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Mark Rothko

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In der Nacht in dem B&B passiert es Sydney zum ersten Mal seit Jahren wieder. Sie hat einen Albtraum. Denselben, den sie zwischen zehn und dreiunddreißig immer wieder hatte. Seit sie Ruth kennengelernt hat, schläft sie gut und träumt von anderen Dingen. Manche davon machen ihr auch Angst, aber nicht so wie dieser.

Die Details des Traums verändern sich, aber die Geschichte ist immer dieselbe.

Diesmal ist sie in der Galerie, dem Weißen Raum.

Der Raum ist lang und schmal und geht aufs Meer hinaus.

Manchmal klatschen die Wellen gegen das Fenster.

Die Wände sind mit Rothkos bedeckt.

Alle Bilder sind schwarz und rot.

Sie sitzt auf einer langen Bank aus schwarzem Leder.

In diesem Traum trägt sie eine rote Hose, ein braunes T-Shirt und schwarze Handschuhe.

Sie ist barfuß.

Sie blickt auf das Bild vor ihr, eine riesige Farbfläche.

Das Bild hat weder Anfang noch Ende.

Sie nähert sich ihm, berührt es mit ihren behandschuhten Fingern.

Dieses Bild durchschaut sie. Es weiß, was sie nicht zeichnen kann.

Es weiß, was sie getan hat und was sie verloren hat und warum der Anblick unschuldiger, unbeschwerter Freude für sie unerträglich ist.

Es weiß, warum sie sich stets abwendet, wenn Kinder fröhlich spielen.

Ja, Mark Rothko versteht, und das ist tröstlich. Tröstlicher, als sie mit Worten ausdrücken kann. Deshalb breitet sie die Arme aus, so weit sie kann, wie ein barfüßiger Fischer, der zeigen will, wie groß sein Fang ist, wie ein Mädchen, das sagen will, so sehr liebe ich dich.

Danke, sagt Rothko. Freut mich, wenn ich helfen konnte.

Dann hört sie die Stimme einer Frau.

Das kann doch nicht sein, sagt die Stimme.

Bist du das?, fragt die Stimme. Bist du es wirklich?

Sydney dreht sich um.

Der Raum hat keine Tür, nur eine rechteckige Öffnung, einen leeren Türrahmen.

In diesem Türrahmen steht ihre Mutter.

Dahinter kann Sydney das stählerne, kalte Rauschen der Wellen hören, das stählerne, kalte Rauschen von Rothkos Pinsel.

Na, so ein Zufall, sagt ihre Mutter.

Mum?

Komm her und gib mir einen Kuss.

Mum?

Ja, Liebes.

Was tust du hier?

Ich lebe hier.

Was soll das heißen, du lebst hier?

Gleich da unten am Strand. Ich habe eine sehr hübsche Wohnung, klein, aber für mich reicht es. Warum hast du mich nie besucht? Ich habe die ganze Zeit gedacht, du kommst mal vorbei.

Was?

Warum hast du nicht nach mir gesucht, Sydney? Warum hast du einfach aufgegeben?

Was soll das heißen? Was meinst du damit? Es ist so schön, dich zu sehen, Liebes. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue.

Mum, ich verstehe nicht –

Wie groß du geworden bist. Wie alt bist du jetzt?

Warum sollte Dad lügen? Warum?

Alles ist gut, meine Süße. Jetzt sind wir zusammen.

Du bist nicht gestorben, sagt Sydney.

Ich bin nicht gestorben, sagt ihre Mutter.

Bären füttern verboten

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