Читать книгу Im Schatten des Burn-outs - Pina Petersberg - Страница 8

ZUGABE

Оглавление

Auch ohne Helena nahm die gleichförmige tägliche Routine im Konzern ihren Lauf. Mühelos verteilte Edeltännchen die bisher ihr zugedachten virtuellen Aktenberge und E-Mails auf die Hinterbliebenen. Da ich Fachkollegin war, landete der Hauptanteil in meinem PC. Ich fühlte mich erschlagen. Glückliche Helena!

Gesine, die resolute Betriebsärztin mit dem leeren Hühnernest am Hinterkopf, war hartnäckig. Sie schrieb wortreiche Bittgesuche an die Geschäftsführung zur Gewährung einer saftigen Gehaltserhöhung, begründet mit der lawinenartigen Steigerung der Arbeitsanforderungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht infolge der großzügigen Frühpensionierungen, in deren Genuss wir nicht mehr kommen würden. Unverhohlen die Drohung, dass wir uns anders orientieren könnten, noch ehe der frostige nächste Winter nahte, die wir gehorsam unisono unterzeichneten. Beklommenheit machte sich breit – wie würde Panther auf diese Provokation reagieren? Hatten wir den Bogen überspannt? Fade, seine erste graue Eminenz, den ich so langweilig fand, kündigte in einer umständlichen E-Mail seine Erscheinung vor versammelter Mannschaft an. Edeltännchen begrüßte ihn mit den gebührenden höflichen Floskeln. Anschließend herrschte nicht Panther, sondern eine gespannte Stille, elektrisierend aufgeladen, sodass nur das Ticken der großen, altmodischen Wanduhr zu hören war, als der Sekundenzeiger unermüdlich seine Runden drehte, zirkulierend wie die Spiralen unserer automatischen negativen Gedanken. Aber es kam wider Erwarten anders.

„Verehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, hub Fade in monoton devoter Stimmlage an, wiederholend, wie um uns noch mehr auf die Folter zu spannen: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, Panther möchte Ihre Anstrengungen gebührend anerkennen und gewährt Ihnen eine monatliche einheitliche Zugabe, deren Höhe Ihnen individuell in den nächsten Tagen errechnet wird.“

Die allgemeine Anspannung löste sich und Überraschung spiegelte sich auf unseren Gesichtern, bei den langjährigen Hinterbliebenen gepaart mit Misstrauen in Erwartung des genauen Preises dafür. Gesine nickte anerkennend, einzelne graue Haarsträhnen hatten sich bei der Aufregung gelöst und waren unfreiwillig zu Nestflüchtern geworden. Besser diese, als wir alle.

„Panther erwartet dafür, dass Sie in Zukunft auf semi-private Versammlungen verzichten und sich voll und ganz den anspruchsvollen Unternehmenszielen widmen. Das Soll-Output für diesen Monat entnehmen Sie der aktuellen Rundmail. Jegliche Abweichungen werden unweigerlich sanktioniert. Guten Tag, meine verehrten Damen und Herren.“

Er verbeugte sich förmlich und dienerte so laut- und farblos davon, wie er gekommen war, eine fade Marionette seiner selbst.

„Hört, hört“, schwatzte es durcheinander wie ein aufgebrachter Hühnerhaufen. „Kinder, Kinder!“ Gesine klatschte in die großen, kräftigen Hände, zur Ordnung mahnend. „Besonnenheit!“

„Das hat doch einen Haken“, vermutete eine kleine, schmächtige Kollegin namens Katinka mit so piepsiger Stimme, dass sie mich an ein graues, unscheinbares Mäuschen erinnerte.

„Na, es wird gebührende Abzüge geben“, vermutete Gert, der warmherzige, lustige Chirurg, der heute ernst dreinschaute, musste er doch seine Zwillinge durch das teure Auslandstudium bringen, und das, obwohl seine Frau gerade ihren Job in einem Konkurrenzunternehmen verloren hatte. Die kleinen Grübchen auf seinen schwindenden Pausbacken waren Sorgenfalten gewichen.

„Ich schlage vor, wir warten zunächst das Monatsende mit den Abrechnungen ab.“ Gesine achtete sorgsam darauf, die Situation nicht voreilig zu bewerten.

„Dies ist zumindest ein Etappensieg“, bemühte ich mich, die Dinge positiv zu sehen.

Mutter, die erste Sekretärin, schneite herein. „Neptun braucht Unterstützung bei seinem jüngsten Projekt und ist schon sehr ungeduldig.“

Katinka eilte flink, leichtfüßig wie ein scheues Reh zu seiner Unterstützung, während wir in unsere Büros zurückkehrten.

Im Schatten des Burn-outs

Подняться наверх