Читать книгу Perry Rhodan 118: Kampf gegen die Vazifar (Silberband) - Peter Terrid - Страница 6
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ОглавлениеLarsa befürchtete, dass die Orbiter ihr Fahrzeug erfassen würden, sobald sie vom Südende des Tales aus auf die Ebene hinaussteuerte. Sie hielt ihre Mission für wichtig, wollte sich indes keinesfalls von Amtraniks Horde einfangen lassen. Als sie das Tal verließ, war sie permanent zur Flucht bereit. Doch nichts geschah, Amtranik interessierte sich nicht für sie.
Ihr Ziel war das einsame Seitental in der Höhe des Bergmassivs, in dem sie mit Valba und Rubin Frekk vor einigen Tagen den Eingang zur Höhle gefunden hatte. Njasi nannte jenen Ort den Raum der Bücher.
Larsa verdrängte alle bedrückenden Gedanken, die sich mit den Garbeschianern befassten. Sie hatte nicht viel Hoffnung, dass sie bei Njasi erfolgreich sein würde, trotzdem musste sie es wenigstens versuchen.
Das Loch im Hintergrund der Seitenschlucht war noch vorhanden. Der Kristallstrang war mächtiger geworden und erfüllte fast die gesamte Wand. Das Quarzvolumen musste sich inzwischen verzehnfacht haben.
Ein ähnliches Bild bot sich der Wissenschaftlerin auf dem gewundenen Felspfad, der aus der Kammer zum eigentlichen Raum der Bücher hinabführte. Die Kristallader, zuvor armdick, war zum Umfang eines mächtigen Baumstamms angeschwollen. Manchmal ragte sie so weit aus der Wand hervor, dass für Larsa in dem engen Gang kaum Platz blieb.
Der Serpentinengang endete in der Halle, in der sie bei ihrem ersten Vorstoß um ein Haar von den grünen Kristallen erschlagen worden wären. Zu dem Zeitpunkt war Rubin Frekk noch normal gewesen, wenigstens zeitweise. Was hieß schon normal? Sein Bewusstsein war unterdrückt. Njasi beherrschte seinen Verstand, sein Empfinden und bediente sich seines Wissens.
Larsa erschrak, als sie den Jungen im Schein ihrer Handlampe sah. Er befand sich im Raum der Bücher, der in der Höhe spitz zulaufenden Höhle. Rubins Gesicht war eingefallen und wirkte ausgetrocknet, in seinen Augen flackerte es unruhig.
»Rubin, du bist halb verhungert!«, entfuhr es Larsa Hiob ungewollt.
Ein seltsam eingefrorenes Lächeln erschien auf dem mädchenhaften Gesicht.
»Ich brauche keine Nahrung, wie ihr sie gewohnt seid«, sagte der Junge. »Njasi speist mich.«
Die Wissenschaftlerin leuchtete an der runden Wand entlang. Hier hatte sich nichts geändert. Drei breite, diamantklare Kristallbahnen stiegen aus dem Boden und strebten bis in den Zenit der Kuppel. Das waren die drei Bücher Taknar, Odom und Merison. Sie hatten denselben Umfang, weil Njasi weder Anlass noch Möglichkeit gehabt hatte, ihr Wissen zu erweitern. Nicht ihre Weisheit, nur das Ausmaß des Gesamtkörpers war gewachsen.
»Was bringt dich hierher?«, fragte Rubin.
»Ich muss mit Njasi reden«, antwortete Larsa fast barsch.
»Sprich zu mir. Meine Gedanken führen weiter zu Njasi.«
Larsa Hiob nickte. »Das Buch Merison gebietet ihr, anderen Wesen zu helfen, die den Weg zur Einigung nicht aus eigener Kraft finden können. Solche Wesen glaubt sie in denen zu erkennen, die vor Kurzem auf dieser Welt gelandet sind. Sie irrt sich! Amtranik und seine Horde sind grausame Geschöpfe. Sie wollen nicht die Einigung, sondern Raubzüge und Krieg. Indem Njasi diesen Wesen beisteht, bringt sie uns in Gefahr, die wir ihr geholfen haben, den Zustand der Vollkommenheit wieder zu erreichen.«
Sie hätte den Jungen anschreien mögen, das dumme Grinsen vom Gesicht zu wischen. Aber Rubin war nicht mehr er selbst, und ihr Gefühlsausbruch hätte vermutlich kein Ergebnis erzielt.
»Du musst verstehen, dass die Gebote des Buches Merison an keine Bedingung gebunden sind«, sagte der Junge. »Das Buch gebietet, jeder formungs- und einigungsfähigen Substanz zu helfen.«
»Sogar auf die Gefahr hin, dass andere Wesen dadurch in Gefahr geraten?«, fragte Larsa bitter. »In Todesgefahr?«
Rubins Schultern strafften sich. »Das Buch Merison spricht nicht von Gefahr. Es spricht nicht von anderen Wesen. Nur von jenen, die der Hilfe der Glücksbringer bedürfen.«
Larsa nickte. Sie hatte kaum etwas anderes erwartet. Wäre ihr Zeit geblieben, hätte sie womöglich eine überzeugende Taktik entwickeln können, doch gerade Zeit fehlte ihr. Sie musste zurück zur TRANTOR. Niemand wusste, wann Amtranik angreifen würde.
Unvermittelt kam ihr etwas in den Sinn. Sie begann zu reden, ohne dass sie es eigentlich gewollt hatte. Larsa erinnerte sich, dass sie bei der ersten Begegnung mit den drei Büchern den Eindruck erhalten hatte, Njasi messe der klaren, diamantartigen Kristallsubstanz den Wert »gut« und den smaragdfarbenen Kristallen den Wert »böse« bei. Stundenlang hatte sie darüber nachgedacht, ob eine einsame Intelligenz, die nie in den Rahmen einer Gemeinschaft von gleichartigen Wesen eingefügt worden war, die Grundbegriffe der Moral entwickelt haben könne.
»Gut und Böse existieren unabhängig von der äußeren Erscheinung«, sagte sie. »Es bedarf nicht der grünen Farbe eines Kristalls, um ihn als böse, oder der Klarheit eines andern, um ihn als gut erscheinen zu lassen. Gut und Böse sind über diesen Kosmos in gleicher Weise verteilt, und das eine von dem anderen widerspruchsfrei zu trennen erfordert den höchsten Grad an Weisheit. Ich sage dir, Njasi, dass die Wesen, denen du zur Einigung verhelfen willst, böse sind und deiner Hilfe nicht würdig.«
Sie wandte sich um und ging. Bei jedem Schritt hatte sie das Gefühl, von Rubins steinernem Lächeln verfolgt zu werden. Schließlich ertrug sie es nicht mehr und wandte sich um. Das Gesicht des Jungen war ernst geworden.
»Njasi hat deine Worte gehört«, sagte er. »Das Böse wird an dir vorübergehen.«
»Das war zu erwarten«, brummte der Kommandant der TRANTOR. »Erst helfen wir dem Ding auf die Beine, dann lässt es uns im Stich.«
Seine Stimme klang so bitter, dass Larsa sich fragte, ob Shako von Njasi so etwas wie Dankbarkeit erwartet hatte. Möglich war es durchaus, denn sie alle hatten sich angewöhnt, von der Kristallintelligenz als einem von menschlichen Empfindungen beseelten Wesen zu denken. Dankbarkeit, eingebettet in zweihunderttausend Tonnen Modul-Kristall, welch groteske Vorstellung.
»Die Zeit wird knapp«, mahnte Valba Sringhalu. »Was unternehmen wir?«
»Nichts.«
Larsa fand es erheiternd, wie jeder sie plötzlich anstarrte: ungläubig, staunend und entrüstet.
»Nichts?«, echote Grador Shako. »Wir sollen abwarten, bis Amtranik uns umbringt?«
»Am Resultat ändert sich nichts«, kommentierte Larsa. »Sterben werden wir so und so.«
»Sie hat natürlich recht«, bemerkte Paar Kox.
»Ausgerechnet du solltest ruhig sein«, grollte Shako. »Es hat noch niemand die Beine in die Hand genommen, ohne dass du ihm Beifall gezollt hättest.«
»Wir sollten uns in den Bergen verkriechen«, meinte Valba. »Amtranik wird seine Zeit nicht mit einer langwierigen Suche vergeuden.«
»Wirklich, eine phantastische Idee!«, spottete Shako. »Amtranik zerlegt die TRANTOR in ihre Bestandteile, und uns eröffnet sich die Aussicht auf ein paradiesisches Dasein bis ans Ende unserer Tage.«
»Irgendwann wird jemand nach uns suchen«, widersprach Valba. »Beim letzten Funkkontakt haben wir unsere Kursdaten hinterlassen.«
»Die Diskussion ist akademisch«, wandte Larsa Hiob ein. »Amtranik wird nicht nach uns suchen. Er wirft ein paar Bomben ab und atomisiert das Gebirge oder meinetwegen den ganzen Kontinent. Dann haben wir außer uns selbst auch die Kristallintelligenz auf dem Gewissen.«
»Auf die ist sowieso gepfiffen.« Shako schnaubte verächtlich.
Die Wissenschaftliche Leiterin setzte sich schließlich durch. Für ein einzelnes Raumschiff war es sinnlos, einer Flotte von zwölftausend Einheiten entkommen zu wollen oder gar Widerstand zu leisten. Zwar brachte Shako die Rede auf einen ehrenvollen Untergang mit wehender Flagge, aber als Valba Sringhalu schallend lachte, verzichtete er auf eine weitere Diskussion.
Larsa war mit sich zufrieden – soweit die Situation eine derartige Empfindung überhaupt zuließ. Amtranik würde die TRANTOR ungeschützt finden, wenn er kam. Das musste ihn überraschen. Er würde erfahren wollen, woher die schleichende Krankheit kam, die ihn und seine Kämpfer überfiel, sobald sie sich im Weltraum befanden. Das gab ihr eine winzige Chance, den Hordenführer zu überzeugen, dass Armadan von Harpoon ihm alle Auswege versperrt hatte.
»Nichts haben sie getan, Herr. Absolut nichts.« Als Yesevi Ath Bericht erstattete, schimmerte Verwirrung in seinen großen Augen. »Wir haben uns dem terranischen Raumschiff bis auf geringste Distanz genähert. Nicht ein einziger Schuss wurde auf uns abgefeuert.«
»Ihr hättet einen zweiten Anflug unternehmen sollen«, sagte Amtranik. »Vielleicht selbst das Feuer eröffnen.«
Ein unbeugsamer Ausdruck erschien auf Aths Gesicht.
»Ich wusste, dass es dein Wunsch sein würde. Wir flogen ein zweites Mal an und feuerten auf das Kugelraumschiff ...«
»Und?«
»Keine Reaktion, Herr.«
»Vielleicht sind sie in die Berge geflohen.«
»Ich konnte zwei von ihnen in einer Beobachtungskuppel ihres Schiffes sehen.«
»Die Terraner befinden sich in aussichtsloser Lage«, sagte Usilfe Eth. »Unsere Flotte gegen ihr einziges Raumschiff.«
»Jeder Krieger wehrt sich!«, brauste Amtranik auf. »Es ist unwürdig, sich ohne Gegenwehr zu Tode prügeln zu lassen.«
»Die Gedanken der Terraner sind womöglich anders.«
»Wie viele gesunde Orbiter haben wir inzwischen?«, fragte Amtranik übergangslos.
»Ein Drittel der Mannschaften ist wiederhergestellt«, antwortete Ath.
»Nimm dir so viele Krieger, wie du brauchst. Besetzt das Tal, in dem das Raumschiff der Terraner steht.«
Amtranik wandte sich wieder an Usilfe Eth: »Was berichten die fünf Raumschiffe?«
»Die Besatzungen registrieren die schädigende Strahlung nicht mehr.«
Amtranik klackte mit den Gebisszangen.
»Morgen werden die Terraner auf dieser Welt tot sein. Einige Tage später erreichen wir die Bastion der Horden von Garbesch. Dann kehren wir zurück zu alter Stärke ...«
»Das ist verrückt.« Grador Shakos Stimme überschlug sich vor Unmut. »Alle Schotten stehen offen, aber sie beschießen uns trotzdem.«
In der Außenbeobachtung verfolgte Larsa Hiob die Kampfboote der Garbeschianer.
»Reg dich nicht auf!«, riet sie dem Kommandanten. »Die Schäden halten sich in Grenzen. Amtranik will uns herausfordern. Er will wissen, wie wir reagieren.«
Nach wenigen Minuten zogen sich die Angreifer zurück.
»Jetzt erstatten sie Bericht.« Larsa lächelte sogar. »Der Hordenführer wird sich fragen, warum wir uns wehrlos geben. Hoffentlich kommt er nicht auf die Idee, dass wir ihm eine Falle stellen wollen. Wir haben nur dann eine Überlebenschance, wenn wir Amtranik von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.«
Wenige Stunden später brach die Nacht herein.
Gegen Mitternacht zeigte die Ortung der TRANTOR Bewegung im Tal. Hunderte von Gleitfahrzeugen gingen nur wenige Kilometer von der TRANTOR entfernt in Stellung.
Larsa Hiob aktivierte den Hyperkom. Sie sendete den vorbereiteten Hilferuf mit höchster Leistung. Es konnte Amtranik nicht entgehen, dass die TRANTOR seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort preisgab.
»Wenn der Hordenführer glaubt, dass wir uns in Reichweite einer Relaisstation befinden, dann müsste er bald darauf reagieren«, sagte Larsa.
»Ich fürchte, der Trick wird uns nicht helfen«, sagte Paar Kox missmutig.
»Warum nicht?«
Der Hundertzwanzigjährige sah den Kommandanten fragend an. »Willst du davon erzählen, oder soll ich ...?«
»Was geht eigentlich vor?« Valba Sringhalu schob angriffslustig ihre Ellbogen nach vorn. »Was für Heimlichkeiten sind das?«
»Es geht um Tersalling«, sagte Kox matt.
»Quatsch!«, knurrte Grador. »Es geht um Amtraniks Bluff. Er hat behauptet, mit seiner Horde Tersalling verwüstet zu haben. Dann wollte er wissen, ob ich davon gehört hätte. Ich sagte Nein.«
»Na und?« Valba verstand nicht.
»Wenn Tersalling vernichtet worden wäre, dann hätte man in jeder Nachrichtensendung darüber gehört«, sagte Larsa. »Nachrichten kann nur der empfangen, der sich in Reichweite eines Funkrelais befindet. Hätte Grador geantwortet: ›Du lügst‹, wäre alles in Ordnung gewesen. Aber sein ›Nein‹ war eindeutig die falsche Antwort.«
Sringhalus Blick wanderte von Shako zu Larsa und wieder zurück. »Oh, du Riesenochse!«, stöhnte sie.
Amtraniks Gelächter klang wie heiseres Bellen.
»Sie glauben, wenn sie so tun, als verrieten sie meinen Standort, liefe ich davon. Aber sie selbst sind die Dummen, weil ihr Funkspruch von keinem Relais weitergeleitet wird.«
Der Hordenführer hatte Zeit gehabt, seine Strategie zu entwickeln. »Lass deine Truppe vorrücken!«, befahl er Yesevi Ath. »Falls die Terraner sich zur Wehr setzen, will ich das sofort erfahren. Wir können das Schiff vernichten, sobald es notwendig wird.«
Er war nur noch halb bei der Sache. Auf ihn wartete die Bastion der Ahnen, in der er seine Flotte ausrüsten konnte. Die fremde Strahlung, die ihn bisher behindert hatte, stellte wohl keine Bedrohung mehr für ihn dar.
Usilfe Eth trat auf ihn zu.
»Eine Nachricht für dich, Herr. Von einem weiblichen Terraner an Bord des Kugelraumschiffs.«
Amtranik knurrte gereizt.
»Was will sie?«
»Sie erinnert dich daran, Herr, dass sie dir die Lösung eines Rätsels versprochen hat – aber nur für den Fall, dass du dich ohne Feindseligkeit näherst.«
Amtranik machte eine verächtliche Geste.
»Was willst du damit erreichen?«, fragte Valba.
»Dass er uns anhört«, antwortete Larsa heftig. Dreißig Stunden ohne Schlaf und die Ungewissheit hatten sie mürbegemacht. Sie fühlte sich einfach zerschlagen und am Ende ihrer Kraft. »Der Hordenführer muss vom Margor-Schwall erfahren. Vielleicht sieht er dann ein, dass seinem Eroberungsdrang Grenzen gesetzt sind.«
Valba gähnte unterdrückt. »Wir alle haben ein paar Stunden Schlaf bitter nötig. Warum legst du dich nicht eine Zeit lang hin?«
»Ich? Haben wir so viel Zeit?«
»Die Sonne geht auf.« Valba zeigte auf die Holos.
Orangefarben und unnatürlich groß schob sich der Sonnenball über den Gebirgskamm. Der Tag kroch an den Felswänden herab und breitete sich über das Tal aus. Larsa erhob sich aus ihrem Sessel.
Sie verließ die Zentrale und ging zur unteren Äquatorialschleuse.
Die große Schleuse war geöffnet. Ein flirrender Energiesteg führte achtzig Meter in die Tiefe. Larsa sah Fahrzeuge der Horde höchstens hundert Meter von der Stelle entfernt, an der der Steg den Boden berührte.
Larsa setzte sich am Schottrand auf den Boden. Die Versuchung, die Augen zu schließen und einfach einzuschlafen, war fast unwiderstehlich. Sie zwang sich dennoch, wach zu bleiben.
Der Tag war inzwischen vollends angebrochen. Die Sonne stand am wolkenlosen Himmel, ihr Widerschein spiegelte sich in der mächtigen Kristallader, die das Tal durchzog.
Bei den Orbitern entstand Bewegung. Die ersten Fahrzeuge kamen bis an den Energiesteg. Horden-Orbiter stiegen aus. Sie trugen schwere Waffen. Larsa winkte ihnen zu, bedeutete ihnen, dass sie den Steg heraufkommen sollten.
Die Typen wussten nicht, wie sie mit der Lage umgehen sollten, das war ihnen anzusehen. Am oberen Ende des Steges blieben sie stehen und musterten Larsa misstrauisch. Eine Schatten-Type betrat die Schleuse.
»Wo ist der Rest der Besatzung?«
Larsa Hiob zeigte müde hinter sich. »Im Schiff.«
»Ihr seid unsere Gefangenen«, sagte die Schatten-Orbiterin.
Larsa Hiob seufzte tief. »Das weiß ich längst.«
»Was tust du hier?«
»Ich warte auf Amtranik.«
»Der Hordenführer wird nicht hierherkommen.«
»Doch. Er will etwas von mir wissen.«
»Wir werden euch ohnehin zu ihm bringen.«
Der Wortwechsel machte Larsa Vergnügen. Die Horden-Orbiter waren Kämpfer und konnten mit der friedlichen Situation allem Anschein nach nicht umgehen.
»Ich habe Daten an Bord dieses Schiffes, und Amtranik wird sie sehen wollen. Er muss sich schon hierher bemühen. Richte ihm das aus!«
Die Schatten-Type machte kehrt. Larsa sah sie mit einem Axe-Orbiter reden. Der Mann machte danach offensichtlich Meldung über sein Kombiarmband.
Zwei Orbiter kamen und postierten sich neben Larsa. Die anderen drangen ins Schiff ein.
»Ihr seid da, um auf mich aufzupassen, nicht wahr?«, sagte Larsa zu ihren Bewachern.
»Sie still!«, herrschte einer der beiden sie an.
Bis zum Mittag glich das Tal einem Heerlager. Larsa hatte sich nicht von der Stelle gerührt, ihre Wächter harrten ebenfalls aus. Inzwischen befanden sich mehr als dreihundert Horden-Orbiter an Bord der TRANTOR. Aus Gesprächsfetzen hatte Larsa herausgehört, dass alle Gefangenen in der Zentrale eingesperrt waren. Übergriffe hatte es bisher wohl nicht gegeben. Offenbar hatte Amtranik angeordnet, die Terraner nicht anzurühren. Die Wissenschaftlerin war erleichtert darüber.
Schließlich näherte sich eine terranische Space-Jet. Larsa bezweifelte nicht, dass Amtranik mit dem Beiboot der TRANTOR kam. Wollte der Garbeschianer demonstrieren, dass er mühelos mit terranischer Technik umzugehen verstand?
Die Space-Jet landete sehr nahe. Drei Garbeschianer stiegen aus. Larsa erkannte den Hordenführer sofort. Seine Begleiter waren Riesen, doch Amtranik überragte sie noch um eine halbe Kopflänge.
Sie kamen den Steg herauf. Scheinbar gleichmütig schaute Larsa ihnen entgegen. Tatsächlich war sie bis zum Äußersten angespannt.
Amtranik blieb vor ihr stehen. »Ich erkenne dich wieder«, sagte er in holprigem Interkosmo. »Dir verdanke ich es, dass ich aus dem Hinterhalt niedergeschossen wurde.«
Larsa erhob sich langsam. »Außerdem bin ich diejenige, die das Geheimnis der Hordenkrankheit lüften kann.«
Amtranik lachte bellend.
»Hordenkrankheit! Was soll das sein?«
»Sie befällt nur euch. Andere bleiben ungefährdet.«
»Erzähl mir davon!«, befahl Amtranik.
»Nicht hier. Im Schiff, wo die anderen sind.«
»Gut«, sagte der Garbeschianer. »Anschließend werdet ihr ohnehin sterben.«
»Für dich ist Töten ein Vergnügen, nicht wahr? Ich habe gehört, dass die Horden von Garbesch wilde und tapfere Krieger sein sollen. Niemand hat sie mir als Feiglinge geschildert, die wehrlose Opfer umbringen. Mir scheint, die Wahrheit wurde verfälscht.«
Wütend reagierte Amtranik auf Larsas provozierende Worte.
»Davon verstehst du nichts!«, fauchte er. »Es ist das Privileg des Siegers, über die Besiegten zu richten.«
Larsa sah bedrückte, furchtsame Gesichter. Neben dem Hauptschott standen schwer bewaffnete Horden-Orbiter.
Amtranik schritt bis in die Mitte der Zentrale. Er ignorierte die Gefangenen ringsum.
»Rede jetzt, Terranerin!«, befahl er.
Larsa Hiob hatte sich ihre Worte längst zurechtgelegt. Doch jetzt fiel es ihr schwer, alles aus dem Gedächtnis abzurufen. Sie begann langsam und stockend, fand aber, dass ihr das Sprechen leichter fiel, je mehr sie sich darauf konzentrierte.
Sie sprach von der Dunkelwolke Provcon-Faust. Dann schweifte sie in die Vergangenheit der Milchstraße ab und berichtete von der seltsamen Zivilisation der Zwotter und von den Psychoden. Vor allem davon, dass ein unbekannter Einfluss unzählige Mitglieder der frühen Zwotter-Kultur veranlasst hatte, sich zu entstofflichen und in der Materie der Dunkelwolke aufzugehen.
Sie sprach von dem Zweck, dem die Dunkelwolke schon damals hatte zugeführt werden sollen, als wisse sie all dies mit Sicherheit. Sie hatte sich ihre eigene Theorie zurechtgelegt, warum das Ziel nicht zum geplanten Zeitpunkt erreicht worden war, und trug sie als Tatsache vor.
Schließlich redete sie über den Mutanten Boyt Margor und ging auf seine besonderen parapsychischen Fähigkeiten ein. Sie berichtete über seinen Versuch, die Provcon-Faust zum Hauptquartier seiner Unternehmungen zu machen, die darauf abzielten, die Milchstraße zu unterjochen. Dann sagte sie, dass Boyt Margor gescheitert war. Dass er wie die Prä-Zwotter seine stoffliche Gestalt verloren hatte und in der Dunkelwolke aufgegangen war. Sie beschrieb den Margor-Schwall und flocht die unbeantwortete Frage ein, warum der Schwall ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden sei.
Währenddessen ließ sie Amtranik nicht aus den Augen. Sie sah, dass es in dem fremdartigen Gesicht arbeitete, und erkannte, dass sie sich tatsächlich auf dem richtigen Weg befand.
»Das ist, was ich über die Hordenkrankheit weiß. Nun sieh zu, Amtranik, ob du dir deinen eigenen Reim darauf machen kannst.«
Der Aufschrei des Garbeschianers dröhnte laut durch die Zentrale der TRANTOR.
»Armadan von Harpoon – ich verfluche dich! Er war es, niemand anders. Er hat sich nicht damit begnügt, die Anlage einzurichten und sie auf unsere Rückkehr warten zu lassen. Er brauchte eine zweite Waffe, dieser hinterhältige Teufel.«
Ein krächzendes Lachen folgte dem Aufschrei. »Aber diesmal habe ich dich überlistet, Ritter der Tiefe!«
Die vierfingrige Hand brachte ein glitzerndes Kristallstück zum Vorschein. »Ich habe die Glücksbringer gefunden, sie bewahren mich vor deiner Heimtücke, Armadan von Harpoon. Sieh her!« Er reckte den Kristall in die Höhe. »Ich kenne die Dunkelwolke aus den Datenarchiven der Orbiterschiffe. Armadan von Harpoon, nimm dich in Acht! Ich werde deine Waffe vernichten.«
Ruckartig wandte er sich um und zeigte auf die Gefangenen.
»Sie haben den Tod verdient! Tötet ...«
Amtranik zuckte heftig zusammen. Er wankte. Seine Begleiter, die ihn stützen wollten, wischte er beiseite. Langsam, als schrecke er vor einer hastigen Bewegung zurück, wandte er sich wieder der Terranerin zu. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, als er mit der freien linken Hand ein zweites Kristallstück aus seiner Kleidung hervorzog.
»Nimm das ... um der Dämonen von Garbesch willen ...«
Larsa nahm ihm den kleinen Quarzbrocken aus der Hand. Sie hielt den Splitter kaum in der Hand, da schlug eine mentale Stimme mit aller Wucht über ihr zusammen. »Diese Wesen stehen unter meinem Schutz. Wenn du ihnen Schaden zufügst, wird sich meine Substanz auflösen, die Glücksbringer werden dich verlassen ...«
Während Larsa noch ungläubig auf das kleine Stück Kristall in ihrer Hand blickte, gellte der Befehl des Hordenführers:
»Verlasst dieses Schiff! Die letzte Horde verlässt den Planeten.«
Es dauerte lange, bis sich die Besatzung der TRANTOR aus ihrer ungläubigen Starre löste. Larsa Hiob wandte sich sofort der Außenbeobachtung zu. Wer noch gezweifelt hatte, der sah sich angesichts der abziehenden Horde eines Besseren belehrt.
Larsa ließ sich in den nächsten Sessel sinken. Stockend berichtete sie über die mentale Stimme, die sie über den Kristallsplitter vernommen hatte. »Njasi hat uns gerettet ...«
Die Roboter wurden reaktiviert. Sie suchten jeden Winkel der TRANTOR ab, fanden jedoch keinen einzigen Orbiter mehr an Bord.
Bald darauf startete die GIR-Flotte. Außerhalb der Atmosphäre nahmen die Schiffe mit hoher Beschleunigung Fahrt auf und verschwanden schließlich im Linearraum.
Der Albtraum war vorbei, doch Larsa Hiob schlief inzwischen.
Als sie erwachte, wusste sie sofort, dass sie noch zwei Aufgaben zu erledigen hatte, bevor sie Imbus verließ. Sie musste Rubin Frekk bewegen, an Bord zurückzukehren. Und sie hatte Njasi Dank zu sagen für die Rettung in letzter Sekunde.
Auf dem Weg zur Schleuse begegnete sie Valba Sringhalu.
»Ich will mir das Tal noch einmal ansehen«, sagte die Asiatin.
Larsa schloss sich ihr an. Die Schleuse stand offen. Roboter holten die letzten Ausrüstungsgegenstände vom alten Lagerplatz zurück an Bord.
Der Wind hatte aufgefrischt und wirbelte dünne Schwaden einer nebligen Substanz auf.
»Was ist das?«, fragte Larsa überrascht. Im nächsten Moment sah sie die Gestalt. Sie ging vornübergebeugt, jeder Schritt schien ihr Schwierigkeiten zu machen.
»Rubin Frekk!«, rief Valba ungläubig.
Larsa hatte den deutlichen Eindruck, etwas sei auf katastrophale Art und Weise aus dem Gleichgewicht geraten. Sie lief den Steg hinab, und Valba folgte ihr.
Rubin Frekk blieb stehen. Er war dem Verlauf der großen Kristallader gefolgt – und erst jetzt registrierte Larsa bewusst, dass der fahle Dunst von den Kristallen aufstieg und verwehte.
»Rubin, was geht hier vor?«, fragte sie außer Atem.
»Ein viertes Buch muss geschrieben werden«, antwortete der Junge. »Doch es ist unklar, wer es schreiben soll, da ohnehin bald ... nichts mehr sein wird.«
Larsa ergriff ihn an den Schultern und schüttelte ihn. »Was ist los? Wieso wird bald nichts mehr sein?«
»Njasi hat ihren Fehler erkannt. Das Buch Merison war unvollständig. Du hattest recht. Nicht alle Substanzen, die formungs- und einigungsfähig sind, verdienen Njasis Hilfe. Es gilt, den Unterschied zwischen Gut und Böse zu machen.«
»Das war nur so eine Idee von mir, Rubin«, sagte Larsa geradezu beschwörend. »Niemand hat einen Fehler begangen. Im Gegenteil, wir schulden Njasi Dank für unsere Rettung. Rubin, was ist das für ein Nebel, der von den Kristallen aufsteigt?«
»Der Nebel des Todes«, antwortete er. »Das vierte Buch wird das Buch der Sühne und des Todes sein. Njasi hat einen Teil ihrer Substanz hergegeben, um Wesen zu helfen, die ihrer Hilfe nicht würdig sind. Das muss gesühnt werden.«
»Wie, Rubin?«, schrie Larsa in beginnender Verzweiflung.
»Durch Hinwendung zur höchsten Entropie, zum Zustand der größtmöglichen Unordnung. Durch Auflösung.«
Die Kristallader hüllte sich in dichter werdende Wolken. Sie schmolz geradezu dahin.
»Das darf nicht sein!«, rief Larsa. »Ihr begeht einen Fehler ...«
Ihr Blick fiel wieder auf Rubin, und für einen Augenblick fürchtete sie, den Verstand zu verlieren. Der Junge wurde blass und – durchscheinend.
»Rubin!«, schrie die Wissenschaftlerin, und Valba schrie ebenfalls den Namen.
Sekunden später war der Junge verschwunden. Der Dunst verwehte. Eine tiefe Furche erstreckte sich im Talboden, wo bislang der Kristallstrang verlaufen war. Njasi hatte sich aufgelöst – und mit ihr Rubin Frekk.
»Das hat er nicht verdient«, sagte Valba.
Verdient, dachte Larsa niedergeschlagen. Was heißt schon verdient? Sie hatte das Gefühl, nichts mehr zu verstehen.