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VORWORT
ОглавлениеAls die uns bekannte Welt am 16. März 2020 aufhörte sich zu drehen und Wien mit einem Schlag verstummte, habe ich begonnen, als Peter Payer durch diese Stadt hindurchzuspazieren. Plötzlich bekamen die Straßenbeläge einen Charakter, die Hydranten eine Persönlichkeit, die Schaufenster ohne Publikum eine gänsehautpoetische Redseligkeit. Aus irgendeinem Grund habe ich angefangen, alles aufzusaugen – habe Laternen und Scheinwerfer studiert, habe die unterschiedlichen Gerüche am Schwedenplatz, in der Ottakringer Straße und auf der Simmeringer Haide analysiert und habe mich sogar dabei ertappt, wie ich Poller, Mistkübel und Würfeluhren im Kopf abgezählt und visuell abgespeichert habe.
Wie ein Peter Payer also. Ich lese diesen Mann schon seit vielen Jahren mit großer Begeisterung und kippe mit jedem Essay in eine akribisch zusammenrecherchierte Vergangenheit – in eine Vergangenheit, die vor unser aller Lebenstage liegt, dank der Worte dieses Historikers und Wortakrobaten allerdings eine Präsenz und Lebendigkeit entwickelt, als würde sie nur ein paar Sekunden zurück- oder vielleicht ein paar Millimeter entfernt liegen. Und wenn in einem seiner Texte am 1. März 1912 der erste fahrplanmäßige Elektrobus vom Stephansplatz zur Volksoper aufbricht, dabei nach ein paar Fahrminuten vor der Votivkirche fotografiert wird, dann ist es, als würde man mittendrin stehen, einer von insgesamt 18 Passagieren, und den Elektromotor surren hören und unter den eigenen Füßen rattern spüren.
Man lernt viel aus der Lektüre seiner Wien-Betrachtungen. Zum Beispiel, dass die erste Fußbodenheizung Wiens in einer Synagoge eingebaut wurde. Dass das Warenhaus Gerngroß einst Nacht für Nacht einen milchweißen Lichtstrahl in den Wiener Himmel entsandte. Dass so manches Ross diese Stadt noch großartiger findet als unsereiner und sich als Zeichen seiner Liebe sogar in deren historische Bausubstanz verbissen hat. Zwischendurch gibt es – wie könnte es anders sein – ausgeschmückte Statistiken zu Trinkbrunnen, Telefonzellen, Tiefgaragenpionieren.
Peter Payers Texte sprechen mit Zahlen, Daten, Fakten zu uns. Zwischen den Zeilen aber blitzt wie ein permanentes Gewitter eine emotionale, atmosphärische, alle Sinne reizende Komponente hindurch, die dafür sorgt, dass man dieses Buch, einmal aufgeschlagen, erst dann wieder aus der Hand legen kann, wenn man nach 253 Seiten den Wiener Donaukanal durch die Brille einer pandemiegebeutelten Jugend gesehen, verstanden und auf seinem mentalen Stadtplan neu abgespeichert hat.
Der Stadthistoriker Peter Payer ist die perfekte Personalunion aus wissenschaftlichem Maulwurf und literarischer Gazelle. Damit spricht Auf nach Wien, eine vielseitige Zeitmaschine ins Gestern und Heute dieser Stadt, eine Einladung aus, der man sich unmöglich entziehen kann.
WOJCIECH CZAJA
Architektur- und Stadtjournalist