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Messen bleiben überwiegend Face-to-Face

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MICHAEL KRUPPE


General Manager des Shanghai New International Expo Centre (SNIEC)

Wie stellt sich die Zukunft an den bedeutenden Messehotspots außerhalb Europas dar? Welche Formate und Dienstleistungen finden dort Akzeptanz und könnten ein Vorbild für andere Regionen sein? Der Blick nach Shanghai gibt Antworten, wie sich Veranstaltungen in China entwickeln – dem Land mit der weltweit höchsten Messedynamik in den letzten zwei Jahrzehnten.

Offen für neue Zeitfenster

Covid-19 hat sich auch in China als eine Art Beschleuniger von Entwicklungen erwiesen. Bei uns im SNIEC betrifft das vor allem die Zeitfenster. Wir haben festgestellt, dass einige Veranstalter von Messen, deren Ereignisse im ersten Halbjahr terminiert waren, unbedingt damit ins zweite Halbjahr wollten. Zunächst geschahen diese Wechsel gezwungenermaßen. Da das erste Halbjahr 2020 pandemiebedingt nicht zur Verfügung stand, ergaben sich dadurch anfänglich eher zufällig neue Slots im zweiten Halbjahr – die nun in einigen Fällen sogar als Austragungstermin bestehen bleiben sollen.

Als gutes Beispiel kann hier die Messe für die pharmazeutische Industrie, CPhI, angeführt werden. Sie fand Ende 2020 eine Woche vor Weihnachten statt und soll wohl auch in den nächsten Jahren in diesem zeitlichen Rahmen durchgeführt werden. Ein weiteres prominentes Beispiel für eine Verlegung in einen ungewohnten Zeitraum ist die Informationstechnologie-, Telekommunikations- und Mobilfunkschau GSMA. Sie öffnete ihre Türen im aktuellen Jahr, 2021, schon eine Woche nach dem chinesischen Neujahrsfest. Damit startete sie bereits kurz nach dem wichtigsten Familienfest des Landes; normalerweise traut sich kein Veranstalter, selbst zwei bis drei Wochen nach dem chinesischen Neujahr eine Messe auszurichten. Diese Veränderung ist ein ganz klares Indiz dafür, dass mittlerweile viele Veranstalter gewillt sind, neue Zeitfenster in Betracht zu ziehen.

B2C im Trend, online weniger

Die Formate in Asien haben sich lange vor Covid in Richtung B2C entwickelt. Wir haben schon vor circa drei Jahren angefangen, teilweise gemischte, teilweise reine Consumer Events bei uns durchzuführen. Dafür wurde sogar ein eigenes Logo „SNIEC Events“ entwickelt. Dieser eindeutige Trend könnte auch auf mittlere Sicht weiter Konjunktur haben. Die Besucher und Aussteller wollen – übrigens ebenfalls schon lange vor Corona – nicht mehr einfach nur auf eine Messe gehen und Geschäfte machen. Gerade im digitalen Bereich wünschen jüngere Professionals sich Spaß, Unterhaltung und Abwechslung. Das bieten wir unter anderem mit Festivals, Lifestyle oder auch Konzerten an.

Ein anderes Modell dürfte sich dagegen in absehbarer Zeit nicht wirklich durchsetzen: Aktuell sehe ich kaum, dass die „ganzjährigen“ Messen als Formate aus heutiger Sicht eine nennenswerte Option für China sind. Die Vereinigung von Online und Offline ist sicherlich ein Thema, das viel diskutiert wird. Ich glaube aber, dass wir hier beim Online-Anteil lediglich von fünf bis maximal zehn Prozent sprechen. Der Großteil einer Messe wird Face to Face, von Mensch zu Mensch, bleiben.

Die Gründe dafür sind aus meiner Sicht sehr deutlich zu sehen: Nachdem wir im Juni dieses Jahres zum Glück wieder unsere Tore öffnen konnten, spürten wir, dass die Leute so richtig heiß waren – heiß darauf, sich wieder von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Seinerzeit wurden viele Online-/Offline-Hybrid-Projekte besprochen. Doch das scheint nur eine, der Covid-Situation geschuldete Momentaufnahme gewesen zu sein. Sobald nämlich klar wurde, dass sich alle Beteiligten wieder auf Messen treffen können, sind diese Überlegungen in den Hintergrund geraten.

Sicherheit und Vertrauen

Eine andere Entwicklung dürfte dagegen künftig Bestand haben. Für mich ist eines klar erkennbar: Die Erwartungshaltung der Veranstalter und ihrer Kunden geht eindeutig in Richtung Sicherheit und Vertrauen. Das heißt, der Besucher oder Aussteller muss sich auf dem Messegelände sicher fühlen – und natürlich genauso bei der Veranstaltung, die er besucht oder auf der er ausstellt. Wir haben bereits vor über einem halben Jahr richtige, nachweislich erfolgreiche Hygiene- und Sicherheitskonzepte entwickelt.

Deswegen werden wir diese Sicherheitsmaßnahmen auch in Zukunft weiter fortführen. Dabei gelten für uns als Veranstaltungsstätten-Betreiber dieselben Anforderungen wie für Veranstalter: Alle Beteiligten haben sich nach den entsprechenden Vorschriften zu richten. Diese Sicherheitskonzepte haben wir schließlich zusammen mit Veranstaltern und den lokalen Regierungen hier vor Ort in Shanghai erarbeitet. Auch in Zukunft werden und müssen wir weiterhin dafür sorgen, dass unser Gelände sicher bleibt. Dies ist für mich der Hauptansatz für die nächsten Jahre, den wir konsequent zu verfolgen haben. Denn dadurch werden Leute gerne und vermehrt auf die Messen im SNIEC kommen – wie gesagt, einfach deshalb, weil sie sich sicher fühlen.

Apps für alle Bürger nutzbar

Derzeit stellen wir in China eine beschleunigte Entwicklung im digitalen Bereich fest. Das betrifft insbesondere den von mir erwähnten Sicherheitsbereich, der digital schon sehr weit entwickelt ist. Hier ist es den Chinesen bereits jetzt möglich, die Sicherheitsprotokolle im ganzen Land – und damit auf Messen oder etwa bei Reisen oder Besuchen von Shoppingcentern, Kinos und anderen Einrichtungen – zu kontrollieren. Diese Sicherheitsprotokolle sind ein klar definierter Ablauf gleichzeitiger oder aneinander gereihter Sicherheitsmaßnahmen, die durchgeführt werden, um eben die Sicherheit zu garantieren. Die Chinesen sind generell sehr regierungstreu, das bedeutet, sie glauben, dass ihre Regierung die Entwicklung der digitalen Produkte unterstützt. Dies heißt gleichzeitig, dass die Regierung die digitalen mobilen Apps so verwirklicht, dass jeder Bürger diese Apps tatsächlich anwenden kann und dadurch ein Gefühl von Sicherheit bekommt. Denn jeder Bürger in China hat im Prinzip heutzutage ein Mobiltelefon zur Verfügung und nutzt es auch. Ohne dieses Telefon beziehungsweise ohne einen sogenannten Green Health Code ist es den Chinesen nicht möglich, sich im Land im größeren Stil zu bewegen – da sie dann beispielsweise keine Flugzeuge oder Bahnen betreten können. Der Green Code ist eine App, die jede Person, die sich in China aufhält herunterladen muss. Die App erkennt, ob jemand in ein Gebiet reist, das riskant ist (Level 1 – 3). Keiner kann also lügen, da die Daten automatisch über GPS eingespeist werden. War eine Person in einem Level 2-Gebiet oder Level 3-Gebiet, leuchtet die App sofort gelb oder rot auf: Diese Person darf dann entweder nicht ein- oder ausreisen oder beispielsweise keine Einkaufszentren, Flugzeuge oder Messen betreten.


Digitales immer bedeutsamer

China war ja schon lange vor Corona ein Vorzeigeland was die Entwicklung im digitalen Bereich betrifft. Gerade die jüngere Generation und auch Firmen in China haben schon vor längerer Zeit digitale Produkte entwickelt, die eine Kommunikation unabhängig von Messen beschleunigen. Auf den Messen beziehungsweise für die Messen werden diese digitalen Produkte in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Zum Beispiel haben wir bei uns eine Verkehrs-App entwickelt, außerdem entsteht eine Catering-App. Darüber hinaus werden wir eine App aufsetzen, mit der sich Dienstleistungen bestellen lassen, darunter Stromboxen, Kabel oder Klimaanlagen. In der Tat sind die Chinesen sehr technikaffin und sehr schnell in der Entwicklung von neuen Produkten. Von dieser positiven Einstellung möchten wir profitieren. Aus diesem Grund bauen wir im SNIEC unsere digitalen Services noch stärker aus, deren Akzeptanz zukünftig weiter zunehmen wird.

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