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Gefühle und Erinnerungen

Dafür ernteten sie von den Jungs, neben einer gehörigen Portion Respekt, einen Kuss. In vielen Fällen sogar mehrere. Es erschien den Männern eine Selbstverständlichkeit, die Mädels für ihre Tapferkeit zu belohnen. Wobei es durchaus zusätzlich eine Anerkennung für Schönheit und gezeigten Einsatz sein konnte. Oder für andere Dinge und Eigenschaften. Der Weg zur gelben Fernsprechzelle und wieder zurück, dauerte nicht lange, denn zur damaligen Zeit gab es davon eine Menge. Mindestens ein postfarbenes Häuschen pro Dorf, in größeren Ortschaften entsprechend mehr. Die Mädchen bewegten sich mit reichlich Sexappeal und grazil, mit ihren hohen Absätzen und teilweise recht engen Kleidern. Schneller und effektiver ging´s mit den weiteren Klamotten und dem flacheren Schuhwerk der Männer voran. Ein direkter Vergleich wäre unsinnig, da beide Versionen auf ihre Weise Vor- und Nachteile bargen. Sicher, ein Rennen hätten die Jungs gewonnen. Zumindest, wenn sie den Sieg nicht an die Damen hergeschenkt haben würden. Den Mädels bei der (Vorwärts- oder jeglicher anderer) Bewegung zuzuschauen, gefiel deren Begleitern ausgesprochen gut. Es regte männliche Phantasien und Speichelfluss an. Und sicher ein paar Vorgänge mehr.

Das sonstige Geschehen im Dorf, sowie den Straßenverkehr, nahm das kleine Grüppchen kaum wahr. Und selbst wenn, konnten sie sich später nicht mehr daran erinnern. Es war ein kurzweiliger Spaziergang. Niemand beklagte sich über diesen Ausflug. Ein wenig Bewegung schadete nicht. Die Jungs fühlten sich großartig, da die Mädels so lieb und süß waren. Selbst jetzt und fast nüchtern betrachtet. Außerdem hatte Tom sein Versprechen, die Damen zum Eis einzuladen, endlich einlösen können. Unvermeidlich verspürte er einen euphorischen Schub, als sie sich wechselnd bei ihm unterhakte oder seine Hand ergriff. Es, besser sie, erfüllte ihn mit Stolz.

Niemals hätte sie gedacht, dass sie ständig an Dinge denken musste, die man ihr gesagt hatte. Ratschläge aus vergangenen Tagen, die sie bisher nicht für wichtig erachtete. „Tue dieses und achte auf jenes“ – lauter so ein Kram, den Erziehungsberechtigte und Leute, welche sich mit diesen auf eine Ebene stellten, gerne einem vermeintlich unerfahreneren Menschen mit auf den Weg gaben. Jungen bekamen diese Sätze oft zu hören, doch Mädchen noch häufiger. Meist ging es den Beratschlagten in ein Ohr hinein und aus dem anderen Ohr wieder heraus, ohne dass es sich dazwischen festsetzte.

Über den Gehalt der meisten Ratschläge hatte sie nicht nachgedacht. Doch in den letzten Stunden schwirrten solche Gedanken in ihrem Kopf herum. Dieser erschien zu klein und nicht geeignet, dass vernünftig verarbeiten zu können. Zusammen mit den anderen Dingen, an welche sie ständig dachte, schien es einen zu großen Raum einzufordern. Und falls sie nicht auf einer gigantischen Welle der Euphorie gesurft wäre, hätte sie sicher eine üble Migräne bekommen. So erheitert schien der Zustand erträglich. Wenn sie die anderen Dinge kurzzeitig ausgeblendet bekam und nur an ihn dachte, fühlte sie sich prächtig und wohl.

Manchmal so gut, dass sie das Gefühl hatte, sie sei unverwundbar. Ob es ihm ähnlich ging? Vielleicht war es für ihn nichts Besonderes. Möglich, dass sie für ihn eher gewöhnlich daherkam. Ob die Jungs sich nicht bloß einen Spaß erlaubten, welchen sie in regelmäßigen Abständen mit anderen Mädchen durchzogen, konnte sie nicht völlig ausschließen. Eventuell stellten die Mädels einen Bestandteil einer Wette der Jungs dar. Sie hatte davon gehört, dass Männer so etwas taten. Menschen nahmen verschiedene Dinge oft unterschiedlich wahr. Nicht unwahrscheinlich, dass er das Ganze nicht so ernst sah, wie sie. Denn ihr bedeutete es eine Menge und er erschien ihr bereits jetzt ungeheuer wichtig. Obwohl sie sich erst vor wenigen Stunden erstmalig begegnet waren, wirkte er tief vertraut.

Sicher, er vermittelte einen zurückhaltenden und schüchternen Eindruck. Und sie konnte nicht behaupten, dass sie jede seiner Taten vorausahnte. Doch alles was er machte, schien ihr logisch und der nächste Schritt in einer zusammenhängenden Kette von vielen weiteren zu sein. Auch, wenn er nicht unbedingt wie ein Traummann aussah, wirkte er auf seine spezielle Art perfekt. Ihre Zweifel an seinem Handeln waren verschwunden. Ihm unterliefen keine Fehler. Alles war er tat, hatte „Hand und Fuß“, ergab Sinn, gefiel ihr. Sie unterließ es bald, es zu hinterfragen. Sie wunderte sich, dass sie damit so wenig Probleme hatte. Es hätte sie ängstigen müssen, die Kontrolle über sich und die Situation zu abzugeben. Das genaue Gegenteil war der Fall.

Zwar bewegte er sich hier nicht in seinem Heimatort. Doch dieser Nachbarort war ihm vertraut, da er hier einige Zeit verbracht hatte. Was nicht hieß, dass er sich hier wohl fühlte. Zwischen seinem Kaff und diesem hier, bestand seit vielen Jahren eine dauerhaft gehegte „Feindschaft“. Wie, beziehungsweise wodurch, diese einst entstanden war, wusste er nicht. Seine Eltern und Großeltern hatten dies nicht befriedigend beantworten können. Nach deren Erzählungen war es so, dass sich die Kinder der jeweilig verfeindeten Ortschaft gegenseitig mit Steinen bewarfen, sobald sie die vermeintlichen Eindringlinge in „ihrem Territorium“ fanden und erkannten. Für die Jüngeren schien diese „Feindschaft“ lustig oder albern. Den ganz kleinen Dorfbewohnern waren diese Vorgänge und Regungen unbekannt.

Er hatte sich nur wenige Jahre zuvor in ein Mädchen aus diesem Ort verliebt. Eine Jugendliebe im zarten Alter von dreizehn. Er tat einiges, investierte Zeit und Energie. Meist war das mit Spaß verbunden. Neben weiteren Kandidaten konkurrierte er mit Hugo um ihre Zuneigung. Diese Rivalität nahm keinen negativen Einfluss auf ihre Freundschaft. Im Gegenteil, man teilte Informationen, genoss die Gemeinsamkeiten, entwickelte Ideen und spornte sich gegenseitig zu neuen Taten an. Die geteilten Gefühle verbanden. Einen besonderen Genuss stellten die im Grüppchen zelebrierten heimlichen Raucheinheiten an einem geheimen Ort im Feld dar. Sie war eine Freundin von Freunden und dem Pferdereitsport angetan. Dieses Hobby übte sie aktiv und erfolgreich aus. Er mochte Pferde, doch andere Lebewesen, Dinge und Sportarten schätzte er mehr. Voll des Lobes schwärmte er vor diversen Leuten von ihr. Und er fühlte sich damit wohl. Einer seiner Freunde hatte ein Problem mit ihrem Vornamen und meinte, sie hieße anders und Tom würde sie nur geschönt, zu weich und zu verliebt aussprechen. Das Missverständnis klärte sich erst viele Jahre später auf. Tom hingegen stand sich selbst im Weg. Er schrieb Lieder, Geschichten, Gedichte. Er erfand dieses und suchte nach jenem. Doch ihr trug er offiziell davon nichts vor. Vielleicht war das besser für alle Beteiligten. Diese Sache währte einige Zeit. Sie besuchten die gleiche Schule, aber niemals die dieselbe Klasse oder gemeinsam einen Kurs. Sie mochte ihn, denn sie ging ihm nicht aus dem Weg und verhielt sich in seiner Gesellschaft stets offen und freundlich. Ihr ständiges Lächeln brachte ihn fast um den Verstand. Sie wusste um all dies und vertrug sich gut mit ihm. Doch teilte sie seine Gefühle nicht. Nicht in der Intensität. Mit einigen Höhen und Tiefen versehen, war das Ganze, aufgrund seiner Schüchternheit, zum Scheitern verurteilt. Auch Hugo, sah sich zur Aufgabe gezwungen. Der Wunsch, ihr näher zu kommen, war ab einem gewissen Punkt nicht länger erfolgversprechend. Ob er dies jemals war? Mehr konnten die Jungs nicht investieren. Sie scheiterten darin, sich völlig neu zu erfinden und sich zum Kreis zu verbiegen. Schüchternheit und den eigenen inneren Schweinehund zu überwinden, war eine kolossale Aufgabe. Zu groß für die genannten Teenager. Es gelang nicht, die „Scheuklappen“ abzulegen und sich anderweitig zu orientieren. Das hing ihnen einige Zeit nach. Sicher mehrere Jahre und bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie die vier Mädels kennenlernten, mit denen sie gerade unterwegs waren. Tom benötigte einige Zwölf-Monatszeiträume, um diese „Jugendliebe“ einfach als attraktive Frau zu betrachten und den Wunsch abzulegen, mit dieser zusammen sein zu wollen. Es war ein weiterer Schritt ins Erwachsenwerden, ein Grad der Reife. Eine Entwicklungsstufe auf dem Weg vom Jungen zum Mann.

Weder hegte er Groll gegen diesen Ort und seine Bewohner, noch weilte er gerne hier. Linda rief beim ihm nach einigen Jahren keinerlei Gefühle mehr hervor. Mit seinem Heimatort fühlte er sich verwurzelt und verbunden. Auch wenn er niemals einen guten Draht zu dem überwiegenden Teil seiner Nachbarn entwickelte, fühlte er sich in seinem Kaff wohl. Jedes Dorf hatte seine Eigenheiten und die Bewohner nahmen oft ortstypische Eigenarten an. Nicht zwangsläufig, aber meist automatisch. Vielleicht eine Art „Umgebungsanpassung“. Vergleichbar mit einer „Sprachfarbe“ oder einem Dialekt, den sich jemand eher unbewusst aneignete.

Wave - (Hello)

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