Читать книгу Bitte Umblättern - Petra Pansch - Страница 8
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Ein Samstagsommertag in Düren, kurz nach 9 Uhr. Die Sonne ist gleißend hell, die Luft schwül und unwetterschwanger. Der Wochenmarkt ist wie fast immer, kurz vor dem Wochenende eine willkommene Abwechslung, um ins Städtchen zu gehen, das ansonsten, die Dürener mögen es mir verzeihen, für mich wenig Anziehungskraft hat und mir kaum ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Aber dies sei nur mal so angemerkt.
Ohne große Aufregung komme ich über den Kreisverkehr, kein Autofahrer übersieht mich heute und auch der Radfahrer steigt vom Fahrrad, um auf eigenen Füßen regelgerecht auf dem Zebrastreifen auf die andere Straßenseite zu gelangen. Ich singe leise, meinen nicht sehr harmonischen Gesang, vor mich hin. Am Adenauer Park beobachte ich freche Spatzen, die sich um Brotkrumen und Sonnenblumenkerne zanken. Sonnenstrahlen liebkosen den großen Staatsmann aus rostigem Metall, der ziemlich nachdenklich oder ungehalten auf die großen dominierenden Abfallbehälter für die verschiedenen Glassorten in der Nähe seines Zuhauses schaut. Der grüne Park mit Rasenflächen und knorrigen alten Bäumen ist neben dem Friedhof gegenüber, der einzige Farbtupfer im Einheitshäusermeer. Doch wer geht eigentlich über den Gottesacker, wenn er nicht muss oder ohne eigenes Zutun eines Tages, hoffentlich nicht so bald, dort hingetragen wird? Ich nicht! Früher als Kind allerdings habe ich gerne die aus Stein geschlagenen, traurig blickenden Engel geschaut und die Inschriften buchstabiert, mir an den Fingern abgezählt, wie alt die Verblichenen eigentlich waren als sie zu Grabe getragen wurden. Doch mit dem Erkennen der Endlichkeit meines Lebens, vermeide ich es lieber, solche Orte zu betreten.
Heute habe ich außer dem Kauf bunter Vitamine an übervollen Marktständen noch etwas anderes vor. Ich möchte verschenken, ja Sie haben richtig gelesen, ich verschenke. In meine große Umhängetasche habe ich mein Buch gepackt. Darauf wartet eine Frau, die Schwester meines ehemaligen Friseurs, die in seinem Salon die Aufnahmeformalitäten hinter der kleinen Theke managt. So habe ich sie damals kennengelernt. Jetzt als Nichtmehrkunde begrüßt sie mich noch immer freundlich. Wir sprechen das eine oder andere Wort zusammen, wenn sie vor der Ladentür steht und ihr Zigarettchen raucht. Unverblümt am Anfang der Woche kam sie auf das Thema Buch. „Frau Pansch, sie haben doch ein Buch geschrieben. Wo kann ich das bekommen? Es interessiert mich sehr“, sprudelte es aus ihr heraus. Ich antwortete gerne und beschrieb ihr ausführlich die unterschiedlichen Erwerbswege über Buchhandlungen oder über das Internet. Irgendwie bemerkten meine feinen Antennen, ich erreichte sie nicht. Dann ihre Antwort: „Ich kenne mich mit Computern und so nicht aus, können sie mir nicht eines von ihren geben? Frau Pansch, ich will es ja nur lesen, einfach nur mal lesen“.
Ja was macht man auch sonst mit einem Buch? Es heißt nicht umsonst Lesen und normaler Weise kauft man sich dann eines, wenn man es lesen will.
Bücher sind für mich was Besonderes, die ich mir kaufe und die nach dem Auslesen noch immer geliebt und auch später noch, ab und an durchgeblättert und regelmäßig abgestaubt werden. Ebenso die andere Art von Büchern, die dank Internet auf mich warten, um auf PC, Kindle und Co, ohne Eselsohren und Sonnenmilchflecken überall gelesen werden können, sind für mich was Besonderes.
Ich weiß es, wie viel Arbeit in einem Buch steckt, nicht nur das Beschreiben der einzelnen Seiten. Seitdem ich selbst Bücher schreibe, spüre ich das ganz besonders und tief in mir drin. Von der Idee, bis ich dann endlich das Manuskript in den Händen halte, ist es ein langer Weg. Meine Autobiografie hat mich ein ganzes langes Jahr beschäftigt. Sie hat viel von mir gewollt, eigentlich alles. Zeit, die ich ihr gerne gab, schlaflose Nächte und Träume, die mich alles nochmal durchleben ließen. Schmerzliches und Dinge zum Schmunzeln packte mir mein Gedächtnis nicht nur auf ein silbernes Tablett. Begebenheiten, die ganz hinten in einer Schublade meines Gehirns darauf warteten, entstaubt und aufgearbeitet zu werden.
Ich gehe ins Ladengeschäft, begrüße alle freundlich und reiche der Schwester meines ehemaligen Friseurs mein Buch „Vom Ossi zum Wessi“. Sie sagt: „Danke, ich wusste, dass sie an mich denken…“
Ja, ich habe an sie gedacht und mir ist später diese Kurzgeschichte eben mal „zugeflogen“, denn Schreiben ist doch keine Arbeit. Arbeit strengt an, schafft Werte und erhält eine entsprechende Entlohnung. Ich habe einige Zeit gesessen, überlegt, formuliert und meinen Laptop strapaziert. Als Ergebnis steht jetzt diese kleine Episode. Fertig!
Aber jetzt muss ich erstmal etwas essen und trinken und das bekomme ich nicht geschenkt.