Читать книгу Das Vermächtnis des Drachenlords - Rael Wissdorf - Страница 7

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»Weiß ich nicht«, erwiderte der dunkelhäutige Erzmagier. »Ich verstehe die Sprache ja nicht.«

Über diesen Witz lachten beide herzlich. Munuel deutete auf das Essen.

»Du bist sicher hungrig, Oheim, greif doch zu. Und wenn du nicht zu laut schmatzt, kannst du mir dabei erzählen, was euch in das langweilige Angadoor führt.«

»So langweilig ist Angadoor nicht«, erwiderte der ältere Magier und griff nach einem Hühnerbein. »Wenn man bedenkt, wer sich alles hier herumtreibt. Aber …«. Gelmard beugte sich weit vor und flüsterte: »Was will der große Lohtsé von dir? Was hat er dir erzählt?«

»Ich habe Stillschweigen geschworen, daher kann ich dir nur sagen, dass er gekommen ist, um hier zu sterben.«

»Zu sterben? Na Bravo, das wäre mal eine gute Tat. Und worüber sollst du Stillschweigen bewahren?«

»Das ist doch der Witz bei ’Stillschweigen bewahren’. Dass man die Klappe hält.«

»Auch wieder wahr.«

»Was ist los, Oheim? Hast du was gegen ihn?«

»Nein. Nicht direkt. Oder doch. Ach egal. Er hat dir also nichts erzählt?«, frage Gelmard etwas zu beiläufig.

»Was soll er mir erzählt haben? Du tust ja ziemlich geheimnisvoll. Ich würde fast sagen, ihr beide nehmt euch nichts.«

»Du hast ja keine Ahnung«, seufzte der ältere Magier und lehnte sich wieder zurück. »Du hast ja keine Ahnung. Doch kommen wir zu meinem Anliegen.« Er sprach jetzt wieder mit normaler Lautstärke. »Ich brauche deine Hilfe.«

In diesem Moment betrat Limlora die Gaststube, sah sich kurz um und steuerte dann Gelmards und Munuels Tisch an. Die Blicke aller Männer im Raum waren augenblicklich an ihr festgenagelt. Die der Frauen erst recht, die allerdings mehr Neid als Begierde ausdrückten.

»Der Stallmeister hat doch glatt vergessen, Marco einen eigenen Trog vorzusetzen«, sagte sie mit hochgezogenen Brauen, während sie sich setzte. »Er musste mit den anderen Schindmähren essen. Erinnert mich daran, den Burschen auspeitschen zu lassen.«

Munuel wollte etwas Scharfes darauf erwidern, denn er würde sicher nicht zulassen, dass in seinem Dorf Leute ausgepeitscht würden, doch sein Onkel schüttelte nur unmerklich den Kopf. Also schwieg er dazu und wandte sich stattdessen weiter an Gelmard.

»Ihr braucht meine Hilfe? Wobei?« Munuel bemerkte, dass Limlora nicht zugriff und stattdessen stocksteif vor ihrem Teller saß. »Irgendetwas nicht in Ordnung, werte Limlora?«, wollte er wissen.

»Gibt es kein Besteck?«, fragte sie mit spitzem Mund.

Munuel und sein Oheim sahen sich an. Dann brachen sie in Gelächter aus.

»Das sind Hühnerbeine«, erklärte Munuel großmütig. »Da braucht’s kein Besteck. Die isst man mit der Hand.«

»Wie? Mit der Hand?«, erwiderte die Prinzessin pikiert. »Dann mache ich mir die Finger fettig, oder nicht?«

»Ja«, antwortete Munuel. »Was ist daran so schlimm?«

Diesmal ignorierte er das Kopfschütteln seines Onkels.

»Was daran schlimm ist?« Limlora lachte verschmitzt. »Also ich habe Fettfinger und gebe damit jemandem die Hand, mein Fingerfett überträgt sich auf ihn und der wiederum gibt es an den Nächsten weiter und so fort. Also mir missfällt der Gedanke, mein Fingerfett in der ganzen Region zu verbreiten. Da könnte noch jemand versuchen, Profit daraus zu schlagen.« Sie imitierte die tiefe Stimme eines Marktschreiers: »Seht her ihr Leute! Das Fingerfett der Shabibstochter, nur 5 Folint!«

Munuel starrte sie stumm mit großen Augen an. Schließlich prustete Limlora laut los. »Ach, Ihr glaubt auch jeden Mist, Magier!«

Doch Eileen hatte das Gespräch mitgehört und eilte sogleich herbei.

»Hier Hoheit! Wir haben immerhin Esstücher!« Sie legte ein sorgsam gefaltetes Leinentuch neben Limloras Teller. »Damit könnt ihr die Hühnerbeine anfassen, ohne Euch zu beschmutzen.«

»Danke«, hauchte Limlora huldvoll. »Ich werde es versuchen. Ihr seid zu gütig. Aber das war ein Witz. ich meine … danke jedenfalls.« Limlora nahm, offenbar peinlich berührt von so viel Beflissenheit, das Tuch in die Hand.

Eileen machte einen Knicks und entschwand wieder hinter ihre Theke. Gelmard beugte sich vor und legte eine Hand auf Limloras Arm.

»Shabibstöchter machen keine Witze. Das einfache Volk wäre verwirrt.«

Und an Munuel gewandt, fuhr er fort:

»Was meinst du, was für Probleme wir in Savalgor hatten? Wir konnten sie nur mit großem Aufwand davon abhalten, einen ganzen Hofstaat mit sich zu führen, sowie drei Gespanne mit ihren ’allernötigsten Reiseutensilien’. Ihr Vater hatte seine liebe Mühe, dem anspruchsvollen Töchterlein klarzumachen, dass unser Unterfangen vor allem Unauffälligkeit erfordert.«

»Das ist doch gar nicht wahr!«, protestierte Limlora vergnügt. »Ich wollte nur eine klitzekleine Armee von bescheidenen tausend Mann und eine Sänfte, getragen von vier Murgos.«

»Vier Murgos?«, fragte Munuel konsterniert. »Eine Sänfte, getragen von Werwölfen?«

Limlora verdrehte die Augen. »Das war auch ein Witz, meine Güte. Seid ihr Bauernvolk dermaßen humorlos? Und sehe ich wirklich so verwöhnt aus?«

»Ehrlich gesagt, ja.«

Limlora schnaubte. Dann kaute sie an ihrem Hühnerbein. Es schien ihr jedenfalls zu schmecken. Dann hielt sie unvermittelt inne, stach mit dem Hühnerbein in Richtung Munuel in die Luft, als wolle sie ihn damit aufspießen und meinte:

»Es liegt an meiner sagenhaften Schönheit, wisst ihr? Die macht die Leute befangen. Und keiner traut sich, normal mit mir zu reden. Weil ich so hübsch bin.«

»Eileen ist auch hübsch«, erwiderte Munuel sanft, »aber es könnte vielleicht eher daran liegen, dass ihr die Tochter des mächtigsten Mannes von Akrania seid, und jeder, der euch irgendwie krumm kommt, Gefahr läuft, sein Leben in einem finsteren, feuchten Verließ zu beenden.«

»Das würde mein Vater niemals tun«, widersprach die Prinzessin. »Glaubt mir, ich hab‘s versucht!«

Damit aß sie weiter, mit dem Gesichtsausdruck einer Person, die nicht mehr gestört werden wollte. Munuel wandte sich wieder seinem Onkel zu.

»Also. Du wolltest meine Hilfe. Worum geht’s?«

Gelmard warf seinen abgenagten Knochen auf den Teller und lehnte sich zurück.

»Warst du schon mal auf den Wolkeninseln?«

Munuel runzelte die Stirn.

»Auf den Wolkeninseln? Oheim, du weißt, wo ich überall schon war. Ich war in Angadoor und in … Angadoor. Na gut, ein paar kleine Ausflüge nach Savalgor, Tulanbaar und Tarul gab es, aber ansonsten? Bei den Kräften, wann soll ich auf den Wolkensinseln gewesen sein, die sind so weit weg wie … nun ja, so weit wie irgendwas nur weg sein kann. Am Ende der Welt!«

Sein Onkel lachte. »Wenn du wüsstest, wie weit das Ende der Welt von dort noch weg ist. Meine Frage war retorizistisch oder wie die Scholaren das benennen. Ich möchte, dass du uns genau dorthin begleitest.«

Munuel stimmte in das Lachen seines Oheims mit ein. Doch dann wurde ihm bewusst, dass sein Onkel nicht scherzte.

»Du meinst das ernst?«

Gelmard nickte. Munuel schüttelte ungläubig den Kopf.

»Du willst mit …», er deutete auf Limlora »… ihr eine solche Reise antreten?«

Seine Skepsis war mehr als sichtbar. Limlora kaute nur konzentriert an ihrem Hähnchenfleisch. Sein Oheim wurde ernst und beugte sich vor.

»Hör zu. Ja, ich nehme sie mit, das habe ich ihrem Vater versprochen. Er hat sonst keine Nachkommen, die einst den Thron von ihm erben könnten, daher will er, dass seine Tochter beizeiten die Welt kennenlernt. Er will kein naives, vom Hofe verwöhntes Weibchen an der Regierung wissen, die von nichts eine Ahnung hat. Daher kommt sie mit. Und ich unterweise sie in Magie. Und genau hier kommen die Wolkeninseln ins Spiel, denn dort sollte sie ursprünglich hin, um dort an der Akademie des Cambrischen Orden zu studieren.«

»Dann rüstet eine bewaffnete Reisegesellschaft aus, kauft ein großes und bequemes Schiff und bringt sie hin. Warum diese private Heimlichkeit?«

»Guter Einwand, lieber Neffe. Das Problem ist nur: Wir haben seit Wochen nichts von der Akademie gehört. Und auch das Trivocum bleibt still. Wir wissen nicht, was passiert ist, daher sollen wir nachsehen.«

Munuel nickte.

»Gut. Dann rüstet einen Trupp gut gepanzerter und bewaffneter Soldaten und Späher aus, kauft euch ein großes Schiff und schippert rüber«, wiederholte Munuel.

»Der Shabib hält das für überzogen. Er glaubt nicht, dass uns auf der Reise größere Gefahren drohen, und auf Hammerskôld selbst wären wir im Schutz fester Mauern. Er denkt, der Meister des Cambrischen Ordens wäre Schutz genug.«

»Und was denkt der Meister des Cambrischen Ordens?«

»Der hätte lieber seinen äußerst begabten Neffen dabei.«

»Du willst also, das ich mitkomme?«

»Ganz genau.«

»Da sage ich ganz genau ein Wort: Nein.«

»Du kommst nicht mit?«

»Ich komme nicht mit.«

»Warum?«

Munuel sah seinen Onkel entgeistert an. »Warum? Du fragst allen Ernstes, warum ich nicht mitkommen will? Mal andersrum gefragt. Warum sollte ich wollen?«

»Weil dein Oheim deine Hilfe braucht, und dein Oheim dir geholfen hat, als du Hilfe brauchtest?«, war die strenge Antwort.

Das saß. Munuel war in der Falle. In der Tat schuldete er seinem Oheim einen Gefallen. Genau gesagt schuldete er ihm so viele Gefallen, dass man eine Falle für Gefallen hätte aufstellen müssen, um sie alle einzusammeln.

»Mal andersherum gefragt«, setzte Gelmard sein Akquisitionsgespräch fort, »was hält dich hier an diesem Ort? Gut, du bist hier aufgewachsen, aber du bist kein Bauer mit Land, du bist ein Dorfmagier. Willst du den Rest deines hoffentlich noch sehr langen Lebens hier verbringen?«

Munuel sah seinen Onkel stumm an. Er wusste darauf keine befriedigende Antwort. Er hatte sich in Wahrheit noch nie Gedanken über seine weitere Zukunft gemacht. Und tief im Inneren war ihm klar, dass er nicht für immer hierbleiben würde.

»Oder bist du vielleicht verliebt?«, bohrte sein Oheim erbarmungslos nach.

»Es gibt da jemanden«, gab Munuel zu. »Aber verliebt? Nein, ich denke nicht.« Er fühlte, dass er jetzt Islin verriet, aber es war nun mal die Wahrheit. Er mochte sie sehr, aber echte Verliebtheit war dann doch etwas anderes.

»Dann gibt es nur eine Antwort darauf«, sagte Gelmard.

»Und die wäre?«

Gelmard beugte sich zu Munuel vor und sah ihn eindringlich an. Er deutete mit dem Finger auf seine Brust.

»Du steckst immer noch in diesem Fass. In dem Apfelfass, in dem du dich vor den dunklen Horden versteckt hieltst. Du steckst da drin, zitterst vor Angst, und fürchtest dich vor deinem eigenen Schatten. Du musst endlich damit abschließen, mein lieber Neffe. Dein Trauma überwinden. Sonst wirst du niemals einen Fuß aus diesem Dorf setzen, so wahr ich Gelmard heiße. Also gib dir einen Ruck.«

Munuel seufzte. So hatte er das noch nie gesehen. Er steckte immer noch in diesem Fass? Ja, das war durchaus möglich. Aber er war noch nicht überzeugt.

»Lieber Onkel, ja die Kräfte wissen, dass ich aus dem Quark kommen sollte, aber muss es ausgerechnet eine so lange Reise sein, deren Ausgang ungewiss ist? Ginge es darum, den Orden zu retten, oder meinethalben die ganze Welt, gegen Monster und Dämonen zu kämpfen, oder meinetwegen auch nur darum, dir einen neuen Zaubertrick beizubringen, aber eine Reise mit der verwöhnten Tochter des Shabibs, die von Magie keine Ahnung hat …«

»Was soll das denn heißen?«, unterbrach hier Limlora empört. »Ich weiß, ich bin eine Novizin, aber das bedeutet nicht, dass ich gar keine Ahnung hätte.«

Munuel sah sie an. »Novizin? Mit Verlaub, Hoheit, aber Ihr seid nicht mal eine Novizin.«

»Woher wollt ihr das wissen?«

»Ein Magier sieht sowas.«

»Dann testet mich doch!«, sagte sie bockig.

Munuel lachte. »Ich soll Euch testen? Ich wette, das hat Gelmard längst getan. Onkel? Was sagt ihr zum magischen Talent Eures Schützlings?«

Gelmard strich sich über seinen langen Bart. »Nun ja. Sie ist … lernbegierig.«

»Diese Antwort genügt. Es ist nicht an mir, Euch zu testen, Hoheit. Das würde ja bedeuten, dass ich das Urteil meines Oheims und zugleich das des Primas des Cambrischen Ordens infrage stelle. Wer bin ich, dies zu tun?«

Limlora wollte erneut auffahren, doch Gelmard legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm.

»Eine weise Antwort. Und ganz typisch für Munuel. Lassen wir es gut sein.«

Munuel schnappte sich einen weiteren Hühnerknochen, obwohl sein Wams »Tu’s nicht!« schrie. »Das ändert aber nichts an meinem Entschluss, euch nicht zu begleiten. Ich werde hier gebraucht. Ich gehe hier nicht weg.«

Gelmard schwieg missmutig. Eine Weile waren nur Kaugeräusche zu hören.

»Und?«, fragte dann sein Onkel, das Thema wechselnd. »Wann stellst du mir den großen Meister vor? Gleich jetzt?«

»Lasst mich noch die Bezahlung regeln. Ihr seid meine Gäste.«

»Habt Dank«, ließ sich da Limlora huldvoll vernehmen. »Führt ihr nur mal eure großmagischen Gespräche. Ich mache dann solange Prinzessinnenzeugs. Ich schaue nach Marco.«

ooOoo

Das Vermächtnis des Drachenlords

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