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Krebs als Schicksal – Hoffnung auf die Wende

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Viele Patienten haben mehr Angst vor der Tumormedizin als vor dem Tumor selbst. Das ist einerseits verständlich – wegen der massiven Nebenwirkungen, die Chemotherapie und Bestrahlung mit sich bringen können. Aber es ist auch fatal, denn mit »sanfter« Medizin lässt sich ein so komplexes Geschehen wie Krebs nicht aus der Welt räumen. Gegen die lebensbedrohliche Krankheit helfen nur entschiedenes Handeln und der Mut, trotz vielfacher Belastungen den Kampf mit der Krankheit aufzunehmen.

Weil sie sich von der Onkologie nicht umfassend behandelt fühlen, wenden drei von vier Krebspatienten Naturheilverfahren an – ohne das mit ihrem Onkologen zu besprechen. Das aber kann weitreichende negative Folgen haben: Schon ein paar Gläser Grapefruitsaft oder eine Hochdosis Vitamin C im falschen Moment können die onkologische Therapie gefährden oder sogar zunichtemachen. Die Patienten haben dann möglicherweise sogar subjektiv den Eindruck, dass es ihnen besser geht. Doch sie vertragen vielleicht die gefürchtete Chemotherapie nur deshalb besser, weil diese selbst – und nicht nur deren Nebenwirkungen – abgeschwächt wird.

Onkologie und Naturheilkunde sind kein Gegensatz

Es geht in diesem Buch darum, mit den Vorurteilen gegenüber der Onkologie wie der Naturheilkunde aufzuräumen: Weder ist die eine unmenschlich und kalt, noch ist die andere sanft und ungefährlich. Die Leistungen der Schulmedizin werden in der Bevölkerung unterschätzt, den Naturheilverfahren wird zu viel Vertrauen geschenkt, und bei den Ärzten ist es genau umgekehrt: Sie überschätzen die Möglichkeiten der modernen Hochleistungsmedizin und vernachlässigen die der traditionellen Heilverfahren.

Onkologie wie Naturheilverfahren haben beide in der Krebsbehandlung ein großes Potenzial, aber sie müssen richtig – und in Abstimmung untereinander – eingesetzt werden. Das setzt bei den Ärzten Wissen voraus und bei den Patienten Aufklärung. Doch statt von Fakten werden die Ansichten auf allen Seiten immer noch von Vorurteilen bestimmt.

Das spielt der Armada unseriöser Geschäftemacher und Heilsversprecher in die Hände, die mit »biologischen« Verfahren werben, ohne irgendeine Gewähr für deren Behandlungserfolg geben zu können, spezielle Krebsdiäten verkünden oder fragwürdige Rezepturen gegen Krebs verkaufen. Sie preisen die »Ganzheitlichkeit« ihrer Verfahren genauso an, wie sie die angeblichen »Verschwörungen« der Pharmaindustrie gegen den Patienten verdammen. Das Geschäft mit der Angst ist ein besonders düsteres Kapitel im Umgang mit der Krankheit Krebs.

Dieses Buch ist geschrieben worden, um ein Zeichen gegen die Angst zu setzen – und zu zeigen, dass Onkologie und Naturheilkunde kein Gegensatz sind, sondern vielmehr gemeinsam gegen den Krebs wirken können. Die Zeit der Grabenkämpfe zwischen den naturwissenschaftlich geschulten Medizinern und den naturheilkundlichen Ärzten und Therapeuten ist vorbei. Die neue Ära der individualisierten Medizin führt, wie wir zeigen werden, beide Ansätze zusammen, dort, wo sie wissenschaftlich begründet sind und sich Respekt in der klinischen Praxis erwerben konnten.

Paradigmenwechsel in der Krebsmedizin

Wer die Berichte über die Behandlung von Krebs in den Medien aufmerksam verfolgt, wird feststellen, dass die Onkologie im Aufbruch ist. Von »neuen Generationen« von Medikamenten ist da die Rede, von Tumorgenetik, Stammzelltherapie, Antikörpern und Nanomedizin. Vor allem die Fortschritte in der Molekularbiologie haben den Blick auf eine der schicksalsschwersten Krankheiten unserer Gesellschaft völlig verändert.

In der Integrativen Onkologie, einem noch jungen Zweig der Tumormedizin, erhalten naturheilkundliche und traditionelle Heilverfahren eine neue Rolle, die vor allem darin besteht, die Betroffenen aus ihrer Hilflosigkeit herauszuholen, und sie dabei unterstützt, die Krankheit aktiv zu bewältigen. Auf diese Weise wird der Patient zum Partner des Arztes. Es gibt wieder Hoffnung.

PRINZIP UNENDLICHKEIT: WAS IST KREBS?

Unser Organismus besteht aus etwa 100 Billionen Zellen. Wenn sie beschädigt oder zu alt sind, töten sie sich selbst. Bis zu 50 Millionen Zellen werden täglich neu gebildet, um ausgediente oder fehlerhafte Exemplare zu ersetzen. Wenn alles reibungslos verläuft, fügt sich die neue Zelle an ihrem Platz ein und leistet ihre Arbeit – zum Beispiel in der Lunge, in der Leber, im Gehirn oder in den Knochen.

Auf Chaos programmiert

Doch Krebszellen tun das nicht: Sie sind auf Chaos programmiert, teilen sich ständig, ungezügelt und unnötig. Ihr Selbstmordprogramm ist abgeschaltet. Erhalten sie genügend Sauerstoff und Energie, vervielfältigen sie sich immer weiter – trotz schwerer Schäden, die sie nun unendlich kopieren und weitergeben.

Gestörte Kommunikation

Gesunde Zellen haben eine Art Sozialverhalten: Sie sind kommunikativ und tauschen über Kontaktstellen und Kanäle an ihren Oberflächen Botschaften aus. Wenn sie sich teilen, sorgen sie zum Beispiel dafür, dass sie ihren Nachbarn nicht zu nahe kommen: Sie schicken chemische Stoppsignale an ihre Nachbarn. Das verhindert unnötige Teilungen. Auf diese Weise begrenzen sich die Zellen gegenseitig in ihrer Anzahl. Normale Zellen sind außerdem spezialisiert: Sie sind präzise auf die Bedürfnisse des Organs ausgerichtet, zu dem sie gehören. Herzzellen zum Beispiel können sich rhythmisch zusammenziehen, Knochenzellen bilden ein dichtes Balkengerüst, Lungenzellen tragen eine feine Schleimhaut.

Krebszellen sind ganz anders: Auf Signale der anderen Zellen reagieren sie nicht, die Erfüllung ihrer Aufgaben verweigern sie. Stattdessen wachsen sie zu einem nutzlosen Zellhaufen heran – dem Tumor.

Blinde Passagiere

Beschädigte Zellen kreisen ununterbrochen durch den Organismus. Sie senden Signale aus, die zeigen, dass sie krank, entartet oder beschädigt sind. Das Abwehrsystem markiert die betroffenen Zellen und zerstört sie in einer Signalkette aus verschiedenen Immun- und Killerzellen.

Krebszellen aber können solche Signalstoffe unterdrücken, die auf sie hinweisen. Manche verändern immer wieder ihre Oberflächenstruktur, um den Wächtern des Immunsystems zu entgehen, oder sie scheiden Hemmsubstanzen aus, um sich die Abwehrzellen vom Leib zu halten.

Anzapfen der Blutgefäße

Sobald ein Haufen von Zellen zu einem Tumor heranwächst, beginnt ein Kampf um Ressourcen. Gesunde Zellen sind genügsam, sie erhalten ihren Sauerstoff und ihre Nahrung über die Blutgefäße, die das Organ versorgen. Doch ein Tumor wächst ständig und verbraucht viel Energie durch die häufigen Zellteilungen. Darum zapfen die Krebszellen nahe gelegene Blutgefäße an und produzieren chemische Stoffe, die das Wachstum von weiteren Blutgefäßen anregen. Diese bilden irgendwann ein eigenes Versorgungsnetz für den Tumor.


Quelle: nach Medizin Medien Austria, krebs:hilfe! 1/2006

Wandernde Tumorzellen

Die letzte Stufe der Krebsentwicklung ist erreicht, wenn sich Zellen von dem Tumor ablösen und über Blut- und Lymphbahn in andere Körperregionen gelangen. Während gesunde Zellen an ihr jeweiliges Organ angepasst sind und dort bleiben – sie wandern nicht, wenn es sich nicht um Blutoder Lymphzellen handelt –, können manche Tumorzellen ihren Körper sogar zusammenziehen und sich wie eine Amöbe auf diese Weise fortbewegen. Biologen kennen diese Fähigkeit von den weißen Blutkörperchen – die Krebszelle eignet sich also für ihre Verbreitung eine Überlebenstechnik an, die eigentlich zu einem ganz anderen Zelltyp gehört.

Warum sich Tumorzellen überhaupt auf Wanderschaft machen, ist bislang noch nicht geklärt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert ein aufwendiges Forschungsprojekt der Universität Freiburg und des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie, um diese Frage zu klären. Bekannt ist bisher nur, dass es Parallelen zwischen dem Krebswachstum und der Embryonalentwicklung gibt.

Metastasenbildung

Die Zelldifferenzierung im Ungeborenen durch Wanderung (Morphogenese) ist präzise reguliert, unter anderem durch ein Programm, das »epitheliale mesenchymale Transition« (EMT) heißt. Wird dies fälschlicherweise in den Krebszellen reaktiviert, durchlaufen die Zellen eine ganze Palette von Veränderungen, die es ihnen ermöglichen, mobil zu werden. Zum Beispiel verlieren sie die Haftung an ihre Nachbarzellen. Durch andere Gewebsschichten dringen sie, indem sie Proteasen absondern – das sind Enzyme, die Membranen auflösen. Diese Prozesse werden vermutlich durch irregeleitete Signalketten des Immunsystems unterstützt.

Streuen der Geschwulst

Doch auch, wenn die Krebszelle mobil wird, ist damit noch lange nicht gesagt, dass sie sich an anderer Stelle anheften kann. Gehäuft bilden sich Metastasen deshalb dort, wo Blut- oder Lymphstrom besonders langsam fließen, oder die Gefäße besonders eng sind, beispielsweise in den Kapillaren, feinsten Gefäßen, und Lymphknoten. So ist die Lunge so häufig betroffen, weil sie das erste Kapillargeflecht ist, welches das Blut von vielen Organen kommend erreicht. Ein anderer typischer Ansiedelungsort ist die Leber, die der Blutstrom aus dem Dickdarm als erstes Organ durchfließt. An ihrem neuen Platz bildet die Krebszelle dann eine Tochtergeschwulst – die gefürchtete Metastase.

Gut und Böse

Tumoren lassen sich in gutartig (lateinisch: benigne) und bösartig (maligne) unterscheiden. Gutartige Tumoren kopieren meist genau das Gewebe, aus dem sie entstehen. Entsprechend sind die einzelnen Zellen gut entwickelt und gesunden Zellen sogar zum Verwechseln ähnlich. Gutartige Tumoren wachsen in der Regel langsam, haben klare Grenzen und sind auf das betroffene Organ beschränkt. Sie zerstören also die Umgebung nicht und verursachen lange Zeit keine oder zumindest nur wenige Beschwerden.

Langsames Wachstum

Gutartige Geschwulste bilden keine Metastasen. Sie lassen sich meist durch einen chirurgischen Eingriff gut entfernen und sind selten lebensbedrohlich. Durch ihr Wachstum können allerdings benachbarte Organe oder Blutgefäße abgedrückt und dadurch andere Organe in der Umgebung geschädigt werden. Gefährlich wird das, wenn für Wachstum der Platz fehlt – zum Beispiel im Kopf. Ein Hirntumor kann wichtige Regionen des Nervengewebes von der Blutversorgung abschneiden und auf diese Weise auch tödlich sein. Beispiele für gutartige Tumoren sind die Fettgeschwulst, also das Lipom des Fettgewebes, und der Nävuszellnävus der Haut – auch als Leberfleck oder Muttermal bezeichnet.

Isolierter Genschaden

Krebs ist eine Krankheit der Gene, aber keine Erbkrankheit. Denn dabei verändert sich nur die Erbsubstanz einzelner Körperzellen, nicht aber die Erbsubstanz des ganzen Körpers. Krebs wird also nur in sehr seltenen Ausnahmefällen direkt von der Mutter oder dem Vater auf das Kind übertragen. Meistens ist Krebs ein Leiden des höheren Lebensalters. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern bei 66, bei Frauen bei 67 Jahren, so das Robert Koch-Institut. Der Zusammenhang zwischen Lebensalter und Krebs lässt vermuten, dass die Kontroll- und Abwehrmechanismen des Körpers irgendwann erschöpft sind.

Krebs im Alter

Weil immer mehr Menschen länger leben, steigt die Zahl der Krebskranken in der Bevölkerung der westlichen Industrieländer insgesamt rapid. Ältere Patienten kommen aber in Therapiestudien nur selten vor. Dies liegt unter anderem daran, dass ältere Patienten Grunderkrankungen haben, die eine Behandlung mit den intensiven Therapiekonzepten der Onkologie nicht erlauben. Für diese wachsende Patientengruppe müssen die Behandlungsstrategien angepasst und weiterentwickelt werden.

Mehr als 200 Arten

Weil jeder Mensch genetisch verschieden ist, ist kein einziger Krebsfall identisch mit einem anderen. Außerdem gibt es so viele Tumorarten, wie es Zelltypen gibt: mehr als 200 verschiedene.

Generell lassen sie sich in Karzinome unterscheiden (ausgehend vom Deckgewebe von Haut und Schleimhaut), Sarkome (aus Bindegewebe, Knochen und Muskel), Lymphome (in Lymphdrüsen) und Leukämien (Krebs der Blutzellen).

Gemeinsam gegen Krebs

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