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Neugier ist nur eine Form von Gier.

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Auf der anderen Seite ist die Neugier, wie der Begriff es schon sagt, eine Form von Gier. Und Gier hat die Eigenschaft, dass sie unstillbar ist. Wenn der Mensch gierig ist auf Neues, dann schnüffelt er wie eine ausgehungerte Hyäne an allem, was frisch auf den Markt dringt und einen Mehrwert verspricht: an den Trainingsmethoden des diesjährigen Tour-de-France-Gewinners, dem neuen Nassrasierer mit noch einer Klinge mehr, der nun endlich wirklich gut rasiert, am neuen Kochbuch von Sarah Wiener, an der neuesten Software für die Personalverwaltung, die noch mehr Vorgänge automatisiert, an der neuen Heimgymnastik aus den USA, die eine unglaubliche Elastizität in der Wirbelsäule verspricht, an der nächsten Veränderungswelle in der Firma, die durch tolle Namen und Hochglanzbilder überzeugen will, an der neuesten Windelmarke und natürlich am Konkurrenzprodukt, das – lange erwartet – den Windelfüllstand per Smartphone anzeigt, und schließlich am neuen Lebenspartner, der nun endlich das erhoffte Seelenglück mit sich bringt und nicht so viele Fehler hat wie der Ex. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Neu, neu, Hauptsache, neu.

Momentan sind im Business zum Beispiel die »agilen Methoden« in aller Munde. Kein Unternehmen, das ich derzeit berate, ist nicht darum bemüht, »agiler« zu werden. Auf die Frage, wofür genau das Unternehmen diese Methoden braucht, haben die meisten Führungskräfte allerdings keine spezifische Antwort. Ob es in ihrem Fall sinnvoll ist oder nicht, diese Methoden einzusetzen, darüber haben sich die wenigsten ernsthaft Gedanken gemacht. Die meisten springen auf den fahrenden Zug auf, weil der Zug eben fährt – und sie keinen Trend verpassen wollen, der sich später vielleicht als wichtig herausstellen könnte.

Und natürlich gibt es unzählige solcher Hypes. Die gesamte Wirtschaft ist im Grunde nur damit beschäftigt, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Warum tun Unternehmen das? Weil diese Strategie aufgeht. Weil wir bei Neuem wie der pawlowsche Hund anfangen zu sabbern. Wenn »neu« auf der Packung steht, greifen wir zu. Immer in der Hoffnung, dass das Neue noch besser, noch schneller, noch einfacher ist.

Und genau das meine ich, wenn ich sage: Das Diktat der Neugier ist einer der wesentlichen Treiber der unstillbaren Sehnsucht in uns. Sie bewegt uns zu Handlungen, deren Notwendigkeit wir häufig nicht erklären können. So verlieren wir eher den Fokus, als dass wir dorthin gelangen, wohin wir wirklich wollen.

Weiter zeigt sich die unstillbare Sehnsucht in einer unbändigen Sammelwut, die seit der Altsteinzeit nur das Objekt der Begierde gewechselt hat, aber in ihrer Intensität erhalten geblieben ist.

Mut braucht eine Stimme

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