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1.1ALS STRAßENFOTOGRAFIN IN DER STADT

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Meinen Fotoapparat in der Hand gehe ich durch die Stadt. Ich habe ein paar Stunden Zeit und einige Ideen. Mal sehen, was so kommt. Als Straßenfotografin lasse ich mich gerne treiben. Ich bin gut drauf, beobachte Licht und Schatten, die in die Gassen fallen. Meine Idee ist, mit starken Kontrasten und Farben zu spielen. Ich erspähe einen Mann mit einer Pfeife im Mund. Er kommt auf mich zu. Ich warte den Moment ab, bis er aus dem Schatten hinaustritt und – klick. Nicht schlecht, es könnte ein interessantes Bild geworden sein. Ich gehe etwas mehr nach rechts, verändere meinen Winkel und warte. Ich sehe immer wieder nach oben, in den Himmel, um nochmal nachzubessern. Wo steht die Sonne in den nächsten Minuten, wann wird sie wohl hinter dem Giebel verschwinden, wie viel Zeit bleibt mir noch an diesem Fleck?

Ein paar Menschen gehen an mir vorbei, nehmen mich nicht weiter wahr. »Noch so eine Touristin«, denken sie wohl. Ich nutze meine »Unsichtbarkeit« und konzentriere mich auf den Moment, in dem sie ins Licht treten. Nochmal optimiere ich meine Position, gehe etwas tiefer. Und dann kommt die Frau mit dem großen Hut und dem blauen Hemd. Ich warte, bis das Licht den Hut vollständig trifft, und löse aus – Bingo! Das war ein guter Treffer.


1–3 Diese drei Bilder entstanden hintereinander in einem Flow, der mich vor Freude fast hüpfen ließ. Ich erkannte zuerst zufällig die Lichtspots und wartete für die ersten zwei Fotos Touristen ab, die einer nach dem anderen in meine virtuellen Fotofallen tappten. Einmal erkannt, wie ich mich am besten bezüglich der Sonneneinfallsrichtung und dem Touristenstrom zu positionieren hatte, gab es kein Halten mehr. Zu perfekt erschienen mir die vielen Gelegenheiten, die sich boten. Ich hätte Stunden in diesen Straßen zubringen können.

Ab jetzt läuft alles wie geschmiert. Ich habe die Lichtverhältnisse enträtselt. Meine Kamera ist richtig eingestellt und ich bekomme das Gesicht der Leute in meinem Bildausschnitt im richtigen Moment scharfgestellt. Ich weiß, wo ich stehen muss, damit ich dieses Spiel aus Licht und Schatten genau hinbekomme. Plötzlich bin ich komplett versunken in meinem Thema. Ich nehme alles um mich herum wie durch einen Filter wahr. Was nicht in meine Fotoidee passt, verschwindet unauffällig. Und überall erkenne ich wie aus dem Nichts wunderbare Gelegenheiten für mein heutiges Fotothema.

Ich finde schnell einen neuen Standort, denn ich weiß genau, wonach ich suche. Ein dunkler Hintergrund, der Sonnenstrahl – ich erkenne ohne Schwierigkeiten die beste Stellung. Und da ist schon die nächste Touristin mit ihren knallig türkisfarbenen Fingernägeln, rotem Mund und roter Tasche – sie läuft in meine Lichtspot-Falle! Ein Ladenbesitzer beobachtet mich und grinst. Mir ist es sowas von egal, was er denkt. Ich werde jetzt sicher nicht aufhören, bin so in meinem Element, dass es sich rundherum perfekt anfühlt. Das sind die Momente, die ich an der Straßenfotografie liebe.

Als ich bei Sonnenuntergang müde und glücklich nach Hause fuhr, wusste ich, dieser Tag war genial, einsame Spitze. Alles war perfekt gelaufen, eine tolle unerwartete Gelegenheit nach der nächsten, welches Glück.

Aber war es wirklich Glück? Es war der Flow! Und das Glücksgefühl floss!


1–4 Noch ein Bild aus der Serie meiner Lichtspots: Auch diese Touristin lief in meine Falle, ohne mich – wegen des Gegenlichts – überhaupt wahrzunehmen.

Flow – Fotografieren als Glückserlebnis

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