Читать книгу Bitte Umblättern - Petra Pansch - Страница 7

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Sebnitz

Die Leser meines Buches „Vom Ossi zum Wessi“ wissen, dass ich in Sebnitz ein paar Jahre gelebt und als Journalistin bei der Sächsischen Zeitung gearbeitet habe. Sie wissen auch, dass mich viele schmerzhafte Erinnerungen mit dieser Stadt verbinden.

Eigentlich wollte ich nie wieder nach Sebnitz, doch die Erinnerungen, die mich dann beim Schreiben meines Buches einholten, führten schließlich dazu, 35 Jahre nach meiner Ausreise noch einmal dorthin zu reisen.

Im Juli 2019 war ich dort auf Einladung der Stadtbibliothek, zur Vorbereitung einer Lesung im September. Vieles hat sich in der Stadt verändert, die Fassaden sind frisch gestrichen, einiges renoviert, aber manches ist immer noch so wie zu der Zeit, als ich hier lebte. Heute ist Wochenmarkt, reges Treiben um Springbrunnen und Postsäule. Vor allem ältere Menschen sind mit Tüten und dem altbewährten Einkaufsnetz unterwegs. Wie es der Zufall will, sehe ich an einem Marktstand eine zierliche Frau mit kurzen, fast weißen Haaren. Mich durchzuckt es blitzartig, das ist doch Sabine. Älter zwar, aber ich spüre, das ist sie, die Lebensgefährtin des zweiten Redakteurs Gerhard bei der Sächsischen Zeitung. Er ist inzwischen verstorben, das habe ich bei den Recherchen zu meinem Buch erfahren, auch das sie noch in der Stadt lebt. Ich überlege kurz und meine Füße gehen fast von allein in ihre Richtung. Ich grüße und spreche sie an. Dieser Zufall ist sicher für sie ein Überfall. Ich lächle und stelle mich vorsichtig vor, erkläre ihr, wer ich bin, dass wir eine Zeit gemeinsam hier in Sebnitz gelebt haben. Ich erwähne unsere gemeinsamen Essenszeiten in der „Kunstblume“, ihre Arbeit im Kulturbund, ihre historischen Exkursionen oder die Treffen bei ihr zu Hause bei Kaffee und Kuchen. Ganz persönliche Dinge, die nur Eingeweihte wissen können. Ich merke, sie hat mich erkannt, aber gleichzeitig spüre ich Kälte. Sie will mich nicht mehr kennen und schiebt die lange Zeit als Mauer vor sich. Ihre Augen und ihre Hände verraten etwas anderes, es ist Abwehr. Sie möchte mit mir kein Gespräch. Sie unterbricht mich und erklärt noch einmal mit Nachdruck, mich nicht zu kennen und greift nach den Kartoffeln, die am Marktstand in der Auslage liegen. Für sie ist das Gespräch beendet. Für mich ist es auch nach 35 Jahren wieder die Erkenntnis, einmal Nestbeschmutzer, immer Nestbeschmutzer. Für manch einen ist die Zeit stehen geblieben und irgendwie meine ich, haben sie die neue Zeit seit der Wende gar nicht begriffen oder sogar schlimmstenfalls nicht verdient.

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