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Frankreichs Allianzen mit italienischen Fürsten und England: Die Liga von Cognac

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Im März 1526 konnte Franz I. nach Frankreich zurückkehren, während seine beiden ältesten Söhne nach Spanien gebracht wurden. Er stand nun vor der schwierigen Aufgabe, die drückenden Klauseln des Vertrags von Madrid zu revidieren – dass er hierzu von Anfang an willens gewesen war, zeigte sein Geheimprotest – und dabei Rücksicht auf die Lage der beiden Prinzen zu nehmen: ein Dilemma, das der französischen Politik in den folgenden Jahren Zwänge auferlegte und ihre Inkonsequenzen verständlicher macht.

Zunächst wurde die von Karls V. Gesandten bald nachdrücklich eingeforderte Ratifikation des Vertrags unter allerlei Vorwänden hinausgezögert. Was Burgund betraf, so machte Franz allerdings bald deutlich, dass er diesen Vertragspunkt nicht zu erfüllen gedachte: Er ließ die Frage den Ständen des Herzogtums Burgund vorlegen und berief schließlich eine Notabelnversammlung ein, die nach französischem Herkommen als Konsultativorgan an die Stelle der nur mit großem Aufwand einzuberufenden Generalstände treten konnte. Die Burgunder protestierten gegen einen Herrscherwechsel, die versammelten Notabeln stellten die Unvereinbarkeit einer solchen Zession mit dem Grundsatz der Unveräußerlichkeit der Krondomäne fest und zeigten sich mit der Erhebung zusätzlicher Abgaben für eine angemessene Ablösesumme einverstanden. Damit war der König öffentlich legitimiert, die Abtretung Burgunds zu verweigern21. Außenpolitisch konnte Franz sich jetzt zudem auf England stützen: Am 15. April 1526 ratifizierte er den Vertrag von Moore, zu dem seine Mutter während ihrer Regentschaft die Grundlagen gelegt hatte. Mit dieser Defensivallianz begann eine anderthalb Jahrzehnte währende englisch-französische Entente, die der König künftig als machtpolitische Konstante in sein Kalkül einbeziehen konnte.

Auch in Italien zeichnete sich bald wieder eine für Frankreich vorteilhafte Situation ab. Dort registrierte man mit großer Unruhe, dass der Kaiser nach Pavia keinen Widerpart mehr zu fürchten hatte. Deshalb wandten sich einige italienische Mächte unter Führung des Papstes und Venedigs wegen eines Bündniswunsches an Frankreich. Im Mai 1526 trat dieses Bündnis als die sogenannte Liga von Cognac zusammen, der sich England als „Protektor“, aber nicht als Mitglied im vollen Sinne zugesellte.

Den italienischen Bündnispartnern ging es in erster Linie darum, Frankreich zu einem konkreten militärischen Engagement auf der Apeninnenhalbinsel zu bewegen. Im Sommer 1526 nahmen sie die Feindseligkeiten gegen den Kaiser auf, doch sahen sie sich in der Hoffnung auf schnelle französische Hilfe enttäuscht. Die Zurückhaltung des Königs hatte freilich ihre Gründe: Die Lage der französischen Prinzen in Spanien sollte nach Möglichkeit nicht zu sehr erschwert werden, zudem war die Gelegenheit günstig, dosierten Druck auf den Kaiser auszuüben und eine Übereinkunft zu erreichen, bevor ein Krieg ausbrach. Dass auch England sich zurückhaltend zeigte, musste sich gleichfalls bremsend auswirken.

Unter diesen Umständen hatten die kaiserlichen Truppen wenig Mühe, die Front ihrer italienischen Gegner aufzurollen. Erst der Schock des sacco di Roma, der Plünderung des eroberten Rom durch die Landsknechte Karls V. im Mai 1527, führte in Frankreich wie in England zu der Erkenntnis, dass weiteres Warten auf ein Einlenken des Kaisers zwecklos sei. Am 18. August 1527 verständigten sich beide Mächte über das weitere Vorgehen. Eine französische Armee überschritt nun die Alpen, griff jedoch Mailand nicht direkt an, sondern bezog bis zum Winter Stellung in Parma, um sich auf einen Feldzug gegen Neapel vorzubereiten. Im Januar erklärten Frankreich und England dem Kaiser förmlich den Krieg; im Februar begann der französische Feldherr Lautrec mit der Invasion von Neapel. Da die Stadt gleichzeitig von See her von einer genuesischen Flotte unter dem Dogen Andrea Doria blockiert wurde, schien ihr Fall unausweichlich. Ein Seitenwechsel Dorias, der vergeblich auf eine Rückgabe des von Frankreich in Besitz genommenen, jedoch seit langem von Genua beanspruchten ligurischen Hafens Savona gehofft hatte und sich noch aus anderen Gründen von Franz brüskiert fühlte, wendete allerdings die Situation: Lautrecs Belagerungsarmee, die die Versorgung der Stadt von See her nicht mehr verhindern konnte, fiel im Sommer 1528 in der glühenden Hitze vor Neapel weitgehend Seuchen zum Opfer. Die Genuesen nahmen Savona mit Gewalt ein und vertrieben Frankreich vollständig aus seinen Stellungen an der ligurischen Küste.

Das völlige Scheitern der französischen Intervention in Neapel ließ einen schnellen Erfolg gegen den Kaiser wieder in weite Ferne rücken und musste den unmittelbaren Friedenswillen des Königs stärken. Mittlerweile war in die Auseinandersetzung zwischen beiden Herrschern eine persönliche Schärfe gekommen, die bis zu wechselseitigen Duellforderungen eskalierte, dem Ausdruck einer noch mittelalterlich-ritterlichen Mentalität, die sich hier in eigenartiger Weise den „formes modernes de la lutte pour l’hégémonie“ beigesellte22. Dadurch, aber mehr noch durch die Bindung Frankreichs an eine förmliche Allianz mit England und mit den Ständen der Liga von Cognac, wurde eine für beide Seiten wünschenswerte unmittelbare Anknüpfung erschwert. In dieser Situation bot sich die Gelegenheit einer indirekten Kontaktaufnahme, als Karls Tante Margarethe, die Regentin der Niederlande, Gesandte zur Ratifikation eines zuvor vereinbarten Neutralitätsabkommens für ihren Herrschaftsbereich nach Paris abordnete. Margarethe stimmte dem Vorschlag eines Treffens mit Louise von Savoyen in Cambrai zu, auf dem im Verlauf des Sommers 1529 dann die Grundlagen einer Übereinkunft ausgehandelt wurden, während die natürlich stets unterrichteten und ständig konsultierten Monarchen im Hintergrund blieben. Am 3. August 1529 wurde schließlich ein Friedensschluss signiert, der wegen der Umstände seines Zustandekommens als der „Damenfrieden“ von Cambrai bekannt geworden ist23. Die meisten Bestimmungen des Vertrags von Madrid blieben in Kraft: Franz gab alle Ansprüche seiner Krone in Italien auf, verzichtete auf die Grenzstädte Hesdin, Arras, Lille und Tournai und auf die Lehnshoheit über Flandern und Artois. Im Gegenzug bestritt der Kaiser, dem an freier Hand in Italien gelegen war, nicht länger die Rechte der Krone Frankreich auf das Herzogtum Burgund und akzeptierte ein Lösegeld von zwei Millionen écus für die französischen Prinzen. Schließlich sollte die Ehevereinbarung von Madrid eingelöst werden und Karls Schwester Eleonore die Reise nach Frankreich antreten.

In einem zentralen Streitpunkt, dem Schicksal Burgunds, hatte Franz I. damit im Verhältnis zum Vertrag von Madrid einen unbestreitbaren Erfolg erzielt – erkauft freilich durch eine schnöde Preisgabe seiner italienischen Verbündeten und in der Folge einen herben Prestigeverlust jenseits der Alpen.

Mit dem Vertrag von Cambrai und der Erledigung des burgundischen Problems waren die Differenzen zwischen Kaiser und König aber nur scheinbar beigelegt worden. Karl V. hatte, durch die Erfahrungen mit dem Vertrag von Madrid misstrauisch geworden, eine zusätzliche Ratifikation der Vereinbarungen von Cambrai durch die großen Gewaltenträger des Königreichs verlangt: die Parlamente, die Provinzialstände und die wichtigsten Städte, was in den Monaten nach dem Friedensschluss auch erfolgte. Allein Franz ließ sich dadurch nicht davon abhalten, beim Pariser Parlament einen geheimen Protest gegen das „erzwungene und nichtige“ Abkommen zu hinterlegen24 – zu einem endgültigen Verzicht auf die Ansprüche an der französisch-niederländischen Grenze und in Italien, den die Vertragswerke ihm auferlegt hatten, hatte er sich nicht durchringen können.

Wenn der gute Name des Königs von Frankreich in Italien auch schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war, so glückte doch die Weiterführung der Defensivallianz mit England. Für eine künftige Revision des Vertrags von Cambrai war dies von größter Bedeutung: Hier lag eine wesentliche Grundvoraussetzung einer effizienten antikaiserlichen Politik Frankreichs. Mindestens so sehr wie um die Verfügung über das militärische Potenzial Englands ging es dabei auch um die Blockade einer potenziellen englisch-kaiserlichen Annäherung. Es wirkte sich günstig für Frankreich aus, dass Franz I. dem englischen König in diesem Augenblick wichtige Dienste leisten konnte, was die Auflösung von dessen Ehe mit Katharina von Aragón betraf: Die Sorbonne drängte er zu einem positiven Gutachten über den Rechtsstandpunkt Heinrichs VIII. und intervenierte nach dessen Eheschließung mit Anna Boleyn beim Papst zu seinen Gunsten.

WBG Deutsch-Französische Geschichte Bd. III

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