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2 Was uns zu emotionalen Irrläufern werden lässt

Viele Menschen wissen intuitiv, wie ein friedliches, produktives und erfülltes Leben zu führen ist. Sie handeln aus dem Bauch heraus „klug“ und „vernünftig“. Und dieser Teil der Menschheit ist dafür verantwortlich, dass wir Gesetze und brauchbare Verhaltensregeln entwickeln, dass wir Moral und Freiheit, Toleranz, Kunst und Kultur und die Wissenschaften fördern.

Aber die wenigsten sind im Stande, ihr Verhalten rational zu erfassen, geschweige denn, es auf den Punkt zu bringen. Sie leben in einem Zustand leichter Selbstentfremdung, doch ohne jene negativen Folgen wie Hass, Krieg, Terror und Intoleranz und Gewalt, für die echte emotionale Irrläufer verantwortlich sind.

Emotionales Irrläufertum ist ein komplexes Phänomen, das unterschiedliche Ursachen hat. Ein typischer und dabei besonders schwer wiegender Grund liegt wie schon angesprochen darin, dass wir nicht wissen, wozu wir leben. Dann handeln wir auf vage oder gar nicht bekannte Ziele hin und drohen wegen dieser Ziellosigkeit öfter zu scheitern als notwendig. Uns fehlen überzeugende Kriterien. Stattdessen rechtfertigen wir Werte intellektuell, ohne Bezug zu Gefühlen. Wir diskutieren mit großem Ernst und manchmal im wahrsten Sinn des Wortes bis aufs Blut über Mittel, ohne den genauen Zweck zu kennen, den diese Mittel haben könnten oder sollten.

Wenn wir unsere Ziele nicht kennen, werden wir sie nur schwer oder gar nicht erreichen.

Wenn wir nicht erkennen, dass es fast unmöglich ist, unsere Ziele allein und ohne Hilfe anderer zu erreichen, drohen wir ebenfalls scheitern.

Wenn wir nicht sehen, dass andere, um uns behilflich zu sein, von uns das Gleiche erwarten, dann ist die Kooperation damit der Beliebigkeit ausgeliefert.

Im Folgenden dazu eine kurze, noch sehr abstrakte und allgemein gehaltene Zusammenfassung, die dann später durch konkrete Analysen belegt werden soll.

10 THESEN

Wir werden zu „emotionalen Irrläufern“:

1 Weil wir nicht oder nicht klar genug wissen, dass das Fühlen der Hauptzweck des Lebens ist.

2 Weil der „Wertblick“ des Menschen in der natürlichen Einstellung am Wesentlichen vorbeisieht und das vermeintlich Wichtige gar nicht das Wesentliche, das vermeintlich Akzidentielle das eigentlich Wichtige ist.

3 Weil wir zu oft bei bloß „verkopften Werten“ oder Werten als Mitteln, beim bloß Nützlichen stecken bleiben, das keinen Bezug zu unseren Gefühlen hat.

4 Weil wir zu oft an ambivalenten Wertgefühlen und fixen Wertvorstellungen anhaften, die uns schaden.

5 Weil unsere emotionale Grundverfassung aus physischen und mentalen Gründen zu sehr auf Leiden beruht; anders ausgedrückt: weil die Aversio überwiegt.

6 Weil Befriedigung und Erfüllung zu oft hinter den Erwartungen zurückbleiben.

7 Weil wir nicht erkennen, welchen Prinzipien unsere Werterfahrungen und unsere Werturteile gehorchen.

8 Weil uns genaue Maßstäbe zum Vergleich von gefühlten Werten fehlen.

9 Weil die emotionalen Wirkungen unserer Handlungen oft nur schwer vorauszusehen sind.

10 Weil wir meist nur intuitiv das Zusammenspiel unserer Gefühle mit den Gefühlen anderer innerhalb des emotionalen Systems einzuschätzen vermögen, in dem wir alle gemeinsam leben.

Emotionales Irrläufertum ist dabei einerseits bereits in unserer menschlichen Grundverfassung angelegt – dabei handelt es sich also um eine allgemeine Disposition. Wir sind mental wenig dafür prädestiniert, zu durchschauen, was uns zu emotionalen Irrläufern werden lässt.

Wir sind aber von dieser Grundverfassung abgesehen leider auch allzu oft individuelle Irrläufer.

Unsere These ist nicht, dass wir alle zwangsläufig unglücklich sind, weil wir die Bedingungen des Glücks und der Zufriedenheit nicht kennen – wir handeln hier oft intuitiv richtig –, sondern dass wir Leiden vermindern, Positivität vermehren und oft tragische Irrwege vermeiden könnten, wenn wir mehr über die „Grammatik unserer Gefühle und Werterfahrungen“ wüssten.

Unsere Analysen in den folgenden Kapitel werden zeigen, wie diese Thesen genau zu verstehen sind und warum ihre Folgerungen unausweichlich erscheinen.

Mythos Emotionale Intelligenz

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