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Der Tag danach

Als sie von Eva sprach, merkte sie, dass er keine Ahnung hatte, wen sie meinte. Er musste sich doch an Eva erinnern, welche ihm, wie eine Mutter, Großmutter oder Tante bei einem Kleinkind, mit einem Taschentuch durch´s Gesicht gewischt hatte. Sie versuchte, es genauer zu erklären, bis er grinsend nickte. Egal ob er es kapiert hatte oder nicht. Er würde sehen, wen sie meinte. Sie schien nicht überrascht, sowohl ihre Freundin als auch seinen Freund munter anzutreffen. Wobei hier die weibliche Hälfte ebenfalls ausgeschlafener wirkte. Bald befanden sie sich auf dem Weg zu seinem anderen Kumpel, welcher voraussichtlich bei Michaela weilte. Eva bei bester Gesundheit und Laune zu sehen, erhellte ihre Stimmung weiter. Er schien froh, dass sein Freund wohlauf war. Die Jungs verhielten sich ähnlich den Mädels und quatschten auf dem Weg zur Fahrerin miteinander. Doch sie hatte den Eindruck, als würden sie weitaus weniger Worte für den Austausch benötigen. Die Themen waren anders. Es ging um Alkohol und die Furcht vor dem Ärger mit ihren Eltern. Michaela würde sie schleunigst heimfahren müssen. Bei dieser angekommen, bot sich ein bekanntes Bild. Die Pläne und Taktiken hatten ähnlich ausgesehen und funktioniert. Obwohl sie Natascha nicht abgeholt hatten, fand diese sich in Michaelas Zimmer ein.

In der Tat erfüllte es ihn mit Freude, zunächst Louis wieder zu sehen. Ein „Leidensgenosse“. Dabei war die momentane Not nicht groß. Von Leid keine Rede. Der Freund würde seine Probleme besser verstehen, als eine Frau, welche er erst kennengelernt hatte. Die Jungs kannten ihre jeweiligen Erzeuger. Obwohl er den Eindruck nicht loswurde, Wave seit vielen Jahren in- und auswendig zu kennen und nicht erst eben getroffen zu haben. Seinen Freund kannte er, aus Kindergartenzeiten. Definitiv und mindestens, vielleicht sogar länger. Viele schöne Stunden, hatte er mit ihm spielend verbracht. Später mit ein wenig ernsteren Themen, auch rauchend und saufend. Doch was hier lief, war bedeutend. Es handelte es sich um eine andere Art von Spiel. Er war erstaunt, dass es bei Louis und Eva ähnlich verlaufen war, wie bei Wave und ihm selbst. Denn er vernahm etwas von anwesenden Eltern und einer Schwester. Zusätzliche Hindernisse. Bald machten sie sich auf den Weg, um die zwei Trios oder drei Duos zu komplettieren. Michaela hieß die nächste Dame, Hugo ihr Galan. Ein kleines Dorf, nur wenige Schritte. Dennoch bestückt mit einigen Läden. Bald waren sie im Zimmer der Lady. Ein schöner, großer Raum. Mit einem einladenden breiten Bett. Das sah gemütlich aus. Ein Wahnsinn, denn nicht nur dass es bei dem dritten Paar ähnlich gelaufen war, nein, sogar das vierte Mädel tauchte bald bei Michaela auf. Allerdings ohne Fritz. Einerseits schade für sie, andererseits hatte sie keine Probleme zu lösen, welche sie selbst betrafen. Sie war später nachhause gekommen, als mit ihren Eltern vereinbart und alkoholisiert, da sie auf dem Beifahrersitz neben Fritz Zeit zum Trinken fand. Dafür brauchte sie lediglich alleine ins Haus, in ihr Zimmer und ihr Bett schleichen. Und sie musste sich keine Gedanken darum machen, zusammen mit einem Jungen erwischt zu werden oder diesen aus dem Haus zu schleusen. Das, was sie ihren Eltern erzählen konnte, brauchte sie sich nicht ausdenken. Die Mädels schienen allesamt fröhlich. Sie sahen wacher aus, als er sich fühlte. Und sie quatschten und tratschten in einem fort. So, dass er fast schon Kopfschmerzen davon bekam.

Michaelas Zimmer stellte für Wave eine Art erweiterte Heimat dar. Viel Zeit hatte sie hier verbracht. Allerdings nicht zu siebt, sondern zu zweit oder dritt. Als sie komplett waren, besprachen sie den Plan. Hugos Eroberung sollte die Herren schnellstmöglich nachhause fahren. Nicht direkt vor die jeweiligen Haustüren, denn das hätte weiteren unnötigen Ärger provoziert. Die Jungs entschieden sich für eine Bushaltestelle, als erstes Ziel. Nicht, um einen Bus zu nehmen. Sie wollten von dort heimwärts trotten. Alles musste sie nicht verstehen. Zumal ihr die erwähnte Örtlichkeit nicht bekannt war. Was sie spürte und den Jungs ansah, bestand aus dem zunehmenden Druck, welcher auf ihnen lastete. Dafür hatte sie vollstes Verständnis, ebenso für die Idee, von einer Telefonzelle aus, möglichst sofort zuhause anzurufen und Bescheid zu geben. Ihre Geschichten passten sie aneinander an. Alle mussten darüber denselben Wissensstand haben und niemand durfte sich verplappern. Gemeinsam kratzte man das Kleingeld für die Telefonate zusammen.

Mist, dieses ganze Ausredengedöns hier, war gut und schön. Aber es würde sie nicht vor dem anstehenden Ärger bewahren. Dafür hatte leider niemand einen wirklichen Plan. Nur, dass ALLE unter jeglichen Umständen das Gleiche zu berichten hatten, davon nicht abweichen durften und über das tatsächlich Geschehene absolut dichthalten mussten, schien klar. Vorher zuhause anzurufen machte einen gewissen Sinn, denn ein paar Minuten, würde die Fahrt dauern. Und je eher der erste Druck genommen wurde, desto besser. Die Idee, an der Bushaltestelle auszusteigen, fand er hilfreich. Das nötige Kleingeld hatten sie rasch zusammen. So konnte der anschließende Schritt umgesetzt werden. Jeder der Herren zog in seine eigene höchst persönliche Schlacht. Schlimm genug in dieser quietschgelben, versifften und nach altem Rauch stinkenden Telefonzelle stehen zu müssen, aber die folgenden Gespräche waren noch unangenehmer. Zoff pur. Extrem emotional und echt übel. Er versuchte, das Telefonat möglichst kurz zu halten, so wie es seine Eltern immer von ihm verlangten, wenn er zuhause am Telefon war. Diese hatten ihm stets eingeimpft: »Fasse Dich kurz!« Seine Kumpels fuhren die gleiche Taktik. Trotzdem raubten solche Gespräche jegliche Energie. Aufbauend dass dies niemand völlig alleine durchstehen musste. Jeder Anruf endete damit, dass sie bald zuhause wären, sie würden sich sofort nach dem Auflegen auf den Weg machen. Von wo aus sie telefonierten und die kompletten Umstände, durften die Alten am anderen Ende nie erfahren. Denen wurde bloß erzählt, dass man kurz auf eine weitere Party gefahren sei und Fritz verloren hätte. Trotz intensiver Suche blieb dieser verschwunden. Einen alternativen Fahrer konnte man nicht auftreiben. Trampen oder nachts an einer Straße entlang laufen, durften sie ohnehin nicht, daran hielten sich die Buben. Dann war es plötzlich sehr spät. Um diese Uhrzeit wollte man die Eltern nicht mehr wecken und mit niederen Problemen belästigen. Es wäre nicht leicht gewesen, am nächsten Morgen eine funktionierende Telefonzelle und das passende Kleingeld zu finden. Die besorgten und stinksauren Eltern hörten kaum zu, da sie damit beschäftigt waren, völlig auszurasten. Pure Eskalation. Grausig. Vorteilhaft, dass die Alten, den lieben Fritz nicht genug kannten, um ihn ausfindig machen und kontaktieren zu können.

Es schien ihr nicht schlüssig, wie man als Erziehungsberechtigter derart mies reagieren konnte. Klar, ein gewisses Fehlverhalten konnte man den Jungs vorhalten. Sie hätten sich früher zuhause melden sollen. Bescheid geben, dass es allen gut ging. Andererseits sollten die besorgten Mütter und Väter froh sei, dass sie sich überhaupt meldeten und dass es ihnen nichts Schlimmes widerfahren war. Rumzuschreien brachte niemandem etwas. Wenn sie eines fernen Tages Mutter sein würde, würde sie gegenüber ihren Töchtern und Söhnen niemals dermaßen ausrasten. Doch bis dahin hätte sie noch Zeit. Und ob er der passende Vater sein würde, konnte sie nicht mit Gewissheit sagen. Momentan sah er nach einem hilfebedürftigen Kind aus, nicht wie ein souveräner Erzieher und ein unerschrockenes Vorbild. Ihn immer zu küssen, konnte sie sich vorstellen. Wie es mit dem Üben für´s Kinderzeugen aussehen würde, konnte sie noch nicht beurteilen. Sie war neugierig. Und es gab ihr einen kurzen lustigen Schub. Hihi. Etwas Heiterkeit konnte nicht schaden im Angesicht des bevorstehenden traurigen Abschieds. Sie nahm ihn tröstend in die Arme. Er heulte nicht, sah aber ziemlich fertig aus.

Ja, das war er. Sein grauenhaftes Telefonat hatte er beendet. Nun war er bereit zur Heimreise. Einfach nur kaputt. In ihr fand er Halt und Trost. Das Organisatorische war schnell erledigt. Es blieb dabei, dass sie sich alle am heutigen Abend in der nahen Disco treffen wollten. Trotz Erschöpfung und Stress mit den Erzeugern, musste das klappen. Leicht werden würde es nicht. Andererseits – simpel konnte jeder. Und vom x-beliebigen hoben sie sich deutlich ab. Schon darin, dass sie niemals aufgaben und als Team vorzüglich harmonierten. Man musste sich das nur immer wieder selbst vorhalten. Als Mantra. Es stählte. Schließlich hatten die drei Jungs ihre Gespräche beendet und sich im Anschluss kurz von ihren jeweiligen Eroberungen etwas aufbauen lassen. Dann schritt man zu siebt bis zu Michaelas Auto. Er versprach Fritz Grüße von seiner Holden zu bestellen. Diese konnte es kaum erwarten, den Fahrer endlich wieder zu sehen. Für Tom folgte ein kurzer Abschied von Wave. Lieber wäre er bei ihr geblieben, als zu seinen meckernden Eltern zurückzukehren. Vom Himmel direkt in die Hölle. „I´m on a highway to hell.“ Bon Scott war zwar schon tot, sang es aber dennoch sehr überzeugend und passend. Dann stieg er hinten in den Wagen. Es war ein anderes Fahrzeug und auf dem Fahrersitz saß Michaela und nicht Fritz. Ansonsten ähnelte die Sitzverteilung der vom letzten Abend. Ein großer Unterschied fand sich in der Stimmung. Sehr ernst gingen sie die Ausredenstory und den weiteren Plan durch. Es war von enormer Wichtigkeit, dass jeder das Programm kannte und keinesfalls von ihm abwich.

Die Mädels taten zum Abschied gemeinsam das, dessen sie ihren neuen „Spitznamen“ verdankte, sie winkten. Wie purer Zucker sahen sie dabei aus, so süß. Es tat weh, ihn entschwinden zu sehen. Dieses Problem konnte sie mit den anderen Mädels teilen. Sie vereinbarten, sich nachmittags, bei Natascha zu treffen. Jetzt mussten sie nachhause. Sie traf ihre Eltern am Frühstückstisch an. Nach etwas Kaffee und leckeren Brötchen, sahen diese wieder frischer aus. Ein paar Fragen zu ihrem Schulkameraden Thomas, seinen Freunden und dem Zelten, musste sie über sich ergehen lassen. Die Antworten dazu fielen ihr spontan ein. Damit hatte sie nie Probleme. Dabei nicht verlegen zu wirken oder nicht rot zu werden, stellte wieder eine andere Sache dar und kostete sie auf jeden Fall mehr Mühe. Ihre Gedanken konnte sie nicht von ihm und dem Geschehenen lösen. Mit diesem Verlauf hatte sie am Vorabend nicht gerechnet. Und von ihren Freundinnen auch keine. Es war nicht unwillkommen und hatte offenbar eine spontane Form angenommen. So etwas ließ sich nicht planen und entwickelte eine gewisse Eigendynamik. Ihre Eltern schienen mit den Antworten zufrieden und sie zog sich, nach einem kurzen Toilettenstopp, in ihr Zimmer zurück. Dort kam sie nicht zur Ruhe. Sie hing ein wenig über Hausaufgaben und ihrem Tagebuch. Dabei hörte sie Musik. Die Schreie von Michael Jackson erschienen ihr heute besonders spitz.

Eine echt üble Autofahrt – nicht die schlimmste seines Lebens, aber unter den TOP TEN - lag hinter ihm. Nicht, dass er Angst hätte ausstehen müssen, nein, Michaela fuhr sicher und vorbildlich. Doch so eine gedrückte und miese Stimmung, fand man selten. Nachdem Hugo sich von der Fahrerin verabschiedet hatte, sagten ihr Tom und Louis „Tschüß“. Sie fuhr nachhause, während die Jungs bedröppelt in der Gegend rumstanden und sich bekümmert unterhielten. Kurz darauf zog jeder von ihnen erneut in seine eigene Schlacht. Der Gedanke an sie, heiterte ihn auf und er freute sich riesig, sie in ein paar Stunden wiederzusehen. Fast spürte, roch und schmeckte er sie noch. Der Klang ihrer wundervollen Stimme, hatte seinen Kopf nicht gänzlich verlassen. Ihr Bild befand sich in seinen Gedanken. Doch es würde schwer werden, ihre anstehende Verabredung einzuhalten. Was folgte, sobald er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, empfand er als schlimm. Die Hilflosigkeit seiner Eltern mit der Situation angemessen umzugehen. Ihre Wut und ihre Vorwürfe. Eine wirkliche Bestrafung fiel aus. Ihn körperlich zu züchtigen war sinnlos. Er hätte sich wehren können und es war nicht leicht, einen Menschen zu verletzen. Umso schwerer, wenn es sich dabei um eine geliebte Person handelte. Taschengeld bekam er ohnehin keins. Ein Fernsehverbot hätte ihm nichts ausgemacht. Außerdem wäre es, gleich einem Hausarrest, schwer durchzusetzen gewesen. Ihr Rumgebrülle, erschien ihm als Strafe völlig ausreichend. Es schmerzte in den Ohren und wühlte ihn emotional auf. Er blieb bei der vereinbarten Geschichte, hatte aber den permanenten Eindruck, dass sie sich dafür nicht interessierten und sich stattdessen lieber in ihre Wut hineinsteigern wollten.

Die Versuche zu schreiben oder etwas anderes Produktives auf´s Papier zu bringen, gelangen nicht. Ständig musste sie an ihn denken und kritzelte Herzchen auf alles, was ihr vor die Finger kam. Wie konnte er ihr nur so den Kopf verdrehen? Wie konnte er das in dieser kurzen Zeit geschafft haben? Was hatte er getan? Eine ganze Weile später kuschelte sie sich in ihre Decke. Die Gedanken an ihn verließen sie nicht. Dennoch schlummerte sie bald ein wenig ein. Als sie wieder erwachte, war es an der Zeit, sich fertig zu machen, um Natascha aufzusuchen. Bevor sie zu Nasti, wie diese Viele nannten, ging, machte sie den kleinen Umweg über Michi, hier und da hörte man diese Kurzform. Sie fühlte sich ausgeschlafen und bester Stimmung. Und ihrer engsten Freundin, ging es nicht anders. Zusammen lachten die Mädels viel, während sie sich auf dem kurzen Weg zu Nasti befanden. In deren Zimmer waren sie wieder komplett, denn Eva weilte bereits dort. Sekt oder Ähnliches gab es nicht. Dafür fielen viele Worte. Es wurde gelacht und große Pläne wurden geschmiedet. Neben den Jungs waren die Outfits für den kommenden Abend ein Thema. Oh ja, sie würden den Burschen mächtig einheizen. Falls diese denn erschienen. Wenn dem nicht so wäre, fänden sie das zwar schade, aber es gäbe bestimmt andere Herren, welche sie mit ihrem Anblick in Verzückung versetzen konnten.

Als er sich endlich wieder in sein Zimmer zurückziehen konnte, fühlte er sich total platt. Das was er gerade durch hatte, wünschte er keinem Menschen, selbst seinem schlimmsten Feind nicht. Wobei es zwar Leute gab, welche er nicht besonders mochte, diese jedoch als Widersacher zu bezeichnen, ging ihm entschieden zu weit. Er bevorzugte es, keine Feinde zu haben. Stets befand er sich im Bewusstsein, selbst nicht einfach und umgänglich zu sein. Manchmal mochte er sich so, wie er war. Und oft hasste er es und die Tatsache, dass er es und sich nicht ändern konnte. Sein Kopf schmerzte von der Müdigkeit und der dadurch ausgelösten Verspannung und von dem Geschrei seiner Erzeuger. Er benötigte vor allem Ruhe. In seinem Bett liegend, fand er die nicht. Etwas Wundervolles war geschehen. Doch es stand verbunden mit Stress, Anstrengung und Ärger. Warum musste dies so sein? Egal, er hatte zu ruhen, um wieder in Topform zu gelangen. Würde ihm das nicht gelingen, wäre die komplette weitere Planung hinfällig.

Lange dauerte ihre Zusammenkunft nicht, das Styling würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Zuviel Lippenstift durfte sie nicht auftragen und ihr Gesicht nur dezent schminken. Nicht, dass es wieder eine solche Sauerei gäbe, wie in der vergangenen Nacht. Einen weiteren zwanghaften Toilettengang wollte sie nicht provozieren. Die letzte Aktion dieser Art war ihr in peinlicher Erinnerung. Sollte es wieder in ihrem Kreise zu einer doofen Situation kommen, so hoffte sie, dass dies bitte der Part der Herren oder wenigstens einer ihrer Freundinnen sei. Gewiss jedoch nicht ihrer. Echt zu blöd. Zum Glück war er weder darauf, noch auf ihren fetten Hintern eingegangen. Zwei deutliche Pluspunkte für ihn und sollte sie seiner erneut ansichtig werden, würde sie ihn mit je einem gigantischen Knutscher dafür belohnen. Mindestens. Doch dass die Jungs wieder ihren Weg kreuzen würden, empfand sie keinesfalls als gesichert. Die Tatsache, dass man das vereinbart hatte, hieß gar nichts. Selbst wenn sie gewillt wären, müssten sie an ihren Eltern vorbei. Beides stellte sie in Frage. Den Willen und die Fähigkeit, dieses Hindernis zu überwinden. Würden die Jungs nicht erscheinen, würde sie trotzdem mit ihren Mädels tanzen und Spaß haben. Die Vorbereitungen liefen nach Plan und mit ihren Eltern hatte sie keinerlei Probleme.

Er musste eingeschlafen sein. Erholt fühlte er sich nicht, nachdem er wieder erwacht war. Statt sich hier alleine im Bett rumzudrücken, hätte er lieber mit ihr gekuschelt. Sie war so zart, weich, warm. Und sie duftete und bot einen Anblick. Langsam wurde es Zeit, dass er mit seinen Vorbereitungen begann. Als Erstes erfolgte ein gepflegter Toilettengang. Gut, dass sie das weder sehen, hören, noch riechen brauchte. Doch es weckte Erinnerungen, an den letzten Klogang mit ihr. Er fand es seltsam, welche Assoziationen zu bilden er in der Lage war. Traumhaft Schönes parkte so nahe an Fäkalien. Seine Vorbereitung lief weiter. Derart, dass er unter anderem duschte, sich rasierte, Zähne putzte und in Ausgehklamotten kleidete. Nichts furchtbar Schickes, er bevorzugte einen legeren Kleidungsstil. Zumindest an sich. Wenn sich die Mädels aufbrezelten, hatte er keine Einwände. In vielen Fällen gefiel ihm das ausgesprochen gut. Sofern es übertrieben wurde, mochte er es gar nicht mehr. Die Grenze dazwischen mutete hauchfein an. Nicht leicht für die Girls. Aber wenn eine natürlich daher kam, konnte sie auf jeden Fall interessant sein. Und sofern eine Frau ungeschminkt toll aussah, war dies oft ein Hammer. Genau das traf bei ihr zu. Er hatte sie geschminkt und gestylt getroffen und er hatte sich augenblicklich in sie verliebt. Später hatte er sie natürlich und im Schlabberlook gesehen und sie hatte ihn förmlich umgehauen. Die Spannung darauf, wie es weitergehen würde, war hoch und erfüllte ihn mit Freude. Sie zu sehen und ihre Anwesenheit zu spüren, wäre ein Genuss und würde ihm genügen. Ohne ein Wort oder Tom überhaupt zu beachten, könnte sie ihn glücklich machen.

Puh, die Mädels. Hinter ihrer vordergründigen Albernheit steckte eine Menge Ernsthaftigkeit. Klar kicherten sie und alberten herum. Meist hatten sie ernste Themen in diese Ausgelassenheit verpackt. Selbst Mutmaßungen, wer zuerst mit wem schlafen würde und wann und wie es dazu kommen würde, wurden heiter von ihnen diskutiert. So locker das lief, gab es jeder eine gewisse Sicherheit. Dass es sich um süße Jungs handelte, stand außer Frage. Doch es waren eben angehende Männer. Und allein dieser Umstand bewog sie zu der Annahme, dass man für Schutz selbst zu sorgen hatte. Die Jungs wollten bestimmt ihren Spaß, aber keine Väter werden, handelte es sich bei ihnen gleichfalls fast noch um Kinder. Sie hätte nicht solche Probleme damit, wie die Mädels. Er erschien ihr in jeder Form als ideal und geeignet. Nur als Tänzer, wusste er nicht zu überzeugen. Bestimmt auch nüchtern nicht. Michaela hatte eine Runde Kondome innerhalb des Kreises der Freundinnen verteilt. Viel mehr konnte sie nicht tun. Letztlich würde jedes Mädel selbst mit dem klarkommen müssen, was folgte. Es war nicht davon auszugehen, dass sie sich beim Akt unterstützten, wenn es dazu kam. Nein, vermutlich wären sie mit einem Kerl alleine. Michaela hatte ihren neunzehnten Geburtstag hinter sich und gab somit die Älteste in der Runde. Sie fühlte sich mitverantwortlich für ihre jüngeren Freundinnen. Die Verhüterli waren tief in Hand- und Hosentaschen verschwunden. Während sie vorm Spiegel stand und sich kritisch betrachtete, musste sie daran denken. Mit ihrem Spiegelbild fand sie sich einigermaßen zufrieden. Sie war so weit und wartete auf Michaela, welche sie per Auto hier einsammeln wollte. Der Weg zur Disco betrug nur wenige Meter, aber für Fußgänger bestanden äußerst bescheidene Möglichkeiten, diesen zurückzulegen. Gefährliche Straßenkonstruktionen eben. Das war sie seit Jahren so gewohnt.

Seine Eltern würden ihm nicht Ausgang gewähren. Doch er fand sich mit einer glücklichen Fügung konfrontiert. Denn seine Erzeuger planten, Kurfreunde zu besuchen, ein gutes Stück weg. Und sie würde dort übernachten. Alles in allem hätten sie einen kurzen Aufenthalt, doch ihm langte dies. Er schaute gemeinsam mit ihnen fern, bevor sie aufbrachen. Sie machten einen sauren Eindruck. Andererseits waren sie auf ihn angewiesen. Er hatte die Aufgabe, sich während ihrer Abwesenheit, um den kleinen landwirtschaftlichen Betrieb zu kümmern. In erster Linie hieß dies, dass er die Kühe und die Katzen füttern sollte. Die Mäusejäger wurden von selbst anhänglich und aufdringlich, sobald sie Hunger verspürten. Den Rindviehchern blieb nichts Anderes als lautstark zu muhen. Mit den Kühen, nicht viele an der Zahl, hatte er mehr Aufwand, denn diese mussten teilweise per Hand und Eimer getränkt werden. Deren Mist war zu entsorgen und durch frisches Stroh auszutauschen. Nach den Brieftauben seines Vaters brauchte er nicht zu schauen. Diese fanden sich für den Moment versorgt und konnten auf die Rückkehr ihres Herrchens warten. Sein älteres Brüderchen Dirk, wohnte nur noch sporadisch dort. Niemand würde mitbekommen, wann genau er sich zuhause aufhielt und wenn nicht. Ein paar neugierige Nachbarn vermuteten sicher dies und munkelten jenes, doch auf die meisten Dorfbewohner und deren Geschwätz gab er nichts. Wie verlässlich solche Informationen waren, konnte man immer wieder bei den wildesten Dorfgerüchten feststellen. Oft erwiesen sich diese als belastend für die Betroffenen. Hier und da fand sich ein Krümelchen Wahrheit. Doch sie waren und blieben stets Gerüchte. Oft haltlos, aber lästig wie die Hölle, jedoch meist ohne weitere Konsequenzen. Keine zehn Minuten, nachdem seine Eltern ihm letzte strenge Instruktionen gegeben hatten, verließ er das Haus.

Fast zur verabredeten Zeit erschien Michaela bei ihr. Sie parkte und kam kurz mit rein. Ein knappes Gespräch zwischen den Mädels und ihren Eltern. Nichts Ungewöhnliches, das geschah häufig. Dann verabschiedeten sie sich und fuhren weiter zu Eva, hier verlief es ähnlich. Nasti wartete vor der Haustür. Die Mädchen waren komplett und in bester Laune, auf dem Weg zur nahegelegenen Disco. Bis dahin unterschied sich dieser Abend kaum, von vielen anderen. Sie waren mit der Örtlichkeit bereits so vertraut, dass sie am Eingang familiär von den Türstehern begrüßt wurden. Und drinnen trafen sie auf ein paar Bekannte. Einige kurze Gespräche, alkoholfreie Getränke. Auf Alkohol hatten sie heute nicht viel Lust. Spaß konnte man ohne auch haben. Und das Tanzen bedeutete für sie pure Freude. Wie fast üblich wurden sie von ein paar Typen angetanzt und teilweise plump angemacht. Ziemlich abgedroschen und nicht originell diese Sprüche. Sie fühlten sich nicht in der Stimmung, um darauf einzugehen. Noch war von den Jungs nichts zu sehen, doch es war früh am Abend und es bestand Hoffnung, dass sie auftauchen würden.

Bei Hugo musste es Ärger gegeben haben. Das spürte er sofort, es lag in der Luft. Zwar wurde er von seinem Kumpel direkt eingelassen. Doch als er später auf dessen Eltern stieß, herrschte eine Atmosphäre, die ihn zum Frösteln brachte. Und das, trotz sommerlicher Temperaturen. Auch diese Erzieher wuselten geschäftig umher. So bestätigte ihm der Freund später seinen Eindruck. Hugo war ein Einzelkind, von daher ging es bei diesem Kumpel etwas heftiger zur Sache, als bei ihm selbst. Kaum vorstellbar. Doch Hugo befand sich guter Dinge. Und er wartete startklar auf das, was folgen möge. Zunächst mal verpissten sie sich von dort, möglichst unauffällig. Es würde mehr Ärger geben, ohne jeglichen Zweifel. Doch junge Damen warten zu lassen, gehörte sich nicht. Sie landeten zu zweit bei Tom. Von dort telefonierten sie den dritten Kumpel zu sich. Bei dem war es gleichfalls heftig. Und gleich ihnen, musste dieser sich davonstehlen. Einfach war das alles nicht, aber es funktionierte. Anschließend riefen sie bei Fritz an. Diesem erzählten sie, wie ihr Abenteuer weiter gelaufen war. Anfangs wollte er ihnen nicht glauben. An sein Versprechen, am heutigen Abend in jener Disco zu erscheinen, konnte er sich nicht erinnern. Er wirkte müde. Sicher hatte er einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich. Doch er hatte Gefallen an Natascha gefunden. Wie versprochen bestellten sie ihm deren Grüße. Die drei Helden konnten ihn überreden, sie schnell einzusammeln und anschließend zur Disco zu fahren. Bevor sie sehnsüchtig auf ihn warteten, vergaßen sie nicht, sich überschwänglich bei ihm zu bedanken. Die Wartezeit nutzten sie, um zu reden. Über den Ärger mit ihren Eltern, die Mädels, die Party, Fritz, den Wohnort der jungen Damen, Alkohol und seine (Neben-)Wirkungen. Positive und negative Folgen. Und über ein paar weitere Dinge. Zeit hatten sie, denn Fritz traf eine Viertelstunde nach der von ihm benannten Uhrzeit bei ihnen ein. Somit erschien er fast pünktlich. Bald fuhren sie weiter und selbst von Angesicht zu Angesicht konnte er ihre Geschichte kaum glauben. Für den Fall der Fälle, weihten sie ihn in ihre Ausredengeschichte ein. Diese musste er klar und fehlerfrei auswendig kennen, denn sie wussten nicht, auf welche Ideen ihre Eltern kommen würden. Es durfte keinesfalls große Abweichungen geben. Fritz hörte zu und gab sich Mühe den Ausführungen zu folgen. Neben seiner Hauptbeschäftigung, dem Fahren, natürlich. Die Fahrt dauerte lange genug, um das Alles zu besprechen. Die Erinnerungen an die letzte Nacht, waren in diesem Fahrzeug sofort wieder präsent – sie lebten hier. Nach verschüttetem Sekt oder dergleichen roch es nicht. Musik war nicht nötig, denn es herrschte ein Überschuss an Gesprächsstoff. Tom bat nochmals bei Hugo um Verzeihung dafür, dass er ihn so brutal gequetscht hatte. Dieser lachte nur und meinte, mit einem Bier könnte er dies ungeschehen machen. Der Schuldige willigte leicht verlegen ein. Die Fahrt endete auf dem gefüllten Discoparkplatz. Nur wenig später betraten sie den Laden. Glücklicherweise war der Eintritt nicht hoch. Es lief wie immer in solchen Lokalitäten – zu laut, zu stickig, zu krasse Beleuchtung. Während die Anderen sich bereits nach den Mädels umschauten, dabei aber kaum bewegten, schritt Tom zur Theke und orderte drei Bier und eine Cola. Nachdem er die Getränke erhalten und gezahlt hatte, wähnte er sich fast pleite. Das Zeug zu den Jungs zu transportieren, ohne etwas zu verschütten, war gerade so machbar, erforderte aber Geschick und Konzentration. Denn den Weg musste er sich frei drängen. Nachdem die Getränkte verteilt waren, strebten sie gemeinsam weiter zur Tanzfläche, wo sie tatsächlich die tanzenden Schönheiten erblickten. Die Fahrt und der Aufwand hatten sich bereits jetzt gelohnt.

Mittlerweile hatte sie mehr, als nur Betriebstemperatur erreicht. Tanzen war klasse und mit den Mädels machte es gleich noch mal so viel Spaß. Die Zeit verging, wie im Flug. Die Musik gefiel ihr ausgesprochen gut. Es war super, dass die Disco so nah an ihrem Elternhaus lag. Zuhause konnte man Songs hören und dazu abzappeln, aber das war etwas anderes. Ob er heute mit ihr tanzen würde? Sie hoffte es. Ob er sich nüchtern besser bewegen könnte? Sie wusste es nicht. Doch plötzlich stand er vor ihr. Mit einem halbvollen Bierglas in der Hand. Schön, ihn zu sehen. Weniger ideal erschien ihr das Bier. Sie fühlte sich unsicher, wie sie ihn begrüßen sollte. Einfach nur „Hallo“ sagen und lächeln, schien ihr nicht genug. Das hätte sie auch bei jedem anderen Bekannten getan. Doch was unterschied ihn von gewöhnlichen Leuten? So einiges. Was es genau war, konnte sie nicht beschreiben, sondern nur spüren. Es fühlte sich äußerst angenehm an, aber unbekannt. Sollte sie warten, bis er die Initiative übernahm und sie begrüßte? Nein, denn wenn nichts geschehen würde, wäre das nicht nur blöd, zudem auch peinlich. Falls sie ihm allerdings um den Hals fiel, ohne dass er sie abwehrte, standen die Chancen gut, sich die Klamotten mit Bier einzusauen. Wenn er einen solchen Versuch abwehren würde, wäre das megapeinlich und würde sie verletzen. Es schien ihr kompliziert. Ihm die Hand hinstrecken? Nein, das hier war definitiv kein Vorstellungsgespräch.

Ja, da war sie und so verdammt hübsch. Doch er durfte sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Er musste agieren und reagieren können. Und das schnell. Gerne hätte er sie in seine Arme geschlossen. Dieses Gefühl hatte er. Ein Instinkt? Vielleicht. Dabei wirkte das Bier hinderlich. Sie lächelte, schien zu zögern. Oder erwartete sie etwas? Nicht paralysiert rumstehen, handeln! Er kippte das Gersten-Hopfen-Gemisch in einem Schluck hinunter. Kein Problem. Nun hatte er noch ein Glas in der Hand. Mist! Er hob den rechten Zeigefinger und brüllte: »Moment! Gleich wieder da!« Dann kämpfte er sich zum Rand der Tanzfläche, fand eine Art Bord und stellte das leere Gefäß darauf ab. Er beeilte sich, um schnell bei ihr zu sein. Eine peinliche, aber unvermeidbare Situation.

Kaum erschien er, war er weg. Hatte sie nur von seiner Anwesenheit geträumt oder hatte er sie nicht treffen wollen, weil ihr dicker Hintern, ihn letztlich verschreckt hatte? Gefiel ihm ihr Style nicht? Sie war verwirrt. Was sein erhobener Zeigefinger sollte, wusste sie nicht, denn sie hatte nicht verstanden, was er brüllte. Nun stand sie dumm hier rum. Sie sah sich um, ihre Freundinnen schienen das Problem besser gelöst zu haben. Diese befanden sich offenbar mit seinen Freunden bereits im Gespräch. Blöd, warum musste es ausgerechnet wieder sie treffen? Und wieso hatte sie nicht darauf geachtet, wie die anderen Mädels damit umgegangen waren? Hatten deren Typen kein Getränk in der Hand? Doch, hatten sie. Was war mit ihr bloß verkehrt? Es dauert gefühlt einen halben Song, bis er erneut vor ihr auftauchte. Ohne Glas. Sie konnte es nicht steuern, hatte aber sofort wieder ein Lächeln im Gesicht. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass er sie auf die Wange küssen wollte oder ihr etwas ins Ohr brüllen. Also beugte sie sich vor. Seine Absicht war eine andere, denn ihre Lippen trafen mit seinen zusammen. Sie mussten an ihrer Kommunikation arbeiten. Das hier überraschte sie ziemlich. Nicht unangenehm, aber unerwartet. Deshalb konnte dies nur ein kurzer Kuss werden. So knapp er war, konnte er einiges in Bewegung bringen. Etwas später brüllte er ihr ein »Hallo!« ins Ohr. Mehr kam erst mal nicht aus ihm heraus. Aber es klang erfreut. Also erwiderte sie das mal. Bald darauf schlossen sich seine Arme um sie und er drückte sie an sich. Kein schlechtes Gefühl, er schien sie zu mögen. Und er schmeckte nicht so stark nach Bier, wie in der Nacht zuvor.

Warum hatte er bloß Getränke geholt? Klar, um seine Begleiter, vorwiegend Hugo, zu besänftigen. Um sich frei zu kaufen. Und aus reiner Gewohnheit. Aus purer Routine war es für ihn Bier geworden. Aber nun war das Glas im Weg und er hatte sich durch die Menschenmenge drängen müssen. So gut war die Musik gar nicht. Warum also, fand sich dieser Laden dermaßen überfüllt? Als er wieder vor ihr stand und sie ihn anlächelte, konnte er nicht widerstehen. Er musste sie küssen. Damit, dass er sie völlig überraschte, rechnete er nicht. So wurde die Berührung ihrer Lippen nur eine kurze. Und bei Weitem nicht so sanft und intensiv, wie er sich das erhofft hatte. Mensch! Er hätte erst mal „Hallo“ sagen können. Das holte er umgehend nach. Schade, dass er dafür brüllen musste. Doch trotz stickiger Luft nahm er jetzt deutlich ihren Geruch wahr. Ein Duft, der ihn, gleich ihrem Lächeln, sofort noch mehr in ihren Bann zog. Wie eben, zu ihrem Kuss, streckte sie sich erneut zu ihm. Nur um ebenfalls »Hallo!« in sein Ohr zu brüllen. Auch ihrer Stimme konnte er eine Menge abgewinnen, selbst unter diesen Umständen. An ihrer Begrüßung würden sie beide arbeiten müssen. Das wirkte holprig. Natürlich verstanden sie sich fast ohne Worte, jedoch nicht gänzlich und ein paar Silben mehr, wären nicht störend, sondern angenehm. Er schloss seine Arme um sie. Sie war warm, weich, genau so, wie er es mochte.

Ewig lange standen sie nicht so, denn Waves Bedarf an Bewegung in Form von Tanzen, war nicht gedeckt. Begeistert wirkte er nicht von der Idee, auf die Weise mit ihr agieren zu sollen. Sie ließ ihm keine Wahl. Klar, er hätte sich von ihr befreien und gehen können. Allerdings würde ihm das eine riesige Ladung an Minuspunkten eingebracht haben. Ihm schien dies bewusst zu sein, daher entschied er sich, zu bleiben. Die negative Wertung vermied er, tanztechnisch sammelte er jedoch keine Pluspunkte an. Schade, doch seine körperliche Nähe langte ihr. Er tanzte nicht wie ein Tänzer, eher wie ein Trampel. Trotzdem tat er ihr gut. Sie schaute sich um, bei ihren Freundinnen schien es ähnlich zu laufen. Wobei Nasti und Michi etwas mehr Glück hatten. Tanzlehrer konnten deren Buben nicht werden, aber im Vergleich zu Tom und dem („Nicht-)Tänzer“ von Eva, bewegten diese sich passabel. Dann wischte er ihre Haare beiseite und küsste sie auf Nacken, Hals und Ohr. Uh, das konnte er. Daran gab es nichts auszusetzen. Schließlich nahm er ihr Gesicht in beide Hände und brachte seinen auf ihren Mund. Sie erwiderte seinen Kuss. Es ließ sich nicht steuern. Es lief automatisch. Sie fühlte sich, als würde sie schmelzen. So sagenhaft heiß wurde ihr mit einem Male. Und ihre Knie wurden dermaßen weich, dass sie nicht mehr tanzen konnte. Selbst das Stehen schien ihr kaum möglich. Sie musste sich an ihm festhalten. Seltsamerweise fühlte sie sich trotzdem gut und glücklich. Er ließ ihr gerade genug Raum zum Luftholen. Wow! Wo war sie? Was passierte? Ein Schauer fuhr durch ihren kompletten Körper. Sie fröstelte nicht, bekam dennoch eine Gänsehaut. Fast hätte sie losgeheult, einfach so. Warum, konnte sie nicht erklären. Die erste Welle wurde durch die nächste gejagt. Was er mit Lippen, Geschmacksorgan und Händen anstellte, war kriminell. Dafür benötigte er einen Waffenschein. Er saugte zart an ihrer Zunge.

Die Umarmung gefiel ihm, viel mehr, als der Tanz, welcher sich daraus entwickelte. Davor wäre er am Liebsten davongelaufen. Das hätte ihr, nicht gefallen. Er wusste, dass es Louis noch weniger behagen würde, als ihm. Doch selbst dieser rannte nicht davon. Da sein Freund etwas massiver gebaut war als er, diese Dings kleiner und zierlicher als Wave, gaben diese beiden das lustigste Bild ab. Zum Lachen kam er nicht, denn er versuchte sich auf Takt und Tanzpartnerin zu konzentrieren. Recht eng wurde getanzt. Das war ihm völlig ungewohnt, es schien zwecklos. Er hatte Mühe, ihr nicht auf die Füße zu treten. Zum Glück wirkten diese winzig und von daher gut ausweichbar. Die Angst, sie körperlich zu verletzen, ließ ihn zunehmend verkrampfen. Nicht leicht ihre folgende Bewegung zu erahnen. Nicht, dass er etwas dagegen hatte, sie zu berühren. Aber nach Möglichkeit sanfter, als bei einem schmerzhaften Zusammenstoß. Er brauchte öfter eine Pause. Die erste nahm er sich, indem er die wunderbar seidigen Haare beiseite strich. Diese fühlten sich wundervoll an. Ein wenig kitzelten sie. Anschließend bedeckte er die freigelegten Stellen mit Küssen. Ihre Reaktionen darauf konnte er bei diesem Discogeflimmer nicht eindeutig erkennen. Sie wich nicht zurück. Doch sie schien, gleich ihm, von einem auf den anderen Moment nicht mehr zu tanzen. Sie sah so verdammt überrascht und unendlich süß aus. Er umrahmte ihr zartes Gesicht mit beiden Händen. Sah ihr tief in die Augen. Darin meinte er die Antwort auf all seine Fragen entdecken zu können. Nur für einen Moment. Dann war der Augenblick vorüber und kurz darauf trafen sich beider Lippen. Just in dieser Sekunde schloss sie die Augen. Während er sie genau beobachtete, sah sie gar nichts, brauchte sie nicht. Gerade war er nicht auf seine Umwelt konzentriert. Doch generell würde er gut auf sie aufpassen und sie beschützen. Seine Augen würden ihre sein. Ihre Zungenspitzen spielten miteinander und er bekam einen Ständer. Dafür konnte er nichts, es war das Resultat aus vielen Dingen, welche er fühlte. Sanft saugte er an ihrer Zunge.

Was sie empfand, hätte sie nicht beschreiben können. Nur, dass es schön war, stand fest, niemals sollte es enden, so lautete ihr momentaner Wunsch. Einem klaren Gedanken nachhängen konnte sie nicht, während sie weiche Knie bekam und er ihr den Atem raubte. Von ihrer Umgebung nahm sie wenig wahr. Durch ihre geschlossenen Augen sah sie zwar nicht nichts, doch nicht mehr, als die sich abwechselnden Helligkeitsintensitäten, der sich immer wieder schnell verändernden Disco-Beleuchtung. An ihr Gehör drangen irgendwelche Klänge. Nichts, was sie hätte benennen können. Vermutlich handelte es sich um poppige Musik. Ihre Nase vernahm einen Duft, welcher ein Mix aus diversen Gerüchen darstellte. Ausdünstungen anderer Discobesucher, Rauch, Bier, Cola, Deos und Parfums, Schweiß und dergleichen mehr. Ihre Nase lieferte Signale, welche ihr Hirn nicht verarbeiten konnte. Und das was von ihm ausging, mochte Aftershave, Bier, Kaugummi, Deo und weiteres sein. Unmöglich hier irgendetwas herauszufiltern. Ihre völlige Konzentration haftete in jenem Moment an dem Kuss, an den Taten seiner Zunge und ihrer Erwiderung. Sehr schön, das Ganze, aber anstrengend. Was sie spürte, fühlte sich gut an. Und das war im Prinzip alles, was sie – auch später noch – darüber berichten konnte. Nicht, dass es eine Relevanz gehabt hätte, doch in diesem Moment wäre es ihm möglich gewesen, sämtliches mit ihr zu tun. Willenlos fühlte sie sich nicht, aber bereit. Willens sich ihm und Situation völlig hinzugeben. Den Augenblick zu leben.

So etwas hatte er noch nie getan. Es wirkte gut und richtig. Es könnte weitergehen, er hatte keine Eile. Nichts überhasten oder überstürzen. Er genoss den Moment und ihre Präsenz. Sie schien gleichfalls Spaß daran zu haben, ihre Reaktionen gefielen ihm enorm gut. Eine sich stetig steigernde Wärme, ergriff Besitz von seinem Körper. Gut lesen konnte er sie nicht. Was erwartete sie als Nächstes? Egal, solange sie positiv auf ihn reagierte und es sich perfekt anfühlte, konnte es nicht verkehrt sein, weiterzumachen. So lange er dies durchhielt, würde er es tun. Bald würde er eine Pause benötigen, denn sie oder mehr, die mit ihr verbundene Tätigkeit, raubte ihm den Atem. Er versuchte, sich zurückzunehmen und von ihr zu lösen. Nicht leicht, weil auch sie sich mit ihm verband. Es wäre schöner gewesen, mit ihr alleine zu sein. Dafür, dass es nicht so war, konnten beide nichts. Fehler konnte er an ihr keine entdecken. Als seine Zunge sich von der ihrigen löste und langsam aus ihrem Mund glitt, öffnete sie die Augen. Sie schaute direkt in die seinigen. Uh, diese Farbe, dieser Blick. Das machte ihn fertig. Als sie ihre Köpfe ein paar Zentimeter voneinander getrennt hatten, schnappten beide nach Luft. Sie sagte irgendetwas, was er aufgrund des Lärms nicht verstand. Erst als er sein Ohr direkt vor ihre Lippen positionierte, erfasste er die Wiederholung ihrer gehauchten Frage: »Was machst Du bloß mit mir?« Die Antwort darauf kannte er nicht. Und mehr, als ihr ein Grinsen und Schulterzucken zu zeigen, brachte er nicht heraus.

Mit beiden Armen zog sie ihn näher an sich heran und der Kuss fand seine Fortsetzung. Was andere Leute darüber dachten, interessierte sie nicht. Bemerkungen, wie: »Sucht Euch doch ein Zimmer!« drangen nicht zu ihr vor. Sie lebte in ihrem eigenen kleinen Universum, in dem es neben ihm und ihr nicht viel gab. Die abgekapselte Welt füllte sich mit immer neuen Eindrücken, Handlungen, Reaktionen und Gefühlen. Eine schöne Umgebung, wie sie fand und in deren Zentrum stand er. Klar, sie war siebzehn, geküsst hatte sie zuvor und angenehm war auch dies gewesen. Doch mit ihm lief es anders. Voller Vertrauen, Geborgenheit, Leidenschaft und Sehnsucht. Sie verspürte das Bedürfnis, mit ihren Freundinnen darüber zu sprechen, vor allem mit Michaela. Zu gerne mochte - nein musste! – sie wissen, ob es diesen genauso ging. Von selbst wagte sie nicht, den Kuss zu lösen. Als er ihr eine Atempause gönnte, öffnete sie die Augen und schaute sich um. Wie viel Zeit konnte vergangen sein? Sie wusste es nicht einzuschätzen, das Gefühl dafür, hatte sie verloren. Sie sah ihre Freundinnen und deren Eroberungen. Alle befanden sich in der Nähe. Diese Personen wirkten glücklich. Sie hatte das Verlangen, ihre Gefühle in Bewegungen auszudrücken. Sie zog ihn mit sich auf die Tanzfläche, beziehungsweise von deren Rand in die Mitte.

Was er mit ihr machte? Eine berechtigte Frage! Der Gedanke daran beschäftigte ihn. Während des folgenden Kusses versuchte er, eine Antwort zu finden. Was sie mit ihm anstellte, konnte er nicht definieren. Vom Gefühl her, konnte er nur feststellen, dass es extrem angenehm war. Umschrieben hätte er es so, dass ihre Schönheit, ihre Sanftheit, Weichheit und Wärme ihn erfüllten und hart machten. Wenigstens stellenweise. Sie raubte ihm den Atem und ließ ihn nach Luft schnappen. Sie gab ihm das Gefühl gebraucht und geliebt zu werden, füllte ihn mit Leben und Sinn. In ihrer Gegenwart fühlte er sich verstanden und war nicht umsonst auf der Welt. Selbst, wenn sie nicht viel miteinander gesprochen hatten und die Zeitspanne, seit sie sich gefunden hatten, kurz war. Zudem paralysierte sie ihn manchmal. Medusengleich und wieder anders. Denn er konnte sich unter ihrem (An-)Blick oft nicht rühren. Doch er versteinerte nicht, auch wenn einiges an ihm recht hart wurde. Aber Weiteres, wie zum Beispiel seine Beine, eher weich. So geschah es, als sie ihn mitten auf die Tanzfläche zog. Er tat sein Möglichstes, ihr zu folgen. Leicht war das nicht. Über seine Beine hatte er kaum Kontrolle und er erlangte diese nicht schnell wieder. Auf diesem Terrain konnte er sich nur blamieren. Ihr schien das egal. Kein Wunder, sie bewegte sich mit der Eleganz einer Gazelle oder Anmut und Erhabenheit einer Primaballerina.

Selbst wenn sich seine Hände weitaus rauer anfühlten als Lippen und Zunge, tat es dennoch gut, ihn zu berühren. Gewalt anwenden musste sie nicht, damit er ihr folgte, doch sie gewann den Eindruck, dass Tanzen nicht das war, was er gerne tat. Dafür, dass er es trotzdem versuchte, offenbar nur für sie, versprach sie ihm vor ihrem geistigen Auge eine kleine Belohnung. Worin diese genau bestehen würde, wusste nur sie. So leicht und geschickt er sich mit Lippen und Zunge anstellte, so schwer schien es ihm zu fallen, seine Beine, Arme, Hüften und seinen Körper im Rhythmus der Musik zu bewegen. Er hörte die Klänge, genoss teilweise sogar, jedoch trugen und leiteten sie ihn nicht. Nein, es wäre falsch zu sagen, dass er sich nicht mit- oder hinreißen ließ. Aber seine Gefühle, zeigte er lieber auf eine andere Art, dazu fand er sich im Stande. Ihr tat es gut, sich zu bewegen. Es wirkte erholsam, befreiend und erfüllte sie mit mehr Freude. Doch Männer tickten abweichend und damit auch er. Sie hätte tanzen können, bis es draußen wieder hell wurde. Ihm zur Liebe kehrte sie nach wenigen Songs zu ihren Freundinnen und Freunden am Tanzflächenrand zurück. Die Knutscherei schien nicht so lange gedauert zu haben, wie die Bewegungen. Arg spät war es nicht.

Ihr beim Tanzen zuzusehen, war die reinste Freude. Sie tat es mit Selbstbewusstsein und einer enormen Lust und Energie. Sich selbst auf der Tanzfläche zu betätigen, verursachte ihm keine körperlichen Schmerzen. Doch er setzte es mit diesen auf eine Ebene. Daher war er geschwitzt und heilfroh, als diese Tortur für ihn, nach wenigen Liedern endete. Lieber als hier rum zu zappeln, hätte er mit ihr gesprochen, sie berührt, geküsst und ihren Körper erkundet. Ungerecht wollte er nicht sein, von den anderen erwähnten Dingen gab es auch. Als sie sich den Leuten am Rande der Tanzfläche näherten, konnte er seine Freude kaum verbergen. Als ihm eines der Mädels, deren Namen er sich nicht gemerkt hatte, ein Glas Cola in die Hand drückte, fand er sein Leben für einen Augenblick perfekt. Eine Erfrischung konnte er gut gebrauchen und nahm sie daher dankend an. Seit ihrer Ankunft in der Disco war erstaunlich wenig Zeit vergangen, wie er feststellte, als er einen Freund nach der Uhrzeit fragte. Die Zeitangabe bekam er zusammen mit der Information, dass man sich gleich von hier an einen anderen Ort bewegen würde. In eine kleinere Disco, um präziser zu sein.

Da einige Personen zu bestimmten Uhrzeiten zuhause sein wollten, sollten und mussten, war Eile geboten. Bei Weitem nicht alle, waren achtzehn und somit volljährig. Im Gegenteil, die freie Entscheidung über die angebrachte Zeit oblag nur drei der anwesenden und beteiligten Personen. Wobei deren Entschlüsse nicht frei waren, sondern Bedingungen unterlagen. Von Routine zu sprechen, wäre falsch. Denn man kannte sich größtenteils erst seit kurzer Zeit. In vielen Fällen nicht einmal vierundzwanzig Stunden. Es sah einstudiert aus, weil fast alles funktionierte, als könnte eine Verbesserung kaum möglich sein. Dabei erfolgte die Verteilung der Paare auf die Fahrzeuge ein wenig anders, als in der letzten Nacht.

In Michaelas Auto fanden sich, neben der Fahrerin selbst, Hugo als Beifahrer, sowie Wave und Tom auf der Rückbank. Für ihren Nebenmann war der Platz an der Seite der Neunzehnjährigen nicht neu, aber angenehm. Tom genoss es, über mehr Raum zu verfügen, als in der vorherigen Nacht. Obwohl er diesen gar nicht so doll benötigte, beziehungsweise nutzte, wie bei der ersten Fahrt zusammen mit Wave. Diesmal wurde weniger getrunken, gestreichelt, gefummelt und geknutscht, dafür mehr geredet. Was zum Einen notwendig und andererseits angenehm war. Erforderlich, da Michaela den Weg nicht kannte. Willkommen, da so die Chance bestand, etwas mehr übereinander zu erfahren und sich besser kennenzulernen. Selbst, wenn alle das Gefühl hatten, sich seit Ewigkeiten zu kennen, so gab es eine Menge interessanter Dinge, welche sie nicht über sich wussten. Außerdem fanden sie das Gespräch im Auto wesentlich leichter, als in der lauten Disco. Man brauchte sich nicht gegenseitig ins Ohr brüllen und verstand trotzdem mehr.

In Fritzs Gefährt bildete Natascha die Beifahrerin. Was dem jungen Mann gefiel, denn an ihr hatte er Gefallen gefunden. Sie hätte sich keinen anderen Fahrer gewünscht. Und wenn doch, dann höchstens, um mit Fritz auf der Rückbank selbst ein wenig intimer werden zu können. Eva und Louis befanden sich dort hinten, so sonderlich kuschelig sah das bei denen aber nicht aus, fand zumindest Natascha. Ein Platztausch schien trotzdem leider nicht möglich, da in diesem Gefährt lediglich Fritz über die entsprechende Fahrerlaubnis verfügte. Ein Tausch ihrerseits mit Eva bildete keine Alternative, da sie den Älteren attraktiver und interessanter fand, als Louis. Was Eva in dem sah, konnte sie nicht nachvollziehen. Alles passte, da die Geschmäcker verschieden ausfielen. Die zu überbrückende Strecke betrug keine zwanzig Kilometer, eher fünfzehn. Die Straßen waren um diese Uhrzeit nicht dicht gefüllt. Fritz verfügte über einen rasanteren Fahrstil, welchen er aufgrund seines schwach motorisierten Fahrzeugs nicht voll zu Geltung brachte. Michaela hingegen fuhr sicherheitsorientiert und vorausschauend. Obwohl aus ihrem Wagen mehr Leistung heraus zu kitzeln gewesen wäre.

Die Gespräche in beiden Fahrzeugen liefen ähnlich ab. Wobei sich vor allem Natascha wünschte, dass es endlich mal zu etwas mehr, als nur Reden käme. Von Fritz hatte sie körperlich bisher weitaus weniger gehabt, als die anderen Mädels von ihren Freunden. Sie wollte knutschen und dieses elektrisierende Gefühl genießen, wenn sich zwei Leiber sanft berührten. Direkt neidisch war sie auf ihre Freundinnen nicht, eifersüchtig schon gar nicht. Eher etwas neugierig und gespannt. Sie fühlte sich zurückgesetzt und benachteiligt. In der nächsten Disco würde sie mehr in die Offensive gehen. Wovor sie ein wenig Angst hatte. Sie fand ihren Lippenstift passend zur Lackierung seines Wagens. Aber halt, hatte das nicht schon mal jemand gesagt? Sie war sich nicht sicher bezüglich dieses Gefühls.

Bald erreichten sie den Ort mit der Disco, welche die Jungs, mit Ausnahme von Fritz bereits kannten. Es handelte sich um die Gegend der drei Freunde. Die Mädels und der Fahrer konnten sich hier wenig bis gar nicht orientieren. Kein Drama, solange man Vertrauen zeigte und offen für Neues war. Ihre kindliche Neugier hatten sich alle bewahrt. Ewig lag diese Zeit nicht zurück. Freie Parkplätze in der Nähe des Lokals fanden sich schnell. Zum Glück handelte es sich bei sämtlichen Abstellflächen in diesem Ort, um gebührenfreie. Die Finanzen der Beteiligten waren gering. Selbst die, der Ältesten in der Runde, Michaela, neunzehn und Fritz, Anfang bis Mitte zwanzig, waren alles andere, als prall. In der großen Gruppe von acht Leuten enterte man den Laden.

Tom war entsetzt, dass sie hier Eintritt kassierten. Drei Deutsche Mark pro Person wurden sie los. Eine Unverschämtheit ohne Gleichen. Der Eintrittspreis war für damalige Verhältnisse normal bis günstig. Doch stellte diese Summe einen durchaus berechenbaren Anteil seiner komplett mit sich geführten Barschaft dar. Darauf, sie einzuladen, kam er zunächst gar nicht. Als übertrieben sparsam oder geizig, wollte er sich nicht präsentieren. Daher sparte er sich bezüglich der Eintrittsforderung lieber den bissigen Kommentar. Gruppenrabatt gab es leider keinen. Zudem hielt er ihre entzückend zerbrechlich wirkende, kleine Hand. Während ihm bereits jetzt warm war, fühlten sich diese zierlichen Finger kühl an. Dennoch zart und mehr als nur gut. Sonderlich kurz war seine Begleiterin nicht, doch neben ihm wirkte sie etwas winziger. Und dass, trotz durchaus vorhandener Absätze. Sie trug keine Stilettos und die Stiefel waren nicht wahnsinnig hoch, er überragte sie um einige Zentimeter. Was in ihm eine Art Beschützerinstinkt weckte und sie mit einem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit erfüllte. Er fühlte sich stolz und präsentierte sich gerne mit ihr, wie mit einem edlen Schmuckstück. Sie betrachtete ihn als etwas, wie einen heimatlichen Hafen. Und das bereits jetzt, nachdem sie sich erst wenige Stunden kannten. Doch beide fühlten eine tiefe Vertrautheit. So, als wären die Minuten Jahrtausende. Ihnen fehlte jeglicher Schimmer, wie das sein konnte. Eine Ahnung brauchte es nicht, solange es sich so anfühlte. Und das tat es. Extrem.

Wave hatte mit den Mädels gesprochen. Über solche Gefühle zu reden, fiel ihr nicht leicht. Den anderen Mädchen auch nicht. Sie fühlten sich alle glücklich. Als sie von dieser Vertrautheit, wortlosem Verstehen und ewigem Kennen anfing, konnten ihr die Freundinnen nicht folgen. Kurz darauf zogen sie Wave damit auf, machten sich lustig und erklärten sie für verrückt. Wenn es sich so anfühlte, wahnsinnig zu sein, dann mimte sie gerne eine Irre.

Er, er, ja, was war das nur? Sein Kopf wies Leere auf. Nichts befand sich darin, außer einem tiefen Gefühl der Glückseligkeit, Geborgenheit, Vertrautheit, Verliebtheit, einem riesigen Beschützerinstinkt und enormen Stolz. Ok, da war noch mehr. Eher ein niederes Gefühl. Für welches er nichts konnte und dessen er sich nicht schämte. Da sie mit ihren Reizen – die ihm exorbitant gut gefielen – nicht geizte, überfiel ihn etwas wie Neugier, gepaart mit Geilheit und Besitzstreben. Der Wunsch nach Erlösung und Befriedigung. Freies Fallenlassen.

Im Vergleich zum vorherigen Schuppen wirkte diese Disco kleiner. Was aber nur bedingt stimmte. Schließlich verteilten sich hier ein paar Räumlichkeiten auf verschiedene Etagen. So gab es fast ebenerdig eine Bar, einen Billardtisch, einen Dartautomaten und weitere Dinge. Während sich im Keller neben der größeren Theke, die Tanzfläche und die Toiletten befanden. Unter Führung der Ortskundigen begaben sich die acht Personen ohne Umwege zum Tisch mit den Löchern. Sicher entsprach dies nicht den Vorstellungen der jungen Damen, doch sie verfügten über das nötige Einfühlungsvermögen, um zu verstehen, dass sie sich diesmal den Wünschen ihrer Begleiter beugen konnten, ohne das es ihnen weh tat. Gemeinsam dachten sie sich eine Spielvariante aus, welche Allen gefiel. Bei nur einem abgenutzten alten Tisch und vier Queues mit reichlich Gebrauchsspuren, machte es Sinn, pro Spielstock ein gemischtes Zweier-Team zu bilden. Reden, brauchten sie über die Gruppenzusammensetzungen nicht. Im Grunde war fast alles ohne große Worte klar. Jede Mannschaft einen Queue, wer punktete, bekam von Partnerin oder Mitspieler einen Kuss (keine allzu intensiven Versionen davon, denn das Spiel sollte weitergehen) und war erneut an der Reihe. Wer nicht korrekt versenkte, gab den Queue an Partner oder Mitspielerin ab. Dann wurde gewartet, bis das Team wieder dran war. Es mochte sein, dass sich die Beschreibung komplizierter las, als der Ablauf sich gestaltete.

Die Jungs legten beim Spiel ein großes Selbstbewusstsein an den Tag. Sie glaubten, es besser zu können, als die Mädchen. Mehr noch, sie dachten, diesen im Match etwas beibringen zu können und zu müssen. Nicht in allen Fällen traf das zu. Bei Wave und Tom allerdings schon. Er freute sich drauf, ihr persönlicher Lehrer zu sein. Und sie erwies sich als gelehrige Schülerin. Um ihr zu zeigen, wie sie den Queue halten, zielen und den Stoß ausführen sollte, stellte er sich halb hinter und zur anderen Hälfte neben sie. Sie zeigte sich interessiert und bewies Geschick. Sicher würde sie bald besser spielen, als er. Nur ein klein wenig Übung fehlte ihr dafür. Was seine Lehrtätigkeit betraf, so fiel es ihm ausgesprochen schwer, sich zu konzentrieren. Ihr Duft, die beabsichtigten und die zarten, zufälligen Berührungen lenkten ihn massiv vom Spiel ab. Das Schlimmste schien ihm ihr knackiges Hinterteil, welches ihn ständig in der Höhe seines Reißverschlusses berührte.

Die Autofahrt empfand sie als angenehm und sie wurde abermals daran erinnert, dass er reden konnte. Der Wohlklang seiner Stimme kam im, vergleichsweise zu der Disco leisen, Auto besser zur Geltung und er löste in ihr etwas aus. Als leichtes Kribbeln konnte man es am ehesten bezeichnen. Erklären konnte sie sich das nicht. Der Sinn seiner Worte, schien recht genau zu dem zu passen, was sie selbst über das jeweilige Thema dachte. Erschreckend, wie sehr das Alles übereinstimmte. Sogar ihre Hand passte perfekt in die seinige. Und er gab ihr eine wohlige Wärme. Er schien darum bemüht, ihr nicht weh zu tun. Richtig süß. Michaelas Auto kannte sie, denn oft hatte sie ihre Freundin begleitet. In dieser Gegend war sie nie gewesen. Nicht, dass sie sich erinnern konnte. Bekannt kam ihr an dieser Umgebung gar nichts vor. Seltsam, wenn man bedachte, dass sie nicht weit von ihrer Heimat entfernt war.

In dieser großen Gruppe, zusammen mit ihren Freundinnen und ihm an ihrer Seite, verspürte sie keine Angst und keinerlei Unsicherheit. Ein wenig Nervosität hingegen, ließ sich nicht leugnen. Wo würde dies hinführen? Darauf konnte niemand antworten, das war ihr bewusst. Die einzige Chance, es herauszufinden, bestand darin, es auf sich zu kommen zu lassen. Es zu erleben, ohne zu steuern oder Kontrolle darüber zu haben. Zu ihrer eigenen Überraschung fand sie sich bereit. Sie freute sich sogar darauf. So gut und spannend war es mit ihrem Exfreund nie gelaufen. Sie wollte nicht an diesen denken. Die Gedanken drängten sich automatisch auf. Ohne es beeinflussen zu können, zog sie Vergleiche. Sie kannte diesen Tom nicht lange. Es kam ihr anders vor. Und obwohl ihr Exfreund in vielerlei Hinsicht in der Gegenüberstellung den Kürzeren zog, bekam sie die Gedanken an ihn nicht aus dem Kopf. Die Trennung war schmerzlich gewesen, aber unumgänglich. Und diese Narben auf ihrer Seele, waren frisch. Alles nicht einfach. Doch so verlief das Leben. Von der Geburt bis ins Grab. Eine schier endlose Aneinanderreihung von Höhen und Tiefen. Solange sich das aber die Waage hielt und keines von beidem dominierte, vor allem die Abgründe nicht, war das in Ordnung und erträglich. Dem Typen schien die Trennung nicht so schwerzufallen. Falls er überhaupt etwas davon mitbekommen hatte. Das kränkte sie und tat ihr weh. Intensiver konnte und wollte sie nicht in diese philosophischen Überlegungen einsteigen. In ihrem Kopf rangen zwei Männer um ihre Gunst, doch sie bemühte sich, es auf einen zu reduzieren. Sie versuchte, sich voll und ganz auf ihren jetzigen Begleiter zu konzentrieren und den Abend bestmöglich zu genießen.

Die Jungs schienen genau zu wissen, wohin sie wollten. Ein krasser Gegensatz zur Nacht zuvor, doch das mochte sie. Was sie weniger schätze und ihren Genuss störte, war der Zustand von Gebäude, Einrichtung und Equipment. Neu und sauber wirkte das nicht, eher heruntergekommen und abgeranzt. Sie hielt an ihrem Vorsatz fest, sich nicht daran stören zu wollen, sondern Spaß zu haben. Billard hatte sie in der Tat noch nicht gespielt. Wo dabei der Reiz oder die Faszination lag, Kugeln mittels eines Stocks in Löcher auf einem Tisch zu befördern, erschloss sich ihr nicht. Aber gleich ihren Freundinnen, gab sie sich Mühe. Sie versuchte, das Spiel zu begreifen und gut darin zu sein. Denn immerhin bekam sie mehr Küsse, wenn sie besser spielte. Und diese lösten in ihr ständig wieder Reaktionen ihres Körpers aus, welche sie bis dahin nicht kannte. Die sie nicht beschreiben oder erklären konnte. Doch sie hatte Gefallen daran. Leider waren die Küsse während des Spiels selten und nur von kurzer Dauer. Sie gab sich Mühe, seine Anerkennung und Sympathie zu bekommen. So, wie er mit ihr umging, schien dieses Unterfangen von Erfolg gekrönt zu sein.

Geduldig erklärte er ihr das Spiel und entscheidende Dinge. Interessiert lauschte sie seinen Worten, während sie seine Nähe genoss. Seine Wärme, seinen Geruch. Es kam zu beabsichtigten Berührungen und zu zufälligen. Unvermeidlich erschien, dass er sie leicht gegen den Tisch presste, als er ihr half, den Stoß auszuführen. Er so hinter ihr. Seine Front an ihrer Kehrseite. Trotz, des guten Gefühls, würde sie sich daran gewöhnen müssen. Sie fand keine Zeit, um über ihren fetten Arsch nachzudenken. Oder darüber, dass er diesen abstoßend finden konnte. Zu sehr fühlte sie sich in der Situation im Ganzen gefangen, als sich mit deren einzelnen Komponenten auseinanderzusetzen. Er wich nicht zurück, fühlte sich in seiner Lehrer-Rolle wohl und schien Spaß zu haben, sich dicht an sie zu drängen. Die Musik, welche an ihre Ohren brandete, war nichts Besonderes, gefiel ihr jedoch nicht schlecht. Mehr oder minder ein chartstauglicher Mix, gewiss tanzbar. Und in einer Lautstärke, welche es erlaubte, sich in einer normalen Intensität zu unterhalten. Er strahlte eine ungeheure Hitze aus, ihr wurde zunehmend wärmer. Sie machte sich kurz Gedanken darum, ob Schweißgeruch bald ihr Parfum überdecken würde. Nein, so schlimm konnte es nicht werden. Eine gewisse Anspannung und Nervosität spürte sie eindeutig bei ihm.

An den Stress mit seinen Eltern und seine Kopfschmerzen dachte er nicht. In seinen Gedanken fand sich, neben ihr, nicht viel Platz für Anderes. Außer einer gewissen Aufregung ging es ihm in ihrer Nähe prächtig. Da sie in diesem Laden, aufgrund ihrer angeschlagenen Finanzen, auf Getränke verzichteten, wurde seine Kehle etwas trocken. Er hätte nicht übel Lust gehabt, diese mittels eines schönen kühlen prickelnden Kristallweizens mit Zitrone zu befeuchten. Genauso, wie sie es meist taten. Das ging leider nicht. Ihr weit geschnittenes T-Shirt, erlaubte ihm in dieser Position interessante Blicke auf ihren schwarzen BH und dessen Inhalt. Das wirkte sich, zusammen mit ihrem wundervollen Duft, den Berührungen und der Gesamtsituation, unmittelbar auf den Platz in seiner Hose aus. Denn innerhalb kürzester Zeit bekam er einen beachtlichen Ständer. Er schämte sich deswegen ein wenig und ihm wurde definitiv noch wärmer. In dieser gedrängten Position musste sie das spüren. Sie äußerte sich jedoch nicht dazu. Aufgrund der amateurhaften Spielweise sämtlicher Akteure waren die Matches meist nur von kurzer Dauer, aber recht ausgeglichen. Von den zwei Partien, welche er gemeinsam mit ihr im Team bestritt, gewannen sie leider keine. Es gelang beiden nicht, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Das machte ihnen nichts, denn sie hatten eine Menge Spaß und ihre Nähe zueinander wuchs. Körperlich, wie auf anderen Ebenen. Außerhalb der spielerischen Aktivitäten wurde viel geküsst. Mehr Partien waren nicht drin, denn die Zeit raste rasant dahin. Außerdem wollten weitere Leute spielen.

Wave - (Hello)

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