der letzten und warum das einem Verrat an allem Echten und Wahren gleichkam! An allem Echten und Gerechten auf dieser Welt! Und warum trug er seinen Scheitel erst rechts und jetzt plötzlich links? Nein, nein und noch mal nein! Immer wenn wir zusammensaßen, diskutierten wir leidenschaftlich über diese ganzen wunderbaren Rock’n’Roll-Detailfragen, und das ist auch heute noch so. Immer wenn ich beispielsweise mit jemandem darüber reden möchte, dass irgendetwas meiner Meinung nach viel zu überladen ist, ist Steve mein Mann. Er erklärt mir alles. Und das Schlimmste ist, selbst wenn ich anderer Meinung bin, weiß ich ganz genau, was er meint. Ich kann seine Meinung nicht einfach ignorieren, weil ich genau weiß, was dahintersteckt.«
Den Castiles gelang es, eine kleine, aber ungemein treue Fangemeinde in Freehold und Umgebung um sich zu scharen, darunter auch zweiundvierzig Highschoolschüler – die meisten davon Mädchen –, die eine Petition aufsetzten und unterzeichneten, in der sie forderten, dass der Band »ein wenig mehr Beachtung« geschenkt werden sollte: »Die Gruppe hat einen sensationellen Sound. Wir beanstanden die Tatsache, dass Plattenfirmen und Radiosender diese fantastischen Jungs völlig ignorieren.« Mädchenhafte Schwärmereien wie diese gingen dem neunundzwanzigjährigen Marziotti schwer auf die Nerven. Als ihn nach einem Gig im Le Teendezvous Anfang Mai ein weiblicher Fan beiseite nahm und fragte: »Bist du Brucies Papi?«, hatte der Bassist endgültig genug. »Ich erklärte Tex, dass sie von nun an ohne mich klarkommen müssten«, sagt er. Marziotti blieb aber noch so lange, bis er dem vom Alter her um einiges besser in die Band passenden Bassisten Curt Fluhr in ihr Set eingewiesen hatte, dann verließ er die Castiles.
Fluhr war kaum zwei Wochen dabei, als die Band nach Bricktown ins Mr. Music Studio fuhr, wo die Castiles zwei Songs für ihre erste Single einspielten. Beide Nummern sind Originalkompositionen von Springsteen-Theiss, wie es in den Credits heißt. Auf der A-Seite ist der temporeiche Trennungssong »Baby I«, bei dem die Gitarren deutliche Anklänge an den Sound von Carl Wilson9 zeigen. In dieser Nummer macht der Sänger kurzen Prozess mit seiner Flamme, die er recht nonchalant wissen lässt, dass er keinen Wert mehr auf ihre treulose Liebe legt, denn: »Got somebody new/Somebody better than you/Somebody who’ll be true«. Da in der Liebe und im Popsong alles erlaubt ist, findet sich auf der B-Seite mit »That’s What You Get« ein Stück, das wie eine Jangle-Pop-Nummer klingt und etliche spätere Springsteen-Songs vorwegnimmt. Die düsteren Verse erzählen die Geschichte eines Mannes, der mit seiner Lebenslüge den frühen Tod seiner Freundin mitverschuldet hat, was den Erzähler zwar erschüttert, aber nicht überrascht. »That’s what you get for loving me«, heiß es im Refrain.10 Viel mehr als ein Geschenk für Freunde und eine Visitenkarte, die man interessierten Veranstaltern in die Hand drücken konnte, bedeutet die Single für die Band aber nicht.
Auf den Aufnahmen war auch der neue Drummer, Vinny Maniello, zu hören, der den etwas älteren Bart Haynes ersetzte. Haynes besuchte zu jener Zeit bereits die letzte Klasse der Freehold Regional und hatte sich freiwillig zu den Marines gemeldet. Er hoffte, bevorzugt behandelt zu werden gegenüber denjenigen, die nicht von sich aus aktiv wurden und ihre Einberufung abwarteten. Haynes war davon überzeugt, dass es sein Schicksal sei, mit einer Waffe in der Hand in Vietnam zu kämpfen. Als er während einer Pause zwischen Ausbildungslager und erstem Kampfeinsatz noch einmal nach Hause kam, tat er so, als sei die ganze Sache ein großer Spaß. Seine Uniform trug er mit demselben naiven Ernst wie ein Kind sein Kostüm zu Halloween. »Er war ein tougher Kerl, der die Dinge nahm, wie sie kamen«, so Bruce. »Er war durchgeknallt, immer locker drauf und ziemlich witzig.« Drückte man Haynes eine Weltkarte in die Hand, war er nicht in der Lage, darauf jenes seltsame Land zu lokalisieren, in dessen Dschungel und Bergen er bald sein Leben aufs Spiel setzen sollte.
Die verbliebenen Castiles konzentrierten sich während des nächsten Jahres darauf, an sich zu arbeiten und Engagements für Auftritte in besseren Beach Clubs, Jugendclubs und vielleicht auch auf ein, zwei Konzertbühnen zu ergattern. Die Nachfrage war eher mäßig, dennoch gelang es Vinyard, der Band ein mehrwöchiges Engagement in einem der bekanntesten Rock’n’Roll-Veranstaltungsorte zu organisieren, nämlich im inzwischen legendären Café Wha? im New Yorker Greenwich Village. In der Regel traten die Castiles dort zwar während der nachmittäglichen Teenagerveranstaltungen auf, aber auf derselben Bühne zu stehen, die schon für Bob Dylan und Jimi Hendrix zum Sprungbrett geworden war – Letzterer war sogar erst wenige Monate zuvor dort aufgetreten –, war gewiss nicht zu verachten. Während sich die meisten Bands aus ihrer Gegend, die im Sog der Beatlemania gegründet worden waren, inzwischen getrennt oder ihre musikalischen Ambitionen an den Nagel gehängt hatten, waren die Castiles zu einer soliden, professionellen Gruppe zusammengewachsen, was ebenso sehr auf Bruce’ immer besser werdendes Gitarrenspiel wie auf Theiss’ zunehmende Selbstsicherheit als Frontman und das überzeugende harmonische Zusammenspiel von Theiss, Popkin und Bruce zurückzuführen war. Der neu hinzugekommene Organist Bob Alfano, der den seinerzeit angesagten Blues-meets-Gospel-Stil beherrschte, den die kalifornischen Psychedelic-Rocker so liebten, trug seinen Teil dazu bei, dass der Sound der Band noch voller wurde.
Als sich Ende 1966/Anfang 1967 der Psychedelic-Trend immer mehr durchsetzte, konnten die Castiles mühelos Schritt halten. Bruce’ Garderobe wurde immer bunter und blumiger; seine dunklen Locken fielen ihm über die Augen und bis auf die Schultern. Er studierte eifrig alle möglichen Auftritte von Rock’n’Rollern im Fernsehen – die buchstäblich explosive Performance von The Who in The Smother Brothers Comedy Hour (in der Keith Moon seine pyromanische Ader und Pete Townsend seine Zerstörungswut auslebten) wurde für ihn zu einem Aha-Erlebnis – und stellte sich jetzt zu Beginn ihrer Show auf einen Rettungsschwimmerstuhl, von dem er dann in einem besonders spannungsgeladenen Moment heruntersprang. Zu einer Veranstaltung der Katholischen Jugend in der St.-Rose-of-Lima-Schule im April schleppte er ein Stroboskoplicht, Rauchbomben und andere »Spezialeffekte« an. Auf dem Höhepunkt der Show gab er einem Freund ein Zeichen, woraufhin dieser das Stroboskop einschaltete und die Rauchbomben zündete. Als sich die Rauchschwaden verzogen hatten, kletterte Bruce auf seinen Verstärker und schlug mit seiner Gitarre eine extra für diesen Anlass gekaufte Vase in tausend Stücke. Das jugendliche Publikum flippte völlig aus und für einen Augenblick, bis das Licht in der Cafeteria wieder anging, fühlte sich Bruce wie ein visionärer Psychedelic-Künstler. Nach der Show entdeckte er seinen ehemaligen Mathematiklehrer, der strahlend auf ihn zukam, ihm auf die Schultern klopfte und sagte: »Bruce, das hast du fein gemacht.«
Solch generationenübergreifende Verbrüderung war in jenen Tagen allerdings eine Seltenheit. Mitte 67 hatten sich in Freehold wie fast überall im Land etliche Fronten gebildet: Eltern gegen Kinder, Kriegsbefürworter gegen Pazifisten, Traditionalisten gegen Fortschrittsgläubige, Weiße gegen Schwarze und so weiter. Von daher hätte Bruce eigentlich nicht überrascht sein dürfen, als er am 19. Juni die Freehold Regional betrat, um sich für die Abschlussfeier am Abend Talar und Barett abzuholen, und erfuhr, dass man ihn nicht in die Aula hineinlasse, wenn er sich bis dahin nicht sein schulterlanges Haar abgeschnitten hätte. Bruce machte daraufhin auf dem Absatz kehrt und nahm den Pendlerbus nach New York, wo er sich am Nachmittag einige Bands in den Bars von Greenwich Village ansah.11
Die Ironie dieser Geschichte besteht darin, dass Bruce trotz seiner langen Haare und seiner wilden Klamotten ganz und gar nicht den Lastern seiner kauzigen Großeltern oder seines kettenrauchenden und gewohnheitstrinkenden Vaters erlegen war. Im Gegenteil: Ihm war es viel zu wichtig, die Kontrolle über alles zu behalten, als dass er das Risiko eingegangen wäre, sich mit Drogen, Alkohol und/oder anarchistischem Gedankengut aus dem Gleichgewicht zu bringen. Während die Elterngeneration ihn aufgrund seiner Frisur als Freak ablehnte, grenzte sich Bruce selbst durch seine Drogenabstinenz von den immer etwas müde dreinblickenden Hippies ab, mit denen er verkehrte. Er interessierte sich durchaus für Politik und die antiautoritären Positionen jener Tage, urteilte jedoch in diesen Fragen weniger analytisch als aus dem Bauch heraus. »Das war damals einfach so«, sagt Bruce. »Alles wurde politisiert. Ich kannte niemanden, der nicht zumindest Interesse an den ganzen Diskussionen vortäuschte. Und wer das nicht tat, musste sich wenigstens zu einer Seite bekennen.« In Freehold machte man sich bereits verdächtig, wenn man sich mit einem modischen Haarschnitt und einem über der Hose hängenden Paisley-Hemd auf die Straße wagte. Bis heute kommt mit der Erinnerung an den Bruce der 60er-Jahre bei dem damaligen Streifenbeamten (und späteren Polizeichef) Bill Burlew auch der Argwohn wieder hervor: »Er zog mit einer ganzen Horde durch die Straßen. Er hatte lange Haare und hing mit diesen Typen von den Street People [einer stadtbekannten Freeholder Gang] rum.« Als sich lautstarker Widerspruch unter der restlichen Kundschaft in Joe’s Barbershop regt, zuckt Burlew mit den Schultern. »Na ja, vielleicht war er ja nur ein ganz normaler Teenager.«
Genau das war der ehemalige Drummer der Castiles und spätere Corporal der US Marines Bart Haynes, als er am 22. Oktober 1967 in der Provinz Quang Tri mit einem Spähtrupp unter Beschuss durch nordvietnamesische Soldaten geriet. Haynes verlor bei diesem Gefecht sein Leben, und als sich die Nachricht von seinem Tod wenige Wochen später in Freehold verbreitete, war es für Bruce und die anderen Bandmitglieder extrem schwer, den Tod ihres Freundes zu verarbeiten – insbesondere für George Theiss, der wenige Tage zuvor noch sehr lebhaft von Haynes geträumt hatte: Sein Unterbewusstsein habe ihm ein klingelndes Telefon vorgegaukelt, berichtete er Kevin Coyne. Er sei rangegangen und habe am anderen Ende der Leitung Haynes Stimme gehört, die immer wieder eine gespenstische Botschaft wiederholt habe: »Mir geht’s gut … Mir geht’s gut.«12
1 Bruce behauptet, in der dritten Klasse gewesen zu sein, als er Elvis in der Ed Sullivan Show sah. Diese Angabe deckt sich allerdings nicht mit dessen tatsächlichen Auftritten in dieser Sendung. Zum dritten und letzten Mal war Elvis im Januar 1957 bei Ed Sullivan, und zu dieser Zeit ging Bruce gerade in die erste Klasse. Im März 1958 trat Elvis seinen Militärdienst an. Seinen nächsten TV-Auftritt hatte er erst wieder 1960 in der »Welcome Home Elvis«-Sondersendung im Rahmen von Frank Sinatras Timex-Show. Dass Bruce die meinen könnte, ist aber unwahrscheinlich, denn Elvis sang darin keinen seiner wirklich aufregenden Hits, die Bruce so beeindruckten.
2 Dadurch, dass er viel las und sich für die kulturellen und politischen Entwicklungen seiner Zeit sehr interessierte, kam Bruce in späteren Jahren zu noch weitaus tiefschürfenderen Erkenntnissen im Hinblick auf Elvis und die Rock’n’Roll-Revolution der 50er-Jahre. »Die frühen Rockstars hatten etwas ebenso Demokratisches wie Mystisches und Majestätisches an sich«, sagt er. »Der King! Nicht der Präsident der Vereinigten Staaten. Der ›King of Rock and Roll‹! Er kam, sah und sprach: ›Dies sind die Regeln. Ich bin der König. Ihr alle werdet euch den neuen Regeln unterwerfen, die ich aufgestellt habe.‹«
3 Skiffle ist eine britische Variante des amerikanischen Rockabilly, bei der Waschwannenbässe, Mundharmonikas, Banjos und andere Country- und Westerninstrumente zum Einsatz kommen.
4 Western Auto vertrieb kurioserweise auch eine eigene Serie elektrischer Gitarren.
5 Und der jahrzehntelang eine Standardnummer im allerletzten Zugabeblock seiner Shows war.
6 Auf einem Promotionfoto, das Tex im Sommer 65 schoss, sitzt Bruce ganz oben auf einer Wippe; seine ausgestreckten Beine stecken in einer Hose, die um etliches heller ist als die seiner Bandkollegen, und an den Füßen trägt er dünne Wildlederstiefel, die sich von den glänzend schwarzen Schuhen der anderen deutlich absetzen.
7 Darüber hinaus berichtet George Theiss auf der Brucebase-Website, dass sich eine der Patientinnen völlig hemmungslos an die Bandmitglieder ranmachte, während ein anderer Insasse die ganze Zeit über den Flur lief und »Banzai!« rief.
8 Van Zandt wurde als Steven Lento in Boston geboren. Seine Eltern trennten sich, als er noch ein Kleinkind war. Als Steve sieben war, zog die Mutter mit der Familie nach New Jersey, wo sie bald William Van Zandt heiratete, der Steve adoptierte und ihm seinen holländischen Nachnamen gab. Seinen richtigen Vater sah Steve nie wieder. »Ich glaube, er war einfach nur ein fauler Sack«, sagt er.
9 Der Beach-Boys-Leadgitarrist Carl Wilson prägte mit seinem Chuck-Berry-trift-auf-Dick-Dale-Sound den Surf gitarrenstil der 60er-Jahre entscheidend mit. (Wobei anzumerken ist, dass Carl oft nur die Ideen seines Bruders Brian umsetzte, die außerdem nicht selten zuvor bereits von Studiomusikern aus L.A. eingespielt wurden.)
10 Bemerkenswert ist an diesem Song auch die Zeile »I fall down on my knees and I cry«, die Bruce knapp zwei Jahrzehnte später in »Downbound Train« beinahe wörtlich wieder verwendete.
11 Zum großen Verdruss seiner Mutter. Sie hatte sich nicht nur sehr darauf gefreut zu sehen, wir ihr Sohn sein Abschlusszeugnis entgegennahm, sondern auch einen halben Tag frei genommen, um das große Fest, das sie für ihn organisiert hatte, vorzubereiten. Letzteres ging zwar reibungslos über die Bühne und wurde später am Abend, als Bruce endlich dazustieß – gerade rechtzeitig, um das Moped entgegenzunehmen, das seine Mutter als Überraschung für ihn besorgt hatte –, doch noch richtig feierlich. Dennoch war war sie von Bruce’ jugendlicher Gedankenlosigkeit erschüttert. »Ich war völlig aufgelöst«, sagt Adele. »Soll er Ihnen die Geschichte erzählen.«
12 Der ganze Absatz basiert auf der Darstellung in Kevin Coynes Buch Marching Home, in dem er den Geschichten der Männer nachspürt, die die Stadt Freehold als Soldaten in Kriege entsandte, in die die USA verwickelt waren.