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Kapitel 2: Schlingschlamm

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Quakarotti, der letzte Opernfrosch, hatte sich auf Patricks Kopf gerettet – die einzige feste Stelle inmitten des Sumpf- und Schlammgebietes. Patrick spürte faulige Feuchte am Kinn; Schlickwasser drängte sich durch seine Mundwinkel, floss über die Zunge und rann zum Magen hinab. Patrick wurde übel. Er spuckte aus und ruderte mit den Armen.

„Hilfe!”, gurgelte er. „Hallo! Ich ertrinke!”

„Zu Hilfe, zu Hilfe, sonst bin ich verloren …”, unterstützte ihn Quakarotti in F-Dur.

Patrick blickte wild um sich, sah aber nur Morast und Schlingpflanzen. Keine von diesen war erreichbar. Unerbittlich saugte ihn der Sumpf in sich hinein, versuchte ihn sich einzuverleiben – wie ein gieriges Wesen, das einen Leckerbissen am Wickel hat. Mit jeder Minute, die verstrich, sank er einen halben Zentimeter tiefer. Er konnte sich ausrechnen, wie lange es noch dauerte, bis er vollständig verschlungen sein würde.

Für Fernsehzuschauer waren solche Situationen entschieden unterhaltsamer.

Noch einmal nahm er alle Kraft zusammen und schrie: „Hilfe!!!”

Das war sein letzter Hilferuf gewesen, wusste Patrick. Der Schlammpegel hatte die Oberlippengrenze überstiegen. Von jetzt an musste er sich darauf beschränken, durch die Nase zu atmen, solange das noch möglich war. Er presste die Lippen aufeinander und konzentrierte sich aufs Luftholen. Quakarotti wechselte nach Moll und stimmte einen ergreifenden Trauergesang an.

Als er den Schlamm an seinen Nasenlöchern spürte, dachte sich Patrick: Na schön, das war’s dann also. Tränen stiegen ihm in die Augen. Eine Mücke setzte sich auf seine Stirn und machte sich zum Zustechen bereit, aber Quakarotti schnappte sie sich zwischen zwei Takten. Patrick empfand Dankbarkeit für diesen letzten Freundschaftsdienst des kleinen Gefährten.

Er holte tief Luft, entschlossen, diesen Vorrat bis zum letzten Sauerstoffatom auszukosten, und schloss die Augen.

Endlose, quälende Sekunden verstrichen.

Und dann war es vorbei.

„Schlammbäder sollen ja sehr gesund sein, aber übertreibst du es nicht ein wenig?”

Hatte er wirklich eine Stimme gehört? Patrick wagte es nicht, sich zu bewegen. Vorsichtig hob er die Augenlider. Niemand zu sehen.

Doch dann merkte er, wie etwas an seinem Hemd zerrte. Unter seine Achsel schob sich behutsam etwas Hartes, Gebogenes. Dann gab es einen kleinen Ruck und Patrick wurde langsam schräg aufwärts gezogen. Schon waren Nase und Mund frei. Patrick sog gierig Luft ein. Der Große Modder leistete Widerstand und schien seinen Fang ungern wieder herzugeben, aber Stück für Stück gelangte Patrick an Luft und Freiheit zurück. Pschlapp!, reagierte der Große Modder beleidigt.

„Das hätten wir”, erklang eine zweite, tiefere Stimme, als Patrick keuchend auf zwar nicht trockenem, aber wohltuend festem Boden lag. Neben sich sah er zwei große fellbesetzte Lederstiefel.

Als sein Pulsschlag wieder einigermaßen normal war, ließ er seinen Blick von den Stiefeln über kräftige Beine in derben Stoffhosen und eine abgeschabte Lederweste zum Kopf seines Retters wandern. Er sah in ein nicht unfreundliches Gesicht mit gutmütig wirkenden Augen. Der Schädel war vollständig haarlos.

„Alles in Ordnung?”

Patrick nickte. „Alles -” Er unterbrach sich, würgte kurz und spuckte Schlammreste aus. „Alles in Ordnung.”

„Gut.” Der Mann streckte die Hand aus und half Patrick auf die Beine. Die Knie wackelten ihm ein bisschen, aber verletzt fühlte er sich nicht. Der Mann überragte ihn um zwei Köpfe, er war stämmig und breitschultrig. Seine Hand umfasste einen langen Stab, der am oberen Ende in einen geschwungenen Haken auslief – damit musste er Patrick aus dem Morast gezogen haben.

„Danke”, sagte Patrick. Er kam sich töricht vor, weil mehr ihm nicht einfiel, doch der Mann winkte nur ab.

„Nichts zu danken. Du hättest für mich das Gleiche getan.”

Patrick widersprach nicht, aber insgeheim fragte er sich, ob es ihm gelungen wäre, einen solchen Brocken aus dem Sumpf zu hieven.

„Ich heiße Pek”, stellte sich der Mann vor. „Was hast du hier im Großen Modder verloren?”

„Vielleicht fischt er gerne im Trüben”, kicherte jemand. Patrick wandte sich um und erblickte einen zweiten Kahlköpfigen, ebenso wie der erste in Fell und Leder gekleidet. Dieser war dünner und hatte ein schelmisches Grinsen aufgesetzt. Seine Stimme klang scheppernd, als ob ständig ein Gekicher unter der Oberfläche köchelte.

„Ich habe auf jemanden gewartet”, sagte Patrick.

„Dafür gibt es hübschere Orte.”

„Das konnte ich mir leider nicht aussuchen.”

„Gehört das dir?” Der Stämmige hielt Patrick ein ramponiertes Objekt vor die Nase.

„Mein Plauderbalg!” Patrick nahm ihn dankbar entgegen. Wenigstens etwas, das ihn an die verlorenen Gefährten erinnerte.

Der Dünne sagte: „Wir haben ihn dort gefunden, wo das Sumpfgebiet beginnt. Daraufhin dachten wir uns, wir sollten mal nachschauen, ob der Eigentümer nicht im Sumpf oder in Schwierigkeiten oder in beidem steckt.” Er kicherte wieder.

„Gak ist ein Witzbold”, erklärte Pek. Dann ließ er seinen Blick über den Morast gleiten und runzelte die Stirn. „Wir sollten jetzt von hier abhauen.”

Patrick wandte ein: „Ich kann nicht weg! Ich muss hier warten!”

Gak grinste. „Auf die da?” Er deutete nach unten, wo ungefähr ein Dutzend Schlickschlangen aus dem Schlamm krochen und sich auf Patricks Füße zuringelten.

Patrick sprang entsetzt beiseite. „Beißen die?”

„Nur wenn sie Hunger haben.”

„Wann haben sie Hunger?”

„Immer.”

Patrick begann Gaks Humor zu hassen. Er rettete sich aus der Reichweite der Reptile und forderte Pek auf: „Worauf warten wir noch? Nichts wie weg hier!”

Patrick und die Grubengnome

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