Читать книгу Wave - (Hello) - Peter Michel - Страница 13

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Schloss

Seine Achtung für die Damen stieg ständig. Zwar hielt er sich und sein Agieren in jener Nacht für genial. Doch mit der Perfektion der Weiblichkeiten wollte er sich nicht messen. Er gab ihr Halt und sie ihm. Dass die Mädels gegen diesen abrupten Abschied waren, ließ sie noch eine Spur einladender erscheinen. Auch wenn ihm eine Steigerung kaum möglich schien, schafften sie es doch, diese immer herholen zu können. Die Vorschläge seiner Angebeteten und der Fahrerin rissen ihn hin. Klar, Fritz war sein Schlaf gegönnt. Sie hatten ihn schon weitaus länger und intensiver beansprucht, als vorgesehen. Und im Gegensatz zu ihnen würde er nicht ausschlafen können. Daher erfolgte wieder eine Verteilung auf die Fahrzeuge. Alles wie gehabt, keine Experimente. Er hielt sich keineswegs für autistisch und verschlossen. Doch was sich passend und ideal erwiesen hatte, bedurfte nicht der Veränderung. Dieser hätte er energisch widersprochen. Die Fahrt dauerte keine fünf Minuten und es geschah nichts von Belang.

Sie war aufgeregt. Gespannte Erwartung. Sie freute sich darauf, ihm ihr Zimmer und alles andere zu zeigen. Dass er auf dieselben Poster und Einrichtungsgegenstände stehen würde, wagte sie zu bezweifeln. Männer hatten mit Romantik und schönen Dingen nichts am Hut. Die standen auf Fußball, Bier, Titten und Autos. Auf der kurzen Fahrt schmiegte sie sich an ihn und genoss die Wärme seines Körpers. Ihr war bewusst, dass sie ihn kaum kannte. Doch, so rein vom Gefühl her, verhielt sich das anders. Eher so, als würden sie sich seit einer Ewigkeit vertraut sein, sich Jahrtausende begleiten und als würde er sie komplettieren und ergänzen. Nein, in einigen Punkten unterschied er sich deutlich von ihren bisherigen Freunden. In den meisten davon positiv. Das konnte nicht alleine an Sekt und Bier liegen. Es überraschte sie, brachte sie aber zum Frösteln, denn diese Erkenntnis und diese Vertrautheit wirkten nicht normal und ein wenig beängstigend.

Trotz, dass sie bis eben getanzt hatte, fühlte sie sich nicht warm an. Nur etwas schwitzig und klebrig, aber dennoch angenehm. Sie glühte nicht, wirkte ausgekühlter, als er. Doch er wärmte sie gerne. Das Gebäude samt zugehörigem Grundstück machte einen gewaltigen Eindruck auf ihn. Nicht erdrückend, sondern eher einladend. Mitnichten ein Schloss, obgleich hier eine Prinzessin wohnte. Nicht so steril, wie einige vergleichbare Immobilien. Doch er hatte kein Auge dafür, denn seine ungeteilte Aufmerksamkeit galt ihr. Prinzipiell hätte er ihr beim Aussteigen geholfen. Aber in diesem alkoholisierten Zustand reagierten sein Gehirn und sein Körper nicht synchron und schnell genug. Erst einen Moment später stand er ihr wieder zur Seite. Ein wenig beklemmend fand er es, eventuell so doch auf ihre Eltern zu treffen. Kurz huschte ein Gedanke an seine Erziehungsberechtigten durch seine Hirnwindungen. Ärger würde es so oder so geben. Ihm stand der Sinn erst mal nach mehr Genuss. Davon konnte man nie genug bekommen. Die Einrichtung nahm er nur beiläufig wahr. Er bemerkte, dass er nicht bei armen Leuten gelandet war. Alles wirkte stilvoll und stimmig auf ihn. Keinesfalls übertrieben und protzig. So, wie auch sie ihm perfekt erschien.

Er fühlte sich kuschelig warm an. Woher nahm er nur diese Hitze, obwohl er sich beim Tanzen kaum bewegt hatte? Für Grundstück, Gebäude und Einrichtung schien er sich nicht sonderlich zu interessieren, wie sie schon erwartet hatte. Öfter spürte sie seinen Blick auf sich selbst gerichtet. Wenn sie ihn ansah, bestätigte sich, dass er nur ein Auge für sie hatte. Nein, nicht eines, eher beide und diese wirkten wach und interessiert. In ihrem Zimmer angekommen, ließ sie sich ihr Bett nicht streitig machen. Mangels weiterer Sitz- und Liegegelegenheiten mussten sie es sich mit Michaela und deren Begleiter teilen, aber das war zu verkraften. Solange die Bettkonstruktion vier Personen trug, war das in Ordnung. Die Mädels waren eher leicht und so bullig und massig wirkten Tom und der andere Mann nicht. Da gab es durchaus eine Menge schwererer Leute. Sie war froh, wieder zuhause zu sein. Natascha hatte auf einem Sessel platz genommen. Sie sah darin etwas verloren und traurig aus. Das dritte Paar nahm ebenfalls ein solches Sitzmöbel in Beschlag. Bald machte sich die Single-Frau daran, alle mit Getränken zu versorgen, welche in einer Ecke von Waves Zimmer standen. Sie tat sich nützlich, um nicht sinnlos zu erscheinen. Und sie war die Erste, die auf Toilette entschwand.

Er fühlte sich genötigt und schuldig, daher erkundigte er sich bei Hugo nach dessen Befinden. Dieser beschäftigte sich mit der Fahrerin und nahm ihn nicht wahr oder er reagierte zumindest nicht auf seine Frage. Das brachte ihn zu der Annahme, dass die Quetschungen nicht so heftig sein konnten und Hugo ausreichend für seine Leiden entschädigt wurde. Tom nippte kurz an seinem Getränk, es schmeckte ihm nicht mehr. Das lag nicht am Bier, welches nicht verdorben und eher köstlich war, sondern an der Menge, die er davon zuvor genossen hatte. Dann widmete er sich ausgiebiger seinem himmlischen Gegenüber. Das Bett bot mehr Platz, als sie im Auto hatten und war bequemer. Doch insgesamt gesehen, war es für vier Personen zu klein und es befanden sich zu viele Leute im Raum. Die Angst vorm Auftauchen ihrer Eltern, hing wie ein unsichtbarer Schatten über ihnen. Wahrnehmung hin oder her. Ein wenig Musik konnte nicht schaden. In der kurzen Unterbrechung, in der wieder ein paar Mädels zur Toilette trabten, schaute er sich suchend im Zimmer um und erspähte eine kleine kompakte Stereo-Anlage. Die Schallplatten und Kassetten, welche er daneben vorfand, trafen nicht alle seinen Geschmack. Vieles davon zu poppig, schmalzig, kommerziell.

Auf Toilette hatten sich die Mädels getroffen. Zufall oder Absicht, niemand wusste das genau. Die Benutzung konnte nur nacheinander erfolgen. Sie hatten sich einiges zu erzählen. Es ging dabei in erster Linie um die jungen Herren, welche in Martinas, Zimmer weilten. Oder in Waves, wenn es rein nach ihm gegangen wäre. Könnte sie sich daran gewöhnen, so genannt zu werden? An das, was er mit ihr tat, darauf stand sie. Der Zustand, welchen er auslöste, danach war sie fast süchtig. Denn schöner konnte es kaum sein. Obwohl sie gerne schnell wieder zurückwollte, wartete sie bei den Anderen, bis sie alle fertig waren. Gesprächsstoff hatten sie genug. Es kam es ihr nicht lange vor, bis sie gemeinsam zurückkehrten. Geballte Frauenpower. Umso erstaunter war sie, als ihr leise Musik in die Gehörgänge drang. Nicht unbedingt eines ihrer Lieblingstapes, obwohl sie es gut kannte. Sie hatte es geschenkt bekommen, zu einem Geburtstag oder zu Weihnachten. Wer dafür verantwortlich war, dass es nun lief, hatte bedächtig gehandelt. Die Lautstärke schien ihr für diese Art von Musik zu leise, doch weise gewählt. Die drei Herren befanden sich biertrinkend ebenfalls im verbalen Austausch. Wandten sich aber sofort wieder ihren Freundinnen und ihr zu und stellten ihr Gespräch ein.

Das hier, so witzig, komisch und albern es im Kreise der Kumpels begangen wurde, war etwas Großes und ernst. Er sah das zumindest so. Man konnte mit den Freunden herumalbern. Sobald die Mädels wieder zurück waren, hatte man eine andere Ebene zu finden. Das stand für ihn zweifelsfrei fest und genauso handhabte er es. Die Mucke gefiel ihm gut, was nicht verwunderlich war, denn er hatte sie ausgesucht. Musik spielte in seinem Leben von jeher eine große Rolle. Sicher hatte er diese bereits im Mutterleib vernommen. Unterbewusst und ohne die Möglichkeit der Einflussnahme. Später, als er sich im Zimmer seines älteren Halbbruders beschallen ließ, konnte er darauf nicht Einfluss nehmen. Jedoch wurde er von diesen Klängen eher geprägt, als von den Liedern seiner Eltern. Was ihm die Sache nicht in allen Punkten vereinfachte. So war er froh, dieses Tape in ihrer Musiksammlung entdeckt zu haben. Es entspannte ihn. Kurz schwebten die Mädels gemeinsam ein, dann verabschiedete sich die Gesprächspartnerin von Fritz.

Natascha ging bald und das verübelte ihr niemand. Denn alle Leute hier konzentrierten sich jeweils nur auf eine Person. Für sie blieb kein Gegenüber übrig und die Rolle des berüchtigten fünften Rades am Wagen war nicht sonderlich beliebt. Für die restlich verbliebenen Mädchen und Jungs wurde die Zeit langsam knapp. Bald verabschiedeten sie sich alle. Die Mädels nahmen ihre jeweiligen Auserwählten mit nachhause. Sie hegten die Hoffnung, diese dort unauffällig übernachten lassen zu können. Denn es war so gekommen, dass Michaela doch Alkohol konsumiert hatte und sich daher weigerte zu fahren. Wie es konkret passiert war, konnte niemand nachvollziehen. Sauer auf sie zu sein brachte nichts. Das Angebot, dass ihr momentaner Partner, also einer der Jungs, das Fahrzeug steuerte, lehnten alle ab, denn dieser fand sich recht betrunken in ihren Armen. Doch der Biertrinker beurteilte die Situation anders und schätzte sich selbst für absolut fahrtüchtig ein. Gegen die Mehrheit gab er sich mürrisch geschlagen und trottete lamentierend hinter seinem temporären Lieblingsweib her.

Endlich mit ihr alleine zu sein, löste in ihm nicht nur Glücksgefühle, sondern auch etwas Angst aus. Keiner mehr da, der ihm zur Seite stehen und Rückhalt bieten könnte. Anderseits niemand, welcher seine Konzentration störte oder vor dem man in irgendeiner Form Scham zeigen müsste. Nachdem alle gegangen waren, wurde es bedeutend ruhiger. Das war gut so. Die Getränke hatte man vorher aufgeteilt, denn Wave wollte den Kram endlich los sein und wieder etwas mehr Ordnung in ihr Zimmer bekommen. Den diesbezüglichen Wunsch, konnte er nicht gänzlich nachvollziehen, denn in seinen Augen sah alles ordentlich aus und eine Steigerung wäre kaum möglich gewesen. Bryan Adams mühte sich, doch er quälte sich leise. Toms Sinne hatten Mühe mit ihrem Körper, ihrem Geist und ihren Reaktionen klarzukommen. Vielleicht wäre es dafür besser, nüchtern zu sein. So lief das nicht geräuschlos ab und völlig tonlos konnte er nicht auf ihre Hände, welche behutsam tastend seinen Leib erkundeten, reagieren. Als wäre er nicht mit seinem Körper ausgelastet gewesen.

Sie genoss die Ruhe. Wenn sie niemand ablenkte, konnte sie sich auf ihn konzentrieren. Tanzen konnte er offenbar nicht. Einen gemeinsamen Musikgeschmack teilten sie nur bedingt. Denn das Tape, welches lief, hatte sie geschenkt bekommen, aber nicht, weil es auf einer Wunschliste stand. Den Grund dafür kannte sie nicht mehr. Klar, man konnte es hören. Oft hatte sie dies nicht getan. Zum Tanzen fand sie es nur mäßig geeignet. Aber trotz alledem, irgendetwas hatte dieser Junge an sich. Sie war gespannt, wie das am nächsten Tag und in nüchternem Zustand ausschauen würde. Wie würde es sich anfühlen? Wie wäre das Gefühl ihm gegenüber? Gäbe es dann mehr Gemeinsamkeiten oder würde man sich gegenseitig schrecklich finden? Unklar, ob es für beide einen nächsten Tag zusammen geben würde. Erst recht, falls sie von ihren Eltern ertappt wurden. Es blieb ihr nichts, als es abzuwarten. Raus in die Nacht und fortschicken mochte sie ihn nicht. So etwas tat man nicht. Dagegen sprach ihre Erziehung und alles Andere. Sie, eine Welle. Der Gedanke gefiel ihr. Nette Idee von ihm. Nun rückte in ihr Bewusstsein, dass ihre Eltern jeden Augenblick zurück sein könnten. Wenig später vernahmen sie eindeutige Geräusche von der Haustür her.

In nüchternem Zustand wäre ihm das in dieser Form nicht passiert. Niemals würde er so aus sich herausgekommen sein. Für Augenblicke wie diese dankte er dem Alkohol und allem, damit Verbundenem. Wem oder was konkret, darüber dachte er nicht nach. Freilich, so rein und von gewisser Distanz betrachtet, hätte es ihm körperlich, wie geistig besser gehen können. Jedoch nicht emotional. So wohl hatte er sich lange nicht mehr gefühlt. Da spielten physische Rückmeldungen kaum eine Rolle und Angst verspürte er keine. Zumindest nicht bis zu dem Augenblick, an welchem jemand sich eindeutig Zugang zur Wohnung verschaffte. Ihre Eltern, wie er vermutete. Sofort befand er sich in einem Notfall-Modus. Eine Idee musste her. Dufte würden ihre Erziehungsberechtigten es sicher nicht finden, wenn ihr minderjähriger Spross sich um vier Uhr morgens, mit ihnen unbekanntem Herrenbesuch abgab. Doch es mangelte ihm an Ideen, wie es zu vermeiden gewesen wäre, erwischt zu werden.

Für sie war die Situation keineswegs einfach oder angenehm. Sie empfand eine natürliche Furcht, vorm Erwischtwerden durch ihre Eltern. Dabei spielte die Menge des von ihr unerlaubterweise konsumierten Alkohols, die weitaus kleinere Rolle. Das wesentlich größere Problem lag neben ihr. In Form eines alkoholisierten jungen Mannes, welcher ihr selbst nicht viel vertrauter war, als ihren Eltern. Obwohl sie das Gefühl nicht loswurde, ihn seit Ewigkeiten zu kennen. Für sich löste sie die Aufgabe, indem sie sich, wie sie war, samt Klamotten, aber ohne Schuhe ins Bett legte. Ihre fast komplett über sich gezogene Decke, empfand sie als sommerlich leicht. Ihr Puls und ihre Atmung gingen schnell, doch sie stellte sich schlafend. Für ihn hatte sie keine Hinweise parat.

Er wünschte, sich verkriechen zu können. Eine Decke wäre ihm dafür recht gewesen. Doch diese Option blieb Tom versagt. Von ihr kam leider kein Rat. Daher suchte und fand er den Lichtschalter. Nachdem er diesen betätigt hatte, wurde er von plötzlicher Dunkelheit umhüllt. Nur durch die Tür drang etwas Licht. Den gegenteiligen Vorgang, nannte man geblendet. Doch wie dies hier zu bezeichnen wäre, wusste er nicht. Darüber hatte er sich keine tiefgehenden Gedanken gemacht. Ein weiterer kleiner Lichtschein verblieb, dieser kam zusammen mit gemäßigten Klängen von der Stereoanlage. Er versuchte, diese zu erreichen, ohne zu stolpern. Es gelang ihm leidlich. Auf die Schnelle fand er leider nicht den Knopf zum Ausschalten. Mist! Aber jetzt egal. Die Musik war leise, der Lichtpegel gering. Er suchte Deckung. Sah nicht sonderlich viel und presste sich daher in einer kleinen Lücke hinter einem Schrank an die Wand. Er dachte, diese Szene aus Dutzenden Filmen zu kennen, wenn sich der Liebhaber vor dem eifersüchtigen Ehemann versteckte. Im aktuellen Fall war die Sachlage nicht weniger brisant, aber doch etwas anders. Eine große Gemeinsamkeit fand sich jedoch, nämlich, dass ein Verstecken meist rein gar nichts brachte. Daher fühlte er seinen Puls rasen und meinte sogar das Schlagen des eigenen Herzens und das Rauschen seines Blutes sei so extrem laut, dass es die Nachbarn hören müssten und es diese am Schlaf hinderte.

Angestrengt lauschte sie ins Halbdunkel. Von ihm hörte sie nur ein winziges kurzes Rascheln. Die Geräusche im Haus waren ihr vertraut. Ihre Eltern bemühten sich um Ruhe, verursachten aber mehr Lärm, als beabsichtigt. Offenbar hatten diese exzessive gefeiert. Was einen nicht unerheblichen Alkoholkonsum mit sich gebracht hatte. Das fand sie unfair. Ihr wurde alles, was Spaß brachte verboten. Doch in diesem Punkt gingen ihre Eltern nicht mit gutem Beispiel voran. Es dauerte eine Weile, bis die Geräusche nachließen und ihr wurde unter der Decke kuschelig warm. Wäre sie nicht so aufgedreht und so beunruhigt gewesen, könnte sie sicher bald eingeschlafen sein. Der Tag und die Nacht waren schön, doch anstrengend. Er tat ihr leid, aber sie konnte nicht viel tun. Außer zu hoffen und tonlos zu beten. Wenig später wähnte sie ihre Alten im Bett. Glücklicherweise hatten sie nicht vorher nach ihr geschaut. Dies taten sie seit ein paar Jahren nicht mehr. Aber man wusste nie. Leise flüsterte sie ihm, er solle zu ihr kommen.

Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, in welcher er sich nicht gut fühlte. Die wohltuend kühle Wand, in seinem Rücken, gab ihm etwas Halt. Er fand die Situation mehr als drückend. Diese Stille empfand er nicht angenehm. Wenn er ans Erwischtwerden und an die Folgen dachte, das Geschimpfe, den Ärger, wurde ihm übel. Es kostete eine Menge Körperbeherrschung, nicht zu brechen. Was war mit ihr, pennte sie schon seelenruhig? Sie hatte es bequemer als er, das stand fest. Doch ein eventueller Ärger, wäre beider Problem. Die Tatsache, dass er es auf die Schnelle nicht geschafft hatte, die Anlage abzuschalten, ärgerte ihn. Er mochte Geräte wie diese und beschäftigte sich gerne damit. Jedoch in aller Ruhe und nicht in totalem Stress. Er erschreckte sich, als er ihre Stimme endlich vom Bett her flüstern hörte. Zuerst verstand er sie akustisch nicht. Doch er interpretierte es so, dass die Hauptgefahr vorüber sei und er sich wieder zu ihr gesellen solle. Sie sprach leise, ein sicheres Zeichen dafür, dass gar nichts vorbei war.

Um ihren Worten mehr Sinn zu geben, stand sie langsam und vorsichtig wieder auf und schaltete das Licht an. Im Gegensatz zur Wärme unter der Decke, empfand sie es nun angenehm kühl. Die Helligkeit blendete etwas. Er kam bedächtig aus seinem Versteck. Sein Anblick zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht. Er wirkte so fragil, niedlich irgendwie. Sie begab sich zur Anlage und schaltete diese selbst ab. Zur aktuellen Lage brauchte sie ihm nichts zu erzählen. Er sah so aus, als wüsste er bestens Bescheid. Es galt weiterhin, höchste Vorsicht walten zu lassen. Sie konnte nicht sicher sein, wie tief und fest ihre Eltern schliefen und ob sie nicht aufs Klo mussten oder Sonstiges. Apropos WC. Sie fragte, ob sie etwas für ihn tun könnte, ob er was benötigte. Und siehe da, er konnte flüstern.

Kaum, dass er begonnen hatte, sich zu bewegen, fühlte er sich geblendet. Krass, wie grell die normale Zimmerbeleuchtung wirkte. Grußlos, aber lächelnd huschte sie an ihm vorüber. Er spürte den sanften Lufthauch, ihren Duft vernahm er kaum. Kurz darauf verstummte Bryan. Ihm war etwas übel, er hatte Appetit auf ein wenig feste Nahrung. Das genossene Bier wirkte hierfür recht anregend. Und es löste nicht nur ein leichtes Hungergefühl, sondern zusätzlich einen erheblichen Druck auf der Blase aus. Er musste dringend mit ihr reden. Denn ohne ihre Hilfe würde er innerhalb kürzester Zeit ein paar mittelschwere Probleme bekommen. Den Weg zur Toilette kannte er nicht und eine Imbissbude befand sich in ihrem Zimmer seltsamerweise nicht. Gut, dass sie ihn darauf ansprach. Ob er etwas benötigte? Konnte dieser Engel hellsehen? Klar, er schilderte ihr seine Bedürfnisse. Und sie nickte verständnisvoll. Dann bedeutete sie ihm, ihr leise und vorsichtig zu folgen. Etwas Nahrung hätte sie ihm zwar beschaffen können, aber für ihn pullern konnte sie schlecht. Auch wenn er sich das lustig vorstellte. Sie offenbar gleichfalls, denn sie grinste breit. Ohne Schuhe kam sie ihm schon ein Stück kleiner vor.

Gemeinsam mit ihm schlich sie zunächst zum Bad. Sie ließ ihn zuerst gehen, denn bei ihm erschien es ihr dringender. Außerdem hatte sie ein paar Dinge mehr dort zu erledigen. Doch sie war überzeugt davon, dass er ihr, unter normalen Umständen, den Vortritt gelassen hätte. Während er im Bad werkelte, achtete sie nicht mehr auf ihn. Eher bemühte sie sich, durch ihre Eltern möglicherweise verursachte Geräusche wahrzunehmen. Doch da war nicht viel. Nebenbei überlegte sie, wie es weitergehen konnte. Was würde jemand wie er gerne essen? Sie kam zu dem Schluss, dass Brot, Wurst und Käse, nicht verkehrt sein konnten. Ein Joghurt zum Nachtisch. Das würde kaum Aufmerksamkeit erregen, sofern sie keine Spuren hinterließen. Daher beschloss sie, auf einen zweiten Löffel zu verzichten. Ekel oder dergleichen fand sie fehlplatziert. Schließlich hatten ihre Zungen sich ausgiebig umkreist und miteinander gerungen. Dann konnte man ohne Bedenken den gleichen Löffel nutzen. Tom in ein paar Stunden unauffällig aus dem Haus zu bekommen, konnte so schwer nicht werden. Ihre Eltern würden etwas länger pennen, ebenso wie ein Großteil der Nachbarschaft. Als er nach kurzer Zeit wieder bei ihr erschien, gab sie ihm einen Kuss und weihte ihn in ihre Pläne ein. Leise, schnell. Er schien zu begreifen und einverstanden. Dann entschwand sie im Bad und er wartete vor der Tür.

Den unbekannten Weg, versuchte er sich einzuprägen. Doch es war ihm bewusst, dass dies genauso erfolglos verlaufen würde, wie die Sache mit den Vornamen, der eben kennengelernten Damen. Zum Scheitern verurteilt, aber dennoch von einer gewissen Wichtigkeit. Er hätte ihr den Vortritt gelassen, sogar in seinem jetzigen Zustand. Doch sie schien die Dringlichkeit treffender zu beurteilen und schob ihn sanft hinein. Hinter ihm schloss sie von außen die Tür, welche sie anschließend bewachte. Das Bad fand er überwältigend, groß, sauber und stilvoll. Er bemühte sich, sich manierlich zu benehmen und keine Spuren zu hinterlassen. Dazu gehörte unter anderem, dass er nicht im Stehen pinkelte. Sitzen tat ihm ohnehin wohler. Trotz dieser Prozedur und gründlichem Händewaschen, fand er, dass er schnell wieder bei ihr war. Ihr Kuss entspannte ihn augenblicklich. Und ihr Plan klang gut und durchdacht. Während er auf sie wartete und die Tür von außen bewachte, kam ihm dies lange vor. Er erwartet schon, dass es draußen wieder hell wurde. Ihm fiel ein machohafter Spruch ein, doch er dachte diesen Gedanken nicht weiter. Im Bad hatte sie mehr Möglichkeiten, als er. Ja, ein wenig Schminke musste sicher runter und bestimmt würde sie das Bad nach ihrem anschließenden gemeinsamen Mahl erneut aufsuchen, um Zähne zu putzen und so weiter. Dies war eine Option, welche für ihn mangels Zahnbürste entfiel. Ärgerlich, aber kaum zu ändern. Denn mit ihrer Bürste mochte er nicht hantieren und noch weniger mit den Geräten ihrer Eltern. So groß war sein Bedarf an Nähe dann doch nicht. Andere Gerätschaften für Gäste befanden sich leider nicht im Hause. Ob er sich mittels Finger und Zahnpasta mühen würde, ließ er offen. Nicht seine erste Wahl, aber besser, als gar nichts.

Oh ja, sie hatte im Bad einige Sachen zu erledigen. Es schien zwar alles von selbst zu laufen, dennoch fand sie sich mit Gedanken an den weiteren Ablauf beschäftigt. Zu ihrer Überraschung sah sie sich im Spiegel zur Zahnbürste greifen. Kein sinnvoller Schritt. Sie empfand es als unhöflich, ihn alleine speisen zu lassen. Also würde sie eine Kleinigkeit essen. Sie konnte später wieder ins Bad, um weitere Dinge, wie die Zahnpflege zu erledigen. Für ihre Begriffe stand sie schnell bei ihm. Während sie Tom den Weg zu ihrem Zimmer wies, schlich sie in die Küche. Dort machte sie sich an Kühlschrank, Brotkasten und Besteckfach zu schaffen. Leise, alles extrem vorsichtig. Genauso transportierte sie die Dinge in ihr Zimmer. Es kam ihr vor, als würde er sie ungeduldig erwarten. Viele Worte sprachen sie aus lauter Angst vor Entdeckung nicht mehr. Es ging ohne. Und in der Tat verspürte sie ein kleines Hüngerchen. Es schmeckte ihr wunderbar. Er griff beherzt zu, schlang aber nicht übermäßig. Ihre erste gemeinsame Mahlzeit. Ob weitere folgen würden? Bald hatten sie die mitgebrachten Leckereien aufgegessen. Er mehr als sie. Sie fühlte sich satt. Wie es ihm ging, wusste sie nicht. Es war seltsam, in aller Stille und doch nicht alleine zu essen. Dazu noch in ihrem Zimmer.

Wohl fühlte er sich nicht, mit der Aufgabe leise und ohne sie zu ihrem Raum zurückzukehren. Was nun, wenn er versehentlich die falsche Zimmertür öffnete? Außerdem würde er wieder in relativer Dunkelheit und Stille auf sie warten müssen. In einem fremden Raum, in einem unbekannten Haus, in einem Dorf, welches nicht seins war. Ohne Musik. Erschöpft und halbwegs betrunken. Nicht einfach. Nicht leicht wach zu bleiben und genauso schwer, einzuschlafen. Wie er bereits vorher bemerkt hatte, verstanden sie sich großartig, selbst ohne Worte. Arg lange brauchte er diesmal nicht warten. Ihr Klogang war ihm wesentlich dauernder vorgekommen. Sie kehrte vollbeladen zurück. Er bewunderte sie dafür, mit welchem Geschick sie mit all der Nahrung und dem Zubehör umging. Selbst nüchtern und mit höchster Konzentration wäre es ihm schwergefallen, nichts davon fallen zu lassen. Auf dem langen Weg von der Küche zu ihrem Zimmer. Schleichend. Gut, dass sie schnell wieder da war. Ihre Gesellschaft empfand er als angenehm. Beim Essen und überhaupt. Seine Befürchtungen, dass sie zu wenig oder nur ungenießbare Dinge mitbrachte, erwiesen sich als unbegründet. Alles war reichlich vorhanden und schmeckte lecker. Ein Träumchen. Für ihn blieb dabei mehr, als sie aß. Doch dafür konnte er nichts. Zum Nachtisch zwei Joghurts, je einer pro Person. Mit nur einem Löffel. Überhaupt kein Problem. Jetzt noch runterspülen das Ganze. Dazu öffnete er die letzten Bierflaschen per Flaschenöffner. Und er erinnerte sich an ein Ritual, welches ihm aus seiner momentanen Gegenwart geläufig war. Sie stießen vorsichtig miteinander an und tranken Brüderschaft beziehungsweise Geschwisterschaft. Sie kannte das gar nicht. Das war ihm klar und das spürte er.

Es fühlte sich gut an, ihn wieder zu sehen. Und es erfüllte sie mit Stolz, dass ihr Plan so weit glatt gelaufen war. Sie durfte nicht in Übermut verfallen. Bereits während des Essens stellte sie ihren Wecker. Es wäre auf jeden Fall gut, vor ihren Eltern aufgestanden und aus dem Hause zu sein. In ihre Berechnungen baute sie einen kleinen Puffer ein. Gar nicht einfach, wenn man selbst etwas beschwipst und ein wenig liebestrunken war. Er bestand darauf, einen Schlummertrunk mit ihr zu nehmen, um das Essen runterzuspülen, wie er sagte. Bevor sie protestieren konnte, hatte er zwei Bierflaschen dafür geöffnet. Ihr stand der Sinn überhaupt nicht nach Bier. Lieber hätte sie jetzt ein Wasser oder einen Tee getrunken. Doch darin, sich seinem Wunsch zu widersetzen, sah sie keinen Nutzen. Für ein Aufgussgetränk wäre es nötig, zunächst erst mal Wasser zu erhitzen. Zu aufwändig und auffällig. Offenbar vertrug er an Alkohol so einiges. Denn was er in ihrer gemeinsamen Zeit, getrunken hatte, war beachtlich. Man merkte es ihm kaum an. Was er vorher konsumiert hatte oder nicht, entzog sich ihrer Kenntnis. Er wollte mehr in sich hineinschütten, sollte sie sich Sorgen machen? Nein, nicht jetzt. Momentan war nur der Augenblick wichtig. Dieser war schön, selbst wenn sie in dem „Sauf-und-Knutsch-Ritual“ keinen Sinn entdecken konnte. Flüssigkeiten zuführen und küssen konnte man ohne so etwas. Das hatten sie getan. Trinken lag ihr zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so. Die Berührungen und Liebkosungen der Lippen fand sie bedeutend schöner. Sie war erstaunt, wie schnell er trotzdem sein Bier geleert hatte. Selbst trank sie nicht viel. Die angetrunkene Flasche stellte sie neben ihren Nachttisch, in der Hoffnung, dass weder er noch sie die Pulle umstoßen würden. Danach entschwanden beide kurz ins Bad. Diesmal erst sie, dann er.

Das Bier schmeckte ihm nicht sonderlich. Aber mit irgendetwas musste man das Essen runter spülen. Sie kämpfte härter mit sich selbst, um die Gerstenbrühe herunterzuschlucken. Ihre Flasche leerte sich kaum, was daran lag, dass es ihr weniger mundete, als ihm. Er war solche Schlachten gegen den eigenen Körper gewohnt. Diese mochte er nicht. Aber viel machten sie ihm nicht aus. Nicht zu Rülpsen fiel ihm schwer, doch er bemühte sich. Auch beim Knutschen gab er sich Mühe. Das konnte man schwerlich als Bemühungen bezeichnen. Denn es entwickelte sich immer mehr zum Selbstläufer. So herrlich, so natürlich, so automatisch. Als hätte er niemals etwas Anderes getan. Im Bad waren beide diesmal schneller fertig. Kaum zurück ging sie dazu über, sich zu entkleiden. Nur um kurz darauf in ein Nachthemd oder Sleepshirt zu schlüpfen. Bezüglich der korrekten Bezeichnung fühlte er sich nicht sicher. Und was er dabei zu sehen bekam, fand er unbeschreiblich. Was es mit ihm machte, konnte er schwer erklären. Zunächst brachte es ihn um seine Sprache und raubte ihm kurzzeitig sogar den Atem. Für sie schien das völlig normal zu sein. Er behielt sicherheitshalber seine Klamotten an. Das war nicht bequem, jedoch konnte niemand wissen, was passieren konnte. Und angezogen, fand er sich für alle Eventualitäten besser gerüstet. Sie kuschelten etwas im Bett, da dies nicht völlig geräuschlos verlief, stellen sie es bald ein.

Irgendetwas schien ihn mächtig zu beschäftigen. Kein Wunder. Gerne hätte sie ihm alle Sorgen genommen. Doch danach fragen wollte sie nicht. Die Sache mit der Zahnbürste verstand sie. Blöd, aber auf die Schnelle nicht zu ändern. Bezüglich ihrer Eltern brauchte er sich keine aufwändigen Gedanken zu machen. Im Prinzip fand sie diese recht cool und locker. Mit ein paar Ausnahmen. Doch wie sollte sie ihm dies vermitteln? Solange er sich nicht um ihren zu fetten Hintern sorgte, war alles in bester Ordnung. Oder? Blöd wäre, wenn er sein Verhalten ihr gegenüber plötzlich ändern würde. Was falls er mit einem Male gemein und gewalttätig auftreten würde? Völlig ausschließen konnte sie das nicht. Doch sie spürte, dass diese Befürchtung unnötig war. In ihren Ausgehklamotten würde sie nicht pennen, da zu unbequem. Und sie wollte sehen, wie er auf sie im Nachthemd reagieren würde. Wäre er verstört oder gar abgeschreckt, wenn er sie kurz nackt betrachten würde? Ungeschminkt war sie und noch hatte er nicht die Flucht ergriffen. Sie schlüpfte aus ihren Klamotten. Ihn zu fragen, ob er ihr dabei behilflich sein könnte, erschien ihr sinnlos. Er sah etwas unbeholfen aus. Künftig könnte man das ausprobieren, sofern er verfügbar wäre. Da sie beim Ausziehen mehr auf sich selbst konzentriert war, sah sie nicht, wie er sie währenddessen ansah. Schade, denn es hätte sie interessiert. Er rannte nicht fort. Nein, er war da, als sie in ihr Nachthemd schlüpfte. Gesagt hatte er nichts. Das lag sicher daran, dass sie vereinbart hatten, sich ruhig zu verhalten. Sie bot ihm den Rest ihrer Bierflasche an, doch er lehnte dankend und nahezu lautlos lachend ab.

Ihr Anblick – die pure Perfektion. Aus seiner Sicht. Selbst in der lockeren Nachtgewandung gefiel sie ihm ausgesprochen gut. Nicht leicht, dazu zu schweigen. Passende Worte hätte er jedoch nicht gefunden. Dieses Hemd/Shirt selbst fand er nur mittelmäßig. Es wurde durch seinen Inhalt geadelt. Ein Vergleich mit dem Bier oder Sekt erschien ihm naheliegend. Die Glasflaschen an und für sich, fielen einfach und gewöhnlich aus. Auch ähnelten sie einander. Schöne Etiketten konnte man darauf anbringen, die waren aber nur zierendes Beiwerk. Alleinig auf den Inhalt kam es an. Dieser machte die Qualität und den Unterschied aus. Und die definierte sich vorwiegend durch den Geschmack. Bei ihr verhielt es sich ähnlich, sie war genau nach seinem Gusto. Er behielt seine Klamotten an, bis auf die Schuhe. Es war ihm eine Ehre, neben ihr im Bett zu liegen. Für zwei Leute, welche aneinander gekuschelt lagen, bot es ausreichend Platz. Er fühlte sich müde, dennoch recht aufgekratzt. Es dauerte eine Weile, bis er einschlafen konnte.

Geflohen war er nicht. Das lag bestimmt daran, dass er nicht wusste wohin. Alleine raus in die dunkle Nacht, wollte er sicher nicht. Ein Taxi konnte er sich vermutlich nicht leisten. Sie vermochte nicht genau einzuschätzen, wie viel Distanz zwischen den Dörfern lag. Von ihrem Kaff, bis zu dem der Herren. So gut kannte sie sich nicht in der Umgebung aus. Aber billig wäre die Fahrt sicher nicht. Selbst wenn sie zusammengelegt hätten, ein teurer Spaß für so junge Leute. Vielleicht würde er weg sein, sobald es hell wurde. Oder er nüchtern agieren konnte. Sie hatte sich darauf gefreut, am Wochenende ausschlafen zu können. Nun würde ihr Wecker in wenigen Stunden wieder Alarm schlagen. Ärgerlich. Anderseits stellte dies einen vertretbaren Preis dar, für den Spaß, welchen sie in dieser Nacht gehabt hatte. Und zwei ihrer Freundinnen ging es nicht besser. Die Jungs hatten mehr getrunken. Wenn sie nicht speziell darauf trainiert waren, würde es ihnen übler gehen. Seine Nähe und Körperwärme fühlten sich gut an. Sie dachte, nicht einschlafen zu können. Doch wenige Minuten später hatte die Erschöpfung über das Gedankenkarussell triumphiert. Sie schlief fest.

Er war so unsagbar müde. Wie konnte sie nur so schnell einpennen? Nicht, dass er ihr den Schlaf nicht gönnte oder dass sie ihm schlafend nicht gefiel. Im Gegenteil. Nur zu gerne hätte er auch geschlafen. Es schien ihm jedoch nicht vergönnt. Zuviel beschäftigte ihn. Ihr Atem floss gleichmäßig und sanft. Sie roch herrlich, strahlte eine kuschelige Wärme aus und daneben eine ihm unbekannte, aber angenehme Ruhe. Etwas später schlief er ein. Es kam ihm vor, dies sei gerade erst geschehen, als er wieder zärtlich und sanft von ihr erweckt wurde. Schön konnte er das Erwachen nicht empfinden. Aber wenn er geweckt werden musste, dann bitte künftig nur noch so. Hell war es im Raum nicht. Sie roch frisch. Hatte vermutlich bereits Zähne geputzt, was ihm erneut versagt blieb. Mittels Finger zu putzen, war besser als nichts, zählte jedoch nicht vollwertig. Sie trug nicht mehr ihr Nachthemd, hatte sich stattdessen fast vollständig angekleidet. Mist, er hatte es verpasst! Doch sie hatte nicht die Klamotten vom Vorabend angezogen, sondern etwas Frisches. Ihre aktuelle Kleidung gefiel ihm nicht mehr so gut, wie die von vor ein paar Stunden. Aber, wie beschrieben, kam es auf den Inhalt an und nicht auf die Verpackung. Damit war er, nach wie vor und nun fast nüchtern, überaus zufrieden. Selbst völlig ungeschminkt und in eher lässigen Klamotten, wirkte sie auf ihn, wie ein Engel.

Sie hatte ein wenig geschlafen, wurde aber wach, bevor der Wecker Terror machen konnte. Ob das an dem leisen Schnarchen lag, welches er von sich gab, konnte sie nicht genau sagen. Das Geräusch gefiel ihr nicht, aber die Tatsache, dass er noch da war, fand sie angenehm. Sie schaltete den Wecker ab und ließ ihn etwas schlafen. Sein Schnarchen wurde lauter. Offenbar hatte er die Erholung dringend nötig. Unangenehm, dieser Geräuschpegel. Sie hoffte, es auf seinen Alkoholkonsum zurückführen zu können. So, dass es eher eine Ausnahme sei und nicht die Regel. Es stellte ein Risiko dar, da ihre Eltern ihn hören konnten. Doch sie ging davon aus, dass diese selbst noch schliefen. Und ein paar Minuten würde sie diese Gefahr ignorieren können. Dann stand sie auf und huschte ins Bad. Nach gewöhnlichen Taten dort, räumte sie ein wenig auf, entsorgte das übrige und abgestandene Bier und zog sich an. Müde und geschlaucht fühlte sie sich dennoch. Sie wusste nicht, wie es weitergehen würde. Um ihren Plan fortzusetzen, mussten sie bald aus dem Haus. Ihre Eltern würden ein paar Stunden schlafen, doch sicher konnte sie sich diesbezüglich nicht sein. Wenn diese beispielsweise auf Toilette gingen oder nicht pennen konnten, könnte es zu unliebsamen Begegnungen kommen. Das galt es zu vermeiden. Falls er nicht innerhalb der nächsten Minuten von selbst erwachte, wonach es nicht aussah, würde sie ihn wecken müssen. Gedanken um die dafür geeignete Art und Weise, hatte sie sich nicht gemacht. Sie handelte und gab ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Das schien zu genügen, denn er stellte das Schnarchen ein und erwachte offenbar langsam. Als sie ihm ein leises: »Guten Morgen!« entgegen flötete, erhob er sich schwerfällig und rieb sich die Augen. Fit schien er sich nicht zu fühlen und das Licht blendete ihn.

Weite, verwaschene Jeans, weiße Socken, gelbes T-Shirt. Nicht gerade ein sensationeller Look, eher schlabberig. Ihm war das egal. Andere Umstände sorgten ihn mehr. Hunger, Durst, Druck auf der Blase, keine Zahnbürste. Über allem die Angst, vor dem Ärger durch seine Eltern, sobald er wieder zuhause aufschlagen würde. Das war momentan echt das Schlimmste. Doch damit würde er sich nicht gleich beschäftigen können. Zunächst streckte er sich und raunte ihr ein: »Morgen!« entgegen. Ein paar seiner Gelenke gaben ein ungesund klingendes Knacken von sich, doch sie taten ihm nicht weh. Sie schenkte dem Erwachenden ein verständnisvolles Lächeln. So fiel der Start in einen vermutlich recht grausamen und ernsten Tag leichter. Er versuchte zu grinsen. Sie saß ihm gegenüber auf einem Sessel, zog sich Turnschuhe an und mahnte ihn zur Eile. Ja, dass es schnell gehen musste, leuchtete ihm ein. Dennoch fand er das nicht nett. Er suchte und entdeckte seine Schuhe und war bald bereit, das Zimmer und das komplette Haus zu verlassen. Gemeinsam mit ihr, verstand sich. Um seine Kumpels aus den zarten Fingern der holden Grazien zu befreien, war es zu früh. Sie steuerte, ihn im Schlepptau, erst mal die Felder der Umgebung an. Sie fanden eine Bank, auf welcher er warten sollte, während sie Frühstück besorgen, sprich einkaufen ging. Er versprach ihr, sich nicht von der Stelle zu rühren, bat sie aber darum, sich zu beeilen. Um diese Zeit war es nicht sonderlich warm. Nicht, dass er fror, doch wohl fühlte er sich auf dieser Bank nicht. Den Sinn der Aktion verstand er. Man sollte die beiden, um diese Uhrzeit, nicht zusammen sehen. Er wartete und langweilte sich.

Sie eilte zurück ins Dorf. Die zügigen Bewegungen halfen, die morgendliche Kühle nicht arg wahrzunehmen. Auf ihrem Weg machte sie sich einige Gedanken. Wie mochte es ihren Freundinnen und deren Begleitern ergangen sein? Ob ihre Eltern wirklich nichts bemerkt hatten? Wie sollte der weitere Vormittag verlaufen? Wie würde er nachhause kommen? Fragen über Fragen. Und immer, wenn sie dachte, eine Lösung für ein Problem gefunden zu haben, tat sich wieder eine neue Fragestellung auf. Viel Geld hatte sie nicht dabei, aber für ein paar Brötchen, Beläge und Getränke aus dem kleinen Supermarkt würde es langen. Fast wie ferngesteuert kaufte sie ein. Darüber, ob er die mitgebrachten Artikel mögen würde oder ob er überhaupt alles essen durfte, machte sie sich keine Gedanken. Mit Themen wie Diabetes, Zöliakie, Laktoseintoleranz, veganer Ernährung, religiösen Einschränkungen und Ähnlichem hatte sie sich nie eingehend beschäftigt. Vegetarisch ernährte sie sich nicht, obwohl sie nur wenig Fleisch und Wurst aß. Diäten, wie sie vorwiegend in Frauenzeitschriften angepriesen wurden, hielt sie für Blödsinn. Meist handelte es sich dabei um zweifelhafte Methoden, welche mit einem Jojo-Effekt behaftet waren. Sofern sie überhaupt funktionierten. Wenn eine davon dauerhaft klappte, würden nicht ständig neue erfunden und abgedruckt werden. Klar, ihr Arsch war zu fett. Doch bisher, hatte er sich nicht daran gestört und außerdem konnte man dagegen mit Bewegung vorgehen und wenn man darauf achtete, wie viel wovon zu sich genommen wurde. Zumindest fetter wollte sie nicht werden. Vielleicht sollte sie doch mal bei einem Bauch-Beine-Po- Programm mitmachen. Im TV lief immer mal wieder etwas. Für einen Kurs, wie sie unter anderem an der Volkshochschule (VHS) angeboten wurden, fehlte ihr das Geld. Oder aber, sie hätte darauf verzichten müssen, mit ihren Mädels tanzen zu gehen. Äh nein, no way! Unter normalen Umständen, wäre sie mit ihrem Einkauf etwas länger beschäftigt gewesen. Doch sie wollte ihn nicht unnötig warten lassen. Falls er überhaupt noch dort weilte, konnte sie froh sein.

Doch wo sollte er hin sein? Er kannte sich hier nicht aus. Geld hatte er keins mehr. Handy zu dieser Zeit natürlich nicht. Er wartete, bis er sie wieder auf sich zukommen sah. Sie schien bepackt zu sein, dennoch erkannte er sie aus einiger Entfernung. Ob es sich dabei ausschließlich um etwas Optisches handelte, konnte er nicht genau feststellen. Vielleicht lag es ebenfalls an ihrer Aura. Er freute sich, sie wiederzusehen. Trotz Müdigkeit und leichtem Frösteln, trug er ein Lächeln. Und er glaubte, Freude aus ihrem Gesicht lesen zu können, als sie wieder bei ihm war. Bei den mitgebrachten Brötchen samt Belägen langte er zu. Und die Orangenlimo aus der Dose, mundete ihm in Anbetracht der Umstände, relativ gut. Bier wäre eine Option gewesen, aber keine ideale. Nach seiner Meinung ging das Gerstengetränk zu jeder Tages- und Nachtzeit. Zugegebenermaßen war er nicht traurig, dass es sich um Limo handelte. Rundum die Uhr Bier, brauchte er nicht. Gemeinsam frühstückten sie an der Bank im Feld. Was sie mitgebracht hatte, war nicht übel und einen gesunden Hunger hatte er. So richtig schmecken wollte ihm nichts, denn der bevorstehende Ärger mit seinen Eltern warf dunkele Schatten und drückte schwer auf ihn.

Es erfüllte sie mit einer gewissen Freude, ihn an der Bank zu finden. Etwas müde und verfroren sah er schon aus. Doch er lächelte, als er sie sah. Wobei sie davon ausging, dass er sich mehr auf´s Essen freute, als auf sie. Sicher war sie sich jedoch nicht. Nichts schien ihr in Bezug auf ihn gewiss. Sie brannte darauf, alles über ihn zu erfahren. Während des Speisens konnten sie in Ruhe reden. Sogar nonverbal, konnte man eine Menge aus ihm heraus lesen. Er trank, er aß. Fürchterlich verkehrt konnte sie seinen Geschmack nicht eingeschätzt haben. Sie hielt sich zurück. Erstens fühlte sie sich flau im Magen, zweitens fand sie ein paar ihrer Körperstellen zu fett. Der Sekt, das Bier, er. Das war das etwas viel. Das Plaudern mit ihm klappte erstaunlich gut und machte ihr Spaß. Ihr fielen sofort einige kleine Punkte auf, in denen sie sich ähnelten. Sie achtete auf ihre Wortwahl, um ja nichts Falsches zu sagen und ihn nicht zu verschrecken. Komisch, aber das fiel ihr leicht. Gemeinsam lachten sie über einiges. Harmonie und Übereinstimmungen gefielen ihr gut, ihn mochte sie sehr. Natürlich hatte er nicht nur Pluspunkte gesammelt, doch die bisherige Bilanz fiel positiv aus.

Seine Stimmung befand sich in unteren Bereichen. Ihr Anblick und das Gespräch mit ihr, taten ihm gut. Wenn sie lächelte oder lachte, was sie oft tat, bekam er eine Gänsehaut. Wo hatte sich dieses traumhafte Wesen so lange vor ihm versteckt? Offenbar teilte sie seinen Humor, was er bisher nicht oft gefunden hatte. Zumindest lachten sie gemeinsam über ein paar Dinge. Doch es war an der Zeit, sich mit ernsten Problemen zu beschäftigen. Seiner Rückkehr nachhause zum Beispiel. Und falls seine Freunde nicht längst zuhause weilten, auch mit deren Heimweg. War dieser ungeplante Ausflug, den zu erwartenden Stress wert? Er konnte nicht das volle Ausmaß und die Folgen zweifelsfrei abschätzen. Die Frage würde er positiv beantworten. Sie spazierten ins Dorf zurück. Zunächst zu ihr. Sie vertrat die Meinung, dass ihre Eltern aufgestanden sein mussten und sicher frühstücken wollten. Sie hatte einen kleinen Zettel hinterlassen, dass sie einkaufen und bald wieder zurück sei. Er hatte Bedenken und Angst vor dieser Konfrontation und äußerte dies. Doch sie versuchte, ihn zu beruhigen. Ihre Eltern wären cool und bemerkt hätten sie sicher nichts. Außerdem seien sie erschöpft von der Feier. Eine Story hatte sie sich ausgedacht. Er sollte nach Möglichkeit den Mund halten und sie reden lassen. Gerade der letzte Teil kam ihm entgegen. Die Nachbarn konnten kaum etwas bemerkt haben.

Im Dorf zeigte sie ihm ein paar Dinge. Die Häuser, in den ihre Freundinnen und seine Freunde vermutlich weilten und die vermeintlichen dörflichen Sehenswürdigkeiten, Laden, Kirche, Metzger, Bäcker. Das meiste davon konnte ihn nicht interessieren, das war ihr bewusst. Doch sie fand es so süß, dass er sich wegen der Begegnung mit ihren Eltern sorgte. Durch ihr Reden wollte sie ihn und seine Stimmung etwas lockern. Sie verstand, dass er Angst vor der Konfrontation mit seinen Alten hatte. Die ihrigen hätten auf so eine Aktion ihrerseits nicht wohlwollend reagiert, sondern getobt. Besonders ihren Vater konnte sie sich dabei bildlich vorstellen. Der musste sich stets als ihr großer Beschützer aufspielen. Eigentlich schön, aber manchmal etwas nervig und peinlich. Sie kannte ihre Eltern gut und sie wusste, was funktionieren konnte und was nicht. Bald betraten sie das Haus. Sie hatte die Situation richtig eingeschätzt, es duftete nach Kaffee. Nicht der übelste Geruch. Ihre Mutter befand sich in der Küche. Der Tisch war gedeckt, für drei Personen. Ihr Vater gesellte sich bald zu ihnen. Die beiden Erziehungsberechtigten sahen müde und etwas zerknittert aus. Sie begrüßte ihre Erzeuger und stellte ihn gleich darauf als Thomas, einen Bekannten aus der Schule vor. Er würde mit Freunden hier in der Nähe zelten und sie hätten sich beim Brötchenholen getroffen. Seine Kumpel würden noch schlafen und ihn nicht vermissen und sie würden da gleich mal gemeinsam hingehen. Die Begrüßung zwischen den Alten und Tom verlief höflich und kühl. Ihre Eltern stellten nicht viele Fragen, luden aber beide ein, mit ihnen zu frühstücken. Das wiederum lehnte sie ab, mit der Begründung, dass sie unterwegs ein paar Brötchen gegessen hätten und außerdem gleich mal beim Zelt vorbeischauen wollten. Wenn ihre Eltern wacher und fitter gewesen wären, würde es mehr Nachfragen gegeben haben. So aber, lief es besser. Arg lange blieben Tom und Wave nicht im Gebäude, schon bald befanden sie sich auf dem Weg zu Eva.

Boah, was war er nervös. Er meinte, die Farbwechsel direkt in seinem Gesicht zu spüren. Das Haus, wirkte selbst bei Tageslicht wie ein Palast auf ihn. Sie gab ihm Rückhalt und es war gut, etwas gefrühstückt zu haben. Ihre Eltern machten einen netten Eindruck, wirkten so, wie er sich fühlte. Müde, leer, erschöpft. Sonderlich gesprächig waren sie nicht. Gut so. Ihre Tochter schien die Lage völlig im Griff zu haben. Er lauschte aufmerksam ihren Worten, für den Fall, dass es doch zu Rückfragen kommen würde. Klasse Story. Nicht mit viel Tiefgang, aber offenbar ausreichend. Und sie trug die Geschichte glaubhaft vor, ohne dabei zu dick aufzutragen oder nervös zu wirken. Im Hause duftete es nach Röstaromen, ein aromatischer Duft. Nicht übel, aber er trank zu dieser Zeit kaum noch etwas von diesem Gebräu. Kaffee bekam ihm nicht und elendig lecker fand er den Geschmack nicht. Ohne aufgebrühte und gemahlene Bohnen konnte er prima leben. Auf Bier zu verzichten hätte er schwieriger empfunden. Die Freude darüber, das Schloss wieder verlassen zu können, konnte er kaum verbergen. Ihr Lächeln machte ihn sämtliche Sorgen vergessen, für den Moment. Ein Träumchen, dieses Mädel. Wie er bald erfuhr, gingen sie zu ihrer Freundin Eva. Das war die, bei welcher sein Freund Louis übernachtet haben sollte. Er merkte schon, dass er sich eingehender mit den Namen der Damen beschäftigen müsste. Sie trafen die beiden tatsächlich an. Auch hier war man früh auf den Beinen und die Geschichten ähnelten einander. Sein Respekt für die Mädels stieg. Er wunderte sich, Louis nicht draußen im Feld getroffen zu haben. So groß konnte diese Gemarkung nicht sein.

Wave - (Hello)

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