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Im Morgengrauen

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Wahnsinnige Schmerzen toben in meinem Kopf, er wird zu schwer für meinen Hals, scheint sich auszuweiten. Ein tief eindringendes, kraftvolles Pochen und Dröhnen, nicht enden wollenden Paukenschlägen gleich. Weiter, weiter, immer weiter, ohne Einhalt bis hin zur Übelkeit. Bitterer Geschmack schießt in meinen Mund, füllt ihn aus. Die hämmernden Qualen lassen nicht nach, sie bleiben. Es ist ganz so, als ob etwas Unbesiegbares in mir gefangen wäre.

Ich liege im Dunklen, weiß nicht wo. Kann mich kaum bewegen, meinen Körper nicht wirklich spüren. Mit Mühe hebe ich den rechten Arm an und führe die Hand zum Kopf. Gleichzeitig drehe ich mich langsam aus der Rückenlage auf die linke Seite und ziehe die Beine instinktiv an. Meine Finger tasten rau über mein Gesicht, wissen nicht, was sie suchen. Für einen kurzen Moment verweilen sie schützend an der rechten Schläfe. Sie sind ungewohnt taub und doch irgendwie feucht, verschaffen keine Erleichterung.

Mein Mund ist plötzlich trocken, die Zunge wie angeschwollen. Es ist stickig und meine Hände fühlen sich jetzt seltsam klebrig an. Ich führe beide auf Augenhöhe und richte meinen Blick auf sie. Unwillig - habe kein gutes Gefühl. Sie sind schmutzig, rissig, schmierig. Ich betrachte sie genauer und alles, was ich sehe, ist rot. Meine Hände sind dunkelrot, rot - wie Blut. Von einer dicken Schicht bedeckt, es ist bereits geronnen und die Haut beginnt zu spannen. Ich verspüre Ekel und Juckreiz. Unbeirrt sinkt das Blut weiter, wird von den Poren geradezu aufgesogen und ein süßlicher, verdorbener Gestank findet ohne Gegenwehr seinen direkten Weg in meine Lungen.

Aufsetzen und gehen“, verlangt mein Gehirn, schlägt Alarm.

Eine Tür.

Der Weg vom Bett zur Tür scheint nicht weit. Das Ziel fest im Blick behaltend richte ich mich auf. Mein Körper gehorcht mir nur zögerlich. Warum nur? Ich will doch hier weg, raus aus der Düsterkeit, ins Helle, nach Hilfe rufen, lärmen, mich bemerkbar machen.

Wankend komme ich der Tür näher, spare meine ganze Kraft, um zu brüllen. Ich bin schwach und mir ist schwindelig. Und doch reiße ich den Mund weit auf und kreische so laut ich kann. Meine Lippen bewegen sich heftig, aber kein Ton will aus meinem Mund kommen. Kein Laut.

Nichts bewegt sich, kein Geräusch durchbricht die absolute Stille. Es ist noch immer dunkel und ich beginne zu frieren. Ein Luftzug, ein starker eiskalter Strom, ich fühle etwas auf mich zukommen. Stechend scharf trifft die Kühle meine Haut, schmiegt sich böse und unaufhaltsam an meine Schulter. Zeigt mir so, aus welcher Richtung sie kommt.

Ich wende meinen Kopf und erkenne eine weitere Tür. Sie steht offen. Am hölzernen Türrahmen lehnt eine durch und durch dunkle Gestalt, nahezu die gesamte Öffnung ausfüllend. Ihr Umriss ist gut erkennbar, scharf, wie gezeichnet - einem Scherenschnitt gleich. Die dafür verantwortliche, grelle Lichtquelle dahinter blendet mich.

Wie gerufen und ohne jede Hast schreitet der Schatten in meine Richtung, wird größer und größer. Seine Schuhe verursachen ein unangenehm knirschendes Geräusch auf dem alten Steinfußboden.

Nein, nicht, lass mich! “, ich bitte und flehe, ich weine.

Hände kommen auf mich zu, versuchen nach mir zu greifen, verringern den Abstand deutlich. Zu nah!

Nein, nicht anfassen!“

Ich habe jetzt solche Angst. Schlimme, schlimme Angst. Angst, Angst, Angst. Eine, die Bewegungen verhindert, blockiert. Der Schreck sitzt fest in meinen Gliedern und macht sie starr. Ich möchte so gerne rennen, aber ich kann nicht, stehe noch immer auf dem gleichen Fleck.

Die Kontrolle. Ich habe keine Kontrolle mehr über mich selbst - habe sie verloren. Ich bin außer mir. So hilflos.

Stillstand, Dunkelheit, pures Schwarz.

Abrupt senkt sich Traurigkeit wie endgültig über mich. Einen Augenblick lang bin ich frei jeder Wahrnehmung. Frei und leicht.

Aber dann, dann spüre ich sie in mir aufsteigen, sie ist überall, ich kann sie förmlich sehen – die Ausweglosigkeit. Wie ein Strudel nimmt sie mich gefangen, reißt mich mit und ein Schrei, ganz tief von innen kommend, lässt meinen Körper vibrieren.

Ein Schrei voller Hoffnungslosigkeit dringt nach außen. Gellend und laut flieht er in den Raum, wird von den Wänden abgewiesen und dringt zurück in mein Ohr. Jäh beendet er alles und ich wache, ihn noch aushauchend, wieder auf.


Atmen! Ich muss tief einatmen, durch die Nase, durch den Mund, Luft holen, die Lungen füllen. Ich muss mich beruhigen. Einatmen, ausatmen.

Es war ein Traum, ich habe das alles nur geträumt, intensiv. Immer kommt er wieder, so verdammt real und raubt mir alle Kraft, wieder und wieder, der gleiche Traum. Kannte ich diesen düsteren Ort etwa? Das Gesicht, sein Gesicht, so sehr ich mich bemühe, ich schaffe es einfach nicht ihn zu erkennen und das viele Blut.

Aber jetzt bin ich wach! Ich bin zu Hause und komme langsam der Gegenwart entgegen. Was ruft nur eine solche Angst in mir hervor? Ein ewiges Fragespiel ohne Antworten. Mir ist vorerst nicht mehr zum Denken zumute.

Dieser Schlaf hatte mir keine Erholung gebracht und ich hatte Bedenken mich wieder hinzulegen. Manchmal träumt man ja dort weiter, wo man aufgehört hatte. Ich wusste nicht, ob ich das wollte, weiterträumen. Die Trennung zwischen nächtlicher Projektion und täglicher Realität schien sich zuweilen sanft aufzulösen. Sie begannen sich gegenseitig zu beeinflussen, gingen ineinander über. Die gefühlte Intensität des Traumgeschehens verwirrte mich, berührte mein Inneres, tief drinnen tat es weh. Alles wirkte so „wahr“, so tatsächlich, so echt. Eine Erinnerung? Bleibt aus, fehlt.

Bereits als Kind schreckte ich mit diesen Visionen aus dem Schlaf. Meine besorgten Eltern brachten mich zu Ärzten und Psychologen, um die nächtliche Ruhe wieder herzustellen. Trotz aller Gespräche und Analysen blieben sie mir erhalten, machten sich allerdings rar mit den Jahren.


Aber jetzt bin ich froh zu Hause zu sein, ich fühle mich gerne zu Hause. Meine Augen fallen auf vieles, was mir gefällt, was ich gut zu kennen glaube. Allseits von Dingen umgeben, die nur mir etwas bedeuten, mit denen mich eine Geschichte verbindet, die mir Geborgenheit vermitteln.

Die ersten Sonnenstrahlen treffen zaghaft auf der weitläufigen Dachterrasse ein, locken mich nach draußen. Einfach die Frühe genießen, die Frische des Morgens. Der Tag bricht gerade erst an und unter meinen nackten Füssen spüre ich das erfrischende Nass des Morgentaus, der den gefliesten Boden bedeckt. Schutzsuchend lehne ich mich an das Geländer und lasse meinen Blick wandern. Von Dach zu Dach, über die hohen Bäume hinweg bis zu den bauchigen Türmen der Frauenkirche, im Herzen Münchens.


Meine Tasche für das kommende Wochenende am See hatte ich bereits gepackt. Ich musste mich nur noch sammeln und anziehen. Das klang einfacher, als es war.


Würde es denn immer so weitergehen? Würde es denn nie aufhören? Konnte er nicht einfach weggehen, dorthin woher er gekommen war, der Traum.

Ich holte so tief ich konnte Luft und schmetterte dem Traum und der Welt ein lautes „NEIN“ entgegen.

Das „NEIN“ tat mir gut. Ich sollte öfter mal „NEIN“ sagen!

Aber eigentlich wusste ich genau, - er würde nicht weggehen, einfach so. Irgendetwas mit mir, in meinem Leben stimmte nicht und brachte mich aus dem Gleichgewicht. Das glaubte ich verstanden zu haben und das musste ich jetzt endlich herausfinden.


Da mir das Stehen im warmen Morgengrauen vorerst auch nicht weiter half, drehte ich mich um und ging zurück in meine Wohnung.

Der Druck in meinem Kopf nahm wieder zu.

Ich verspürte Müdigkeit, Durst und den Wunsch meine Hände zu waschen, - so lange zu waschen, bis sie sauber waren und nur noch klares Wasser an ihnen hinab rann.

Tief Verborgen

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