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2. Vereinigungsfreiheit und Aufnahmezwang
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Im Vereinsrecht ist die Parallele zur Abschlussfreiheit die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 I GG). Die Entscheidung über die Annahme eines Aufnahmeantrags steht deshalb regelmäßig im Belieben des Vereins, d.h. – je nach Satzung – seines Vorstandes, eines Aufnahmeausschusses oder der Mitgliederversammlung. Ein Aufnahmezwang kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Verein eine Monopolstellung hat, etwa bei Berufsvertretungen, oder wenn die Mitgliedschaft Voraussetzung für öffentliche Zuschüsse ist, wie bei manchen Jugend- und Sportverbänden.[14] Im Kartellrecht gibt es einen Aufnahmezwang nach § 20 V GWB. Danach können Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften zur Aufnahme eines Unternehmens verpflichtet sein.
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Fall 2:
Der Maschinenschlosser M, der bei dem Unternehmen G beschäftigt ist, beantragte im März 1985 die Mitgliedschaft bei der IG Metall. Deren zuständige Verwaltungsstelle lehnte den Aufnahmeantrag im Mai 1985 mit der Begründung ab, M sei von 1976 bis 1980 Mitglied der von ihm selbst als maoistisch bezeichneten KPD gewesen. Diese habe gewerkschaftsfeindliche Ziele verfolgt. M habe noch heute eine gewerkschaftsfeindliche Einstellung. M entgegnet, er habe im März 1980 selbst an der Auflösung der KPD mitgewirkt, da deren politische Auffassung und Grundsätze gescheitert seien. Die gewerkschaftsfeindlichen Ziele der ehemaligen KPD verfolge er nicht weiter.
Kann M vor Gericht eine Aufnahme in die IG Metall erzwingen?[15]
§ 3 Nr. 4 (jetzt § 3 Nr. 6) der Satzung der IG Metall lautete:
„Die Aufnahme in die IG Metall kann durch Beschluss des zuständigen Ortsvorstandes verweigert oder innerhalb von drei Monaten rückgängig gemacht werden, wenn dies im Interesse der IG Metall notwendig erscheint. Nicht aufgenommen werden dürfen: Personen, die durch ihr Verhalten Maßnahmen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterstützt haben, sowie Personen, die Mitglied einer gegnerischen Organisation sind, und Personen, die Vereinigungen angehören oder unterstützen, deren Handlungen und Aktionen gewerkschaftsfeindlich sind. Gegen die Entscheidung des Ortsvorstandes kann beim Vorstand Einspruch erhoben werden. Dieser entscheidet endgültig.“
Lösung: Wie jeder Verein, entscheidet auch eine Gewerkschaft grundsätzlich frei darüber, wen sie als Mitglied aufnehmen will.
Ein Aufnahmeanspruch kann sich allerdings aus der Satzung einer Gewerkschaft ergeben, wenn ein Antragsteller die dort genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Satzung der IG Metall sieht keinen unbedingten Aufnahmeanspruch vor. Durch die Klausel, die Aufnahme könne verweigert werden, wenn dies im Interesse der IG Metall notwendig erscheine, hat sich die IG Metall einen so großen Ermessensspielraum vorbehalten, dass es nicht gerechtfertigt erscheint, Dritten einen Anspruch auf Aufnahme kraft Selbstverpflichtung der Gewerkschaft zuzuerkennen. M kann daher nicht unmittelbar auf Grundlage der Satzung die Aufnahme in die Gewerkschaft verlangen.
Ein Anspruch auf Aufnahme könnte sich aber aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und mittelbar aus Art. 9 III 2 GG ergeben. Die Rechtsprechung hat bisher einen Aufnahmezwang für Monopolverbände angenommen.[16] Die IG Metall ist aber im strengen Sinne kein Monopolverband, da es auch noch andere, wenngleich winzige Industriegewerkschaften im Metallbereich gibt. Fraglich ist daher, ob dennoch ein Aufnahmezwang anzunehmen ist. Der innere Grund für den Aufnahmezwang entgegen der Selbstbestimmung des Vereins liegt nach dem BGH darin, dass der jeweilige Verein „im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht“.[17] Da die Mitgliedschaft in der IG Metall die Rechtsstellung eines Arbeitnehmers entscheidend verbessert (Streikgeld, Gewährung von Rechtsschutz und sozialen Leistungen), ist die IG Metall grundsätzlich einem Aufnahmezwang für eintrittswillige Bewerber ihres Wirkungskreises unterworfen.
Der Aufnahmezwang findet jedoch seine Grenzen mit Rücksicht auf das Interesse des Vereins in dessen Funktionsfähigkeit. Die Gewerkschaften sind deshalb nicht verpflichtet, Gewerkschaftsfeinde aufzunehmen. In casu ist daher die Frage entscheidend, ob M aufgrund seiner bisherigen Mitgliedschaft in der KPD als Gewerkschaftsfeind anzusehen ist. M ist aus der KPD ausgetreten und hat zudem bei ihrer Auflösung mitgewirkt. Der BGH ist der Ansicht, dass es nicht allein auf persönliche Erklärungen über die Abkehr von einer gewerkschaftsfeindlichen Linie ankommen könne. Vielmehr sei zusätzlich die Zeit zwischen der Beendigung der Mitgliedschaft und der Aufnahme in die Gewerkschaft ausschlaggebend. Diese Karenzzeit betrage durchschnittlich etwa drei Jahre. Könne die Gewerkschaft keine Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen geschlossen werden könne, dass der Antragsteller seinen früheren Zielen noch anhänge, so müsse die Gewerkschaft den Antragsteller aufnehmen. Da die IG Metall insoweit nichts vorgetragen hat, muss sie M aufnehmen.
§ 1 Rechtsgeschäft und Willenserklärung › II. Rechtsgeschäft und Vertrauenshaftung