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1.2DIE IDEE

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Auf die Idee zu diesem Buch bin ich gekommen, weil ich mir zunehmend des Flow-Zustands bei mir selbst bewusst wurde. Ich fand es völlig selbstverständlich, mich stundenlang konzentrieren zu können, um fokussiert ein Thema zu bearbeiten. Ich habe ihn instinktiv gefunden. Der Flow trat recht verlässlich ein, scheinbar völlig beliebig. Ich begann ihn zu schätzen und herbeizusehnen, unbewusst zu suchen. Aber ich nahm mir nie die Zeit, ihn genauer zu analysieren. Erst später wurde mir klar, dass es ein sehr spezieller, aber erlernbarer Prozess ist. Und jeder kann ihn bei sich herbeiführen, wenn gewisse Rahmenbedingungen gegeben sind.

Im Vollzeitberuf, zu Hause zwei Kinder, war ich jahrzehntelang latent überfordert. Mein Hobby, die Fotografie, lag allzu lange brach – bis das Bedürfnis nach ständig Neuem und Abwechslung der Suche nach innerer Ruhe wich. Es stellte sich eine Sehnsucht danach ein, endlich die Zeit zu haben, selbstgesteuert meine Kreativität ausleben zu können. Der Flow und die neu entdeckte Freude am Fotografieren hoben mich jedenfalls aus einer monatelangen deprimierten Stimmung heraus.

Was das Modewort Flow anbelangt, wurde meine selektive Wahrnehmung gleichzeitig sehr effizient. Ich wollte verstehen, wie er sich einstellt, wie ich ihn aktiv finden kann, um ihn besser für mich zu nutzen. Die Ergebnisse meiner Recherche teile ich in diesem Buch mit dir.




1–5 Im Flow bin ich vertieft in mein Ding, alles fließt. Das Bild mit der vorbeigehenden Frau und dem sitzenden Mann »The Orange Cap« entstand, als ich bei starkem Wind im September in Nizza an der Promenade des Anglais mit meiner Kamera spielte. Im Sommer davor, 2016, hatte genau hier ein Terroranschlag stattgefunden. Meine Kinder feierten in der Nähe, sie übernachteten bei Unbekannten, bevor ich sie nach einer sorgenvollen Nacht am Folgetag nach Hause holen konnte. Depressive Stimmungen und die Sorge über die Terroranschläge führten mich zur aktiven Suche nach Luft, Farben, Perspektiven, Weitsicht. So fuhr ich oft zum Meer in Nizza. Ich war an jenem Nachmittag völlig vertieft und habe mehrere gute Bilder in kurzer Zeit geknipst. Dieses Foto repräsentiert auch meine Geschichte als Fotografin. Bis dahin war ich nämlich »nur« leidenschaftliche Biologin. Ich spielte gerne mit meiner Kamera, als Hobby. Zwei Freundinnen drangen mich dazu, meine Bilder schön zu drucken und an einem populären Fotofestival in der Region teilzunehmen. Sie fotografieren selbst wunderbar und glaubten an mich – viel mehr als ich selbst an mich glaubte. So machte ich 2017 meine allererste Fotoserie: »Promenade Moments«. Es war spannend, das erste Mal meine eigenen Bilder für eine Ausstellung zusammenzustellen und auf teurem, wunderbar glänzendem Metall gedruckt zu sehen. Wenn, dann richtig, dachte ich mir. Und dieses Foto gewann auf Anhieb den ersten Preis! Im Folgejahr war es das Symbolbild des Festivals. Wer hätte 2017 gedacht, dass ich jetzt, nur drei Jahre später, sogar ein Buch über Fotografie schreiben würde? Es floss einfach, ich wusste nicht wohin und warum, aber ich schwamm mit dem Fluss, genoss das Neue, Kreative in meinem Leben und alles, was sich damit einstellte. Heute bin ich aus meiner Krise heraus, habe ein Standing als Fotografin. Das alles hat funktioniert, weil ich spielerisch heranging, offen für alles war, was da kam, weil ich mir Mühe gab, positiv zu sein, und weil ich lernte. Unaufhörlich saugte ich alles zu Fotografie und Kreativität auf, wollte mehr wissen, verstehen, praktizieren können. Vor allem aber: Ich blieb dran. Denn auf Anhieb zu gewinnen, klingt einfach. Sich danach weiterzuentwickeln ohne immerzu riesige Erfolge, ist hingegen die Realität, der man sich dann stellen muss. Ich hatte die Ausdauer, weil ich immer wieder im Flow war. Auch vorher hatte ich schon fotografiert. Aber nach Natur und Landschaften, Makro und hübschen provenzalischen Fenstern und Türklinken fiel mir nicht mehr viel Interessantes ein. Fast hätte ich die Fotografie aufgegeben. Dann fand ich mein Thema in der Straßenfotografie. Plötzlich wartete ich nicht mehr, dass die Menschen aus meinem Bildausschnitt verschwanden, sondern dass sie vielmehr hineintraten. Das machte Spaß, war neu und stellte neue Herausforderungen dar, also fing ich Feuer. Ich merkte, wie ich in der Fotografie immer besser wurde und meinen Ort in der Sonne, am Meer gefunden hatte. Und dieses Thema, »Promenade Moments«, floss. Den Flow konnte ich weiter nutzen für alles, was nach diesem Siegerfoto folgte: Reden und Vorträge, zwei Bücher, Diskussionsrunden, weitere Wettbewerbe und Siege, Solo-Ausstellungen, die seit zwei Jahren durch Deutschland touren. Ich wurde zur Botschafterin von Nizza ausgezeichnet, ins renommierte Collectif Photon aufgenommen … ich komme kaum hinterher. Aber jeder Schritt hat mich glücklich gemacht, und der Prozess, bei dem ich Flow-getrieben mitunter schwere Aufgaben löste und Hindernisse nahm, war ebenso bereichernd wie die Ergebnisse am Ende.

Falls du dich übrigens über das quadratische Format dieser Serie wunderst: Dieses verdanke ich Instagram. Das Quadrat war nämlich in den ersten Zeiten der Existenz dieses sozialen Netzwerks das einzig zugelassene Format. So presste ich meine langen Promenaden-Bilder in diese Form – und sie gefiel mir.

Flow – Fotografieren als Glückserlebnis

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