Читать книгу Mobilfunk kommt, der Rechtsstaat geht - Rainer Bartelt - Страница 4

...der Rechtsstaat geht

Оглавление

Mobilfunk gibt es in Deutschland seit mehr als einem halben Jahrhundert. Anwohner ebenfalls. Und doch gibt es wenigstens eine Kernfrage des direkten nachbarschaftlichen Zusammenlebens, die noch vollkommen ungeklärt zu sein scheint, sowohl praktisch, als auch juristisch gesehen. Diese Frage lautet kurz, knapp und allgemeinverständlich formuliert:

Ist es eigentlich rechtlich zulässig und technisch unbedenklich, dass private Gartenbäume im unmittelbaren Funkfeuer liegen, soll heißen: innerhalb der von der Aufsichtsbehörde berechneten Sicherheitsabstände?

Viele Anwohner mögen glauben, ihr Gartenzaun würde sie vor Grenzwertüberschreitungen schützen. Das ist jedoch mitnichten so. Denn von Anfang an durften die Netzbetreiber jeden beliebigen, öffentlichen wie privaten Luftraum rund um ihre Funkstandorte mitbenutzen. Zumindest so lange, wie keine Wohn- und für Personen gedachten Aufenthaltsräume davon in unmittelbare Mitleidenschaft gezogen wurden.

Dann aber änderte sich die Rechtslage plötzlich – mit Einführung der LTE-Technik: 2013 wurde die betreffende Immissionsschutz-Verordnung dahingehend nachgeschärft, dass man als Angehöriger der Allgemeinheit, also insbesondere auch als unmittelbarer Anwohner, selbst dort vor Überschreitungen der gesetzlichen Grenzwerte für elektromagnetische Hochfrequenz-Strahlung, sprich vor allzu starker Mobilfunk-Strahlung geschützt sein sollte, wo man sich als normaler Mensch üblicherweise nur vorübergehend aufhalten würde. In beziehungsweise auf seinem eigenen Gartenbaum zum Beispiel, falls dies irgendwann einmal erforderlich sein sollte.

Vom Grundsatz her ausgesprochen unangenehm für alle Netz- und Mobilfunk-Betreiber: Bis dahin hatten sie sich wegen des ihre angemieteten Funkstandorte umgebenden Privat-Grüns keinen großen Kopf machen müssen. Doch nun – inzwischen schreiben wir schon das Jahr 2017 – ging ein in Sachen Technik nicht ganz unerfahrener Anwohner vor das Göttinger Verwaltungsgericht und klagte wegen eines damals kaum 1,5 Meter hohen, gerade eben frisch gepflanzten Amberbaums. Welcher zu der Zeit allein auf Grund seiner kleinen Größe aus Sicht der Netzbetreiber zwar absolut vernachlässigbar war, normalerweise jedoch recht schnell zu schwindelerregenden Höhen heranwachsen kann. Weswegen der Streit stiftende Baum auch schon nach fünfzehn bis maximal zwanzig Jahren mit den damals geltenden Sicherheitsabständen der benachbarten Funkantennen in Konflikt geraten musste.

So jedenfalls die Befürchtung des Anwohners, daher sein Widerspruch und die nachfolgende Klage. Aus Sicht der Betreiber war das natürlich überhaupt kein Grund, die bestehenden Funkanlagen nicht doch wie geplant erweitern zu lassen. Selbstverständlich mit dem ausdrücklichen Segen der Bundesnetzagentur!

Da sein Widerspruch gegen die Erweiterung des Funkstandortes also abgewiesen worden war, klagte der betroffene Anwohner in aller Form gegen die Behörde, bekam das Gericht aber nie zu sehen, sondern lernte stattdessen eine ihm bis dahin vollkommen unbekannte Seite unseres Rechtsstaates kennen. In der solche Angelegenheiten von allgemeinem Interesse ganz ohne Kläger verhandelt werden, Richter die Rechtslage nicht kennen, Grenzwerte nicht eingehalten werden und Sicherheitsangaben nicht stimmen müssen. Wie er als kleiner „Bauer“ in diesem falschen „Spiel“ am Ende aber dennoch zu seinem Recht kam – trotz eines verlorenen Prozesses – und was dies für andere Mobilfunk-Anwohner in Deutschland bedeutet, davon handelt dieses Buch.

Mobilfunk kommt, der Rechtsstaat geht

Подняться наверх