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Verantwortung ist eine Entscheidung
ОглавлениеUnser größtes Problem inmitten des Tornados ist, dass wir nicht mehr in der Lage sind, Prioritäten zu setzen. Alles ist wichtig, alles ist dringend, tausend Sandkörner prasseln wie Nadelstiche auf uns ein und erzwingen unsere Aufmerksamkeit. Das Fatale dabei: Wenn alles wichtig ist, ist nichts mehr wichtig.
Stellen Sie sich vor, Sie wollen vitaler und gesünder leben. Dazu suchen Sie einen Trainer auf. Er analysiert Ihr Körpergewicht, misst den Bauchumfang und wertet den Fettanteil Ihres Körpers aus. Er fragt Sie nach Zielen, Wünschen und machbarem Zeiteinsatz. Danach folgt ein einstündiger Vortrag mit gefühlten 528 Empfehlungen, was Sie alles tun können, um Ihr Ziel zu erreichen: Blutuntersuchung, Test auf Lebensmittelunverträglichkeiten, Ernährungsumstellung, Kohlenhydrate vermeiden, nach 19 Uhr nichts mehr essen, mindestens drei Liter Wasser trinken, keinen Alkohol, keinen Zucker, mindestens fünfmal pro Woche Sport, davon zweimal Ausdauertraining und dreimal Krafttraining, Fitness-Tracker kaufen, Schlaf- und Bewegungsgewohnheiten messen, regelmäßig Blutdruck und Puls prüfen, Treppen statt Aufzug und Rolltreppe nutzen, täglich eine Runde spazieren gehen, mindestens acht Stunden Schlaf, abends kein Fernsehen und so weiter. Nach zehn Minuten können Sie schon nicht mehr folgen. Nach der Stunde sind Sie – auch ganz ohne Sport – bereits fix und fertig. Aber Sie geben nicht auf. Sie wollen wissen: »Was ist das Wichtigste, das ich auf jeden Fall umsetzen sollte?« Ihr Trainer schaut Sie verdutzt an: »Das habe ich Ihnen doch gerade erzählt.« Und er wiederholt daraufhin seinen einstündigen Vortrag. Danach wissen Sie immer noch nicht, was das Wichtigste ist, werden sich nichts davon merken – und sich für etwas entscheiden, um es in die Tat umzusetzen, werden Sie erst recht nicht.
Die Zuschreibung von unterschiedlicher Wichtigkeit ist also genauso eine Entscheidung wie die Entscheidung darüber, sich als Spieler oder als Spielstein einzubringen. Wenn Sie selbst die Entscheidung nicht treffen, entscheidet im Zweifelsfall jemand anders für Sie. Und dessen Prioritätensetzung deckt sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit Ihrer Zielsetzung. Sie können diese Entscheidung aber auch selbst treffen – vorausgesetzt, Sie kennen Ihr Ziel.
Warum die Entscheidung zwischen wichtig und unwichtig im Zusammenhang mit verschwendeter Zeit von so großer Bedeutung ist, möchte ich Ihnen an einem Beispiel verdeutlichen: Wenn ich mit meiner Frau zu Abend esse, dann habe ich mich für diese gemeinsame Zeit entschieden. Wenn aber während des Essens in mir Kopfkino abläuft und ich an meine laufenden Beratungsprojekte denke, dann bin ich nicht bei meiner Frau und kann den Abend nicht genießen. Im Gegenteil: Wahrscheinlich wird es ein herzlich blöder Abend. Denn meine Frau wird bemerken, dass ich nicht bei der Sache bin. Folge: Wir werden wahrscheinlich aneinandergeraten. Wie unnötig! Denn nur durch meine Gedanken ans Büro erledigt sich die Arbeit dort ja auch nicht. Also bin ich weder bei meiner Frau noch im Büro.
Das gilt auch umgekehrt: Ich sitze im Auto, quäle mich durch einen Stau und stelle mir vor, wie schön es wäre, mich jetzt mit meinem Sohn im Fitnessstudio zu verausgaben. In diesem Moment fühle ich mich gleich doppelt schlecht. Zum einen, weil ich nicht schwitzend Gewichte stemme, sondern genervt auf der Autobahn vor mich hin rolle. Zum anderen, weil sich der Stau durch mein Wunschdenken auch nicht auflöst.