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Erste Konflikte zwischen Kaiser und König

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Das Konfliktpotenzial zwischen den beiden Monarchen entzündete sich schon bald nach der Wahl Karls durch die Kurfürsten im Juni 151915. Franz I. ging es in der gegebenen Situation zunächst darum, einen baldigen Romzug des Habsburgers zur Kaiserkrönung zu verhindern. Für das Jahr 1520 hatte er selbst eine Expedition nach Italien ins Auge gefasst, um die französische Präsenz dort zu demonstrieren, von diesem Gedanken aber wieder Abstand nehmen müssen. Dem Kaiser die italienische Bühne zu überlassen wäre freilich den französischen Interessen auf der Apeninnenhalbinsel diametral zuwidergelaufen. Davon abgesehen scheint man am französischen Hof aber auch befürchtet zu haben, dass Karl V. versuchen würde, Mailand in die Hand zu bekommen. Um den Kaiser abzulenken, ergriff Franz I. die Initiative an zwei Reibungspunkten von scheinbar sekundärer Bedeutung: Im kleinen Pyrenäenkönigreich von Navarra, das zwischen Karl als König von Kastilien und dem der Krone Frankreich verbundenen Haus Albret geteilt war, unterstützte er einen Versuch, die Spanier hinauszudrängen. Und in der unmittelbaren Nähe der Reichsgrenzen zog er den Herzog von Bouillon, Robert de La Marck auf seine Seite, dessen Territorium an einer Nahtstelle zwischen Frankreich und den burgundisch-niederländischen Ländern der Habsburger lag und der aus verschiedenen Gründen auf schlechtem Fuß mit dem Kaiser stand.

Die Lage entwickelte sich jedoch ganz wider Erwarten bald zu Ungunsten Frankreichs: Der erfolgreich begonnene Vormarsch in Navarra kam zum Stehen. Bouillons Invasion in Luxemburg wurde nicht nur zurückgeschlagen, es drangen auch kaiserliche Truppen in das Land des Herzogs ein, die von hier aus Nordostfrankreich bedrohten. Gleichzeitig musste Franz einen herben Rückschlag in Italien hinnehmen: Im Frühjahr 1521 fand sich dort der einst Frankreich so gewogene Papst Leo X. zu einem Bündnis mit dem Kaiser bereit, das unter anderem den Sforza wieder zur Herrschaft über Mailand verhelfen sollte16. Überdies überging der Papst die alte Vereinbarung über die Nachfolge Franz’ im Königreich Neapel, wo mit Ferdinand von Aragón mittlerweile der letzte Herrscher aus der alten Dynastie verstorben war, und erteilte Karl V. im Juni 1521 die Investitur.

Unter diesen Begleitumständen erwuchs aus einer ursprünglich wohl als begrenztes Störmanöver konzipierten Aktion in der zweiten Jahreshälfte 1521 eine ernsthafte kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich. Noch im Verlauf des Jahres 1521 fand Franz I. sich allerdings bereit, eine vom englischen König Heinrich VIII. vorgeschlagene Vermittlung zu akzeptieren. Doch führten die in Calais und Brügge unter dem Vorsitz des Kardinals Wolsey geführten Verhandlungen zu keinem Ergebnis, während sich im französisch-flandrischen Grenzgebiet, in den Pyrenäen und auch in Oberitalien die Kämpfe zwischen den französischen und den kaiserlichen Truppen ausweiteten. Eine kaiserliche Offensive in Nordfrankreich kam nach Anfangserfolgen zwar zum Erliegen, doch entwickelte sich die Lage in Mailand, wo die französischen Truppen sich nur noch in einigen befestigten Stellungen halten konnten, sehr zu Frankreichs Ungunsten. Franz I. wäre in diesem Augenblick zu einem Waffenstillstand wohl bereit gewesen. Die Vermittlungsgespräche scheiterten jedoch Ende November 1521 endgültig an der abweisenden Haltung des Kaisers. Kurz darauf nahm Heinrich VIII., der für den französischen König wenig Sympathien hegte, ein kaiserliches Bündnisangebot an und wechselte im Frühjahr 1522 in das Lager Karls V. über – eine Allianz, zu der wegen seiner territorialpolitischen Interessen in Italien nun auch der Heilige Stuhl stieß.

Frankreichs Lage verschlechterte sich angesichts mehrerer mächtiger Gegner zusehends. Vor allem die zunehmende Knappheit der finanziellen Ressourcen wirkte sich ungünstig auf militärische Aktionsfreiheit aus. Im September 1523 überwarf sich überdies der Konnetabel von Bourbon, einer der erprobtesten französischen Militärs und wichtigsten Würdenträger des Hofes, mit dem König. Entzündet hatte sich der Streit an der Ausnahmestellung der von Bourbon innegehabten Domänen, die aufgrund überlieferter Rechte königlicher Kontrolle weitgehend entzogen waren. Als Bourbon unzufrieden über die Behandlung, die der König ihm hatte angedeihen lassen, in die Dienste Karls V. trat und bald darauf an der Spitze kaiserlicher Truppen Südfrankreich zu bedrohen begann, zog ihm Franz I. mit einem Entsatzheer in Person entgegen. In Südfrankreich angekommen, fasste der König den Entschluss, nach Mailand weiterzuziehen, um diese Schlüsselstellung zurückzugewinnen. Nach einigen Anfangserfolgen, ja sogar einer zeitweiligen Wiedereroberung Mailands, erlitten die französischen Truppen im Februar 1525 bei Pavia jedoch eine vernichtende Niederlage. Der König selbst geriet in kaiserliche Gefangenschaft.

Franz I. wurde zunächst im italienischen Pizzighettone gefangen gehalten und im Mai 1525 nach Spanien verbracht. Die Bedingungen, die ihm der Kaiser dort für einen Friedensvertrag stellte, waren außerordentlich hart. Schon indem Karl V. Franz aufforderte, ihn zur Kaiserkrönung nach Italien zu begleiten und einem gemeinsamen Kreuzzug gegen die Türken zuzustimmen, mutete er ihm eine symbolische Unterordnung unter die kaiserliche Autorität zu. Gewaltig waren erst recht die Forderungen in territorialer Hinsicht: Sie umfassten nicht weniger als den Verzicht auf alle von der Krone Frankreich in Italien beanspruchten Rechte sowie auf alle seit der Zeit Ludwigs XI. an den nördlichen Landesgrenzen erworbenen Gebiete, also auf Therouanne, Hesdin, Cambrai und sein Umland, ferner auf die beanspruchte Souveränität über Flandern und Artois, sodann auf die Provence, die künftig dem auch in seinen gesamten früheren Besitz wieder einzusetzenden Konnetabel von Bourbon als eigenständiges Königreich zufallen sollte, und schließlich auf das westlich der Saône gelegene Herzogtum Burgund.

Einigen der an ihn herangetragenen Forderungen wollte Franz zustimmen, auf andere antwortete er zurückhaltend. Was Bourbon betraf, so war er bereit, ihn wenigstens in seinem alten Besitz zu bestätigen. Zum Stillstand kamen die Verhandlungen über dem Schicksal Burgunds. Der hartnäckigen Forderung Karls V. nach der Abtretung dieses Herzogtums, die der Kaiser als legitime Rückkehr eines entfremdeten Teiles aus dem burgundischen Erbe an das Haus Habsburg empfand, setzte Franz eine ebenso hartnäckige Weigerung entgegen. Der König berief sich dabei auf das im französischen Kronrecht verankerte Verbot der Veräußerung von Krongut17 und wollte sich äußerstenfalls zu einer Überprüfung der beiderseitigen Rechtsansprüche vor dem Pariser Parlament, der obersten Instanz der königlichen Rechtsprechung, verstehen18. Seine Entschlossenheit, in diesem Punkt nicht nachzugeben, unterstrich er durch die demonstrative Abdankung zugunsten seines ältesten Sohnes, für den Louise von Savoyen künftig die Regentschaft führen sollte. Die Verhandlungsposition des Königs verbesserte sich allerdings deutlich, als es Louise nach unablässigen diplomatischen Demarchen gelang, den englischen König aus der Allianz mit Karl V. herauszulösen und im August 1525 mit ihm gar noch ein Defensivbündnis zu verabreden.

Somit war ein Stillstand eingetreten, den bald zu beenden beide Seiten gleichermaßen interessiert waren: Karl V. musste die Situation im Reich im Blick behalten, wo die Reformation zunehmend Erfolge verzeichnen konnte, und war auch wegen der türkischen Erfolge vor den Toren Ungarns beunruhigt. In Frankreich förderte trotz der tüchtigen Regentschaft Louises von Savoyen19 die Abwesenheit des Königs den Anspruch der großen Kroninstitutionen wie der Parlamente auf politische Mitsprache und entzündete ständischen Sonderwillen. So erklärt sich, dass Karl V. schließlich gegen den ausdrücklichen Rat seines Kanzlers Gattinara bereit war, Franz I. auf das bloße Versprechen der Abtretung Burgunds hin ziehen zu lassen, und so erklärt sich auch, dass Franz I. am 14. Januar 1526 in Madrid einen Vertrag unterzeichnete, der diese bislang strikt abgelehnte Zession Burgunds enthielt – einen Vertrag, den er allerdings nicht zu erfüllen gedachte, da er die Abmachung am Tag zuvor in einem geheimen Protokoll bereits für nichtig erklärt hatte20. Neben den territorialen Vereinbarungen, d.h. dem französischen Verzicht auf Burgund, auf die Lehnshoheit über Flandern und Artois sowie auf alle italienischen Ansprüche (neben Mailand auch Neapel-Sizilien, Asti und Genua) und dem Versprechen der Wiedereinsetzung Bourbons in seinen französischen Besitz, enthielt der Vertrag noch zwei weitere Klauseln von Bedeutung: Verabredet wurden die Vermählung Franz’ I. mit Karls V. Schwester Eleonore von Portugal und – im Austausch für die Freiheit des Königs – die Überstellung des französischen Dauphin und seines jüngeren Bruders nach Spanien, wo sie als Geiseln für die Erfüllung des Vertrags bürgen sollten.

WBG Deutsch-Französische Geschichte Bd. III

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