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LAUSBUBEN AM EVEREST DIE ERSTE BESTEIGUNG DES HÖCHSTEN BERGES DER WELT OHNE KÜNSTLICHEN SAUERSTOFF

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Am 21. April 1978 stieg ich mit Reinhold Messner vom Basislager ins Lager 1 auf. Wir wollten in den folgenden Tagen unseren ersten Angriff auf den Gipfel des Mount Everest (8850 m) machen. Nach wochenlangen Versicherungsarbeiten im Khumbugletscher und in der Lhotseflanke fühlten wir uns in einer prächtigen Verfassung. Durch oftmaliges Aufsteigen in die Hochlager hatten wir uns optimal akklimatisieren können; bis zum Vorgeschobenen Basislager auf 6400 Metern marschierten wir, als ob wir irgendwo in den heimatlichen Bergen wären. Dementsprechend gut war auch unsere Stimmung. Unser Ziel war klar: Als erste Menschen wollten wir versuchen, ohne künstlichen Sauerstoff den höchsten Punkt der Erde zu erreichen – ein Vorhaben, das von vielen Medizinern als völliger Unsinn bezeichnet und zum Scheitern verurteilt worden war. Auch in alpinistischen Kreisen räumte man uns nur geringe Chancen ein.

Reinhold und ich wollten, das hatten wir immer wieder betont, nur einen Versuch machen. Wir wussten, dass bereits in den Zwanzigerjahren Engländer ohne jegliche Sauerstoffhilfe Höhen von mehr als 8500 Metern erreicht hatten, überdies mit einer völlig unzulänglichen Ausrüstung. Bekannt war auch, dass nach der 1953 erfolgten Erstbesteigung des Mount Everest durch Edmund Hillary und Tenzing Norgay kein ernsthafter Versuch ohne Sauerstoff mehr erfolgte. Man sprach nur immer wieder davon, dass es unmöglich wäre, dass der im Vergleich zur Meereshöhe nur mehr ein Drittel betragende Sauerstoffdruck schwere körperliche Schäden insbesondere des Gehirns nach sich ziehen würde. Wohl waren bei einigen Unternehmungen die Bergsteiger nicht permanent mit Sauerstoff unterwegs gewesen, hatten manchmal nur Schlaf sauerstoff oder Sauerstoffduschen genommen (im ersten Fall Michl Dacher am Lhotse, im zweiten die Chinesen 1975 am Everest). Unverständlicherweise wurde hier einige Male von „sauerstofflosen“ Besteigungen gesprochen. Doch auch diese Expeditionen müssen zu den traditionellen zählen. Als sauerstofflos kann nur eine Besteigung gelten, bei der vom Beginn der Expedition bis zum Ende überhaupt kein zusätzlicher Sauerstoff – in welcher Form auch immer – eingesetzt wird.

Reinhold und ich hatten uns einer Expedition des Österreichischen Alpenvereins, die unter der Leitung von Wolfgang Nairz stand, angeschlossen. Die Mannschaft bestand aus bewährten Bergsteigern; für die medizinische Betreuung waren Raimund Margreiter aus Innsbruck und Oswald Oelz aus Zürich zuständig. In gemeinsamer Arbeit hatten wir den gefürchteten Khumbu-Eisfall versichert und die Hochlager aufgestellt, in der Lhotseflanke waren Fixseile verankert worden. Dem ersten Gipfelsturm stand nichts mehr im Weg. Am 22. April erreichten Reinhold und ich Lager 2, unser Vorgeschobenes Basislager auf 6400 Metern, und tags darauf das Lager 3 in der Lhotseflanke auf 7200 Metern. Am Morgen des 24. beschloss ich, nachdem ich mir mit Sardinen aus der Dose, die gefroren waren, den Magen verdorben hatte, wieder zurück ins Lager 2 abzusteigen. Reinhold wollte mit zwei Sherpas zum Südsattel vorstoßen und Lager 4 errichten. Später am Nachmittag verschlechterte sich das Wetter. Um 18 Uhr herrschte starkes Schneetreiben, und der Sturm steigerte sich zum Orkan. Das Zelt am Südsattel, in dem Reinhold mit den beiden Sherpas war, wurde zerfetzt. Am nächsten Tag wütete der Wind mit unverminderter Heftigkeit, Reinhold konnte notdürftig ein Reservezelt errichten. Nach einer weiteren Nacht, der zweiten ohne Sauerstoff, gelang den dreien erst am 26. der Abstieg ins Lager 2. Erschöpft und von den Strapazen gezeichnet, erreichte Reinhold am 27. April das Basislager.

Mittlerweile waren Wolfgang Nairz, Robert Schauer und Horst Bergmann zusammen mit Ang Phu, dem Sherpa-Sirdar, aufgestiegen. Das Wetter war herrlich, sie wollten zum Gipfel. Am 1. Mai spurten sie in hüfttiefem Schnee vom Südsattel hinauf bis auf 8500 Meter, wo sie Lager 5 errichteten. Ab einer Höhe von 7200 Metern hatten sie Sauerstoffmasken benutzt. Das Wetter war unverändert gut. Nach fünfstündigem Aufstieg erreichte die Mannschaft am frühen Nachmittag des 3. Mai den Gipfel des Everest. Es war ein großartiger Erfolg, der uns, die wir in den tieferen Lagern warteten, großen Auftrieb gab. Am selben Tag, an dem die Gipfelmannschaft müde, aber in guter Verfassung im Lager 2 eintraf, nächtigten auch Reinhold und ich dort. Das Wetter schien zu halten. Die fürchterliche Hitze vermeidend – die Quecksilbersäule kletterte manchmal auf über 40 Grad plus –, stiegen Reinhold und ich anderntags durch die Lhotseflanke, verbrachten eine kalte, aber gute Nacht in Lager 3 und gelangten am 7. Mai nach anstrengender Spurarbeit um die Mittagszeit zum Südsattel auf rund 7900 Metern. Drei Sherpas sowie Eric Jones, ein bekannter englischer Bergsteiger, hatten uns begleitet. Obwohl wir ohne künstlichen Sauerstoff aufgestiegen waren, fühlten wir uns gut.

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