Читать книгу Fritz und Alfred Rotter - Peter Kamber - Страница 21

DER GUTE RUF

Оглавление

Erfolg und jäher Absturz sind nur durch einen Wimpernschlag getrennt. Das erleben die beiden Brüder schon in der Frühzeit ihrer Karriere. Zu Beginn der Theaterspielzeit 1912 lassen sie sich, zusätzlich zum Engagement in der Kroll-Oper, auf ein neues Wagnis ein: Sie übernehmen wichtige Funktionen in der Komischen Oper – damals an der Friedrichstraße 104 gelegen, direkt an der Weidendammer-Brücke über der Spree. Direktor Adolf Lantz ist der Pächter, er sowie Fritz und Alfred benennen das Theater – durchaus programmatisch – in Deutsches Schauspielhaus um.


Die Kroll-Oper um 1924


Das zerstörte Gebäude, 1946

Sie kennen Lantz gut: An der Akademischen Bühne wie im Neuen Königlichen Operntheater – eben der Kroll-Oper – hat er als Regisseur gearbeitet. An einmal gefestigten, engen persönlichen Arbeitsbeziehungen halten Fritz und Alfred nach Möglichkeit fest – dieser Zug kennzeichnet ihre ganze Theaterlaufbahn.

Nun, von September 1912 bis Ende August 1913 im Deutschen Schauspielhaus, arbeiten beide für Adolf Lantz. An dem 1905 erbauten Theater, das 1150 Personen Platz bietet, wird Fritz Erster Regisseur und Alfred Chefdramaturg. Erstmals hilft ihr Vater mit einer nicht unbedeutenden Summe. Alfred entscheidet sich für den Künstlernamen Alfred Hansemann und verpflichtet sich per Vertrag, drei Jahre lang jährlich 60 000 Mark in vierteljährlichen Raten an Lantz als Darlehen zu zahlen. Fritz wählt den Vornamen des Vaters Hermann – was auf eine tiefere Identifikation mit ihm hinweist – und dazu erstmals den Namen Rotter: Im Neuen Bühnen-Almanach des Jahres 1913 erscheint er unter Hermann Rotter.

Ein halbes Jahr lang geht am Deutschen Schauspielhaus alles gut. Lantz nimmt später die Brüder ausdrücklich in Schutz: „Wie ich das Unternehmen des Deutschen Schauspielhauses ins Werk setzte, habe ich mich der Beihilfe der beiden Herren versichert. Ich würde ohne sie […] das Unternehmen überhaupt nicht begonnen haben. […] Mit den Gebrüdern Schaie war ich vollständig einig über die künstlerische Auffassung, insbesondere auch über die Auswahl der zu spielenden Stücke, und hatte an ihnen […] eine wertvolle Unterstützung und Hilfe.“19

Fritz inszeniert Goethes Egmont, von Strindberg die Stücke Gläubiger, Mit dem Feuer spielen und Ostern sowie vom aus Ungarn stammenden Schriftsteller Gabriel [ungarisch: Gábor] Drégely die Lustspiele Der König und Der gutsitzende Frack. Im Januar 1913 besorgen sie Hermann Sudermanns Schauspiel Der gute Ruf. Die Rotters haben sich auch die Rechte an den Stücken Strindbergs gesichert und sind mit Lantz überzeugt, „dass die Strindberg’schen Stücke neben ihrer künstlerischen Wirkung auch große Einnahmen bringen müssten“.20

Doch nach hoffnungsvollen ersten Monaten kommt es im Deutschen Schauspielhaus zu einer Intrige: Oskar Groteck, Schauspieler und Stellvertreter des Direktors, sowie ein später hinzugekommener Regisseur fühlen sich durch die Brüder „beengt“. Groteck bietet Lantz an, „die damals bestehende Schuldenlast hinwegzusanieren […], wenn die Gebrüder Schaie ihre überragende Stellung verlören“.21 In der Folge gibt Groteck dem Direktor 100 000 Mark.

Fritz und Alfred verlassen daraufhin das Theater und verabschieden sich mit einem „sehr bitteren Brief“ an Lantz. Alfred stellt die an sein Verbleiben geknüpfte Gewährung weiterer Darlehen ein. Die neue Theaterleitung ändert den Stückplan – statt Strindberg gibt es zunächst eine „Posse“. Neun Monate später, Ende Januar 1914, kommt der Konkurs. Ein Gerichtsurteil bescheinigt Alfred, dass ihn keine Schuld trifft und er zu keinen weiteren Darlehen verpflichtet ist.22

Zutage tritt allerdings die damals schon buchhalterische Nachlässigkeit des Bruderpaars. Die werden sie auch später nicht mehr los. Direktor Lantz als der eigentlich Verantwortliche für die Bilanzen hat sich nicht um die Buchführung gekümmert, Fritz und Alfred offenbar ebenfalls nicht – sie waren aber dazu auch nicht verpflichtet. 1913, nach dem frühzeitigen Ausscheiden des Brüderpaars, kann sich der hinzugezogene Bücherrevisor Bachmann in den Büchern „nicht zurechtfinden“ und hält fest, dass „die Bücher sehr unordentlich geführt“ sind. Lantz erklärt, „dass Schaies sich beliebige Gelder aus der Kasse genommen hätten“ – laut Vertrag gehören ihnen jedoch auch „35 Pfennig für jedes Billet“23.

Genau an diesem Punkt werden nur wenige Jahre später, 1917 und 1918, andere Gegenspieler ansetzen. Theaterzensor Curt von Glasenapp greift gegen Ende des Ersten Weltkriegs diese Affäre wieder auf, in blinder Entschlossenheit, das Bruderpaar zur Strecke zu bringen. Sein Hauptmotiv: 1914 haben sich Fritz und Alfred nicht eben vorgedrängt, um an die Front zu kommen. Nun unternimmt Glasenapp alles, was in seiner Macht steht, um sie als angebliche „Fahnenflüchtige“ zu überführen und ihnen nachträglich – wenn nicht die Schuld an der Niederlage des Kaiserreichs – eine Mitschuld am Zusammenbruch des Deutschen Schauspielhauses anzuhängen.

Fritz und Alfred Rotter

Подняться наверх