Читать книгу Fritz und Alfred Rotter - Peter Kamber - Страница 14

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Im Mai 1932 schon haben die Rotters kurz geglaubt, alle ihre Theater schließen zu müssen. Die nationalsozialistische Zeitung Der Angriff höhnt: „[…] aber es wird sicher allgemein interessieren, dass die Theaterdirektoren Rotter (mit jüdischem Namen Scheye) am 2. Mai den Offenbarungseid geleistet haben.“19 Das ist in mehrerer Hinsicht falsch: Erstens heißen sie richtig Schaie mit ai (der Name leitet sich vom hebräischen Namen des Propheten Jesaja ab), zweitens haben sie, wie es der Theaterkritiker der Vossischen Zeitung Monty Jacobs richtigstellt, „das Recht, auf dem Theater einen falschen Namen anzulegen“20, und drittens: Es geht weiter! Der Dresdner Bank allein schulden die Rotters zwar über eine Million, sie bieten aber auch Sicherheiten, und die Bank hält still. Andere Gläubiger stimmen einer Umschuldung und Teilzahlungen aus der täglichen Theaterkasse zu.

Den Gerichtsvollzieher im Nacken, beginnen sie Ende August und Anfang September 1932 die neue Saison wieder mit drei Produktionen. Ihr Überleben hängt von Fritzi Massary ab, dem Star von Eine Frau, die weiß, was sie will.21

Am Abend des 1. September 1932 steht alles auf dem Spiel – im Metropol-Theater. Seit Ende 1927 haben die Rotters es für 15 000 Reichsmark monatlich gepachtet, zuzüglich Nebenabgaben. Mit wie viel sie im Rückstand sind, darf jetzt nicht das Thema sein. Den Antrag auf Konkurseröffnung haben sie gerade noch abwenden können, indem sie für das Metropol tägliche Ratenzahlungen leisten.

Der Montag Morgen berichtet, Alfred sei derjenige, der an den Rotterbühnen die Stücke „auswählt, umdichtet und inszeniert“.22 Doch das trifft nur bedingt zu. Bis zuletzt hat auch Fritz die Neufassung der Stücke besorgt und ist als Autor wichtiger als Alfred. Heinz Hentschke von der Gesellschaft der Funkfreunde sagt später: „Im übrigen hatte Alfred die Zahlen in groben Zügen ohnehin immer im Kopf.“ Ihr Vetter dagegen, Werner Guthmann, der seit 1918 bei ihnen Bühnenleiter ist, hält ihnen vor, dass „die Bücher nicht in Ordnung“ seien: „Seit Jahren haben wir eine Unmenge Zahlungsbefehle gehabt und ebenso viele Prozesse geführt. Freiwillig wurden überhaupt fast keine Rechnungen bezahlt“ – so wird er es 1933 dem Staatsanwalt schildern.

Die Brüder beschäftigen zudem ihren Schwager Ludwig Apel als Verwaltungsdirektor, der ihnen trotz der familiären Bindung nicht gewogen ist. Er ist der Ehemann von Marianne Leers, der Schwester von Alfred Rotters Ehefrau Gertrud. Apel bedauert, dass er wegen seiner jüdischen Frau die Mitgliedschaft in der NSDAP verloren hat. Aus deutlicher Missgunst gegen die Rotter-Brüder wird er 1933 ein hartes Bild von ihnen zeichnen und eine Chronologie ihrer Verschuldung den Behörden übergeben – die beiden hätten sich 1927/28 „über den Winter hin durchgewurstelt“, dann in Friederike die „Hauptrollen Tauber und Käthe Dorsch zu bisher noch nicht gekannten Rekordgagen herausgestellt“: „Man spielte eben va banque, und das mit vollem Bewusstsein.“

Aber ist diese behauptete größte Schwäche der Rotters – ihr spielerischer, zu jedem Risiko bereiter Wagemut – nicht insgeheim ihre größte Stärke?

Apel sieht das anders: „Hätte Friederike versagt, so wären die Rotters schon damals erledigt gewesen“, meint er, „denn die Hauptdarsteller hatten ihre langfristigen Verträge, die erfüllt werden mussten, in der Tasche“. Apel in missmutigem Ton weiter: „Im nächsten Winter 29/30 gab es im Metro[pol] Lehárs Land des Lächelns, eine Operette, die vor Jahren unter der Bezeichnung Die gelbe Jacke in Wien nicht angesprochen hatte. Lehár hatte alles zur Restaurierung dieses Werkes getan und besonders für Tauber den großen Schlager Dein ist mein ganzes Herz eingefügt. Vera Schwarz glänzte mit ihrer großen Kunst, und so war ein zweiter bedeutender Erfolg gezeitigt, wenn auch nicht in dem Ausmaße wie der von Friederike. Die Rotters waren in dieser Zeit auf ihrer höchsten Höhe. Die Schuldenlast war erträglich, die Gläubiger, besonders die Banken, die noch alte Forderungen hatten, drängten nicht nennenswert, aber trotz allem begann damals schon die Theaterkonjunktur, ebenso wie die der gesamten Wirtschaft, abzuflauen.“23

Fritz Rotter hat ein sehr künstlerisches Verhältnis zum Geld – für ihn ist es der Stoff, der die Wirklichkeit mit der Welt der Fiktion verbindet und am Ende selbst ein Stück Fiktion wird, reine Phantasie: Haben nicht Krieg, Inflation, Deflation und nun die Große Depression gezeigt, dass Geld die Wandelhaftigkeit selbst ist? Ein Ausdruck von Irrealität – und gerade deswegen Spielmittel und Bühne aller Spiele?

Fritz und Alfred Rotter

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