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5 – Ablösung

Veränderungen sind weder die Ursache, noch die Lösung für Probleme. Auch die Tatsache, dass Veränderungen immer eine Anpassung bestehender und als sicher empfundener Umstände mit sich bringen, sollte nicht als Grund vorgeschoben werden, sie zu fürchten.

Viel bedeutsamer als die Veränderungen selbst sind die Zeiträume, in denen solche Veränderungen geschehen und die Menschen, die solche Veränderungen zulassen. Sie entscheiden über die Wege, die die Gemeinschaft einschlägt.

In den Zeiten des Chaos führten viele Wege in die Vernichtung. Lernen wir daraus.

Aus den Chroniken

Bor’sha erschien nicht zur Ablösung.

Dor’El wunderte sich, als sie das Chrono betrachtete. Das war noch nie vorgekommen. Es waren schon viele Cents über der Zeit. Wo blieb Bor’sha? Sollte sie den CMTech rufen?

Vorsichtig lugte sie durch den Türspalt und sah nur den Prätor auf seiner üblichen Position. Sonst war niemand im Gang zu sehen.

Eine Stunde verging. So langsam bekam sie Hunger und die Zeit der vergangenen Schicht machte sich auch bei anderen Körperfunktionen bemerkbar.

Da hörte sie plötzlich Stimmen und Schritte auf dem Gang. Ängstlich drückte sie sich in den Beobachtungssitz, denn diese gleichmäßigen Schritte waren so bekannt wie gefürchtet: eine Patrouille der Prätoren kam auf sie zu.

Als sie die Schritte direkt vor der Tür stoppen hörte, schnappte sie sich das Log wie zum Schutz und presste es an ihre Brust. Deutlich spürte sie ihr Herz klopfen und sie hielt den Atem an.

Doch die Tür wurde nur langsam aufgeschoben, ohne aus der Schiene zu springen und der CMTech betrat den Raum.

Das brachte sie dazu, sich ein wenig zu entspannen, doch seine Worte brachten die Spannung sofort wieder zurück: „Bor’sha wird dich nicht mehr ablösen“, begann er und machte eine Pause.

Dor’El atmete schnell und tief durch.

Er blickte zu Boden und sie hörte aus den Geräuschen vor der Tür heraus, wie der Prätor durch die neu angekommene Patrouille abgewechselt wurde und wieder Position bezog.

Da sie nichts sagte, fuhr er fort: „Du wirst dich wundern, aber das ist wirklich auch ungewöhnlich, wie …“, und er blickte auf die Frau und machte eine umfassende Handbewegung, „… alles andere hier auch.“

„Nun, im Gegensatz zu dir, konnte Bor’sha sich nicht an die Vorschriften halten und hat über ihre Tätigkeit geplaudert. Dass dies ein Verstoß gegen den Kodex ist, muss ich dir nicht sagen.“

Sie nickte und blickte zu Boden. Sie wollte dazu lieber nichts sagen. Was mit Bor’sha passieren würde, mochte sie sich nicht vorstellen.

„Aus diesem Grund wird dir eine neue Ablösung zugeteilt. Dummerweise können wir dafür aber nicht jede MTech gebrauchen, denn das hier ist ja eine besondere Situation.“

Seine Stimme klang extrem angespannt, fand Dor’El und sie war froh, nicht darauf antworten oder reagieren zu müssen. In ihrem Kopf spukten die Bilder von Prätoren herum, wie sie Bor’sha abholten und … Es schüttelte sie bei diesen Gedanken und sie versuchte schnell, diese Bilder wieder aus ihrem Kopf zu verdrängen.

„Ich werde dich hier eine halbe Schicht lang ablösen und dann sehen wir weiter.“

Der CMTech legte einen Kom, das er mitgebracht hatte, auf den Tisch und streckte die Hand nach dem Log aus.

„Bitte sei pünktlich wieder da“, ließ er noch von sich hören. Dor’El dachte nicht weiter darüber nach und nahm sofort die Gelegenheit wahr, schnell den Raum zu verlassen.

Dabei wäre sie beinahe über den zweiten Prätor gestolpert, der jetzt auf der anderen Seite der Türöffnung stand.

Zwei Prätoren?

Vorhin war es nur einer gewesen. Hier hatte sich also schon wieder noch mehr verändert, als sie sich vorgestellt hatte. Seltsam.

Als sie sich von ihnen entfernte, kam es ihr so vor, als ob sich die Blicke der beiden Prätoren immer noch in ihren Rücken bohrten. Dennoch wagte sie es nicht, sich umzudrehen, sondern ging mit schnellen Schritten aus diesem Teil der Klinik den Gang weiter, in Richtung ihrer Unterkunft.

An jeder Kreuzung standen jetzt Doppelposten der Prätoren.

Seit wann übernahm ein CMTech Überwachungsaufgaben, die sonst nur einer MTech zugewiesen wurden?

Warum jetzt diese vielen Posten?

Sie war so in Gedanken, dass sie nicht sofort bemerkte, dass sie nicht den direkten Weg ging. Sie hatte einen Weg eingeschlagen, der sie an anderen Räumen der Klinik vorbeiführte. Nur kurz blickte sie hinein, aber es schien, als ob viele der angrenzenden Untersuchungsräume jetzt offenbar leer standen.

Schon wollte sie sich Gedanken auch dazu machen, überlegen, ob das zum letzten Schichtbeginn auch so war, aber mit den Prätoren, die in den Gängen patrouillierten, den Posten an den Kreuzungen und dem Wissen, dass sie nur eine halbe Schicht für ihre Regeneration hatte, beeilte sie sich, dieses beiseite zu schieben und schnell in ihre Unterkunft zu gelangen.

Große Ruhe fand sie nicht und sie konnte auch kaum etwas essen, da sich ihr Magen wie ein großer Ball anfühlte. Das waren alles so viele Veränderungen in so kurzer Zeit. Auf so etwas hatte man sie in der Bildung nicht vorbereitet. Dor’El hatte große Angst, Fehler zu machen. Fehler, die die Frau gefährden könnten und auch sie in Gefahr brachten.

Darüber schlief sie dann doch ein und erst das Schrillen des Alarms riss sie aus einem dunklen Traum: die halbe Schicht war vorbei – sie musste sich wieder auf den Weg machen.

Ein Blick zum Chrono zeigte, dass die Zeit für den Erfrischer nicht reichen würde. Schnell fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare, schnappte sich einen frischen Kittel und hastete los.

Mit etwas schwereren Schritten als sonst trabte sie durch die Gänge der Klinik zu ihrer Tätigkeit. Es waren nur wenige andere MTech zu dieser Zeit unterwegs – es war ja auch nicht die Zeit des üblichen Schichtwechsels.

Die Türen zu den anderen Räumen, an denen ihr Weg sie vorbeiführte, standen jetzt nicht mehr offen. Dor’El hätte sich gern vergewissert, wie es dort aussehen würde, aber sie wagte es nicht, von ihrem Weg abzuzweigen, sondern steuerte direkt den Gang zum Raum ihrer Tätigkeit an.

Am Hauptplatz der Klinik stand eine Doppelwache der Prätoren und sie zog einen ihrer ID Clips vom Kittel ab, als sie vom Gang her einbog. Doch als sie näherkam, hob einer der Prätoren bereits die behandschuhte Hand und deutete auf den hinter ihm liegenden Gang. Keine Kontrolle. Gut. Dor’El hasste Kontrollen. Sie fürchtete sich vor jeder Begegnung mit den Prätoren und steckte sich den Clip schnell wieder an.

Diese großen, dunklen Gestalten in ihren schwarzen Rüstungen mit den langen, ebenfalls schwarzen Umhängen in den hohen Stiefeln, natürlich auch schwarz und den Helmen, die über die Augen gingen, machten ihr Angst. Sie fürchtete sich schon vor dem Anblick dieser Gestalten. Von ihnen kontrolliert oder festgehalten zu werden, war ihr größter Alptraum.

Zwei dieser Prätoren, die sich voneinander nicht unterschieden, flankierten den Eingang zu ihrem Tätigkeitsraum.

Sie rührten sich auch nicht, als Dor’El näherkam.

Zur Vorsicht hielt sie schon die Hand an ihre ID Clips, aber die beiden Prätoren reagierten nicht.

Langsam streckte Dor’El die Hand aus und schob die Tür auf.

Der CMTech war nicht da.

Er hatte ihr zwar gesagt, dass sie keine Angst zu haben brauchte, aber dennoch verspürte sie heute eine größere Unruhe als sonst, als sie den Raum betrat – und wenige Clicks später wusste sie auch warum:

Es war nicht der leere Raum oder die blinkenden Anzeigen am Pult und den Wänden. Sie hatte zwar erwartet, den CMTech hier zu einer geregelten Schichtübergabe anzutreffen und der war nicht da, aber das war es nicht, was ihr sofort auffiel – es war der Anblick der Frau, der sie sofort ans Fenster springen ließ.

Die Frau lag wieder flach auf dem Tisch und hatte den Kopf zur Decke gedreht, aber das Seltsamste war: Ihre Arme und Beine wurden durch glänzende Bänder gehalten.

Die Frau war gefesselt!

In den letzten Tagen hatte sie viel Zeit damit verbracht, den wenigen Bewegungen der Frau zuzuschauen, aber warum hatte man sie jetzt an den Tisch gefesselt?

Sie hatte sich kaum bewegt, solange Dor’El sie beobachtete. Sollte sie sich gar nicht bewegen können? Wer störte sich daran? Ging von ihr eine Gefahr aus?

Dor’El war geschockt.

Was genau ging hier wirklich vor?

Wollte man nicht, dass die Frau erwachte?

War das Aufwachen ein Problem?

War das der Grund, warum der CMTech einen Teil ihrer Schicht übernommen hatte?

Gab es deshalb diese verstärkte Präsenz der Prätoren in den Gängen?

So viele Fragen.

Dor’El sank auf den Stuhl und versuchte, das Log zu lesen.

Neben den belanglosen Aufzeichnungen zu den Messwerten hatte der CMTech nur vermerkt: „Sicherungsfixierung notwendig.“

Eine solche Fixierung kannte sie nur aus solchen Fällen, bei denen die Gefahr droht, dass die Patienten versehentlich vom Tisch fallen oder unter Krämpfen litten. Das war hier aber doch nicht der Fall. Oder etwa doch?

Ob sie ihn fragen sollte? Den CMTech? Das Hinterfragen von Anweisungen des CMTech war sehr riskant. Eigentlich war es sogar überhaupt nicht zulässig. Das hier war in jeder Beziehung außerhalb jeglicher Norm. Sie hatte seine Anweisungen zu befolgen. Mehr nicht. Immerhin wunderte sie sich, dass sie das überhaupt in Erwägung zog.

Dor’El hatte großes Mitleid mit der Frau.

Immerhin hatte man ihr den Kopf nicht fixiert.

Sie klopfte vorsichtig an die dicke Scheibe. So, dass es spürbar wurde, aber nicht zu laut zu hören war. Sie lauschte auf der anderen Seite auch nach den Prätoren. Wenn sie deren Aufmerksamkeit erweckte, würden sich ihre Ängste erfüllen.

Ihre Hoffnung erfüllte sich: Die Frau schien sie gehört zu haben, denn sie öffnete die Augen und drehte langsam den Kopf zum Fenster.

Wieder blickte Dor’El in diese tiefblauen Augen und sie vermeinte in diesen blauen Augen eine endlose Traurigkeit aufsteigen zu sehen. Auch sie fühlte, wie sich diese Traurigkeit auf sie legte.

„Ich kann nichts für dich tun.“ Wegen der Prätoren sprach Dor’El leise, aber sehr betont. Sie hoffte, die Frau würde sie trotz der dicken Scheibe verstehen. Dann zuckte sie zusammen und wirbelte herum, doch das scharrende Geräusch, welches sie während ihrer letzten Worte gehört hatte, schien nur vom Schild des einen Prätors zu kommen, der vor der Tür stand. Der Prätor. Hatte der was mitbekommen? Nein, jetzt waren es ja sogar zwei, die vor der Tür Wache hielten. Hatten beide wirklich nichts gemerkt?

Es kribbelte in ihrem Nacken und sie strich sich über die Haare.

Was konnten diese dunklen Gestalten in ihren tiefschwarzen Rüstungen überhaupt wahrnehmen? Sie hatte sich immer schon gefragt, was sie durch die dunkle Sichtscheibe der Helme sehen und was sie unter diesen Helmen hören konnten. Fragen konnte sie niemanden. Es wäre als Hinterfragen von Anweisungen der Älteren aufgefasst worden. Das ging sie nichts an. Das stand unter Strafe. So war es Teil ihrer Bildung gewesen.

Niemand fragte. Irgendetwas stimmte mit ihr nicht.

Einen wirklichen Grund für ihr Interesse an den Rüstungen der Prätoren zu äußern, konnte sie sich nicht erklären. Seit einigen Tagen kamen in ihr wieder diese Fragen hoch. Seltsame Fragen, bei denen sie auch darüber nachdachte, wie ihr Interesse im Sinne des Kodex stand. Wieder wurde ihr ein wenig schwindelig und sie ließ sich auf den Beobachtungssitz nieder.

Ihr fiel jetzt auf, dass sie neuerdings immer wieder etwas hinterfragte. Das wurde langsam schwierig für sie, wenn sie sich von diesen Gedanken nicht lösen könnte. Sie würde Probleme bekommen. War sie krank? War diese Veränderung eine Folge der intensiven Beobachtung dieser Frau? Sollte sie den CMTech um Ablösung aus dieser Tätigkeit bitten und sich dann zur Meditation bei den Älteren melden?

Sie hielt inne: Zur Meditation bei den Älteren melden?

Wie war sie jetzt darauf gekommen?

War das nicht das, was sie unbedingt vermeiden musste? Sie fürchtete sich doch davor, von den Prätoren verhaftet zu werden, weil man sie dann vor den Rat der Älteren bringen würde.

Sie wollte aber nicht vor die Älteren gebracht werden. Diese Konsequenz war Teil ihrer Bildung: Wer nicht nach dem Kodex lebte, musste unter Anleitung der Älteren neu eingewiesen werden.

Das steckte tief in ihrem Inneren, aber … es erschreckte sie.

Nein.

Das ging nicht. Wenn sie vor die Älteren treten musste, würde vielleicht offenbar, dass sie immer wieder Dinge hinterfragte.

Was daraus dann werden würde, machte ihr Angst.

Vielleicht sollte sie lieber von sich aus in der Lib nach einem Pad mit einer Gesamtausgabe des Kodex fragen und sich damit bei den Älteren zur Auffrischung ihrer Bildung melden?

Nein, das war es auch nicht.

Auch das könnte dazu führen, dass man sie vorzeitig einer anderen Tätigkeit zuführte. Nein, das war nicht das, was sie wirklich wollte.

Das war doch auch … der falsche Weg.

Versunken in diesen Gedanken drehte sie sich im Sitz wieder direkt vor das Beobachtungsfenster und versank in den Anblick der an das Bett gefesselten Frau.

Die Frau hatte den Kopf zur Seite des Fensters gedreht und die Augen geöffnet.

Diese tiefblauen Augen.

Ihr Blick ging Dor’El durch und durch. Sie versank in der tiefen Traurigkeit im Blick dieser Augen und ihr Mitleid mit dieser Frau überstieg alle anderen Gefühle, die sie aufzubringen vermochte.

Wieder klirrte etwas an der Tür.

Sie schrak hoch.

Wie viel Zeit mochte bereits vergangen sein?

Als die Tür langsam aufgeschoben wurde, ging ihr Blick schnell zum Wandchrono: ihre Schicht war vorbei. Dor’El schüttelte den Kopf. Sie konnte sich kaum erinnern, heute irgendetwas gemacht zu haben. Hatte sie die ganzen Stunden hier am Fenster verbracht? Vermutlich.

Eine zierliche Gestalt im Kittel einer MTech drückte sich durch den Türspalt.

„Ich grüße dich“, begann diese.

Dor’El nickte nur stumm. Sie blickte an der MTech vorbei, aber niemand folgte ihr.

„Ich bin Rag’ne und löse dich ab.“ Ein schüchternes Lächeln. „Ich bin neu hier. Das ist meine erste Tätigkeit.“

Dor’El betrachtete ihre Ablösung, während diese sich vorsichtig das Log nahm. Der Kittel war ein wenig zu groß. Sie hatte die Ärmel aufgerollt und der untere Saum des Kittels ging bis weit über das Knie. Dor’El fragte sich, warum man für diese MTech keinen passenden Kittel im Magazin gefunden hatte - oder lag es daran, dass diese MTech so besonders klein und zierlich war, dass es für sie keine passenden Kittel gab?

Nein.

Nur keine weiteren Fragen. Das alles hatte mit Sicherheit einen guten Grund.

„Alles in Ordnung?” Die Frage von Rag’ne riss Dor’El aus ihrer Betrachtung.

„Ja, natürlich.” Dor’El lächelte und fragte schnell zurück: „Alles verstanden?”

„Ist mir alles noch ein wenig neu, aber vielleicht kommt das noch”, antwortete Rag’ne schüchtern und blätterte durch die Einträge im Log.

Dor’El brachte die Dienstübergabe hinter sich, drückte sich zwischen den Prätoren durch und war froh, als sie den Hauptgang der Klinik hinter sich gebracht hatte.

Gerade wollte sie sich noch einen Wasserzylinder aus der Halterung im Gang ziehen, um sich dann in ihre Unterkunft zu begeben, da durchfuhr sie ein Gedanke wie ein Blitz: Und was wäre, wenn sie sich tatsächlich zur Lib begab, dort aber nicht den Kodex studierte, sondern … – sondern was?

Etwas anderes?

In der Lib würde sie bestimmt Antworten auf viele ihrer Fragen finden. Vielleicht war es das Risiko ja wert?

Die Lib.

In ihrer Bildung hatte sie erfahren, dass alles Wissen der Gemeinschaft in der Lib gespeichert wurde. Was eine MTech durch die Bildung erhielt, kam aus der Lib.

Könnte sie dort auch anderes Wissen erhalten? Wissen, welches über das einer MTech hinaus ging?

Sie schüttelte den Kopf.

In all den vielen Zyklen, in denen sie schon den Dienst in der Klinik versah, war sie nie auf solche Gedanken gekommen. Was war jetzt nur mit ihr los?

Sie kratzte sich am Nacken.

Es waren so viele Zyklen, die sie mit der Überwachung der Vitalfunktionen der schlafenden Frau verbracht hatte, dass sie … Sie hätte beinahe den Wasserzylinder fallen lassen und musste sich an der Wand abstützen. Alles verkrampfte sich in ihr. Ihr wurde übel. War sie krank?

Woher kamen diese Gedanken?

„Wie viele Zyklen waren das?“

Eine andere MTech kam gerade durch den Gang, sah sie und kam auf sie zu.

Dor’El schüttelte den Kopf und versuchte ein Lächeln. Nein, sie brauchte keine Hilfe.

Die MTech stoppte kurz und nahm dann ihren Weg wieder auf.

Dor’El atmete tief durch. Auffallen wollte sie schon gar nicht. Nichts war schlimmer, als sich den Ältesten gegenüber einfinden zu müssen. Warum eigentlich? Auch darauf hatte sie keine Antwort. Den Gedanken an eine Meditation unter der Anleitung der Älteren hatte sie bereits verworfen. Zu groß war ihre Angst vor dem, was sich daraus entwickeln könnte. Obwohl sie aus ihrer Bildung wusste, dass dies unter gewissen Umständen angeraten war, hatte sie noch niemanden erlebt, der nach einer solchen Prozedur wieder zu seiner alten Tätigkeit zurückgekehrt war – und sie wollte um keinen Preis der Welt die täglichen Stunden mit der fremden Frau missen.

Es wurde immer schlimmer. Sie fühlte sich elend. Dor’Els Welt war zu einem Chaos aus Fragen und wirren Gedanken geworden. War das die „Endkrankheit“, von der sie gehört hatte? Es war für sie bestimmt noch nicht an der Zeit. Was gab es noch für Symptome? Sie konnte ihre Gedanken kaum sortieren.

Fast schon hastig stolperte sie die kurze Strecke zu ihrer Unterkunft, öffnete schnell die Tür und beeilte sich, den Gang zu verlassen.

Endlich in ihrer Unterkunft, schlüpfte sie schnell aus ihren Sachen, stieg in den Erfrischer, kaute einen halben Nährwürfel, nahm einige Schlucke Wasser aus dem Zylinder und kroch auf ihr Bett. Erst dann kam sie einigermaßen wieder zu sich.

In ihrem Kopf drehte sich alles.

Viele Gedanken wälzte sie hin und her. Gedanken, zu denen sie keine Antworten hatte. Und immer mehr Fragen bildeten sich in ihrem Kopf. Fragen um Fragen. Sie fand keine Ruhe und wälzte sich von einer Seite auf die andere.

Ihre halbwegs zusammenhängenden Gedanken, die sie klar fassen konnte, sie drehten sich alle um die Frau und die Tatsache, dass diese jetzt aufgewacht war und plötzlich gefesselt dalag.

Die Frau, die zu beobachten ihre Tätigkeit war. Viele Zyklen lang. Sehr viele Zyklen. So viele Zyklen, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, jemals zuvor etwas anderes gemacht zu haben. Immer wieder tauchte der Anblick dieser traurigen Augen in ihren Gedanken auf.

Diese Augen.

Diese tiefblauen, traurigen Augen.

Ihre Aufgabe war die Überwachung der schlafenden Frau. Jetzt war sie erwacht.

Jetzt war sie gefesselt.

Ein Gedankenchaos.

Über diese Grübeleien schlief sie schließlich doch ein.

KAOTATU

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