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SAND
IN SICHT

RAFAEL

Wir sind seit fünf Tagen in der Namib unterwegs – unter sehr schweren Bedingungen. Die ersten Etappen haben enorm Kraft gekostet. Von Anfang an laufen wir gegen konstant harten, heißen Wind. Von den bisherigen 300 Kilometern war einiges zu marschieren – vor allem in Wind und Mittagshitze. Weitere 700 Kilometer liegen noch vor uns. Wo soll das hinführen? Laufen macht oft keinen Sinn. Dazu habe ich aus zwei Wüstenrennen in Namibia bereits Erfahrungen gesammelt; gesehen, wie gestandene Läuferinnen und Läufer eingegangen sind – wenn sie versuchen, gegen Wind und Hitze anzulaufen.

Es ist der Vorabend meines sechzigsten Geburtstags. Ich habe mich lange darauf gefreut. Der eine Teil der Freude begann schon in Kindertagen und bezog sich auf meinen Wunsch, Afrika zu erkunden. Den anderen Teil, nämlich sechzig Jahre alt zu werden … nun ja: dem gewinne ich sehr viel Positives ab. Mein Vater starb in dem Alter an Drogen und bei mir sah es auch viele Jahre nach einem eher kürzeren Leben aus. Aber ich bin noch da – oder anders ausgedrückt: ich bin mit Mitte Vierzig wieder zurück ins Leben gekommen. Ich feier meinen Geburtstag immer am Abend vorher – dieses Mal und an diesem Ort erst recht. Ich dachte, es wird einfach – wird es aber nicht.

BLASEN, HALLUZINATIONEN UND EIN BREAKDOWN

Wir haben 60 Kilometer hinter uns. Tanja ist durch. Die Blasen an den Füßen, die Schmerzen in den Beinen und die Strapazen der letzten Tage haben ihr sehr zugesetzt. Sie fängt an, Unsinn zu erzählen. Wenn ich nicht direkt neben ihr gehe, beginnt sie zusätzlich die gesamte Breite der vor uns liegenden Schotterstraße zu vermessen. Sie sieht kleine Tierchen am Boden – erste Halluzinationen. Wir haben es nicht mehr weit zu unserer Crew, die irgendwo in einer windgeschützten Senke unser Camp für die Nacht aufgebaut hat. Aber wie weit weg? Das ist unklar. Ich nehme Tanja an der Hand, und über unser Funkgerät erreiche ich Nel, unseren Crewchef. Tanja kann in dem Zustand unmöglich weiter – das erste Mal auf der Tour funke ich um Hilfe. Wenig später sehe ich nach einer Kurve die Lichter vom Camp und gebe Nel über Funk Entwarnung. Die 400 Meter können wir jetzt auch noch gehen – denke ich. Denke auch, dass es Tanja eventuell nicht mag, abgeholt zu werden. Ihr O-Ton wäre sicherlich gewesen: »Wie sieht das denn aus?!« Aber O-Töne kann sie grad nicht mehr. Wir erreichen das Camp und Tanja sackt in sich zusammen. Eine Liege steht bereit und Bruno Thomas, unser Doc aus Bordeaux, kümmert sich sofort um sie. Bruno ist ein guter Freund geworden, bei Rennen in Australien und Mozambik, aber vor allem hat er mit seinen 75 Jahren alle Erfahrung der Welt als Buschdoktor. Der Wüstenläufer, den ein Skiunfall fast komplett »gehimmelt« hätte, hat seitdem als Arzt 43 Wüsten- und Dschungelrennen begleitet; aber das Wichtigste in diesem Moment ist: Tanja vertraut ihm!

DAS IST NICHT IRGENDEIN 60STER …

Die Sekunde, in der Tanja zusammensackt, ist heftig für mich. Stell dir eine Marionette im Puppentheater vor: gerade noch voll in Aktion, und dann schneidet eine Schere alle Fäden durch. Rumms! Mir kommt in dem Moment die Frage: Wie wird es weitergehen? Machen wir uns nix vor: Tausend Kilometer durch die Wüste – das ist nicht mal eben so ne kleine Geburtstagsparty. Das ist schon eher ein wildes Rockkonzert. Sechzig Kilometer an siebzehn aufeinanderfolgenden Tagen – in der Wüste, in Hitze, Wind und Sand – mir ist nicht bekannt, dass das überhaupt schon mal ein Liebespaar versucht hat.

Bruno spricht mit Tanja, als sie wieder die Augen öffnet – ich halte ihre Hand. Reaktion, normaler Blutdruck und regelmäßiger Puls lassen noch ein bisschen auf sich warten. Als Bruno mich nach einigen Minuten bittet, für sie eine Cola zu organisieren, hellt sich meine Stimmung ein wenig auf. Kurz danach drückt Tanja meine Hand ein wenig fester und nippt an ihrem koffeinhaltigen Zuckergetränk. Bruno nickt – und wir sind für den Moment aus der Sorge raus.

UND DANN WAR DA NOCH …

Ach ja – ich habe Geburtstag. Nels Frau Ute und ihre Freundin Anita kommen zu Besuch, es gibt von verschiedenen Seiten Marzipan (ja, es hat sich bis nach Afrika rumgesprochen!), es wird schön gesungen, ein kleiner Kuchen mit Kerze stilvoll serviert … und das alles mitten in der Wüste Namibias – der ältesten Wüste der Welt. Ich fühle mich geehrt und nehme mir vor, auf jeden Fall auch stilvoll zu altern. Wie erwähnt geht ein Traum in Erfüllung – nicht nur an diesem Tag.

Trotz Geburtstag haben Bruno und ich noch ein ernstes Gespräch. Er weiß, dass ich gut auf Tanja aufpasse, äußert aber trotzdem seine Bedenken: »Das kann passieren und Tanja ist hart im Nehmen, aber ein zweites Mal möchte ich das als Arzt nicht sehen.« Wir wissen beide, dass diese Nummer für sie – mit nur drei Jahren intensiver Lauferfahrung – eine grenzwertig große Herausforderung ist. Auf der anderen Seite hat Bruno aber schon ein wenig realisiert, wo und wie der Hase bei Tanja läuft. Wer sie kennt, der weiß, was ich meine. Für die, die sie noch nicht so gut kennen, sei hier erwähnt dass, wenn sie sich etwas vorgenommen hat oder von etwas begeistert ist, oft allein der Moment für sie zählt. Bremsen lassen ist dann nicht.

Die Nacht wird ruhig und Tanja kommt auf acht Stunden Schlaf. Die Tage vorher waren es häufig viel weniger – zu wenig. Tanja erholt sich, aber die Ampel ist an diesem Tag auf Gelb umgesprungen.

Running wild in Afrika

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