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MONDSCHEINPARTY

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Estrella war aus ihrem Heimatland farbenprächtige Pflanzen gewöhnt und machte kein Hehl daraus, dass meine feierliche, weiße Pflanzenwelt für ihre temperamentvolle Frohnatur zu steril wirkte. Strahlend überreichte sie mir ein knallrotes fleißiges Lieschen, das einen belebenden Farbtupfer auf meiner Terrasse bildete inmitten schlohweißer, üppiger Hortensien in mächtigen Terrakotta-Kübeln. Aber nachdem die Abendsonne zwischen den staksigen, hochwüchsigen Tannen des Nachbarn glutrot in den Feldern versunken war, beeindruckte sie doch das Leuchten der weißen Blütenpracht in der Abenddämmerung, das allmählich verlosch, als der Schatten der Nacht fiel, um dann erneut feenhaft durch das Mondlicht illuminiert zu werden.

Unser Nachbar, der offensichtlich den lieben langen Tag nicht viel zu tun hatte und den wir häufiger hinter einem Buchsbaum am Gartenzaun hervorlugen sahen, musste vor Neid erblassen, was wir leider zu dieser späten Stunde nur vermuten konnten, wenn eine abrupte, unbeholfene Bewegung im Gebüsch seine Spionage verriet. Einmal war er tatsächlich dabei plump auf seine vier Buchstaben gefallen und wir mussten zu Hilfe eilen, um ihn gemeinsam wieder auf die Beine zu hieven.

Heute nun herrschte ein lustiges Treiben in meinem sonst so feierlichstillem Garten. Mein sonniger Freund und Lebensgefährte Felix spielte Keyboard und sang „Unter den Wolken“ nach Reinhard Mey, da er nicht gern flog. Sohn Timo, in den Semesterferien aus London eingeflogen, wo er Elektrotechnik studierte, war da weniger zimperlich. Er zupfte eifrig die Gitarre, bis Estrella protestierte, eine ihrer heißen CDs auflegte und ihn mit wiegenden Hüften zur Bachata auf die vermooste Rasenfläche zog. Sie hatte zahlreiche Freunde aus dem Container mitgebracht, sodass in den unterschiedlichsten Sprachen geschwatzt, gesungen und zu den lateinamerikanischen Rhythmen geklatscht wurde. Auch von uns waren weitere Freunde und Kollegen dabei, die sich um den Gartenteich scharten, auf dem Mückenschwärme tanzten, die uns anspornten, es ihnen gleich zu tun. Die Silhouetten der Gäste zeichneten sich nostalgisch vor einem Supermond ab, dreißig Prozent heller und vierzehn Prozent größer als ein normaler Vollmond, da er in seiner elliptischen Umlaufbahn an seinem erdnächsten Punkt der Erde 50.000 Kilometer näher war.

Plötzlich erstarben die fröhlichen Klänge jäh. Zwei uniformierte Polizisten tauchten geisterhaft hinter der Hausecke auf und richteten ihre grellen Taschenlampen auf mich.

„Was geht hier vor?“, fragte der ältere von beiden und runzelte strafend die Stirn unter seiner Schirmmütze, sodass sich eine drohende Falte mittig eingrub. Sein Vollbart erinnerte an Rübezahl. Offensichtlich hatte unser indiskreter Nachbar sich dieses weitere Mal nicht mit der Befriedigung seiner Neugier zufriedengegeben, sondern aus Neid Rache ersonnen, fühlte er sich doch trotz dieses Schauspieles zum Nulltarif in seiner Ruhe gestört.

„Nur ein kleines Sommerfest. Waren wir zu laut?“, versuchte ich, die Ordnungshüter zu besänftigen.

„Es hat mehrere Beschwerden gegeben“, erklärte der jüngere, milchgesichtigere von beiden, von dem offensichtlich eher Empathie und Verständnis für unsere Ausgelassenheit zu erwarten war.

„Oh, das tut mir leid“, beeilte ich mich zu sagen. „Darf ich Ihnen etwas anbieten?“

„Was sind das für Leute?“, forschte der Ältere weiter und deutete auf Estrella und ihre Freunde aus dem Wohncontainer, indem er mein Friedensangebot zunächst ignorierte. „Riecht nach Schwarzarbeitern“, fügte er misstrauisch hinzu und zog die gestutzten Augenbrauen skeptisch hoch, wodurch seine Stirn wiederum in nachdenkliche Falten geworfen wurde, sodass er mich an einen Mops erinnerte. Die steile Falte in der Mitte hingegen hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Haifischflosse.

„Nein, sie sind alle über die Überlasserfirma sozialversichert“, suchte ich zu beruhigen, während ich gedanklich zwischen Mops und Haifischflosse schwankte.

„Nun, wir nehmen die Personalien auf und die Aufsichtsbehörde wird in Ruhe ermitteln“, entgegnete der ältere Polizist, der sich durch meinen ebenfalls prüfenden Blick offensichtlich nicht beirren ließ. Er schielte auf eine Flasche Biokoka mit Waldmeisteraroma und dementsprechend giftig grüner Färbung, sodass ich mich beeilte, ihm ein dickbauchiges Glas voll zu schenken. Die Schaumkrone benetzte seinen weißen Oberlippenbart, als er es ansetzte, mit einem Zug leerte und dabei über den Glasrand unter seinen buschigen Brauen kritisch Estrella musterte.

„Ich komme morgen und bringe alle Papiere“, versprach diese geistesgegenwärtig, indem sie mit ihren frisch erworbenen Deutschkenntnissen glänzte und mich davor bewahrte, wegen meiner Mondscheinparty mit den fremden Gästen vor Panther Rechenschaft ablegen zu müssen.

„Uff“, atmete ich erleichtert auf, als ich wahrnahm, wie beeindruckt der Milchgesichtige von Estrellas hübscher Erscheinung war, ihrer schlanken, wohlproportionierten Figur, ihrer bronzefarbenen Haut und ihrem verführerischen Lächeln. Ich bot dem jüngeren Ordnungshüter auch ein Glas Biokoka an, während er Estrellas Personalien aufnahm.

„Wie lange soll die Party noch dauern?“, erkundigte sich der Chef, schon deutlich milder gestimmt, nachdem Biokoka seine Wirkung entfaltet hatte.

„Nur bis Mitternacht“, gelobten Estrella und ich artig.

Schließlich gaben sich die beiden Nachtwächter zufrieden und trotteten in der Überzeugung davon, ihrer Pflicht Genüge getan zu haben.

Nun tobte der Bär bis zum Morgengrauen, als wir erschöpft und glücklich in den Schlummer sanken, während der Mond sich hinter dunklen Wolken versteckte und die fröhliche Stimmung unsere Träume verzauberte. Die Feen aus dem Mondscheingarten verneigten sich in unendlich weiteren Reigen, bis das Quaken der Frösche in der Morgendämmerung uns weckte und sich alles in Traumstaub verlor.

Im Schatten des Burn-outs

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