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Beschäftigtsein ist zum neuen Statussymbol geworden.

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Ernsthaft: Beschäftigtsein ist zum neuen Statussymbol geworden. Wer zugibt, nicht rund um die Uhr etwas vorzuhaben, wird misstrauisch beäugt. Hat der nichts zu tun? Womit verdient er eigentlich sein Geld? Wer zu bequem ist, um die Chancen zu nutzen, die sich heutzutage jedem bieten, entscheidet sich gegen den Erfolg – so die allgemeine Auffassung. Nur wer viel rödelt, vermittelt den Eindruck, dass er sein Leben im Griff hat. Und erhält die entsprechende Anerkennung.

Irgendetwas ist faul am Umgang mit unserer Zeit. Die Etikettierung des Dauerbeschäftigten als Erfolgsmensch und – im Gegensatz dazu – des Menschen mit Zeit als Faulenzer oder sogar als Schmarotzer ist so einfach wie falsch. Das zeigte sich mir schon zu Studienzeiten, als ich als kleiner Praktikant bei einer großen Beratungsfirma in das erste Projekt involviert war.

Hauptsache, als Letzter nach Hause

Ich saß mit meinem Team in dem modernen Geschäftsgebäude, in dem sich unser Büro befand. Es war schon 20 Uhr. Langsam kroch Dunkelheit von draußen durch die bodentiefen Fenster des Großraumbüros. Ein Mitarbeiter nach dem anderen hatte seinen Computer heruntergefahren und war nach Hause verschwunden.

Nur wir Berater saßen noch da.

Und ich fragte mich, warum.

Eigentlich war ich fertig mit meinem Tagewerk. Und müde wurde ich auch, denn irgendwann ist es nun einmal vorbei mit der Konzentrationsfähigkeit. Kein Mensch kann, wenn er zwölf Stunden im Büro sitzt, auch wirklich zwölf Stunden Hochleistung erbringen. Doch wir blieben. Der Projektleiter hatte klargemacht: Wir verlassen dieses Bürogebäude als Letzte.

Meine Kollegen waren wie ich schon lange mit ihrem Tagewerk durch. Und so starrte der eine nachdenklich auf eine Excel-Liste, der andere fummelte an der Blauskalierung der PowerPoint-Präsentation. Von außen gesehen erweckten wir aber den Anschein, immer noch hoch konzentriert mit Daten und Analysen zu hantieren.

Wir sollten zeigen: Wir arbeiten so unglaublich viel. Wir sind unser Geld wert.

Wenn ich mich heute, rund 15 Jahre später, abends mit Freunden treffe, habe ich den Eindruck, dass sich seitdem in der Gesellschaft kaum etwas geändert hat. Nach einem typischen Arbeitstag wirken die Freunde ähnlich erschöpft wie Löwen, die gerade für ihr Rudel einen Büffel erlegt haben. Sie hocken erst mal stumm vor ihrem Drink und wirken leer und müde. Dann beklagen sie sich: »Ich war heute so beschäftigt, dass ich gar nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist. Ich habe telefoniert wie ein Weltmeister, war in fünf Meetings und habe Berge von Mails durchgearbeitet. Aber wenn ich jetzt so überlege, wo ich richtig vorwärtsgekommen bin … fällt mir nichts ein.«

Mut braucht eine Stimme

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