Читать книгу Wave - (Hello) - Peter Michel - Страница 11
ОглавлениеStrangers
Im schwach erleuchteten Autoradio lief „Strangers in the night“. Das passte, so fühlte er sich. Ein Fremder in dieser Stadt. Einsam, doch nicht allein. Alkohol war ihm ein treuer Begleiter. Mehr als ein Sanitär in der Not. Eher ein Freund, mit dem man Spaß haben konnte, welcher einem aber Stress und Ärger einhandelte oder zumindest über das Potenzial verfügte. Dies schien ihm nicht neu, sondern angenehm vertraut. Und das schon im vermeintlich zarten Alter von siebzehn Jahren. Vieles hatte er kennengelernt, erlebt und gesehen. Diese Stadt gehörte nicht dazu und er mochte sie von Beginn an nicht. Sie war kalt, steril und verfügte über kaum Potenzial, welches eine Verlockung für ihn bot. Selbst im Frühsommer wirkte sie abweisend auf ihn. Eine seltsame Fügung, dass er sich hier befand. Dies hatte nichts mit seinem freien Willen gemein, auch wenn er sich nicht zwangsweise hier aufhielt. Man hatte ihm die Reise offeriert und schmackhaft gemacht. Alkohol und weibliche Gesellschaft hatte man ihm versprochen. Eine Kombination, welche ihn in diesen jungen Jahren magisch anzog. Der alte, ruhige Song war von Rauschen und Knistern durchzogen. Daran störte sich niemand. Da die Stimmung ausgelassen war, achtete keiner von ihnen sonderlich auf die Worte von Frank Sinatra.
Schon lange hatte sie sich gefreut, gemeinsam mit ihren besten Freundinnen auf diese Party zu gehen. Es erwies sich als schwierig, ihre Eltern ebenfalls für diese Idee gewinnen zu können. Denn neben deren Zustimmung benötigte sie ein wenig Kleingeld, für dieses Vorhaben. Aber da ihre Begleiterinnen die Erlaubnis und etwas Geld von ihren Eltern erbettelt hatten, gelang es ihr gleichfalls, beides zu erhalten. Wie üblich, hatte sie die Auflage bekommen, bis zu einer festgesetzten Uhrzeit wieder zuhause zu sein. Zu früh, aus ihrer Sicht. Aber in Absprache der jeweiligen Erziehungsberechtigten untereinander. So eng wie einige ihrer Freundinnen, sah sie sich nicht an ihr Versprechen gebunden, um diese Zeit zuhause zu sein. Ihre Eltern wähnte sie auf einer anderen Feier, diese würden dort vermutlich länger bleiben. Somit konnte niemand ihre Ankunftszeit kontrollieren. Nicht, falls es so lief, wie sie es plante und wenn sich alles in einem bestimmten Rahmen hielt. Vor wenigen Tagen erst siebzehn Jahre jung geworden, hatte sie mit Alkohol und sonstigen Drogen nicht viele Berührungspunkte gefünden. Dennoch freute sie sich auf das ein oder andere Gläschen Sekt, vielleicht sogar einen Cocktail, und auf die Gesellschaft ihrer Freundinnen. Mit diesen konnte man sich gut über süße Jungs unterhalten. Musik und Tanz, wären ein zusätzliches erfreuliches Beiwerk.
Man hatte ihm nicht zu viel versprochen. Nach einer langwierigen und langweiligen Autofahrt von etwa einstündiger Dauer hatte er die Fete endlich erreicht. Hier sah er in der Tat einige weibliche Geschöpfe. Die meisten älter als er selbst. Dadurch nicht weniger attraktiv und nett anzuschauen. Die ein oder andere gleichaltrige Augenweide entdeckte er. Wobei es bei einigen dieser Wesen nicht leicht schien, das Lebensalter korrekt einzuschätzen. Manche Mädchen sahen älter aus, als sie es laut Ausweis waren. Andere Frauen, hatten sich jung gehalten oder künstlich verjüngt. Wer kannte schon die ungeschminkte Wahrheit? Er jedenfalls nicht, denn zu Dokumenten und Auskünften gelangte er nie. Es blieb beim Betrachten der Grazien, er agierte extrem schüchtern. Das köstliche Bier senkte seine Hemmschwelle, aber nicht so weit, dass er eine dieser Damen angesprochen hätte. Die Klänge, welche hier gespielt wurden, empfand er überwiegend als grausam. Die Bezeichnung „Musik“ verdiente das Meiste davon nicht. Bevorzugt hörte er nichts Extremes oder Abwegiges, sondern eher Mainstream, Charts, Rock, Hardrock und mal ein wenig melodiösen Metal. Doch mit diesem Schlagergedöns und Disco-Fox, konnte er nichts anfangen. Weder nüchtern, noch unter Biereinfluss. Er genoss die An- und Ausblicke, Getränke, Nacht, Landschaft, den Fluss und das Boot.
Mit dem Sektkonsum wären ihre Eltern in dieser Form nicht einverstanden gewesen. Doch sie würden nie davon erfahren. Die Mädels bildeten ein eingeschworenes Team. Eine für alle und alle für eine. Die Stimmung im Fahrzeug brodelte, eine Dauer-Party. Fröhliches Gekicher und Gegacker, stundenlang. Quasi Nonstop. Davon bekam sie schon Bauchweh. Außerdem war es erforderlich, etwas aufzupassen, denn sie musste seit einiger Zeit dringend auf Toilette. Doch in Kombination mit dem ständigen Lachen fiel es ihr nicht leicht, Kontrolle über ihre Blase zu behalten. Sie sprach ihre, das Fahrzeug steuernde, Freundin auf einen WC-Stopp an. Auch zur Erleichterung der anderen Mitfahrerinnen. Die Fahrerin hielt seit geraumer Zeit Ausschau nach einer Raststätte mit Toilette. Kurz vorm Ziel steuerte sie eine solche an. Völlig zur Zufriedenheit der vier Mädels fiel der Zustand des Tankstellen-WC, zwar nicht aus und dafür zu zahlen, stellte eine Frechheit dar, doch die Alternativen behagten ihnen weniger. Um sich diesen Stopp zu versüßen, erwarben sie zwei weitere Flaschen Sekt. Eine nicht völlig sinnvolle Kaufentscheidung, da sie sich kurz vor der Stadt befanden und sich nicht mehr sonderlich durstig fühlten. Doch in den verschlossenen Pullen, verdarb das Zeug nicht. Etwas teurer waren sie im Tankstellen-Shop. Aber die Rückfahrt stand noch an. Vielleicht hatte der nette junge Tankstellenangestellte, vermutlich ein Student, einen positiven Einfluss auf den Kauf-Impuls.
Die Gespräche mit seinen zwei Freunden empfand er als nicht intensiv und thematisch gesehen, als oberflächlich. Sicher besser als nichts, doch auch schlechter als vieles. Man sah sich oft, hatte ähnliche Interessen, aber nicht mehr massig zu sagen. Und die sonstigen Bekannten hier? Ja, nett und lustig, jedoch nicht so interessant und kommunikativ. Dennoch hatte er Spaß, denn so etwas hatte er noch nicht erlebt. Wenn bei Feiern der Boden unter seinen Füßen schwankte, hatte das meist andere Gründe als jetzt. Wie viel Zeit er an Bord verbracht hatte, wusste er nicht präzise. Denn er trug selten eine Uhr. Auf´s Handy oder Smartphone hätte er gerne mal geschaut, jedoch standen diese Erfindungen und deren massive Verbreitung noch aus. Da es nicht zu seinen Gepflogenheiten zählte, ständig eine Kamera mit sich herum zu schleppen, mangelte es an Fotos und sonstigem aussagekräftigen Beweismaterial. Fraglich blieb, ob dies Vor- oder Nachteil darstellte. Sie hatten die Party vor Mitternacht wieder verlassen. Vier junge Männer, zwei davon definitiv nicht volljährig, einer mal so eben und der vierte kein Teenager mehr, sondern ein Twen. Allesamt bester Laune und drei Mal alkoholisiert. Der Älteste, zum Fahrer erkoren, mit einem kleinen Bier intus, eher dem Koffeinoder Zuckerrausch durch Cola nahe.
Nichts, aber auch gar nix, würde sie davon stoppen, den ultimativen Spaß zu haben. Jetzt, seit wenigen Tagen siebzehn und von ihrem letzten Freund offiziell getrennt, fühlte sie sich unbeschwert. Die Leichtigkeit konnte am Sekt liegen, ein tückisches Zeug. Aber es mundete ihr und prickelte angenehm. Das „Zurechtmachen“ für die Party hatte einige Zeit in Anspruch genommen. Das Meiste davon hatte sie genossen. Schon für die Blicke der Männer, lohnte sich der Aufwand. Und wie hatte der Typ an der Tanke gestarrt. Auch einige weibliche Augenpaare zog sie auf sich. Sei es aus Neid oder Verlangen. Mit ihrem Aussehen fand sie sich zufrieden, denn sie erzielte die beabsichtigte Wirkung. Ihre Begleiterinnen bewertete sie wunderschön. Die Mädels standen sich in nichts nach. Zumindest nicht aus deren Sicht. Und eine andere Meinung zählte für sie in diesem Punkt nicht. Darin blieben sie sich stets einig. Sie achteten peinlichst darauf, nicht die gleichen Klamotten zu tragen, um einen nicht zu ähnlichen Look zu präsentieren. Harmonisch ja, geklont auf keinen Fall. Sie wussten, trotz ihrer Jugend genau, was sie wollten. Es gab „must have´s“ und „no go´s“. In jeglicher Hinsicht. Spaß stellte in dieser Nacht das oberste Gebot dar. Daran ließ sich nicht rütteln.
Er saß im Auto und lauschte „Strangers in the night“. Kein übler Song, für eine solche Nacht. Aber von der Art her, nicht sein Geschmack. Nach der lauten Party konnte so ein Lied die Stimmung töten oder von ihr getötet werden. Die Jungs achteten nicht auf das Gedudel. Alkoholisiert plapperten sie drauf los. Wieder keine Gespräche mit sogenanntem Tiefgang. Doch voller Energie und guter Laune. Gelächter vernahm man in dem Wageninneren intensiver und öfter, als die Melodien aus den kleinen Boxen. Von der Stadt versuchte er, ein paar Blicke zu erhaschen. Mehr, als vereinzelte Lichter und beleuchtete Gebäude, konnte er aus dem fahrenden Wagen nicht erkennen. Hier und da mal ein Schatten, sich bewegende Fahrzeuge und Personen. Ampeln, leuchtende oder angeleuchtete Reklameschilder, Straßenzüge. Nichts, was seine Aufmerksamkeit längere Zeit halten konnte. Seine Verdauung wollte er nicht außer Acht lassen. Denn in ihm gluckerte und brodelte das Bier. Ab und zu galt es, in sich hinein zu hören, um abzuschätzen, wie sich diese Sache entwickeln würde. Nicht, dass man von körperinternen Vorgängen überrascht wurde. Seine Blase fand er gut gefüllt. Doch ein wenig würde er es einhalten können und müssen. Kein Problem, das drängte sich nicht so in den Vordergrund.
Hatte sie auf der Hinfahrt auf dem Beifahrersitz gesessen, hatte sie nun den Platz mit einer anderen Grazie getauscht. Auch hinten war´s gemütlich und nett. Das Wageninnere bot ausreichend Raum. Das Tanzen hatte ihr Spaß gemacht, von Erschöpfung merkte sie wenig, zu aufgedreht und zu gehobener Stimmung, um sich von negativen Signalen leiten zu lassen. Auf dem Wasser hatte es für sie nicht mehr so viel Sekt gegeben. Aber ein zwei Gläschen erfrischenden Weißwein und eine ähnliche Menge an Cola. Im Vergleich zu der Raststätten-Toilette, hatte sich das Schiffs-WC angenehm sauber präsentiert. Direkt einladend. Die Musik, welche im Wagen lief, schallte nicht aus dem Radio, sondern von Kassette und entsprach ihrem Stil. Was daran lag, dass es sich um ein Tape der Fahrerin handelte und die beiden geschmackliche Zwillinge waren. Was der Einen gefiel, fand die Andere wunderbar. Altersmäßig knappe zwei Jahre auseinander, hätte man sie ohne Weiteres für Schwestern halten können. Sie trällerten die Songs teilweise zu viert mit, während sie mal hier und dann dorthin schauten. „Strangers in the night“ kannten sie gar nicht.
Wer konnte so einen Text geschrieben haben? Er fragte sich dies und aus welcher Stimmung heraus, es geschehen sein musste. Offenbar befand er sich nicht in der Lage, dass alles zu erfassen und sich seine Fragen selbst zu beantworten. Stattdessen schaute er aus dem hinteren, rechten Wagenfenster und lachte über eine anzügliche Bemerkung eines Freundes. Nichts allzu Sexuelles, eher eine Albernheit. Er freute sich, nicht selbst fahren zu müssen, es nicht zu dürfen, sondern alles genießen zu können. Die Nacht, das Bier, die Musik, die Stimmung, den Anblick der Frauen. Moment mal, was war das? Da winkte ihm doch jemand zu. Klar, genau dort. Und es handelte sich dabei um ein weibliches Geschöpf. Sofort geriet er in einen Ausnahmezustand. Jeglicher Alarm sprang an und schrillte. Alles was vorher in Minuten abgelaufen war, wurde von nun an in Millisekunden getaktet. Nervöse Unruhe. Hektische Anspannung. Verkrampfte Verklärung. Rasante Raserei.
Alles was von nun an, bis zum Aussteigen der Mädels aus dem Fahrzeug beschrieben wird, dauerte nur Sekundenbruchteile.
Beim fröhlichen Mitträllern, bemerkte sie das neben ihnen haltende Auto. Offenbar stand der Wagen auf der Nebenspur an derselben roten Ampel. Mehr aus einem Impuls heraus und ohne darüber nachzudenken, winkte sie den Insassen zu. Würden diese das überhaupt bemerken oder gar darauf reagieren? Eher unwahrscheinlich. So freundlich und unbeschwert waren die meisten Menschen nicht. Das war ihr klar, dennoch winkte sie weiter. Ihre Freundinnen fanden sich mit sekttrinken, fahren und diversen Dingen beschäftigt. So bekam zunächst keine ihre Aktion mit. Doch im anderen Wagen schien irgendetwas zu passieren. Um was es sich dabei genau handelte, konnte sie nicht erkennen. Es fiel ihr nicht leicht, einzuschätzen ob es sich etwas Harmloses passierte oder ob es brenzlich werden könnte. An Gefahr dachte sie nicht, wenn doch, dann nur kurz. Denn es stand der Spaß im Vordergrund und zu winken generierte diesen. Ob es damit weitergehen würde, konnte sie weder wissen, noch abschätzen. Egal, es zählte nur das jetzt und hier. Und es fühlte sich gut, passend und spannend an.
Sollte er sich von dem Winken angesprochen fühlen? Er schaute sich um. Doch er erblickte nichts und niemanden, dem es stattdessen hätte gelten können. Offenbar diente er als Ziel und Empfänger. Zu welchem Zweck, schien ihm zunächst egal. An die Feier und den Abend hatte er gedanklich einen Haken gemacht. Es galt, das Bier und die Eindrücke zu verdauen und nachhause zu gelangen, doch dies würde, zumindest wenn alles nach Plan lief, fast automatisch geschehen. Daran, dass es anders laufen könnte, hatte er keinen Gedanken verschwendet. Möglicherweise nahm er das zu leicht und gegeben hin. Doch nun bestand die Möglichkeit, dass ihm diese weibliche Person einen dicken Strich durch seine eintönigen Pläne machen würde. Dies störte ihn keinesfalls, sondern war ihm ausgesprochen willkommen. Für schöner, als eine Nacht mit Bier zu genießen, hielt er es, wenn ihm zusätzlich eine Frau Gesellschaft leistete. Es handelte sich dabei eher um eine Vorstellung, als um einen Erfahrungswert. Denn viele Erfahrungen hatte er bis dahin mit femininen Wesen nicht gesammelt. Sicher gab es weibliche Verwandte, Ärztinnen, Lehrerinnen, Klassenkameradinnen und die ein oder andere Schwärmerei. Aber das hier unterschied sich davon. Er musste etwas tun, bevor der Augenblick und die Chance für immer verschwanden.
Neugier beflügelte ihr Handeln. Sie blickte zu ihrer Sitznachbarin, um sich rückzuversichern und Zustimmung einzuholen, nur einen kurzen Moment. Dieser erschien ausreichend. Als sie ihm den Blick erneut zuwandte, schaute sie ihm in die Augen. Oder er ihr, die beiden sich gegenseitig. Direkt durch die Pupillen in die Seele. Unter Bedingungen zu welchen dies nicht möglich sein durfte und konnte. Aller Widrigkeiten zum Trotz schien sie dort etwas zu erkennen. Sei das Vertrauen gewesen, Ruhe und Vertrautheit. Vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit oder eine Sehnsucht. Möglicherweise Kompatibilität. Irgendetwas passierte mit ihr. Ein Kribbeln, eine Gänsehaut. Die beiden vor ihr sitzenden Mädchen, schienen bemerkt zu haben, dass etwas ablief. Ohne Ahnung und Verständnis dafür, um was es sich handelte. Sie merkten nur, dass in und mit ihrer Freundin einiges vorging. Und es stand auf jeden Fall und gesichert fest, dass sie dieses unterstützen würden, solange es keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben verkörperte. Zunächst stellten sie ihr ein paar alberne Fragen. Ein wenig anzüglich, aber keinesfalls allzu ernst gemeint.
Was tun? Irgendetwas musste er machen. Ihr Blick hatte ihn getroffen, nur kurz, doch das reichte aus. Nein mehr, es überlud ihn. Überforderte den Jungen augenblicklich und total. Das schnelle Schauen zu seinem Sitznachbarn genügte nicht, um wieder geerdet zu werden. Der Andere wusste dadurch Bescheid. Nein, eigentlich spürte dieser nur, dass er gut gefüllt war und schlafen wollte. Ein Verdauungsnickerchen hätte ihm für die Heimfahrt gefallen. Sauer über ein abweichendes Programm würde er dennoch niemals reagieren. Wie stand es um die anderen Kollegen? Darüber musste er sich keine Sorgen machen. Der Freund an seiner Seite informierte alle Wageninsassen über die Vorgänge. Aus individueller Sicht und der Meinung des Sitznachbarn nach, nicht völlig korrekt. Doch darum konnte der sich nicht kümmern. Zu heftig fand er sich mit sich selbst und seinem dringend notwendigen Handeln beschäftigt. Er durfte sich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten und durch nichts bremsen oder stoppen lassen. Sonst wäre alles zu spät, umsonst und sinnlos. Er schnallte sich ab und drückte mit maximaler Kraft, den Beifahrersitz samt sitzendem und überraschtem Freund nach vorne. Öffnete die Tür und zwängte sich ins Freie. Eine meisterhafte Leistung. Ohne Rücksicht auf den gequetschten und fluchenden Beifahrer oder den sonstigen Verkehr.
Im Wagen wurde noch gekichert, als im anderen Fahrzeug etwas in Bewegung geriet. Sie behielt ihn im Auge, während sie merkte, dass das Auto langsam wieder ins Rollen kam. Schade und tragisch, doch was sollte sie tun? Gegen die Gewalt des städtischen Verkehrs schien sie machtlos. Bevor etwas hatte beginnen können, war es dabei zu enden und sich aufzulösen. Ein kurzes Vergnügen. Fast hätte er ihren Wagen erreicht, und sich dafür überfahren lassen. Sein Einsatz schien verrückt und gewagt. Doch irgendetwas daran gefiel ihr. Was war das für ein Typ, der sich wegen eines kurzen spontanen Winkens und einem Lächeln fast umbrachte? Offenbar ein Dummkopf, aber eine interessante potenzielle Leiche. Er stolperte mehr, als er rannte, wieder zu dem Wagen zurück. Dann verlor sie ihn aus den Augen. Schicksal. Sie klinkte sich in das Gespräch mit den Anderen ein. Eine Unterhaltung, die sich nun auch um ihn drehte. Und um sie, denn verborgen geblieben war dieser Vorgang keiner von ihnen. Verstanden hatten sie es nicht. Belustigt hatte es ausnahmslos alle. Einzig bei ihr schwang ein anderes Gefühl mit. Mitleid. Vorwiegend mit ihm, dem armen Irren. Aber auch ein stückweit mit sich selbst. Den Grund, kannte sie nicht genau. Denn das hatte sie alles überrascht. Ein klein wenig Angst, spielte eine Rolle. Was, wenn er nicht bei Sinnen war? Er wirkte so sympathisch und konnte kein übler Kerl sein. Oder etwa doch? Daher und aufgrund des genossenen Alkohols, hatte sie nicht die völlige Kontrolle und Gewissheit über sich und ihre Gefühle.
Er brachte sämtliche körperliche Anstrengung auf, welche ihm zur Verfügung stand. Drücken, quetschen, zwängen, denken, rennen. Doch der andere Wagen setzte sich in Bewegung, bevor er diesen erreichte. Laut und verzweifelt fluchend hastete er, zum wartenden Fahrzeug mit seinen Freunden zurück. Alles vergebens. Der andere Wagen war weg. Der ehemalige Beifahrer hatte sich mittlerweile nach hinten begeben, um nicht erneut gequetscht zu werden. Clever. Er jammerte immer noch. Der Verantwortliche murmelte Entschuldigungen, versuchte aber dann, dem Fahrer die Situation zu erklären. Der Fahrzeuglenker hatte kein Problem damit, das Gaspedal durchzutreten. Doch der kleine Motor kam nur schwer auf Touren. Welche Geschwindigkeiten erreicht wurden, konnte er nicht einschätzen. Einen völlig freien Blick auf den Tacho fand er nicht, weil er andere Dinge vor Augen hatte. Oder eher eine weibliche Person. Das Tempo erschien ihm hoch, was sicher den kleinen Dimensionen des Fahrzeugs geschuldet war. Dennoch schien die Verfolgung aussichtslos. Und sie wäre es gewesen, wenn es nicht mehr Ampeln gegeben hätte. Offenbar meinten es die Ampelphasen in jener Nacht gut mit allen Beteiligten. Denn der Wagen der Frauen rückte plötzlich erneut in sein Sichtfeld. Er hielt wieder vor einer roten Ampel.
Die Damen hatten sich mit der kurzen witzigen Begegnung und deren jähem Ende abgefunden. Sie setzten ihre Heimfahrt fröhlich fort. Nur sie hing ihm ein wenig nach, bemühte sich aber, sich das nicht anmerken zu lassen. Es schien ihr, als sei dies von Erfolg gekrönt. Sie drehte sich kurz um. Dort sah sie einige Scheinwerfer. Nicht übertrieben viele, doch ein paar. Blendend. Unmöglich Details auszumachen. Der Gurt hinderte sie daran, sich freier zu bewegen. Sie bemerkte, dass sie bald wieder langsamer wurden und dann erneut hielten. Sie senkte kurz ihren Blick, sah an sich herunter und musterte sich selbst. Könnte sie ihm gefallen? Ihre Schuhe waren nagelneu und blitzten in einem knalligen Rot. Sie drückten etwas, da sie diese nicht gut eingelaufen hatte. Zum Tanzen auf einer ebenen Fläche fand sie das in Ordnung. Mit ihnen fiel das Gehen nicht leicht, da diese über einen beträchtlichen Absatz verfügten. Selbst ihre Oma hatte ihr immer eingeimpft: »Wer schön sein will, muss leiden«. Generell fand sie sich nicht zu klein, doch mit diesen Stöckeln wirkten ihre Beine länger, schlanker und ihr Gang verführerischer. Ein angenehmer Effekt, denn sie genoss die Blicke, welche auf ihrem Körper ruhten. Ihre Füße, die in ihren engen Schuhen steckten, fand sie etwas zu groß.
Konnte das sein? Erhielt er eine zweite Chance oder würde er bei seinem erneuten Versuch noch fataler scheitern, sogar unter eine Straßenbahn, ein Auto, einen Bus geraten? Er hatte keine Zeit gefunden, sich über sein Aussehen oder weiteres Vorgehen zu sorgen. Den Fahrer hatte er kurz instruiert, dem besagten Fahrzeug zu folgen. Nicht unauffällig, aber schleunigst. Und er erlebte eine rasante Fahrt bis zur roten Ampel, an der das Auto hielt. Der Verkehr verlief zweispurig in eine Richtung. Nachts und am Wochenende, befanden sich auf den städtischen Straßen glücklicherweise kaum LKWs und der private Personenverkehr fiel nicht sonderlich dicht aus. Straßenbahnschienen und entsprechende Oberleitungen meinte er wahrzunehmen. Er hielt sich bei der Verfolgung am Türgriff fest und stemmte seine Füße kräftig auf den Boden. Während des schlingernden Bremsvorgangs krampfte und versteifte er sich. Keine Angst, aber ein riesiger Respekt für die auftretenden Kräfte. Ein kräftezehrender Vorgang. Nicht nur für ihn, sondern alle Beteiligten. Eine gesteigerte Achtung entwickelte er für den Fahrer und dessen Leistung, denn sie kamen direkt hinter dem Auto der Mädels zu Stehen.
Die dunkle Strumpfhose hatte keine Laufmasche bekommen, zumindest nicht, soweit sie das prüfen konnte, und saß hervorragend. Beim Tanzen war es ihr zeitweise etwas warm geworden, doch insgesamt gesehen schien die Entscheidung dafür sinnvoll, denn nachts, strich ihr der Wind teilweise kühl um die Schenkel. Welche sie gleich ihren Hüften als etwas zu massiv empfand. Hoffentlich würde ihm das nicht sofort auffallen. Weder diesem Kerl, noch sonst jemandem. Ihre Freundinnen und andere Leute sahen das nicht so und behaupteten immer, das sei völliger Quatsch. Doch sie beurteilte das abweichend. Auf die Schnelle konnte sie daran nichts ändern. Weiter nach oben. Der Jeans-Mini passte perfekt. Von dem Herumgealber ihrer Begleiterinnen bekam sie nur wenig und oberflächlich mit. Das was sie davon aufnahm, wirkte lustig, schien ihr aber nicht relevant. Der untere Teil ihrer weißen und erstaunlicherweise noch fleckenfreien Bluse, steckte im Mini. Allerdings nicht zu straff, so dass ihr eine gewisse Bewegungsfreiheit blieb. Hiermit fand sie sich zufrieden, strich dennoch über ein paar kleinere Falten im Stoff, um diese zu glätten. Das brachte nichts und würde bei einer solchen Beleuchtung nicht auffallen. Sie wusste nicht, warum sie sich darüber Gedanken machte. Völlig idiotisch. Doch sie verspürte so ein seltsames undefiniertes Gefühl.
Alle Mitfahrer klatschten Beifall. Der Fahrer nahm es grinsend hin. Er war genauso gespannt, wie die weiteren Insassen, was folgen würde. So hatte sich niemand den Heimweg vorgestellt. Schnell schnallte er sich ab und riss die Wagentür auf. Beim Aussteigen achtete er dummerweise auf gar nichts und aufgrund dessen, hätte er sich beinahe auf´s Maul gelegt. Ein unkontrollierbarer Schwung, dem Alkohol geschuldet. Er fing sich und rannte vor und zu ihrem Autofenster. Ein Blick hinein und er war sicher, richtig zu sein. Doch es zog ihm fast schon wieder den Boden unter den Füßen weg. Zu süß schien ihm dieser Anblick, dem selbst die widrigen Umstände und die diffusen Lichtverhältnisse nichts anzuhaben vermochten. Was würde folgen? Er hatte keine Ahnung, wie es weitergehen würde. Wusste nicht, wie es laufen konnte, ahnte nicht, wie es sich fortsetzen sollte. Lange stand er nicht dumm vor dem Wagenfenster herum, denn man musste ihn bemerkt haben. Die Scheibe wurde herunter gekurbelt. Noch immer hatte er keine Zeit, für einen klaren Gedanken gefunden. Es knarrte etwas. Doch dieses Geräusch ging im städtischen Lärm unter. Die Musik und das Gekicher aus dem Wageninneren übertönten das leise Knarzen bei Weitem.
Für die musikalischen Klänge hatte sie kein rechtes Ohr. Ihr schwarzer BH saß perfekt und hätte ihr ein wundervolles Dekolleté verpasst, wenn ihre Bluse nicht hochgeschlossen gewesen wäre. Jenes Oberteil wirkte eher blickdicht, als transparent. Das fand sie gut und passend. Doch, mit ihren Brüsten war sie in vollem Einklang und überaus zufrieden. Sie hatte hier die famosen Anlagen ihrer Mutter geerbt. Daran gab es nichts auszusetzen. Doch was war das? Plötzlich tauchte ein Schatten in ihrem linken Augenwinkel auf. Zuerst erschreckte sie sich. Dann bemerkte sie, dass es der Typ von eben sein musste. Wie konnte das sein? War der vollkommen irre? Die anderen Mädels schienen ihn ebenfalls erspäht zu haben und die Musik wurde leiser gedreht. Um herauszubekommen, was er wollte, wäre es hilfreich, ihn das zu fragen. Dazu wiederum, schien es sinnvoll, die Scheibe herunterzukurbeln. Ein wenig zitternd tat sie das. Doch sie beeilte sich. Gekichert wurde immer noch. Sie kurbelte, etwas kühlere Luft strömte herein und es entstand ein knarzendes Geräusch. Sie war gespannt und aufgeregt, was folgen würde. Völlig nüchtern erschien ihr dieser Typ nicht. Etwas Angst stieg in ihr hoch. Andererseits fand sich in diesem Fahrzeug auch lediglich eine nüchterne Person.
Die Musik im Auto wurde leiser. Er fühlte ihren fragenden Blick auf sich gerichtet. Sah er in ihrem wundervollen Gesicht mehr? Unsicherheit und Angst vielleicht? Drei weitere Augenpaare starrten ihn erwartungsvoll an. Prinzipiell hätte er sich fürchten müssen und nicht die Mädels, denn er befand sich in der Unterzahl, hatte sich alleine zu ihrem Rudel begeben. Der Alkohol hatte ihn mental wachsen lassen. Diese Substanz hatte einiges bewirkt. Durchaus nicht nur Positives, aber auch. Seine Zunge hatte sich gelockert. Nein, er verspürte keine Angst. Eher ein wenig Panik, eine Chance ungenutzt verstreichen zu lassen. Einen Fehler zu machen, welcher darin bestehen konnte, gar nicht aktiv zu werden. So gelangte er zu seiner Sprache und ein paar Sätze fanden holprig den Weg aus ihm heraus. Nichts, was sich gut steuern ließ, kaum Sinnvolles und schon gar nicht flüssig. Doch offenbar hatte man ihn gehört und verstanden. Sein Problem schien seinem reizenden Gegenüber bewusst. Er erhielt so wohlklingende, helfende und einladende Antworten von ihr, dass er sich sofort willkommen fühlte. Die Unsicherheit wich. Was ihm augenblicklich klar wurde, war, dass sie jeden Aufwand wert sei. Und mochten seine Mitreisenden sich gerne um die anderen Mädels kümmern. Diese Frau hier, war einzig und alleine seine Baustelle. Daran gab es nichts zu rütteln, denn wie sie ihn ansah, trieb den Jungen völlig um.
Der Typ sah nervös und alkoholisiert aus. Aber sonst normal. Klein schien er nicht, doch schlank. Nichts Außergewöhnliches konnte sie an ihm finden. Abgesehen von der Aktion, welche er abzog. Er vermittelte nicht den Eindruck, als müsse man sich vor ihm fürchten. Etwas schüchtern wirkte er. Ob er wohl … ? Ja, er konnte sprechen, sprach sie direkt an, blickte aus nervösen Augen in ihr Gesicht und in den Wagen. Ihrem Blick hielt er nicht lange stand. Seine Stimme klang jung, tief und unsicher. Sie antwortete ihm, hatte eher den Eindruck, dass der Kerl Hilfe benötigte. Dass was er von sich gab, war nett, doch nicht originell. Es schien nicht völlig sinnfrei, aber nicht gut durchdacht. Ob er seine Begleiter erwähnte, um nicht alleine und verletzlich zu wirken? Egal, sie blieb höflich, fand sich selbst etwas kühl. Sie spürte genau, dass ihre Mitfahrerinnen sich extrem beherrschen mussten, um nicht gleich wieder loszukichern und ihr ins Wort zu fallen. Weder einen Dialekt, ein Stottern oder einen Sprachfehler konnte sie auf Anhieb heraushören.
Von weiter hinten hupte es laut und ungeduldig. Beide erschreckten sich total. Er offenbar mehr als sie.
Boah, dieser Depp dahinten! Eine wieder auf grün gesprungene Lichtzeichenanlage konnte doch kein Grund sein, ihm eine Herzattacke zu bescheren. Es galt hier ein paar essenziell wichtige Dinge zu klären. Was gab es Dringenderes und Eiligeres? Es wurden abschließende und klärende Worte gewechselt, gestikuliert und beratschlagt. Dann hupte es wieder von hinten. Diesmal zuckte er kaum zusammen. Dieser hupende Typ ärgerte ihn. Man wurde sich schnell einig und er sprintete gut gelaunt zu seinen Mitreisenden zurück. Das Hupen hinter ihnen wurde energischer. Er schwang sich auf den Sitz, die Fahrt konnte weitergehen. Direkt vor der nächsten Rotphase schafften sie es über die Kreuzung. Der Hupende hinter ihnen, platzte schon fast, vor lauter Ärger. Egal, zum Anschnallen blieb keine Zeit. Er saß nicht richtig und gut. Musste den Anderen aber einen Kurzbericht liefern. Insbesondere der Fahrer hatte Instruktionen zu erhalten. Alles war darauf angelegt, blitzschnell zu abzulaufen. Die Kommunikation im Auto funktionierte. Der Älteste verstand, worauf es ankam und seine Freunde kannten einige verrückte Aktionen von ihm. So war man bald einer Meinung und bester Stimmung. Diese Handlung, peinlich oder nicht, hatte Vorrang vor einer anstehenden Heimfahrt und vor allem Anderen.
Sie, nennen wir sie der Einfachheit halber zunächst Martina, war sich nicht sicher, was diesen fremden Menschen betraf. Gefahr spürte sie nicht. Ob es sich um einen Deppen handelte, wusste sie nicht. Einen netten ersten Eindruck hatte er hinterlassen, zumindest, wenn man die Umstände betrachtete. Mist, sie hatte es nicht mehr geschafft, in den Spiegel zu schauen, um ihr Gesicht zu checken. War sie korrekt geschminkt? Wie stand es um Lippenstift, Make-up, Kajal und Mascara? Sie konnte ihre Nebenfrau fragen. Doch diese würde ihr nur bestätigen, dass alles in bester Ordnung war. Sinnlos. Wenn etwas nicht gestimmt hätte, würde sie trotzdem gesagt haben, dass es nichts zu verbessern gab. Ein Spiegel, wäre in der Tat hilfreicher gewesen. Zu spät. Er hatte nicht gleich Reißaus genommen, daher konnte es so schlimm nicht sein. Sie hoffte, mal kurz checken zu können, wenn sie erneut hielten. Im Auto wurde diskutiert, spekuliert und gekichert. Der Kerl war Thema und sie und überhaupt. Die Fahrerin steuerte den vereinbarten Treffpunkt an. Martina wusste nicht, was sie von der Aktion halten sollte.
Der Fahrer folgte dem Wagen und den Anweisungen. Der momentane Beifahrer, nennen wir ihn der Einfachheit halber „Tom“, versuchte, seinen Kreislauf runterzubringen. Sein Blut schoss augenblicklich zu beschleunigt durch seinen Körper. Für die pure Körperflüssigkeit wäre das in Ordnung gewesen, doch gemeinsam in der Mischung mit Alkohol, war das auf Dauer zu arg. Langsam. Ruhe finden. Unmögliches versuchen. Die Worte, welche er ihr gegenüber gewählt hatte, waren ihm peinlich. Rückgängig machen ließ sich nichts. Weder sein Alkoholkonsum, noch die quetschende Gewalt, die er auf seinen Kumpel ausübte und schon gar nicht diese schrecklichen Worte. Sie sah Hammer aus und ihre Stimme konnte Steine erweichen. So wohlklingend, weich und verheißungsvoll. Vor ihnen blinkte ein Fahrzeug, fuhr rechts auf einen kleinen Vorplatz eines winzigen Ladens. Möglicherweise ein breiter Bordstein vor einem putzigen Lebensmittelgeschäft. Hundertprozentig ließ sich das auf die Schnelle nicht feststellen. Er spürte seine Knie stetig weicher werdend. Ein Gefühl, als würden sie sich zunehmend verflüssigen. Der Fahrer, nennen wir ihn Fritz, blinkte. Langsam kamen sie hinter dem Auto, welches Michaela steuerte zum Stehen.
Völlig wohl fühlte sich keine der Damen. Das genossene Prickelwasser, hatte sie etwas enthemmt. Das in der, zwischendurch konsumierten, Cola enthaltene Koffein, hatte sie zusätzlich aufgekratzt. Wohlsein oder nicht, wenn sie hier waren, konnten sie es durchziehen. Was auch immer. Alleine hätte das Keine von ihnen gewagt. Doch was sollte zu viert passieren? Die Stoßdämpfer des Autos schluckten das langsame Überrollen des Bordsteins nur teilweise weg. Gut, dass sie kein randvoll gefülltes Glas in einer Hand hielt. Sektkelche wären nett gewesen, doch daran hatten sie nicht gedacht. Zu viel Stress und Hektik beim Aufbruch. Es machte ihnen nichts aus, abwechselnd direkt aus der Flasche zu trinken. Hinter ihrem Wagen nahm sie flüchtig, das Blinken eines Fahrzeugs war. Die Scheinwerfer des folgenden Autos bemerkte sie kaum. Dafür war alleinig Michaela zuständig. Martina hatte andere Dinge im Kopf. Saß die Frisur? Schnell fragte sie nach Kaugummi. Selbst, wenn er getrunken hatte, wollte sie ihn mittels Sektfahne nicht in die Flucht schlagen. Zumindest nicht, solange er sich angemessen verhielt. Kaubare Frische hielten auch die anderen Mädels für eine brauchbare Idee. In der Handtasche der Beifahrerin - nennen wir sie Eva, fand sich davon eine Runde für alle. Beruhigend. Schnell verteilten sie diese, packten aus und begannen zu kauen.
Tom wusste leider nicht, wie es weitergehend würde und konnte. Das plötzliche Entschwinden der Damen, hatte er vorläufig gestoppt. Wie lange würde er sie aufhalten können? Wie groß wäre die Chance? Was schien logisch? Zu viele Fragen. Allein gedanklich kam er hier nicht weiter. Fritz ermunterte ihn, auszusteigen. Der Fahrer verfügte, schon aufgrund seines drei bis vier Jahre höheren Lebensalters, über eine etwas erweiterte Lebenserfahrung. Fritz schaltete Scheinwerfer und Motor aus und zog die Handbremse. Dann machte er sich daran, das Fahrzeug zu verlassen. Tom hüpfte hinaus. So sicher empfand er seinen Stand nicht. Dennoch klappte er den Sitz nach vorn, um dem malträtierten Hugo das Aussteigen zu ermöglichen. Tom bat ihn abermals um Verzeihung. Der Vergebende gab ihm einen Klaps auf die Schulter und meinte lachend, dass es schon gut sei. Nachdem Louis sich aus dem engen Fahrzeug gezwängt hatte, schritten sie gemeinsam auf das Auto der Mädels zu. Sie rechneten damit, dass der Wagen wieder starten würde, bevor sie ihn erreichen konnten. Tom wunderte sich, dass seine Beine nicht nachgaben. Er steuerte direkt auf sie zu. Völlig eben war der Boden hier nicht. Der Asphalt wies ein paar Dellen und Wellen auf. Offenbar hatte man unprofessionell daran herumgeflickt. Dennoch stolperte niemand. Die vier Türen des Fahrzeugs wurden von innen geöffnet.
Im Rückspiegel und über die Schulter beobachteten sie das Geschehen hinter sich. Das Auto der Verfolger hielt. Sie wussten nicht, um wie viele Menschen es sich dabei handeln würde. Eine Anzahl hatte der aberwitzige Irre nicht genannt. Sicher mehr als einen Mann, denn er hatte von „wir“ gesprochen und nicht von „ich“. Außerdem hatten sie an der ersten Ampel zwei Personen deutlich gesehen. Plus einen Fahrer machte das mindestens drei. Je mehr es sein würden, desto unsicherer konnte die Lage werden. Die Scheinwerfer und der Wagen erschienen klein. Etwas verwundert waren sie, dass vier Leute daraus ausstiegen. Alle männlich und groß, scheinbar ausgewachsen. Beängstigend. Oder es konnte passen, da die Single-Mädels zu viert unterwegs waren und sich durchaus für junge Männer interessierten. Sie würden auf der Hut sein müssen, durften andererseits nicht zu schreckhaft reagieren. Ihre Fahrerin, welche gleichzeitig die Älteste und Nüchternste von ihnen verkörperte, öffnete mutig als Erste die Tür. Abgeschnallt hatten sich vorher schon alle. Die Jungs erreichten gleich den Wagen. Martina’s Tür schwang nur kurz vor den beiden anderen auf. Fast synchron stellten die Damen ihre Füße auf den Boden. Ein weiterer Schwung und sie standen. Während die Herren ebenfalls stehen blieben. Keine Schockstarre, aber Respekt und Staunen, geflasht vom Anblick, geblendet von strahlendem Glanz. Die Mädels zubbelten sich die Klamotten zurecht.
Man sagte „Hallo“. Die Mädchen flüchteten nicht. Sie platzen auch nicht, wie wunderschöne Seifenblasen. Und die Jungs machten keinen Rückzieher. Sie befanden sich im Bann der Grazien. Er fand nur schwer die weiteren Worte. Doch sie gestaltete es für ihn wieder leicht. Sie half ihm, so umfangreich, wie es nur eben ging. Er nahm die anderen Personen und sein Umfeld wahr, aber er konzentrierte sich auf sie. Völlig wohl war ihm nicht, denn er fühlte sich extrem verunsichert. Er spürte, dass seine Mitfahrer nur langsam ins Gespräch fanden. Doch total schweigsam und zurückhaltend blieb niemand. Und das war gut, denn so erfuhr man mehr voneinander, als offensichtlich war. Gar nicht lange dauerte es, bis man ein paar wichtige Details übereinander erfahren hatte. So hörte er, woher die Mädchen stammten. Und diese Information trieb ihm ein Lächeln ins Gesicht. Denn deren Heimatort befand sich bloß zwanzig Kilometer vom Standort seines Zuhauses entfernt. Fritz wohnte etwa fünfzehntausend Meter mehr von den Damen fort. Alles in allem nette und überschaubare Distanzen. Der Heimweg der hier versammelten Personen unterschied sich nur geringfügig und auf dem letzten Stück. Während ihm auffiel, dass er sein zuvor abgegebenes Versprechen nicht sofort einlösen konnte. Er kannte sich in dieser Stadt nicht aus und ihm fiel keine Eisdiele ein, welche um diese Zeit geöffnet hatte. Aus dem Eis wurde schon mal nichts und diese Metropole mochte er nicht. Vielleicht ließ sich etwas Anderes finden.
Die vier Jungs schienen etwa in ihrem Alter. Na ja, der eine konnte ein wenig reifer sein. Nachdem sie sich die Kleider gerichtet hatte, offenbar gleich ihren Freundinnen, musterte sie diese männlichen Exemplare. Optisch wirkten diese als nichts Besonderes. Nicht extrem hübsch, nicht übermäßig auffällig gekleidet, nicht sonderlich dick, dünn, groß, klein. Eher durchschnittlich und dennoch interessant. Würde er etwas sagen? Oder einer seiner Freunde? Wie würde es weitergehen? Sie fühlte sich beschwipst, aber wach. Einen Moment lang herrschte Stille. Eva und Hugo fanden als Erste wieder zur Sprache und starteten fast zeitgleich. Nur wenig später befanden sich beinahe alle im Gespräch. Er wirkte seltsam, denn er war auf sie fixiert. Nicht, dass ihr das unangenehm gewesen wäre, aber es fiel auf. Er sprach mit ihr, wie mit den Anderen und sie mit ihm. Doch sein Blick haftete immer an ihr. Selbst dann, wenn er auf etwas antwortete, was sonst jemand sagte. Nach einem holprigen Start verlief das Gespräch rund und lustig. Die Jungs stellten sich vor. Namen prasselten auf sie ein, sie bemühte sich, war sich jedoch nicht sicher, sich all diese Informationen merken zu können. Die Mädels wollten den Männern in nichts nachstehen, und sagten brav, wie sie hießen. Er, wie nannte er sich, Tom? Der würde sich die Namen der anderen Mädchen definitiv nicht merken können, denn er sah immer nur sie an, was ihr zunehmend die Wärme in den Körper trieb und sie erröten ließ. Sie sah das nicht, aber sie fühlte es. Doch er sabberte glücklicherweise nicht. Wenig später, fiel einem der anderen Kerle Michaelas Kfz-Kennzeichen auf und er machte eine Bemerkung diesbezüglich. Lustigerweise kam dann heraus, dass diese Typen gar nicht so weit von den Mädels entfernt wohnten. Dies gefiel ihr, würde es automatisch mehr Gesprächsstoff liefern.
Namen, immer nur Namen. Gut, alle Leute hießen irgendwie oder nannten sich und wurden genannt. Was interessierte ihn das? Er hatte sein Thema gefunden. Martina, ein schöner Name, aber ihm kam bei ihrem ersten Anblick etwas Anderes in den Sinn. Nein, nichts Sexuelles, eher völlig banal. Doch es ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Aber diese Namen – Schall und Rauch. Er fühlte sich ordentlich angeheitert, die Namen von vier Mädels, würde er sich in dem Zustand nicht merken können. Zumal er nur an der Einen interessiert war. Ihren würde er nicht vergessen. No way! Das Gespräch, ja, es lief, aber nicht herausragend. Bis Hugo, das Kfz-Kennzeichen der Mädels analysierte. Typisch, dass ihm das auffiel. Zahlen, Mathematisches und ähnliche Dinge, waren seine Welt. Es öffnete die Möglichkeit für mehr Gesprächsstoff. Das Eis, war um diese Uhrzeit eine blöde Idee gewesen. Man fand sich schnell einig, sich gemeinsam in eine Disco zu begeben, welche auf dem fast übereinstimmenden Heimweg lag. Näher am Kaff der Mädels, aber den drei jüngeren Männern bekannt. Man würde zusammen dorthin aufbrechen, hintereinander herfahren. Plötzlich kam jemand auf die glorreiche Idee, man könne die Fahrzeugbelegungen mischen.
Er sprach ruhig und machte ihr keine Angst. Geruchstechnisch bestand er aus Deo, roch dennoch leicht schweißig. Und das ein oder andere Bier hatte er getrunken. Nach Rauch stank er nicht, niemand der Anwesenden rauchte. Das fand sie prinzipiell gut. Obwohl der eine Typ in den Zigaretten-Werbespots, welche zu jener Zeit im Kino liefen, cool aussah und eine sexy Stimme hatte. Trotz oder gerade wegen des Glimmstängels. Der Typ vor ihr agierte unsicher und nicht mehr völlig präzise gesteuert. Sprachlich klang er nicht unrund. Symptome, wie sie diese an sich selbst feststellen konnte. Alles nicht schlimm und in bester Ordnung. Die Idee von wegen der Disco brachte irgendeiner von den Typen auf. Doch mit der gemischten Verteilung auf die Fahrzeuge kam Natascha um die sprichwörtliche Ecke. Diese unterhielt sich prächtig mit dem älter wirkenden Kerl, dem Fahrer der Jungs. Überraschend, denn die gesprächigste von Allen war diese sonst nicht. Der Sekt hatte auch bei ihr Wirkung gezeigt. Und sie stand von jeher auf die großen Brüder, also etwas ältere Jungs.
In welchem Auto er landete, war ihm egal. Gleichgültig, ob Fritz oder ?, keine Ahnung, wie sie hieß – Nadja, vielleicht? – das Fahrzeug steuern würde. Nur ein Detail zählte. Da er sich von ihr ausgesprochen angezogen fühlte, wollte er ihr nahe sein. Schon alleine, um sie besser kennenzulernen. Wer mit wem fuhr und wie die genaue Verteilung erfolgte, war schnell geklärt. Wer die Entscheidung darüber traf, bekam er nicht mit. Er landete wieder in Fritzs rotem Kleinwagen auf dem hinteren rechten Sitz. Natürlich ließ es der Ältere sich nicht nehmen, sein Auto selbst zu lenken. Auf dem Beifahrersitz nahm – ja, wie hieß sie, Uschi? Platz. Er schwor sich, diese nicht so zu quetschen, wie seinen Kumpel Hugo zuvor. Links neben sich fand er nicht Louis, welchen er bereits aus dem Kindergarten kannte, sondern sie. Diese Verteilung gefiel ihm sogar besser, als die vorherige. Wobei er mit seinem Freund an seiner Seite schon zufrieden war. Uschi köpfte vorm Einsteigen eine Flasche Sekt und trank den ersten Schluck direkt aus der Pulle. Kurz nachdem sie eingestiegen war, reichte sie diese an ihre bereits angeschnallte Freundin weiter und schnallte sich ebenfalls an. Martina, ja, so hieß sie, trank etwas Sekt. Dass die Girls gut gelaunt und offenbar recht unkompliziert waren, gefiel ihm. Er konnte sich gar nicht an ihr sattsehen. Und einen dezenten Duft nahm er wahr. Ihren Wohlgeruch fand er angenehmer und interessanter, als den von Louis.
Es behagte ihr nicht, nicht mehr mit vier Mädels unterwegs zu sein. Extrem blöd fand sie es, dass sie sich, zumindest vorübergehend von der nüchternen Fahrerin Michaela trennen sollte. Die beiden waren sie fast wie Schwestern. Aber irgendwie musste die Aufteilung, für die man einstimmig plädierte, vorgenommen werden. Dieser Tom fühlte sich bereits jetzt vertraut an. So, als würde sie ihn viele Jahre kennen. Sicher keine Gefahr. Außerdem konnte sie sich auf Natascha verlassen. Ok, dieses Fahrzeug bot nicht das gleiche Maß an Raum und Komfort, wie Michaelas Wagen. Aber es war vertretbar und den Sekt hatten sie geteilt, dafür hatte die Beifahrerin gesorgt. Sie wäre, was die Unterhaltung und die Ideen betraf, gerne aktiver und kreativer gewesen. Doch sie fühlte sich, wie außer Kraft gesetzt. Sie schob das vor allem dem Sekt zu. Unterschwellig kam ihr der Gedanke, dass er daran schuld sein könnte. Vielleicht war er gefährlicher, als er wirkte und sie zunächst vermutet hatte. Diverse Gefühle hatte er bereits in ihr ausgelöst. Angst, Neugier, Aufregung, Enttäuschung, Geborgenheit. Könnte da mehr sein? Er nahm neben ihr Platz. In dem kleinen Fahrzeug kam es zwangsläufig zu einer gewissen Nähe. Nicht unangenehm, seine körperliche Wärme zu spüren. Natascha öffnete die Sektflasche. Die Wievielte war das jetzt? Egal, sie hatte Durst. Die Beifahrerin setzte an. Nach dem Schluck stieß sie dezent auf, dann reichte sie die Flasche an sie weiter. Die neben dem Fahrer Sitzende nahm Platz und schnallte sich an. Sie wischte über die Flaschenöffnung und trank einen kleinen prickelnden Zug. Zusammen mit dem Kaugummi schmeckte das seltsam. Fast hätte sie es verschluckt. Der Sekt prickelte angenehm, war aber schon eher warm. Das zermanschte, unförmige Ding in ihrem Mund musste sie bei der nächsten Gelegenheit unbedingt wieder loswerden.
Überfordert, ja, genau das traf es, was er war. Gnadenlos überlastet mit der Situation. Alles lief wie am viel zitierten Schnürchen. Nach Plan, so hätte man es bezeichnen können. Sofern es denn einen solchen geben würde. Doch diesen gab es nicht. Körperlich fand er sich damit beschäftigt, den Alkohol zu verarbeiten. Gedanklich forderte ihn die Angst, etwas falsch zu machen. Das hier, was gerade lief, wirkte so traumhaft auf ihn, dass er kaum wagte, sich zu rühren, um es nicht zu zerstören. Sie hielt ihm die Flasche hin und ermunterte ihn, einen Schluck zu nehmen. Er fühlte sich von dem Angebot hin- und hergerissen. Sekt war nicht sein Getränk. Außerdem hatte er einen gewissen Pegel erreicht. Er fand den Geruch der Flüssigkeit nicht appetitlich. Und er konnte nicht einschätzen, was passieren würde, wenn er davon trank. Garantieren konnte er für nichts. Andererseits konnte es nicht schaden, seine Kehle zu benetzen, vielleicht wirkte der Alkohol beruhigend auf sein aufgewühltes Nervensystem. Rita, auf dem Beifahrersitz und Fritz unterhielten sich. Während er schweigsam neben dieser Traumfrau namens Martina saß. Was für einen Eindruck musste sie von ihm bekommen, wenn er kein Wort sagte und sie nur anstarrte? Das angebotene Getränk konnte er nicht ablehnen. Er ergriff den Sekt. Dabei berührten sich kurz ihre Finger. Etwas wie ein elektrischer Schlag durchfuhr ihn. Ihre Haut fühlte sich sanft und zart an. Er bedankte sich und setzte die Flasche an, um einen Schluck daraus zu nehmen. Über die Öffnung hatte er zuvor nicht gewischt.
Er wirkte schnuckelig, wie er schweigend neben ihr saß und sie anschaute. Doch das konnte nicht alles sein. Vielleicht benötigte er etwas Sekt, um lockerer zu werden. Das Gespräch zwischen Natascha und dem Fahrer lief schließlich auch. Zwar nicht flüssig, aber immerhin. Würde er endlich mal zugreifen und das angebotene Getränk annehmen? Oder ekelte er sich gar davor, weil ihre Freundin und sie aus der Flasche getrunken hatten. Wenn das so ein steriler Heini war, konnte er ihr gestohlen bleiben. Doch nun griff er nach dem Behältnis und bevor sie dieses völlig losließ, berührten sich kurz ihre Hände. Nur eine flüchtige Berührung, aber energetisch, denn etwas durchzuckte sie. Seine Finger fühlten sich rau und kraftvoll an. Zumindest gröber und kräftiger als ihre eigenen. Gut so, sie liebte Männer, die zupacken konnten, mit diesen verweichlichten Softies wusste sie nichts anzufangen. Dann konnte sie gleich mit ihren Freundinnen reden oder rummachen. Nein, es brauchte nicht unbedingt ein schweißtriefender Holzfäller und Bärentöter zu sein. Aber ein Mann sollte die maskuline Komponente niemals verlieren. Zur Not müsste er in der Lage sein, sie zu beschützen und verteidigen und nicht umgedreht. Rein äußerlich erweckte er den Eindruck, als könnte er diesem Ideal entsprechen. Ein wenig mehr öffnen musste er sich.
Er fühlte den lauwarmen Sekt in seinem Mund- und Rachenraum. Diese Brühe war zu warm, aber besser als gar nichts. Die Flüssigkeit rann tiefer in sein Inneres, doch dadurch wurde es nicht angenehmer. Er setzte den Sekt ab und unterdrückte ein Rülpsen. Er sah sie wieder an. Wow, ein unglaublicher Anblick. Diese Augen, dieses Lächeln. Kurz wendete er den Blick von ihr ab und reichte die Flasche nach vorn. Irgendetwas bewirkte das Zeug doch, denn er begann mit ihr zu reden. Schon bald befand er sich in einem flüssig laufenden und anregendem Gespräch mit ihr. Dabei hatten sie die Stadt nicht mal verlassen. So kannte er sich nicht und er wusste nicht, ob ihm diese bisher verborgene Seite in nüchternem Zustand gefiel. Aber es fiel ihm nicht schwer, mit ihr zu reden. Irmtraud?, nein, so konnte die momentane Beifahrerin nicht heißen, warf immer mal etwas in das Gespräch mit ein. Fritz konzentrierte sich auf den Straßenverkehr und darauf, dem Wagen, welchen Gudrun?, nein, das war sicher wieder falsch, steuerte, nicht aus den Augen zu verlieren. So nahm Heike, die neben dem Fahrer, häufigere und größere Schlucke aus der Pulle, als die Anderen.
Ui, was war denn das? Er konnte reden und sogar ein fließendes Gespräch mit ihm war möglich. Eine lustige Unterhaltung. Sie verstanden sich auf Anhieb, teilten einen ähnlichen Humor und lachten gemeinsam. Wenn dies dem Sekt zu verdanken war, dann ein dreifaches Hoch auf das lauwarme Zeug. Wobei, falls er nur auf jenem Pegel so war, wollte sie lieber nichts mit ihm zu tun haben. Doch eine Chance verdiente er. Würde ihnen Natascha Sekt übrig lassen? Nein, sie sollte die Flasche gerne vorne behalten. Wenn weder sie, noch er tranken, konnten sie mehr reden. Hihi, oder sogar etwas Anderes tun. Sie bekam eine leichte Gänsehaut. Wie er sie ansah! Zog er sie mit seinen Blicken aus? Stellte er sie sich nackt vor? Sie wusste nicht, was in Männern vorging. Würde er nur reden oder würde da mehr folgen? Das Gespräch und gemeinsam mit ihm zu lachen, genügten ihr vorläufig völlig. Die Rückfahrt würde auf jeden Fall aufregender werden, als ursprünglich von ihr angenommen. Ohne Ankündigung durchfuhr sie wieder ein geladenes Zucken. Seine linke Hand war oberhalb ihres rechten Knies gelandet. Das hatte sie nicht erwartet und ihm nicht zugetraut. Was sollte sie tun? Ihn zurückweisen? Ach nein, erstens fühlte es sich toll an und zweitens steigerte es die Spannung auf das, was folgen würde. Sicher, arg viel weiter würde sie ihn nicht gehen oder tasten lassen. Zunächst. Sie kramte kurz in ihrer Handtasche. Wenig später hielt sie sich ein Papiertaschentuch vor den Mund und presste das Kaugummi in dieses. Das Taschentuch samt klebrigem Inhalt ließ sie schnell in ihrer Tasche verschwinden.
Er zögerte, haderte mit sich selbst. Das Gespräch fand er nett. Aber war das alles? Musste er nicht aktiv irgendetwas tun? Wurde das nicht von ihm erwartet, allgemein und von ihr? Ach, was sollte es? Mehr als eine Zurückweisung konnte er nicht erhalten. Das wäre hart und traurig, aber wenn es so käme, liesse es sich nicht ändern. Nichts weiter zu tun, fand er dämlich. Kein Freund zu seiner Unterstützung im Auto. Fritz kannte er kaum. Nein, da musste er alleine durch. Seine linke Hand zuckte vor und landete auf ihrem rechten Bein. Auf Höhe des ideal geformten Knies. Wieder kam es zu einer kleinen energetischen Entladung, welche er, neben der Spannung ihrer unterschiedlich geladenen Körper, auf die Synthetik der Strümpfe oder Strumpfhose zurückführte. Es war weich und wohltemperiert und sie erbrachte keine sofortige Abwehr-Reaktion. Gefiel ihr das, so wie ihm?
Natascha fummelte an den Knöpfen des Autoradios herum, mit der Wirkung, dass sie dieses anschaltete. Irgendein Schlagerfuzzi blökte ihnen entgegen. Nicht ihr Fall, obwohl sie eben auf dem Boot zu ähnlicher Musik getanzt hatte. Seine Hand lag noch dort, während er normal weitersprach und lachte. Er schien der Meinung, dass sie genau da hingehörte. Dazu gehörte Dreistigkeit. Doch wenn selbst dieser schüchterne Typ etwas wagte, um ihr zu gefallen und eine Reaktion von ihr erwartete. Falls der Fahrer fuhr und Natascha sich mit dem Sekt beschäftigte. Sich niemand weiter um sie kümmerte, dann fühlte es sich richtig an, etwas wagen. Sie hängte sich in den Gurt und drehte und lehnte sich zu ihm herüber. Ohne auf ihn zu achten und oder zu zögern, näherte sich ihr Gesicht dem seinen. Sie schaute ihm kurz in die Augen. Fragend vielleicht. Sie musste es wissen. Was genau, wusste sie nicht. Und sie küsste ihn. Mitten auf den Mund. Er schien ein wenig überrascht. Aber nicht lange. Er reagierte und wie er das tat. Ohne Verzögerung ging er auf sie und ihren Vorstoß ein.
Zunächst mal blieb seine Hand liegen, wo sie lag. Diese nahm eine angenehme Wärme und ein leicht synthetisches Gefühl auf. Wenn Martina dies geschehen ließ, ohne es zu kommentieren, öffnete ihm das die Option weiter vorzupreschen. Wie das konkret aussehen würde, darüber hatte er keine tieferen Gedanken verschwendet. Er rechnete eher mit einer Abwehrreaktion, als dass sie in gewähren ließ. Sie sah ihn an und lachte. Verdammt, sie war so wunderschön. Seine Hand schien sie nicht zu stören. Was jetzt? Nichts überstürzen, aber es hatte weiterzugehen. Ihr makelloses Gesicht kam seinem immer näher und war nun sehr dicht. Sie schaute ihm kurz und tief in die Augen. Dann spürte er ihre sanften roten Lippen auf seinen eigenen. Gut, wenn das so lief, war er dabei. Miriam setzte die Flasche ab und ließ einen spitzen Kommentar folgen. Fritz lachte. Offenbar hatten sie das Ereignis mitbekommen. Über den Rückspiegel oder so. Das bekam er nur beiläufig mit. Sie forderte seine ganze ungeteilte Aufmerksamkeit. Und er gab diese gerne.
Was im anderen Wagen vor sich ging, wusste sie nicht. Sie scheiterte daran, einzuschätzen, wie ihre Freundinnen mit dieser Situation umgehen würden. Sie hoffte, dass dies alles gut ausging. Momentan fühlte sich das Leben schön an und wenn es nach ihr ginge, würde das so bleiben. Völlig neu war ihr das nicht. Bis vor zwei Wochen hatte sie einen Freund und „rumgeknutscht“ hatte sie bereits. Aber es war jedes Mal anders. Und irgendwie immer toll. So viel Unsicherheit und Nervosität er bis dahin ausgestrahlt hatte, war nichts mehr davon zu spüren. Sein Kuss wirkte ruhig, entspannt und fordernd. Er überraschte sie und verstand es, sie von sich zu überzeugen. Vielleicht benötigte er etwas Führung, doch bisher machte er seine Sache gut. Sie half ihm gerne und gab, was sie sollte und zu geben bereit war. Dies summierte sich nicht unlimitiert, aber gewaltig.
Ob es seinen Freunden ähnlich erging, war ihm egal. Er nahm an, dass es ihnen wohlerging. Besser denn jemals, vermutete er. Doch hier lief etwas Großes. Es schien ihm fast unmöglich, Fehler zu begehen, da der Ablauf automatisch erfolgte. So, als würde ihn eine höhere Macht fernsteuern. Man konnte es nicht wissen, vielleicht war das so. Zu sinnvollen Gedanken fand er sich nicht in der Lage. Was für eine externe Steuerung sprach. So lange diese Fremdbestimmung so positiv verlief, würde er sich nicht sträuben, sondern bereitwillig fügen. Sollte er in jener Nacht sterben, würde er glücklich abtreten. Lieber lebte er. Sie fühlte sich nicht nach Tod an, verströmte stattdessen pure Energie, ungebändigtes Leben. Und damit fand er sich augenblicklich geflutet.
Er tat nicht viel. Aber das Wenige, fühlte es sich unglaublich gut an. Bloß nicht aufhören. Nein, es sah nicht so aus, als würde er freiwillig stoppen. Selbst seine Hand geriet in Bewegung und glitt ein Stück ihr Bein hinauf und bald darauf wieder herab. Er erzeugte, mittels Reibung seiner Haut auf ihrer Strumpfhose, eine gewisse statische Aufladung. Ihr kompletter Körper war mit Energie geladen. Ausgesprochen positives Potenzial. Doch die Hauptaktion und Beeinflussung führten nicht seine Händen aus, sondern mehr seine Augen, sein Mund, seine Lippen, seine Zunge. Es handelte sich nicht um Worte, eher um Taten. Sie stand auf wohlgeraten formulierte Texte. Doch einen Mann der Tat fand sie anziehender, erotischer und erregender, als einen Schwätzer und Angeber.
Kaum, dass ihre Lippen die Seinigen berührten, reagierte er darauf, indem er ihren Kuss erwiderte. Viel brauchte er nicht zu tun oder zu überlegen. Das lief von selbst. Nur wenig später brachte er seine Zunge zum Einsatz. Alles zart und Erwiderung findend. Schwer zu unterscheiden, was von wem ausging. Es hatte den Anschein, dass sie zu einer einzigen Masse oder Person verschmolzen wären. In dieser Form hatte er das noch nicht erlebt. Sie schmeckte etwas süßlich und recht frisch. Ein relativ vertrauter Geschmack, den er aber nicht zuzuordnen vermochte. Er spürte eine deutliche Hormonausschüttung. Sein kompletter Körper und Geist fanden sich damit beschäftigt. Etwas, welches in seiner Hose größer und härter wurde, ließ sich nicht mehr ignorieren. Seine Hand glitt an ihrem Bein auf und ab. Er streichelte sie sanft, blieb aber mit raueren Hautstelle immer mal wieder leicht und kurz an den feinen Maschen ihrer Strumpfhose hängen. Zu einer Zerstörung würde dies nicht führen, statische Aufladung schien unvermeidlich. Und sie ließ ihn gewähren.
Er küsste anders, als ihr letzter Freund. Ob schlechter oder besser, konnte sie nicht beurteilen, abweichend, interessant und gut. Er roch und schmeckte etwas säuerlich. Nicht angenehm, aber nicht unausstehlich. Sicher war das auf den Genuss von Bier und gegebenenfalls einem Gericht wie Currywurst mit Pommes zurückzuführen. Nein, hundertprozentig mochte sie sich nicht festlegen. Mit seinem Mund, seinen Lippen und seiner Zunge, wusste er umzugehen. Und das, was seine Hand tat, fühlte sich spitze an. Großartig mehr würde sie nicht zulassen – schon aus Furcht, dass ihr die Kontrolle darüber entglitt -, aber dabei konnte es gerne eine Weile bleiben. Nur flüchtig bekam sie mit, wie Natascha versuchte, mit dem Fahrer zu flirten. Sicher hätte diese lieber rumgeknutscht und empfand etwas Neid. Aber da würde sie durch müssen. Zumindest solange, bis der Typ mit seiner Tätigkeit des Fahrzeugsteuerns fertig war. Und dann kam es darauf an, ob die beiden Sympathie oder mehr füreinander fühlten. Nun, ihr gerade egal. Es ging ihr momentan so prächtig, dass sie keine Veränderung vornehmen wollte. Klar, der Gurt störte, aber damit konnte sie leben.
Er liebte es, wenn eine Frau von sich aus die Initiative ergriff. Das hatte sie mittels ihres Kusses getan. Was geschah, war neu für ihn. Aber nicht so fremd, dass er nicht damit klar kam. Es funktionierte wunderbar. So konnte diese Nacht weiterlaufen. Gerne ewig. Und Martina hätte weitergehen können, er fand sich zu allem bereit. Doch er wollte sie nicht erschrecken, nicht vergraulen. Er überließ ihr das Tempo und das weitere Vorgehen. Vielleicht hatte sie einen konkreteren Plan, wie das zu laufen hatte. Oder was überhaupt passieren sollte. Von der Fahrt bekam er, knutschend und auf sie konzentriert, wenig mit. Irgendetwas Hartes schlug ihm ans Bein. Er öffnete die Augen und blickte zu der leicht schmerzenden Stelle. Das, was dort anklopfte, war eine halbleere Sektflasche. Hildegund hatte diesen Weg gewählt, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie die Flasche wieder loswerden wollte und er an der Reihe war, einen Schluck daraus zu nehmen. Passte ihm nicht, aber was tat man nicht alles? So erfuhr die Knutscherei eine kurze Unterbrechung, während sie beide nacheinander tranken. Seine Angebetete reichte die Pulle, mit dem letzten Schluck Sekt nach vorn. Und sie konnten ihre Münder erneut vereinigen. Er spürte ihre Hand auf seinem bejeansten Bein. Zart streichelte sie ihn, während ihr Kuss mehr Verlangen ausstrahlte. So legte er seine Finger wieder zurück und begann mit sanften Streicheleinheiten. Viele Worte hatten sie nicht gewechselt. Das musste noch folgen. Doch zunächst reichten die Küsse, um sich kennenzulernen.
Was konnte man küssend über eine unbekannte Person erfahren? Sicher keine komplexen und präzisen Daten wie Namen und Adressen, aber doch eine Menge. Dinge, welche mehr von einen Menschen preisgaben und aussagten, als formelle Informationen. Zum Reden würde später Zeit sein. Sie ging davon aus, dass sie vom Prinzip, sicher bis vier Uhr hatte, denn ihre Erziehungsberechtigten wähnte sie feiernd auf einer Silberhochzeit. Diese Fete würde mächtig abgehen, so wie sie die Hauptbeteiligten kannte. Und ihre Eltern würden kräftig mitmischen, nahm sie an. Neben dem halben Wohnort des betroffenen Paares würden viele weitere Freunde ihrer Erzeuger anwesend sein. Eine sichere Bank, dass niemand ihr eigenes spätes Nachhausekommen bemerken würde. Um die Art des momentanen Informationsaustausches zu intensivieren, ließ sie ihre rechte Hand auf seinem linken Bein ebenfalls auf Wanderschaft gehen. Und er wies dies nicht zurück. Ihre Bedenken waren völlig unbegründet.
Ja, wäre es alleinig nach ihm gegangen, hätte es sich so fortsetzen können. Nicht ununterbrochen und bis in alle Ewigkeit, aber eine Weile, hielt er es schon durch. Kleinere Unterbrechungen gab es, da Sabine und Fritz einige Fragen beantwortet haben wollten und deswegen rumnervten. Gemütlich fand er es auf dem Sitz und mit dem einschränkenden Gurt leider nicht. Wegen der Erkundigungen der Anderen waren ihnen kurze Atempausen vergönnt, welche sie zum Reden nutzten. Das mit den Namen musste er unbedingt klären. Aha, Erika hieß gar nicht Gisela, sondern Natascha. Schön, das würde er sich nicht merken. Er bat alle Beteiligten, ihn Tom zu nennen. Dies war nicht der Name, mit dem er sich zuvor in großer Runde vorgestellt hatte. Sein bürgerlicher Name war ein anderer, der hier aber unerwähnt blieb. Ihn so anzusprechen, wie er mochte, damit hatte niemand Probleme. Alle willigten ein, dies zu tun. Und er bat Martina, sie Wave nennen zu dürfen. Was er erklären musste, womit er keine Not hatte, außer es flüssig hinzubekommen. Er beschrieb, es wäre die Art und Weise gewesen, wie sie auf sich aufmerksam gemacht hätte. So wie er sie zuerst wahrnahm, nämlich winkend. Er leitete dies von „Waving hands“ ab. Sie sagte, sie fände das total süß. Und bekräftigte ihre Worte mit einem Kuss. Natürlich dürfe er sie so nennen. Jede(r) müsste dies künftig tun.
Alles fühlte sich gut und richtig an. Sie freute sich auf die Disco. Es wäre herrlich, wenn sie ihren Glücksgefühlen durch Bewegung Ausdruck verleihen könnte. Von Tanzen konnte sie nie genug bekommen. Ob er mit ihr schwofen würde oder ob es sich bei ihm um einen Tanzmuffel handeln würde, wie bei so vielen, ihrer männlichen Bekannten? Letzteres wäre schade. Ein dicker Minuspunkt. Aber ein Ausschluss-Kriterium, würde es nicht darstellen. Dazu fühlte sich die momentane Beschäftigung zu gut an. Sie freute sich, dass die Unterbrechungen durch den Fahrer und ihre Freundin von kurzer Dauer waren. Wobei diese kleinen Gespräche etwas brachten. Diese versorgten sie mit weiteren Informationen und sie lauschte seiner Stimme, von der sie fasziniert war. So wie von seinen Augen, seinen Lippen, seiner verspielten Zunge. Überhaupt hatte er sie tief beeindruckt. Als sie nochmals auf ihre Namen zurückkamen, hatte sie den Eindruck, dass er über kein gutes Gedächtnis verfügte. Genauer begründen wollte sie dieses Gefühl nicht. Dass er ihr einen Spitznamen verpasste und schlüssig begründete, fand sie putzig. Er Tarzan, sie Jane? Sie Bonnie, er Clyde? Nein, er Tom, sie Wave! Das klang schmeichelnd für ihre Ohren. Es hatte etwas Verschwörerisches. Sie liebte solche Erlebnisse, die waren besser als Langeweile und Tristesse. Sie bezog das nicht auf eine sexuelle Ebene. Damals dachte sie im Bezug auf Abenteuer, nicht an solche Zusammenhänge.
Er freute sich. Zwar hatte er keinen Plan, aber hätte er einen entwerfen müssen, würde dieser ähnlich ausgesehen haben, wie es ohnehin schon ablief. Fabelhaft. Irgendwann erreichten sie den Parkplatz der Diskothek. Man dürfte ihn nicht fragen, wo er sich befand. Eine sichere Antwort, hätte er erst ein paar Minuten später geben können. Nicht bevor er sich gründlich umgesehen haben würde, denn von der Fahrt selbst hatte er nur wenig mitbekommen. Von ihr hingegen eine ganze Menge. Bald standen die acht Leute komplett versammelt auf dem Platz vor der Disco. Ein schöner Anblick, fand er. Sie suchte Kontakt zu ihren Freundinnen. Er verspürte keinen Drang, sich zu Louis und Hugo zu gesellen. Einem Schoßhündchen gleich, wich er kaum von ihrer Seite. Und er hoffte, sie damit nicht zu nerven.
Als sie auf den Parkplatz der Disco einbogen, freute sie sich. Zwar fand sie das, was während der Fahrt geschah extrem schön. Aber sie verspürte den Drang, ihren Freundinnen die Freude mitzuteilen und mit ihnen zu teilen. Besonders mit Michaela. Zudem musste sie dringend Pipi. Nachdem sie auf dem Parkplatz zum Halten gekommen waren, zwängte sie sich aus dem kleinen Fahrzeug und eilte auf das andere Auto zu, um ihrer Freundin freudig um den Hals zu fallen. Sie hatte keine Angst, dass er ihr Verhalten als Flucht deuten könnte. Dieser Gedanke lag ihr fern. Dass er ihr folgte, statt zu seinen Kumpels zu trotten, bemerkte sie zunächst nicht. Michaela befand sich bester Laune, trotz dass sie gefahren war und daher weder in den Genuss von Alkohol, noch irgend jemands Zärtlichkeiten, gelangt war. Ihr zeitweiser Beifahrer Hugo hatte sie gut unterhalten und heftig angeflirtet. Ein echter Charmeur, etwas Oldschool, aber süß. Sie war sich nicht sicher, ob da mehr laufen könnte.
Die Mädels teilten ihre Freude stets intensiver miteinander, als es die Jungs jemals taten. Er verstand nicht wieso. Sicher konnte das mit deren gemeinsamen Besuchen auf der Damentoilette zusammenhängen. Er vermutete, dass es eine Sache der Erziehung sei. Jungs verbot man immer Gefühle öffentlich zu zeigen, da dies als Zeichen der Schwäche gedeutete wurde. Männer waren das starke Geschlecht, die Beschützer, und konnten es sich nicht leisten, verwundbar zu wirken. So ein Blödsinn! Er war genauso aufgewachsen und erzogen, daher fand er dies tief in sich verankert. Es fiel ihm schwer, aus dieser Rolle auszubrechen. Selbst dann, wenn er es immer wieder hinterfragte. Seine Freunde standen am Wagen der Mädels. Wäre er etwa zwei Jahrzehnte später in den USA zur Welt gekommen, hätte er seine Kumpel mittels „High Five“ begrüßt. So jedoch, schenkte er ihnen keine großartige Beachtung. Er ließ sich unbewusst zu einem nahezu ansatzlosen kurzen Nicken in deren Richtung hinreißen, zu einem kleinen Grinsen. Das war alles. Seine Augen ruhten auf ihr und sein Körper, folgte dem ihren in geringem Abstand. Sie strömte stetig vorwärts, bis sie Margit erreichte. Ihn schien sie nicht zu bemerken. Dafür wurde er von ihrer anderen Freundin, Viona, gestoppt. Diese laberte ihn an. Und sie fand etwas an ihm nicht in Ordnung, sein Gesicht wurde von ihr bemängelt. Er versuchte Mathilde mehr Aufmerksamkeit zu schenken und vernahm irgendetwas über verschmierten Lippenstift.
Michaela schloss sie in die Arme und drückte sie eine Weile. Ein gutes Gefühl, so willkommen und geborgen zu sein. Als die Fahrerin sie wieder aus der Umarmung entließ, strahlte sie die Freundin an. Doch diese machte sie darauf aufmerksam, dass in ihrem Gesicht etwas nicht stimmte. Oh jeh, ein Drama. Warum hatte man ihr dies nicht früher mitgeteilt? Sie wendete ihren Blick und sah, dass er vor Eva stand. Diese wühlte in ihrer Handtasche und sprach irgendetwas mit ihm und machte sich daran, mit einem Papiertaschentuch durch sein Gesicht zu wischen. Wie konnte sie? Dann verstand sie und wollte vor Scham im Boden versinken. Es musste an ihrem Lippenstift gelegen haben, welcher sich verschmiert in ihrer beider Antlitz befand. Die Schamesröte, mit der zugehörigen Wärme, schoss ihr ins Gesicht, das sie wieder Michaela zuwandte. Die ältere Freundin hielt ihr ein Tempo hin und raunte: »Klo! Sofort!!«