Читать книгу Bitte Umblättern - Petra Pansch - Страница 5
ОглавлениеGeheimnisse
Eine kleine saftige Rosine aus dem frischen Napfkuchen zu puhlen, erfordert schon eine gewisse Fingerfertigkeit und Schnelligkeit. Es ist auch gar nicht so schlimm, wie es oft hingestellt wird. Aber ein kleines Mädchen, wie ich damals, das hatte schon so seine Gewissenskämpfe. Lecker war sie, diese rumselige Süßigkeit; ein gutes und schlechtes Gefühl zugleich. Mein kleines Geheimnis. Aber mehr nicht…oder doch?
Heute sitze ich in der Nordeifel auf einer alten Holzbank, die am Rundweg um die Burg Nideggen zum Schauen, Nachdenken und Rückdenken einlädt. Ab und zu nehme ich mir die Zeit dazu. Es ist Frühling und es riecht noch schwer nach winterfeuchter Erde. Frischverpaarte Vögel mit trockenen Grashalmen im Schnabel beeilen sich ihr neues Nest zu bauen. Sie müssen schnell sein, die Natur braucht dringend singenden und insektenvertilgenden Nachwuchs. Ich lächle vor mich hin, süßes Nichtstun. Sonnenstrahlen springen von Ast zu Ast und zeigen flirrende, diffuse Schattenfiguren. Ich scheine alle Zeit der Welt zu haben und noch ein wenig mehr. Doch das täuscht. Aus dem heiteren Himmel werden grauneblige Schattenwolken. Sie zeichnen mir bekannte Szenen. Ich erkenne Menschen und deren Tun, verworrene Vermutungen steigen aus meinem Herzen, sogar Misstrauen und Ängste. Sie geben längst vergangene Begebenheiten preis und lichten manchen Schleier.
Ich denke zurück an vergangene Zeiten, Episoden, Schmeicheleien, Lachendes, Tränendes. Dinge, über die die Wolkenschleier der Vergangenheit ihr Schweigen gebreitet haben. Doch es waren keine Naturgegebenheiten die Geschichten machten, sondern Menschen, meine Familie, mein Umfeld. Alles wurde unter Stillschweigen gepackt, wie Ersatzwäsche in den Schrank, wohlwissend, die wollen wir nie mehr brauchen. Jetzt lüfte ich den Schleier der kleinen heimlichen Verfehlungen, der Dummheiten, Liebeleien, Kabalen, der dramatischen Geheimnisse oder gar Verdamnisse, aber auch der schönen Dinge, die uns wie Sonnenstrahlen zum Lächeln bringen. Ich, wir sind doch Optimisten.