Читать книгу Perry Rhodan 118: Kampf gegen die Vazifar (Silberband) - Peter Terrid - Страница 5
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ОглавлениеEs war der 7. November 3587. Julian Tifflors Blick schweifte aus dem Panoramafenster über die Skyline von Terrania City hinweg.
»Gibt es eine Alternative, Homer?«, fragte er. »Eigentlich ist unsere Aufgabe unlösbar, denn niemand hat die Möglichkeit, die gesamte Milchstraße zu evakuieren. Wir können nur statistisch ermitteln, welche Sektoren für die Weltraumbeben anfällig sind und welche weniger. Dementsprechend müssen wir die Bevölkerungen umsiedeln.«
»Es wird so oder so Verluste geben.«
»Was immer wir unternehmen, es kann nur schmerzhaft sein. Trotz der sechs Sporenschiffe und der Riesenflotte der Orbiter, die uns zur Verfügung stehen.«
Ein Hyperfunkspruch für den Ersten Terraner wurde gemeldet. Er kam von Martappon, der einstigen Zentralwelt des Ritters Armadan von Harpoon.
Trotz seiner zu groß geratenen Nase wirkte der Anrufer unscheinbar. Wer den Blick seiner graublauen Augen sah und ihn reden hörte, dem fiel es schwer zu glauben, dass Jen Salik die entscheidende Rolle bei der Lösung der Krise gespielt hatte. Die Orbiter akzeptierten seinen Status als Ritter und beugten sich damit seiner Autorität.
»Ich sehe Ihr sorgenvolles Gesicht«, sagte Salik. »Dabei habe ich durchweg Erfreuliches von Martappon zu melden.«
Julian Tifflor lächelte zufrieden.
»Die Anlage stellt ihre Tätigkeit ein, es werden keine Orbiter mehr erschaffen«, fuhr der Ritter der Tiefe fort. »Das Warnsystem bleibt allerdings bestehen. Ich weiß, es hat versagt und sich von den ersten Weltraumbeben verwirren lassen. Doch falls die wahren Horden von Garbesch tatsächlich wieder erscheinen ...«
»Konnten Sie mehr über die Lebenserwartung der Orbiter herausfinden?«, fragte Tifflor.
»Ich weiß, das ist Ihre große Sorge.« Für einen Moment erschienen zwei Falten auf Saliks Stirn. »In spätestens hundert Jahren wird niemand mehr ein Wort über die Milliarden von Orbitern verlieren. Sie sind nicht fortpflanzungsfähig.«
»Weshalb haben Sie ihn ausgerechnet im Labor untergebracht?« Larsa Hiob war wütend, und daraus machte sie keinen Hehl.
Der Mediker, dem die Zurechtweisung galt, wirkte unsicher. »Wir hatten eine Reihe von Untersuchungen durchzuführen«, antwortete er. »Im Labor stehen die entsprechenden Geräte.«
»Das ist ein geophysikalisches Labor«, sagte die Wissenschaftliche Leiterin heftig. »Welche Vorrichtungen gibt es ausgerechnet da, die sich für die Untersuchung eines Kranken eignen?«
»Detektoren, die auf schwache Signale im hochfrequenten Bereich des hyperenergetischen Spektrums ansprechen«, verteidigte sich der Mediziner. »Wir wollten eine Tiefensondierung seines Bewusstseins vornehmen.«
Beides war richtig. Die Detektoren eigneten sich in der Tat für die Untersuchung der geringfügigen hyperenergetischen Tätigkeit eines organischen Bewusstseins ebenso wie für die Analyse der von den Imbus-Quarzen ausgehenden Signale.
Valba Sringhalu trat ein. Die gereizte Atmosphäre konnte ihr gar nicht entgehen. Ihr Blick flog von einem zum anderen.
»Was ist los?«, wollte sie wissen.
»Unsere Leute haben den Simudden-Orbiter umgebracht«, sagte Larsa.
»Wir haben niemanden umgebracht!«, protestierte der Mediker. »Der Kerl wurde zum Berserker. Er hat einem Assistenten den Arm ausgekugelt, und einem zweiten hätte er um ein Haar den Hals umgedreht.«
»Was dann?«, fragte Valba.
»Jemand wollte ihn mit einem Schocker unschädlich machen. Der Orbiter ging wie ein Sack zu Boden. Normalerweise wäre er mit fünf Stunden Bewusstlosigkeit davongekommen.« Der Mediker zuckte mit den Schultern.
Larsa zwang sich zur Ruhe.
»Der Orbiter, eben noch völlig apathisch, wurde also spontan zum Amokläufer. Binnen welcher Zeit, würden Sie sagen?«
»Ein paar Sekunden, nicht mehr als zehn.«
»Im Labor werden die letzten Quarzproben aufbewahrt. Kam er damit in Berührung?«
»Ich kann es nicht sagen. Die Liege stand vor einem orangefarbenen Schrank, als er ...«
»Das genügt.« Larsa atmete tief durch. »Ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Aber beim nächsten Mal verlegen Sie Untersuchungen besser in ein medizinisches Labor. Gehen Sie jetzt.«
Beklemmende Stille herrschte, bis das Türschott hinter dem Mediker zuglitt.
»Der orangefarbene Schrank enthält unsere letzten Kristallproben«, stellte Sringhalu fest.
»Richtig.« Larsa nickte. »Es ist denkbar, dass die Nähe des Kristalls beschleunigend auf den Apathieabbau wirkte. Drastisch beschleunigend sogar. Zehn Sekunden ... Falls Amtranik herausfindet, wie die Kristalle auf den Zustand seiner Hordenkämpfer wirken, wird hier in Kürze die Hölle los sein.«
Das Unternehmen »Höhle des Löwen«, wie jemand den Vorstoß zur Befreiung der Gefangenen genannt hatte, war erfolgreich abgeschlossen. Von den vier Kampfrobotern, die den Scheinangriff durchgeführt hatten, waren sogar zwei zurückgekehrt.
Grador Shako und Paar Kox erstatteten ausführlich Bericht. Auf der Basis dieser Informationen setzte Larsa Hiob einen Hyperfunkspruch auf mit allen Einzelheiten der Landung der GIR-Flotte auf Imbus und der seltsamen Verfassung der Horden-Orbiter.
»Was für einen Wert soll das haben?«, fragte Valba.
»Die galaktische Öffentlichkeit muss über die Vorgänge hier aufgeklärt werden.«
»Ich dachte, wir hauen schnellstens ab?«
»Wie weit würden wir kommen? Einige robotgesteuerte Keilschiffe wären wohl schnell hinter uns her.«
»Wartest du auf ein Wunder?«
»Ich lasse die Nachricht senden, sobald Amtranik uns angreift.«
Geringschätzig verzog Sringhalu die Mundwinkel. »Amtranik hört die Nachricht und verschwindet mit seiner Flotte schnellstens«, sagte sie. »Weil er nicht weiß, dass wir von hier aus keine Relaisstation ansprechen können.«
»Das hoffe ich jedenfalls«, bestätigte Larsa.
»Du verlässt dich darauf, dass der Bursche logisch denkt. Ich fürchte eher, dass er alle Logik in den Wind schlägt und ohne Rücksicht auf Verluste über uns herfällt.«
»Damit müssen wir rechnen«, gestand die Wissenschaftlerin zu. »Aber bleibt uns eine andere Wahl, als alle denkbaren Vorkehrungen zu treffen, das Beste zu hoffen und auf das Schlimmste gefasst zu sein?«
Die Tür glitt auf. Der sichtlich gut gelaunte Kommandant trat ein.
»Was meint ihr, wen ich euch hier bringe?«, rief Shako.
Valba gab ein schwer zu deutendes Geräusch von sich. Larsa Hiob winkte ab. Theatralisches Gehabe interessierte keine von beiden.
»Ihr werdet es nicht glauben.« Grador Shako grinste breit.
»Wenn du etwas Wichtiges zu sagen hast, heraus mit der Sprache!«, verlangte Hiob. »Andernfalls verschone uns mit solchen Störungen.«
Grador breitete die Arme zu einer spöttisch gemeinten Geste der Entschuldigung aus. »Tut mir leid, wenn ich störe. Ich dachte, es würde euch interessieren.« Er winkte durch den offenen Zugang.
»Rubin!«, entfuhr es Larsa, als sie die schlanke, zierliche Gestalt näher kommen sah.
Das mädchenhafte Gesicht mit dem zum Bubikopf geschnittenen Haar lachte sie an. »Nicht Rubin. Rubin Frekk war. Ich bin die Stimme des Kristallwesens. Njasi hat eine Botschaft für euch.«
Eine unangenehme Ahnung griff nach Larsa, als sie auf Rubin zutrat. Der Junge hatte sich geändert, sein freundliches Lächeln war das einer Statue.
»Rubin, was geht eigentlich mit dir vor?«, fragte die Wissenschaftlerin.
»Das Buch Merison scheint wahr zu werden.« Sein Blick wirkte wie eingefroren. »Die Glücksbringer folgten ihrem Ruf.«
»Sie haben eine Substanz gefunden, die der Formgebung und Einigung bedarf?«
»Nicht der Formung, die Substanz besteht aus geformten Individuen. Aber sie haben den Weg zur Einigung verfehlt. Die Glücksbringer werden ihnen helfen.«
Larsas Verstand arbeitete auf vollen Touren. Sie musste aus dem verwirrten Bewusstsein des Jungen möglichst viele Informationen herausholen. Er dachte nicht mehr wie ein Mensch, sondern stand unter dem Einfluss der Kristallintelligenz.
»Wann fand der erste Kontakt statt?«
»Vor wenigen Stunden.«
Larsa war verblüfft. »Wie kommst du so schnell hierher? Du hast kein Fahrzeug ...«
»Der Zustand der Einigung beseelt das geeinigte Wesen mit besonderen Kräften.«
»Was lässt Njasi uns mitteilen?«
»Ich habe das bereits verkündet.« Der Junge strahlte. »Das Buch Merison wird Wahrheit. Njasi strebt den nächsthöheren Zustand der Vollkommenheit an.«
Er wandte sich um und ging zur Tür.
»Bleib hier!«, rief der Kommandant. »Du wirst uns erklären, was dieser Unsinn ...«
Rubin verließ den Raum, als habe er die Aufforderung gar nicht wahrgenommen.
»Lass ihn in Ruhe!«, sagte Larsa.
Aber wenn Grador Shako zornig war, konnte niemand mit ihm reden. Er folgte dem Jungen hinaus auf den Korridor.
Ein merkwürdiges Stöhnen erklang. Sekunden später kam Shako zurück. Er war aschfahl, seine Hände zitterten.
»Rubin ist verschwunden ... einfach verschwunden«, ächzte er.
»Erklärst du uns, was das bedeutet?«, drängte Valba.
»Sofort.« Larsa Hiob wandte sich an den Kommandanten. »Lass einige Dutzend Sonden ausschleusen, Grador. Sie sollen die westlichen Täler absuchen. Ich muss wissen, ob Amtraniks Horde sich dort zu schaffen gemacht hat.«
Shako erteilte die entsprechenden Befehle über Interkom. Inzwischen betrat Kox den Raum. Fragend schaute er Larsa an.
»Wir haben von dem missionarischen Drang gehört, der das Kristallwesen erfüllt«, erklärte sie. »Seit Tagen zerbreche ich mir den Kopf darüber, wer das erste Opfer dieser Mission sein könnte. Da Njasi nicht mehr in Erscheinung getreten ist, passten wir offenbar nicht in ihr Schema von formungs- und einigungsbedürftigen Substanzen. Aber jetzt hat sie eine solche Substanz, wie sie es nennt, gefunden: Amtraniks Horde. Ihr habt Rubin gehört: Die Substanz besteht aus geformten Individuen, die jedoch den Weg zur Einigung verfehlt haben. Ich nehme an, dass der seltsame Geisteszustand aller Betroffenen eine Rolle spielt. Womöglich sieht die Kristallintelligenz darin den Faktor, der den Prozess der Einigung der Orbiter-Substanz verhindert. Wie dem auch sei, sie ist entschlossen, ihre Rolle als Glücksbringer zu spielen, wie das Buch Merison es vorschreibt. Das Objekt der Mission sind Amtranik und seine Horde.«
Erst herrschte betretenes Schweigen. Dann platzte der Kommandant heraus: »Das ist doch Quatsch! Diesen Unsinn willst du aus Rubins Geschwafel herausgehört haben?«
Larsa musste sich nicht verteidigen. Paar Kox, berufsmäßiger Friedensstifter, übernahm das für sie.
»Wir sollten das alles besser durchdenken, Grador«, mahnte er. »Mit Temperamentausbrüchen und Beleidigungen kommen wir nicht weiter.«
»Und warum verschwindet der Kerl plötzlich?«, ereiferte sich der Kommandant. »Wo kam er überhaupt her?«
»Eigentlich sollst du uns das sagen«, drängte Larsa Hiob. »Du hast ihn hierher gebracht. Wo hast du ihn gefunden?«
»Er erschien plötzlich im Kommandostand ...«
»Er kam durch das Schott?«
Grador sah die Wissenschaftliche Leiterin verblüfft an. »Ja, natürlich ... Ich meine, wo sollte er sonst hergekommen sein? Er wollte zu dir gebracht werden.«
Weil ihr anderen so in euer konventionelles Denken verstrickt seid, dass er keine Hoffnung hatte, von euch verstanden zu werden. Larsa brachte ihre Gedanken in Ordnung. Dann fuhr sie fort: »Wir müssen uns damit abfinden, dass Njasi über Kräfte verfügt, die uns fremd sind – wenn wir von Mutanten absehen. Sie befördert ihre Stimme, wie Rubin sich nennt, per Teleportation oder mithilfe eines ähnlichen Prozesses.«
»Das fehlt uns noch!« Valba Sringhalu stöhnte. »Eine psi-begabte Kristallintelligenz, die darauf versessen ist, die letzte Horde von Garbesch zu missionieren.«
»Inwiefern bedeutet das für uns eine Bedrohung?«, fragte Kox.
»Wir hatten einen Simudden-Typ festgenommen«, antwortete Hiob. »Er war so apathisch wie alle anderen auch. Als er in die Nähe unserer Kristallproben kam, verwandelte er sich in einen barbarischen Kämpfer. Sobald Amtranik von dieser Wirkung der Imbus-Quarze erfährt, versieht er jeden seiner Krieger mit einem Stück Kristallsubstanz – und wir stehen der Horde in all ihrer Wildheit gegenüber.«
Shako erhielt eine kurze Nachricht über sein Kombiarmband. Als er aufsah, wirkte er besorgt.
»Die Sonden haben im westlichen Tal Spuren gefunden. Es sieht so aus, als hätten Roboter Bruchstücke einer Kristallader abgebaut.«
Nur undeutlich entsann sich Amtranik des Überfalls an Bord seines eigenen Flaggschiffs. Er war niedergeschossen worden. Natürlich kannte er die Wirkung von Schockwaffen, aber nie hatte er sich so erbärmlich gefühlt. Er sah nichts und hörte nur verzerrte Geräusche. Allerdings umfing ihn ein vertrauter Geruch, er befand sich nach wie vor auf der VAZIFAR.
»Ich glaube, er kommt zu sich«, sagte eine Stimme in seiner Nähe.
Es waren die harten, schnarrenden Laute der Laboris. Er reagierte verwundert und fragte sich, wie lange er bewusstlos gewesen war.
»Yesevi Ath – bist du es?«
Ein knarrender Laut des Triumphs antwortete ihm.
»Amtranik ist bei Bewusstsein! Hört, ihr Krieger von Garbesch: Der Herr der letzten Horde ist zurück!«
Jubelnde Stimmen erklangen. Amtranik fühlte neue Kraft, er sah die vertrauten Umrisse der Befehlszentrale. Er ruhte auf einer breiten Liege, und vor ihm stand Yesevi Ath.
»Was ist geschehen?«, fragte er.
»Terraner sind in die VAZIFAR eingedrungen und haben die Gefangenen befreit. Aber das bedeutet nichts. In wenigen Stunden wird es auf diesem Planeten keine Terraner mehr geben.«
Der Vorbeißer der Laboris streckte eine Hand aus. Zwischen seinen Fingern lag ein Brocken kristalliner Substanz. Amtranik dachte an seinen letzten Befehl – und erschrak. Er hatte angeordnet, dass die Kristallsubstanz nicht an Bord gebracht werden dürfe, solange ihre Unschädlichkeit nicht nachgewiesen war.
»Wie kommt das Zeug hierher?«, fragte er.
»Die Roboter nahmen an, dass du ihren Fund besichtigen wolltest, deshalb brachten sie ihn hierher.«
Amtranik stemmte sich halb in die Höhe.
»Ohne vorherigen Versuch?«, stieß er hervor.
»Wir wissen nichts von einem Versuch, Herr«, sagte Ath.
»Gib mir das Stück!« Amtranik streckte die Hand aus. »Es scheint euch nicht geschadet zu haben, also probiere ich es an mir selbst aus.«
Ath gehorchte. Amtranik schloss die Finger um den Kristall. Einen Atemzug lang spürte er keine Wirkung, dann schien die Beleuchtung heller zu werden. Die Geräusche ringsum wurden deutlicher. Er roch die Körperausdünstung der Krieger, das wilde Aroma von Kampf und Unerbittlichkeit.
Der lähmende Schmerz, der ihn behindert hatte, wich schnell. Amtranik fühlte sich kräftig und ausgeruht, seine Gedanken waren klar wie schon lange nicht mehr.
Verwundert betrachtete er den glitzernden Stein, dann schob er ihn in eine Tasche seiner Montur und stand auf. Seine Krieger wichen ehrfürchtig vor ihm zurück.
»Hört mich an!«, rief der Hordenführer. »Die Dämonen von Garbesch weisen uns den Weg, dem unseligen Bann zu entkommen, der uns gefangen hielt. Bald wird diese Galaxis vor dem Ansturm der neuen Horden erzittern.«
»Das Muster ist durchbrochen«, sagte Julian Tifflor. »Nach dem statistischen Modell hätte ein neues Beben spätestens vor dreißig Stunden stattfinden sollen.«
Homer G. Adams sah den Ersten Terraner mit einem merkwürdigen Lächeln an.
»Höre ich aus deinen Worten eine Klage heraus, dass kein weiteres Weltraumbeben stattgefunden hat?«
Der Erste Terraner machte eine ungewisse Geste. »Hört sich grotesk an, nicht wahr? Trotzdem ist die Sache ernst. Wenn unser statistisches Modell zusammenbricht, haben wir keinen brauchbaren Evakuierungsplan mehr.«
»Es sei denn, wir entwickeln ein neues Modell. Das funktioniert aber nur auf der Basis einer Vielzahl von bedrohlichen Ereignissen.« Adams gab ein ärgerliches Lachen von sich. »Ein Teufelskreis, nicht wahr?«
»Als ob ich es nicht wüsste«, sagte Tifflor. »Uns bleibt vorläufig nichts anderes übrig, als weiter nach dem alten Modell zu verfahren. Die erste Evakuierungsflotte ist unterwegs.«
Ein Warnzeichen unterbrach ihn. »Orterposten Ex-Pluto meldet den Einflug eines UFO-Mutterschiffs«, erklang eine Roboterstimme.
»Es wird interessant sein, was er zu sagen hat«, bemerkte Adams nachdenklich.
»Er? Wer?«
»Der Kommandant des Mutterschiffs.«
In dem Moment wurde ein Hyperkomspruch durchgeschaltet. Tifflor war zwar durch die Nachricht vorgewarnt, der Anblick des zierlichen Hominiden überraschte ihn dennoch.
»Alurus!«
»Ich begrüße Sie, Julian Tifflor. Ich habe wichtige Nachrichten für Sie und bin bereit, Sie an einem möglichst neutralen Ort zu treffen.«
Der GAVÖK-Kreuzer schwebte hoch über der Ebene der Planetenbahnen, vierzig Lichtminuten von Terra entfernt. Julian Tifflor hatte sich per Transmitter an Bord des Kreuzers begeben. Alurus erschien mit einem seiner Beiboote, einem annähernd diskusförmigen Gebilde, das längst vergangene Generationen als »fliegende Untertasse« bezeichnet hatten.
Der Terraner und der Hominide begegneten einander in einem Konferenzraum. Der Erste Terraner empfand nach wie vor ein gewisses Misstrauen gegenüber Wesen von Alurus' Art, und der Auftrag des Hominiden enthielt kein Wort davon, dass er sich dem Ersten Terraner gegenüber anders als sachlich zu verhalten habe.
»Julian Tifflor, ich komme zu Ihnen auf Geheiß der Kosmokraten«, eröffnete Alurus. »Ich habe Ihnen drei Botschaften auszurichten und kenne den Wortlaut, mehr nicht. Fragen, die Ihnen in den Sinn kommen mögen, kann ich nicht beantworten.«
Bitternis stieg in Tifflor auf. Wie oft hatte er mit Wesen zu tun gehabt, die bereit waren zu sagen, was sie zu sagen hatten, sich aber hartnäckig weigerten, seine Fragen zu beantworten?
»Wir haben des Öfteren Kontakt miteinander gehabt, Alurus.« Ein wenig von seinem Ärger drückte sich in seiner Stimme aus. »Sie sollten uns Terraner gut genug kennen, um zu wissen, dass wir eine Botschaft nicht ohne Weiteres akzeptieren. Sprechen Sie ruhig. Ich werde zwar nicht nachfragen, aber Sie kennen meine Vorbehalte.«
»Es handelt sich um drei erfreuliche Nachrichten.« Alurus lächelte. »Sie werden keine Schwierigkeiten haben, sie zu glauben. Erstens: Die Restaurierung der manipulierten Materiequelle ist abgeschlossen.«
»Was immer das bedeuten mag ...«, murmelte Tifflor.
»Es bedeutet, und das ist zugleich die zweite Information für Sie, dass weitere kosmische Beben nicht mehr zu befürchten sind.«
Der Erste Terraner beugte sich in seinem Sessel nach vorn.
»Sagen Sie das noch einmal!«, drängte er.
»Es wird keine weiteren Erschütterungen des Weltraums geben«, wiederholte Alurus unmissverständlich.
Das wäre eine Erklärung für das Versagen des statistischen Modells, schoss es Tifflor durch den Kopf. Es gibt kein nächstes Beben mehr. Das Modell war in Ordnung, doch jemand hat die grundlegenden Voraussetzungen verändert.
»Wenn ich Ihnen das glauben könnte, würde ich Ihnen um den Hals fallen, Alurus.«
Der Hominide winkte ab.
»Jede emotionelle Äußerung Ihrerseits wäre für mich unverdient. Ich übermittle lediglich die Worte der Kosmokraten, und was deren Glaubwürdigkeit anbelangt – nun, Sie brauchen nur abzuwarten und zu beobachten.«
»Wolle Gott, Sie hätten recht.« Julian Tifflor atmete auf. »Eine enorme Last wäre von uns genommen.«
Alurus verneigte sich knapp.
»Sie hatten eine dritte Nachricht«, erinnerte der Erste Terraner den Boten.
»In der Tat. Sie sollten sich auf Perry Rhodans baldige Rückkehr vorbereiten.«
Alurus wandte sich ab und schritt zur Tür hinaus. Tifflor fragte sich, ob er richtig verstanden hatte. Er eilte hinter dem Hominiden her, kam aber nur wenige Schritte weit. Der Kommandant des GAVÖK-Kreuzers stellte sich ihm in den Weg.
»Alurus ist auf dem Weg zum Hangar, sein Boot wird in wenigen Minuten starten. Bei allem Respekt, Erster Terraner, lassen Sie den kleinen Mann unbehelligt.«
Tifflor gab sich Mühe, die Haltung zu wahren. Zu viel war in den vergangenen Minuten auf ihn eingeströmt. Keine Bedrohung mehr durch die Weltraumbeben. Perry Rhodan auf dem Rückweg nach Terra. Wenn er das nur glauben könnte!
Die Stimmung war gedrückt. Im Kommandostand der TRANTOR zeigte ein großer Holoschirm das Bergland mit den sechs Tälern, das monolithische Bergmassiv im Süden und einen Teil der westlichen Küstenebene. Dazu die Positionen mehrerer Expeditionsgruppen der GIR-Flotte in den beiden westlichen Tälern.
»Amtranik hat vor, seine Schiffe mit Imbus-Quarzen zu versehen. Das wird einige Tage in Anspruch nehmen. Vermutlich wird er uns in Ruhe lassen, bis die Verteilung der Kristalle weitgehend abgeschlossen ist. Wir müssen die Zeit nützen, uns über Abwehrmaßnahmen zu einigen.«
»Ich schlage vor, wir versuchen einen Ausbruch«, sagte Shako.
»Amtranik hat vor zwei Stunden fünf seiner Schiffe starten lassen«, hielt Larsa ihm entgegen. »Sie stehen im fernen Orbit und sind unserem Schweren Kreuzer an Beschleunigung und Bewaffnung überlegen. Nach meiner Ansicht wäre ein Fluchtversuch glatter Selbstmord.«
»Warten wir einfach ab«, bemerkte Kox. »Amtranik war auf dem Weg zu einem eigenen Stützpunkt. Er musste den Flug unterbrechen, weil seine Horde die Orientierung verloren hatte. Sobald die Orbiter wiederhergestellt sind, wird er nichts Eiligeres zu tun haben, als die unterbrochene Fahrt fortzusetzen. Er hat keinen Grund, sich um uns zu kümmern.«
»Sosehr ich deinen Optimismus schätze, es fällt mir schwer, das zu glauben.« Larsa Hiob lächelte nachsichtig. »Wir sind für Amtranik unliebsame Zeugen, die seine Spur an die GAVÖK weitermelden werden.«
»Es gibt noch etwas«, meldete sich Valba Sringhalu. »Larsa, du hast Amtranik förmlich zu uns eingeladen. ›Wenn du dich mir ohne Feindseligkeit näherst, bin ich bereit, dir über den Einfluss zu berichten, der eure Sinne lähmt.‹ Ungefähr so hast du es gesagt. Wenn ich Amtranik wäre, könnte ich vor Neugierde nicht mehr schlafen.«
Larsa seufzte. Es war nicht das erste Mal, dass sie auf sich selbst wütend war und sich wünschte, sie hätte den Mund gehalten.
»Es war eine Dummheit«, bekannte sie. »Ich kann nur hoffen, dass Amtranik nicht mehr verstanden hat, was ich sagte.«
Der Kommandant winkte ungeduldig ab. »Mich interessiert, ob du tatsächlich weißt, woher der Einfluss kommt, der die Horde verwirrt hat.«
»Ich glaube, es zu wissen«, sagte die Wissenschaftlerin. »Es gibt einige Hinweise, die mich nachdenken ließen. Amtranik und seine Krieger spüren den Einfluss offenbar überall, solange sie sich im freien Weltraum befinden. Die Strahlung, nennen wir die Ursache einfach so, ist gewissermaßen allgegenwärtig und tritt überall anscheinend mit annähernd gleicher Intensität auf.
Im Schutz einer planetaren Atmosphäre bleiben Amtranik und die Horde verschont. Das war der zweite Hinweis. Die Strahlung ist ohne Zweifel hyperenergetischer Natur, deshalb glaube ich auf keinen Fall, dass ihr ein so geringfügiges Hindernis wie eine Atmosphäre den Weg versperren kann. Die Masse eines Planeten stellt eine Senke für hyperenergetische Strahlung bestimmter Frequenzbereiche dar, damit ließe sich erklären, warum die Garbeschianer auf jedem ausreichend massiven Planeten unbehelligt bleiben.
Drittens ruft der Einfluss ein Phänomen hervor, das Mediker als reversible psychophysische Kontamination bezeichnen. Ich habe mich darüber informiert. Die Struktur eines anfälligen Bewusstseins – die Betonung liegt auf anfällig – wird durch die Strahlung verändert. Endet der Einfluss, bildet sich die Veränderung zurück.
Der vierte und vielleicht wichtigste Hinweis: Amtranik und seine Krieger sind für die Strahlung empfänglich, wir sind es nicht. Es gibt seit kurzer Zeit in der Milchstraße eine allgegenwärtige hyperenergetische Strahlung, die nur von Messgeräten oder anfälligen Bewusstseinen bemerkt werden kann, hauptsächlich also von entsprechend veranlagten Mutanten.«
»Der Margor-Schwall!«, rief Grador Shako.
»Genau: der Margor-Schwall. Viel wissen wir nicht über ihn, außer dass er von paraplasmatischen Substanzen in der Wolkenhülle der Provcon-Faust ausgeht und dass in diesen Substanzen die entstofflichten Bewusstseine der Prä-Zwotter und Boyt Margors enthalten sind. Es gibt bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen, aber die vorliegenden spärlichen Ergebnisse stützen meine Hypothese.«
Für kurze Zeit hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Schließlich räusperte sich Valba Sringhalu heftig.
»Natürlich interessiert Amtranik, woher der verderbliche Einfluss kommt. Warum bist ausgerechnet du so versessen darauf, ihm die Wahrheit zu sagen?«
»Weil ich ihm damit zeigen wollte, dass eine Kraft am Werk ist, gegen die er niemals bestehen kann.«
»Wie kommst du ausgerechnet auf die Idee?«
»Das ist es, eine Idee, weiter nichts. Wir wissen, dass die Grundlage des Margor-Schwalls nicht auf natürliche Weise entstand, sondern von jemandem geschaffen wurde. Es gibt Anlass für die Vermutung, dass der unbekannte Planer vorhatte, die Strahlung schon viel früher wirksam werden zu lassen. Es gab in der Hinsicht Fehlschläge. Die Zahl der entmaterialisierten Prä-Zwotter-Bewusstseine war zu gering, ihre Nachfolger reagierten anders – alles Entwicklungen, auf die der ursprüngliche Planer keinen Einfluss mehr hatte. Der Schwall wurde erst wirksam, als Boyt Margor sich mit ihm vereinte.
Nehmen wir hinzu, dass außer auf Mutanten nur auf die Mitglieder der Horde die Strahlung wirkt – wer käme dann als Planer des Schwalls am ehesten in Betracht?«
»Armadan von Harpoon, der Ritter der Tiefe«, sagte Valba. »Er war für den Bau der Anlage verantwortlich. Der Schwall sollte eine Art zweiter Verteidigungsring sein.«
»Das wollte ich Amtranik klarmachen.« Larsa nickte. »Ich hätte die Sprache allerdings nicht von mir aus darauf gebracht, er sollte selbst auf die Idee kommen.«
Es wurde still. Larsa taxierte den großen Holoschirm. Die Leuchtmarkierungen hatten ihre Position seit knapp dreißig Minuten nicht mehr verändert. Amtraniks Kristallsucher waren am Werk.
Der Kommandant brach das Schweigen schließlich. »Es wäre mir am liebsten, wenn der Hordenführer uns in Ruhe ließe. Larsa, du bist das Genie unter uns. Welche anderen Vorschläge hast du zur Besserung unserer Situation?«
»Nicht viele.« Es war in Wirklichkeit nur einer, und selbst von dem versprach sich die Wissenschaftliche Leiterin nur wenig. »Ich habe vor, eine kleine Reise zu unternehmen.«
»Reise?« Sringhalus Stimme klang spöttisch. »Ich dachte, alle Sightseeingtouren seien wegen drohender Kriegsgefahr eingestellt.«
»Ich muss mit Njasi sprechen«, sagte Larsa Hiob. »Ich muss der Kristallintelligenz erklären, dass sie ihren missionarischen Ehrgeiz am unwürdigen Objekt praktiziert.«
In atemberaubendem Tempo holte Amtranik nach, was er in den Tagen zuvor wegen seines verwirrten Zustands versäumt hatte. Er ließ ein Stück der Kristallsubstanz in immer kleinere Bruchstücke zerteilen, um zu ermitteln, wie viel von der Substanz benötigt wurde, um Laboris und Horden-Orbiter zu heilen. Der Genesungsprozess verlangsamte sich merklich, sobald das Kristallstück weniger als halbe Fingergröße hatte. Amtranik ordnete an, dass jedes Mannschaftsmitglied seiner Flotte einen Kristall bekommen sollte, der wenigstens eineinhalbmal so groß war wie das Mindestmaß.
Seine Begeisterung griff auf die Laboris über, und diese übertrugen sie auf die Orbiter. Die Funde der ersten Expedition reichten aus, um mehr als zweitausend Kämpfer von der Apathie zu befreien.
Amtranik war Krieger, kein Wissenschaftler. Die Frage nach dem Prinzip der heilenden Wirkung des Kristalls kam ihm zwar in den Sinn, er dachte allerdings nicht lange darüber nach. Das überließ er der Zentralen Positronik der VAZIFAR. Bei sich nannte er die Kristalle »Glücksbringer«, ohne zu ahnen, dass er denselben Begriff verwendete, der für Njasi zur Rechtfertigung ihres Seins geworden war.
Die Kristallvorkommen im westlichsten Tal waren zwar nicht unerschöpflich, aber für den größten Teil der Flotte ausreichend. Amtranik schickte weitere Trupps aus, die nach Kristallen suchen und eine ausreichende Menge bergen sollten.
Um die Terraner würde er sich später kümmern.