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Gottfried seufzte und erhob sich von der Couch, er musste zurück, um die restlichen Sachen zu holen, auch um sich zu vergewissern, dass sein Kellerraum auch wirklich gegen jeden Eindringungsversuch gesichert war.

Als er wieder am Empfangstresen vorbeikam, erhob sich der Schnauzbärtige wieder und machte: „Hmpf, hmpf.“ Gottfried setzte sein hochmütiges Lächeln auf.

Die Busse waren nun völlig überfüllt und er beschloss zu Fuß nach Hause zu gehen. Hätte er gewusst, wie viel Zeit und Schweiß das in Anspruch nehmen würde, hätte er sich vermutlich doch bequemt, sich in den Bus zu quetschen.

Er dachte an seine Einschulung, und wie ihn seine Mitschüler angestarrt hatten, denn im Prinzip sah er damals schon so aus wie heute, nur seine Haare waren vermutlich damals besser gekämmt. Maria Kreeter hatte natürlich nichts Besseres zu tun gehabt, als seiner Lehrerin von oben herab zu erklären, dass er hier auf der Grundschule höchstwahrscheinlich nur ein kurzes Gastspiel geben werde, weil er nämlich die Klassen bis zur Gymnasialreife nur so überspringen würde. Das hatte der Lehrerin sichtbar gefallen. Sogleich wurde er ihr „Lieblingsschüler“, obwohl Götti sich so unauffällig verhielt, wie nur irgend möglich. Er setzte sich allein in eine Bank ganz hinten, und niemand hatte etwas dagegen. Es half alles nichts, immer war er dran. Der Lehrerin und seinen Mitschülern machte es wirklich Spaß ihn unentwegt hereinzulegen, was die Lehrerin natürlich mit mehr Raffinesse bewerkstelligte. Gottfried entpuppte sich mitnichten als Genie, er war bestenfalls guter Durchschnitt. Denn um nicht aufzufallen, strengte er sich wirklich an, richtig zu schreiben und zu lesen, obwohl er zu der Zeit gerade begonnen hatte, Seine Sprache zu entwickeln. Zu Hause bei seiner Mutter beschwerte er sich nie über die, teilweise recht gemeinen, Streiche seiner Schulkameraden. Über den feinen Sadismus und die Ungerechtigkeit, die ihm seine Lehrerin angedeihen ließ, hielt er ebenso sein Mündchen. Als er nach einem halben Schuljahr noch immer seinen Genius verborgen hielt, begann Maria Kreeter allmählich das Interesse an ihrem Götti zu verlieren. Sie nannte ihn nun (wie froh er war) schroff Gottfried. Nun hätte sie es gern gesehen, wenn er mit anderen Kindern gespielt hätte, denn sie begann sich wieder für Männer zu interessieren, wie Gottfried mit Entsetzen feststellen musste. Es war seltsam, zwar war sie ihm irgendwie gleichgültig, aber der Gedanke, sie könnte mit fremden Männern irgendwelche „Doktorspiele“ veranstalten, missfiel ihm über die Maßen. Natürlich tat Gottfried ihr nicht den Gefallen, mit anderen Kindern herumzutollen, und welche Kinder hätten das auch schon gewollt? Nein, Gottfried hatte einfach keine Zeit für diesen Unsinn.

Endlich war er wieder an der alten Villa angelangt und klingelte. Seine Mutter öffnete mit gerötetem Gesicht. Eine Art Party schien im Gange zu sein. Feierte man Gottes Hinauswurf? Die alte Freundin seiner Mutter war da, zwei andere ältere Damen, die er nicht kannte und ein ebenso unbekannter fideler, bezechter Greis. „Na, geht’s endlich in die Welt hinaus, Gottfried?“ rief die alte Freundin munter. „Schaot!“ entgegnete er, was soviel heißt wie: „Stinkender Schlitz“. „Immer noch der alte Gottfried“, lachte die unwissende alte Dame. „Vergiss dein Zeug aus dem Badezimmer nicht“, ermahnte ihn seine Mutter. Dorthin ging er als erstes. Das Rasierzeug warf er in den Abfallkorb, fürderhin würde er bärtig durchs Leben gehen, Rasieren, eine reine Zeitverschwendung.

„Schaot“ brachte ihn aber auf die Idee mit dem Taxi, als sie das schwere Gepäck sah, das er noch zu bewältigen hatte. Er würde wohl doch noch einmal kommen müssen.

Der Taxifahrer staunte nicht schlecht, als er die alten, prallen Koffer sah. Der Wagen lag ziemlich tief, als sie abfuhren.

Irgendwie hatte Gottfried den Sprung aufs Gymnasium dann doch noch geschafft. Aus diesem Anlass hatte sich seine Mutter aufgerafft, mit ihm einen Zoobesuch zu machen. Gottfried war sehr aufgeregt, seine Augen schienen sich wieder nach Außen zu wenden. Aber dann nervte er seine Mutter, indem er zum Beispiel beim Anblick eines Elefanten sagte: „Bei mir sieht das Tier ein bisschen anders aus und heißt Buhando.“ Oder er verriet über ein Krokodil, dass es bei ihm nicht vorkäme, dagegen wären bei ihm so genannte Tall’al’alli recht zahlreich. Maria Kreeter seufzte. Was war bloß mit diesem Jungen los? Sie verbarg ihren Verdruss nicht im geringsten, sodass Gottfried endlich schwieg, auch ihr Angebot, ein Eis zu essen ausschlug und als sie ihn fragte, ob es ihm gefallen hätte, nur stumm mit dem Kopf nickte.

Es hatte wirklich damit angefangen, dass er Dingen, Bildern, Lebewesen einen anderen Klang geben, anders benennen musste. Das geschah zu Anfang ganz spontan, später machte er eine Methode daraus. Zum Beispiel gefiel ihm der Klang des Wortes Spinne nicht, er nannte das Tier Tiuvana, Netz klang ihm zu brutal. Er nannte das kunstvolle Gebilde Schai. Mutter hatte die gleiche Bedeutung wie Nabel und hieß bei ihm Schevascha. Seine neuen Vokabeln schrieb er in lateinischen Buchstaben, bald aber gebrauchte er Laute, die mit dieser Schrift nur unzulänglich, wenn nicht gar unmöglich auszudrücken waren. Also musste er eine neue Schrift entwickeln. Natürlich, das war es, eine neue Schrift, eine geheime, nur ihm zugängliche Schrift musste geschaffen werden. Oh, was war es für eine Freude, damit zu experimentieren. Zu einem Geburtstag ließ sich Gottfried von seiner Mutter ein Kalligraphie-Set schenken, nun ging es hurtig mit der Arbeit voran.

Zunächst waren es nur die einzelnen Phänomene gewesen, die er neu benannte, jetzt, wo er auf dem Gymnasium war, machte er sich daran, eine Grammatik auzusarbeiten. Da er von Haus aus maulfaul war, war es eine Grammatik, bei der man mit wenigen Silben lange Sätze ausdrücken konnte. Insgesamt hatte die Entwicklung dieser Grammatik sechs Jahre in Anspruch genommen. Aber im Grunde genommen arbeitete er heute noch daran. Übrigens hatte er sich in der Sexta zweimal wirklich im Unterricht interessiert gezeigt. Einmal als man in der Religionsstunde im Alten Testament eher zufällig zu der Stelle gelangt war, in der Jahwe von sich behauptet: „Ich bin ein eifersüchtiger Gott.“ Da hatte sich Gottfried gemeldet, um den Lehrer zu fragen, was Gott damit meinte. Er brachte den biederen Pauker damit in ziemliche Verlegenheit, besonders nachdem Gottfried behauptete, er wisse es und ein mokantes Lächeln aufsetzte. Sein Wissen wollte er allerdings nicht preisgeben. Ein anderes Mal hatte es ihn in der Musikstunde gepackt. Der Lehrer hatte eine Schallplatte mit den verschiedenen Musikrichtungen der Völker mitgebracht, um sie vorzuspielen. Als Gottfried indische Musik hörte, wurde er sehr erregt, besonders die Sitar hatte es ihm angetan. Seitdem wurde das Sitarspiel Ravi Shankars Gottfrieds musikalische Begleitung durchs Leben.

Gottfried

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