Читать книгу Die subjektive Verfassung und ihre Erörterung - Philipp Ursus Krautschneider - Страница 8
3. Der souveräne Wille
ОглавлениеWie bereits zur Grundnorm ausgeführt, ist es prinzipiell die Empfindung, die der Norm ihren Sinn und Zweck verleiht (siehe Kapitel 2). Durch Erfahrung haben wir gelernt, die Norm vor die Empfindung zu setzen; und durch ein der Norm entsprechendes Verhalten wird die Empfindung schließlich ausgelöst beziehungsweise entfaltet.
Doch nicht jede Empfindung ist angenehm. Die Erfahrung von unangenehmen Empfindungen erfordert allerdings Normen, deren Sinn und Zweck gerade die Vermeidung solcher unliebsamer Empfindungen ist oder, positiv formuliert, das Leben unter Ausschluss der betreffenden Empfindungen ist. Menschen müssen auch solche Normen lernen und anwenden, um zu überleben.
Zur besseren Unterscheidung werde ich diese Normen »negative Normen« nennen, die direkt auf Empfindungen gerichteten Normen hingegen »positive Normen«. Zumal positive Normen ihren Sinn und Zweck prinzipiell in der Empfindung erfüllen, negative Normen hingegen nicht, haben negative Normen eine höhere Bestandskraft.
Der souveräne Wille eines Subjekts äußert sich in jener konkreten positiven Norm, die entsprechend der Erfahrung dieses Subjekts unter Berücksichtigung aller negativer Normen zur Vermeidung den direkten Zusammenhang zu ihrem Sinn und Zweck in der gewollten Empfindung begründet.
Obwohl ich von der Normenordnung eines Subjekts schreibe, passt folgendes Zitat aus Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, 11. Buch/3. Kapitel systematisch gut hierher:
»Worin die Freiheit besteht: Es stimmt, dass in den Demokratien das Volk scheinbar machen kann, was es will. Jedoch bedeutet politische Freiheit nicht, dass man machen kann, was man will. In einem Staat, das heißt, in einer mit Gesetzen ausgestatteten Gesellschaft, kann Freiheit lediglich bedeuten, dass man zu tun vermag, was man wollen soll, und man nicht zu tun gezwungen wird, was man nicht wollen soll. Man muss sich vor Augen halten, was Unabhängigkeit ist und was Freiheit ist. Freiheit ist das Recht, all das zu machen, was die Gesetze gestatten.«
Mit Einnahme einer Metaebene stellt sich heraus, dass vor allem individuelle Erfahrung den souveränen Willen maßgeblich gestaltet. Sie tut dies zum einen in der Ausdehnung des Geltungszeitraumes positiver Normen oder anders ausgedrückt: durch die erfahrungsbedingte Erweiterung des Planungshorizonts. Zum anderen gestaltet sie mit der Verdichtung von Vermeidungsstrategien gemäß negativer Normen oder salopp: durch die erfahrungsbedingte Zunahme von Hemmungen. Der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Variante liegt vor allem dort begraben, wo eine ursprüngliche Empfindung als angenehm oder als unangenehm erfahren wurde.