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Das Göttinger Verwaltungsgericht

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Aber auch dann, wenn darauf abzustellen ist, ob sich künftig Personen – z. B. im Rahmen von Baumpflegemaßnahmen – innerhalb des Sicherheitsabstandes aufhalten könnten, gehörte der Luftraum hinter der Grenze zum Grundstück des Klägers zum kontrollierbaren Bereich.“

Aus dem Urteil 4 A 345/17 des Göttinger Verwaltungsgerichts vom 6. Juni 2019

Endlich, gut drei Wochen nach der mündlichen Verhandlung, erhielt ich die langersehnte Kopie des Gerichtsurteils von meinem Rechtsanwalt. Als erste von insgesamt zwei Antworten auf meine Gartenbaum-Frage präsentierte mir das Gericht neben vielen anderen Aussagen zur Sache den oben zitierten Entscheidungsgrund für sein ablehnendes Urteil.

Dummerweise weiß niemand, der die sogenannte BEMFV, die für jede bundesdeutsche Standortbescheinigung kriegsentscheidende „Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder“, nicht kennt, was um Himmels willen eigentlich dieser „kontrollierbare Bereich“ sein soll? Daher nachfolgend ein kurzer Erklärungsversuch:

Zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs war der kontrollierbare Bereich laut § 2 der BEMFV „der Bereich, in dem der Betreiber über den Zutritt oder Aufenthalt von Personen bestimmen kann oder in dem aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse der Zutritt von Personen ausgeschlossen ist“. Darüber hinaus verfügt § 5 der Verordnung: „Die Anlage darf nur betrieben werden, wenn sich innerhalb des standortbezogenen Sicherheitsabstands keine Personen aufhalten, es sei denn aus betriebstechnischen Gründen.“

Wie kann es also möglich sein, dass die benachbarten Funkanlagen laut Gericht auch dann betrieben werden dürfen, sofern ich selbst höchstpersönlich „innerhalb des standortbezogenen Sicherheitsabstands“ Baumpflegearbeiten verrichte, oder ganz allgemein gesprochen: Falls ebenso arg- wie ahnungslose Kinder oder Jugendliche im Baum herumklettern sollten?

Um damit nur ein Beispiel zu nennen für eine heutzutage vielleicht nicht mehr ganz so übliche Gartenbaum-Nutzung, das aber nichtsdestotrotz viele Eltern beunruhigen könnte. Auch solche ohne eigenen Garten, denn Bäume, in die man als Kind oder Jugendlicher vielleicht klettern möchte, stehen fast überall herum. Wenn es sein muss, auch auf Spielplätzen und in öffentlichen Parks!

Als Begründung für seine auch auf den zweiten Blick überraschende Aussage zitiert das Göttinger Verwaltungsgericht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2010 mit dem Aktenzeichen 6 A 10813/09:

Für den nur vorübergehenden Aufenthalt in solchen Bereichen bedürfen Personen nämlich nicht des durch die Grenzwerte der 26. BImSchV gewährleisteten, für ein regelmäßiges längeres Verweilen erforderlichen Schutzniveaus.“

Als ich diese Zitat zum ersten Mal las, dachte ich sofort: „Wow, hätte ich bloß früher gewusst, dass die Grenzwert für kurze Zeitintervalle nicht gelten – wahrscheinlich hätte ich dann von vornherein auf eine Klage verzichtet!“, und ärgerte mich über mich selbst. Denn die relativ überschaubare Mühe, die vom OVG Rheinland-Pfalz zitierte 26. BImSchV vor dem Prozess zu studieren, hatte ich mir leichtfertigerweise erspart. Wohl im grenzenlosen Vertrauen auf die ebenso tiefgehenden wie lückenlosen Rechtskenntnisse meines ausgesprochen jung-dynamischen Rechtsanwalts. Mit einem Mal erschien mir diese Annahme möglicherweise eine ziemlich fatale Fehleinschätzung gewesen zu sein!

Was ich damals allerdings noch nicht wusste, war, dass nicht nur ich, sondern ebenfalls auch das Göttinger Verwaltungsgericht den genauen Wortlaut dieser für den Ausgang unseres Verfahrens nicht ganz unwesentlichen Immissionsschutzverordnung überhaupt nicht kannte. So war meine Verwunderung nicht gering, als ich bemerkte, dass sich das im Urteil zitierte OVG kurz darauf selbst widersprach:

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